T 2147/11 () of 25.9.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T214711.20140925
Datum der Entscheidung: 25 September 2014
Aktenzeichen: T 2147/11
Anmeldenummer: 00974504.3
IPC-Klasse: E04D 12/00
E06B 1/62
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FOLIENBAHN, FENSTERRAHMEN MIT EINER SOLCHEN BAHN UND VERWENDUNG DIESER BAHN
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: BOSIG GmbH
Fiberweb Blowitex GmbH
Moll bauökologische Produkte GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Zulassung eines neuen Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 228 281 (im Folgenden: Patent) betrifft eine mehrlagige wasserdampfdiffusions- offene bis -sperrende Folienbahn für den Baubereich im Bereich des Daches sowie im Bereich von Fenstern.

II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurden drei Einsprüche eingelegt. Die Einsprüche waren auf die Gründe der Artikel 100 (b) und 100 (a) EPÜ, für letzteren bezogen auf mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit, gestützt. Die Einspruchsabteilung hat das Patent mangels erfinderischer Tätigkeit aufgrund des Artikels 101 (3) (b) EPÜ widerrufen.

III. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) mit ihrer Beschwerde.

IV. In der als Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) und 17 (2) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde mit.

V. Die mündliche Verhandlung fand am 25. September 2014 in Anwesenheit der Beschwerdeführerin und der Einsprechenden I und III (im Folgenden: Beschwerde-gegnerinnen I und III) statt. Die ordnungsgemäß geladene Einsprechende II (im Folgenden: Beschwerdegegnerin II) war nicht erschienen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

VI. Die Beteiligten haben unter anderem auf folgende, bereits in der angefochtenen Entscheidung genannten Druckschriften Bezug genommen:

E4: DE29715660U1

E6: DE19507858A1

E7: "Technisches Merkblatt + Preisliste - SB-Vliesbutyl Duo", Schmid Baukunststoffe GmbH, 05/98, 2 Seiten

E9: DE29605456U1

Die E4 und E6 sind in der Patentschrift genannt (vgl. Absätze [0019] und [0020]).

VII. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), oder, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Anspruchssätze, eingereicht als Hilfsanträge 1 bis 4 mit Schriftsatz vom 16. November 2011.

Die Beschwerdegegnerinnen I bis III beantragten die Zurückweisung der Beschwerde und den Widerruf des Patents.

VIII. Ansprüche

Der unabhängige Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet folgendermaßen:

"1. Mehrlagige, wasserdampfdiffusionsofffene [sic] bis -diffusionssperrende Folienbahn (4, 4a) für den Baubereich im Bereich des Daches sowie im Bereich von Fenstern, wobei die Folienbahn aus einem wasser- und luftdichten Kunststoff als Mittellage und überputzbaren Außenlagen aus einem der Materialien Vlies, Gewebe, technischem Gewirke, Stricken, Glasfasern, verstärktem Papier, Folien oder dergleichen und einer randseitigen Selbstklebeschicht besteht, dadurch gekennzeichnet dass die Breite der Folienbahn (4, 4a) 5 bis 80 cm und die Dicke der Folienbahn 0,3 bis 1 mm beträgt und dass die Art des Klebstoffs der Selbstklebeschicht sowie die Breite (c) der Selbstklebeschicht derart aufeinander abgestimmt sind, so dass die Folienbahn (4, 4a) alleine durch Kleben und ohne mechanische Befestigung dauerhaft an Fensterprofilen (1) aus Kunststoff, Aluminium, Holz oder dergleichen und/oder an üblichen Wasserdampfsperrfolien (12) aus Polyolefinen oder dergleichen befestigbar ist. "

Der abhängige Anspruch 2 betrifft eine besondere Ausführungsform der Folienbahn gemäß dem Anspruch 1.

Der unabhängige Anspruch 3 betrifft einen Fensterrahmen mit einer angeklebten Folienbahn nach einem der Ansprüche 1 und 2. Der unabhängige Anspruch 4 betrifft eine Verwendung der Folienbahn nach einem der Ansprüche 1 und 2.

IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf E6 und E7

Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Das Verbunddichtband der E6 weise nicht die im Kennzeichen des Anspruchs 1 definierten Merkmale auf. Ferner lehre die E6 nur, dass dieses Verbunddichtband als Feuchtigkeitssperre zum Schutz vor eindringendes, flüssiges Wasser zu verwenden sei; eine Verwendung des Verbunddichtbands als Dampfbremse oder -sperre im Dach- oder Fensterbereich sei nicht offenbart.

Die E7 offenbare eine wasserdampfdiffusionssperrende Folienbahn für Fensteranschlussfugen. Diese Folienbahn zeige nicht das Merkmal des Anspruchs 1, dass die Folienbahn eine zweite überputzbare Außenlage aus einem Vlies oder dergleichen aufweist.

Demnach käme der E7 der beanspruchten Erfindung näher als die E6, entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung.

Ausgehend von der E7 löse die zweite überputzbare Außenlage aus Vlies oder dergleichen objektiv die Aufgabe, eine Folienbahn bereitzustellen, welche als Dampfsperre zur Abdichtung von innenseitigen Dach- und Fensteranschlussfugen ohne größeren Aufwand einsetzbar, insbesondere überputzbar, sei. Zur Lösung dieser Aufgabe zöge der Fachmann die E6 nicht heran, da sie sich nur mit einer Feuchtigkeitssperre befasse. Selbst wenn der Fachmann die E6 berücksichtigte, wäre es für ihn nicht naheliegend die selbstklebende Butylkautschuk-Schicht der Folienbahn gemäß der E7 mit einer zweiten Außenlage aus Vlies zu versehen, wie in der E6 offenbart, da er somit den Vorteil der selbstklebenden Eigenschaft der Butylkautschuk-Schicht verlöre.

Sollte der Fachmann die wasserdampfdiffusionssperrende Folienbahn der E7 so weit ändern wollen, dass sie nun wasserdampfdiffusionsoffen und mithin für einen Einsatz im Außenbereich geeignet wäre, hätte er erneut keine Veranlassung die E6 heranzuziehen, da die E6 ausschließlich eine Feuchtigkeitssperre offenbare. Demnach beruhte der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend der E7.

Sollte der Fachmann von der E6 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehen, hätte er keinen Anreiz, die E7 zu berücksichtigen, um die Befestigung des Verbunddichtbands der E6 zu vereinfachen, da die E6 und die E7 jeweils andere Abdichtungszwecke, Materialien und Befestigungslösungen betreffen. Außerdem führte die E7 von der beanspruchten Erfindung weg, da sie sowohl eine randseitige Selbstklebeschicht als auch eine selbstklebende Butylkautschuk-Schicht verlange. Demnach beruhte der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend der E6.

Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen:

Mit ihrem Vortrag zu der E6 setze sich die Beschwerdeführerin in Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag im vorangegangenen Prüfungsverfahren. Die Einspruchsabteilung habe in ihrer Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Folienbahn der E6 den nächstliegenden Stand der Technik bilde, dass der Anspruch 1 sich davon nur durch die Merkmale des Kennzeichens unterscheide, und dass die diesen Unterscheidungsmerkmalen zugrunde liegende objektive Aufgabe in der Bereitstellung einer Folienbahn gesehen werde könne, welche einfach befestigbar sei.

Für den Fachmann wäre es naheliegend gewesen, zur Lösung dieser objektiven Aufgabe das Verbunddichtband der E6 mit einer randseitigen Selbstklebeschicht gemäß der E7 zu versehen. Auf diese Weise gelangte er zu dem beanspruchten Gegenstand. Dieser beruhte mithin nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination der E6 und E7, wie von der Einspruchsabteilung entschieden.

Sollte der Fachmann alternativ von der E7 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehen, würde er in naheliegender Weise die Lehre der E6 heranziehen und eine zweite überputzbare Außenlage aus Vlies vorsehen, um die Anbringung der Folienbahn der E7 im Dachbereich zwischen einer Dampfsperrefolie und einer Giebelwand und das anschließende Verputzen zu erleichtern, oder alternativ, um die Folienbahn der E7 wasserdampf-diffusionsoffen gemäß der E6 auszugestalten, damit sie für den Einsatz im Außenbereich geeignet wäre. Demnach beruhte der Gegenstand des Anspruchs 1 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend der E7.

b) Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf E6 und E7

Im Laufe der mündlichen Verhandlung führte die Beschwerdegegnerin III erstmals im Beschwerdeverfahren aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die E4 und E9 beruhe.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf E6 und E7

1.1 Der Anspruch 1 verlangt inter alia, dass die beanspruchte Folienbahn: "wasserdampfdiffusionsoffen(e) bis -diffusionssperrend(e)" ausgeführt ist; für den Baubereich "im Bereich des Daches sowie im Bereich von Fenstern" geeignet ist; aus "einem wasser- und luftdichten Kunststoff" als Mittellage und "überputzbaren" Außenlagen besteht; und "alleine durch Kleben und ohne mechanische Befestigung dauerhaft an Fensterprofilen" und/oder "an üblichen Wasserdampfsperrfolien" befestigbar ist.

Aus diesem Wortlaut ergibt sich für einen fachkundigen Leser direkt und eindeutig, dass die beanspruchte Erfindung als zu verputzende Dampfbremse bzw. -sperre zur Abdichtung von Dach- und Fensteranschlussfugen im Außenbereich (wenn "wasserdampfdiffusionsoffen" ausgeführt) bzw. im Innenbereich (wenn "wasserdampfdiffusionssperrend" ausgeführt) eingesetzt wird, um die fachbekannten bauphysikalischen Anforderungen zum Schutz der Baukonstruktion gegen klimabedingte Feuchteeinwirkungen zu erfüllen.

Dieses Verständnis wird in der Patentschrift bestätigt (siehe Absätze [0012], [0013] und [0017]; die raumseitigen Fensteranschlussfugen in den Figuren 1 und 6; die raumseitige Dachanschlussfuge in der Figur 3; die außenseitigen Fensteranschlussfugen in den Figuren 5 und 6).

1.2 Offenbarung der E6

1.2.1 Die E6 offenbart ein flächiges Verbunddichtband mit einer feuchtigkeitssperrenden Kunststoffschicht, die ein- oder beidseitig mit einem saugfähigen, elastisch dehnbaren Flächenmaterial in Form von Vlies oder Gewirk verbunden ist (Ansprüche 1, 2 und 8), wobei das Verbunddichtband an seinen beiden Randseiten mittels flüssigen Klebstoffs und/oder Klettbändern an den Bauelementen befestigt wird. Das beidseitig vlieskaschierte Verbunddichtband der E6 stellt eine mehrlagige Folienbahn im Sinne des Anspruchs 1 dar, wobei die saugfähigen Vlies-Außenlagen ohne Weiteres überputzt werden könnten. In der E6 gibt es keine Angaben zu der Breite und der Dicke der Folienbahn und zu einer randseitigen Selbstklebeschicht.

1.2.2 Es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die E6 auf einen ähnlichen Zweck wie die Erfindung gerichtet ist.

1.2.3 Ziel der E6 ist es, ein Verbunddichtband zur Verfügung zu stellen, das "in der Bautechnik bei handwerklich einfacher Anwendung sichere, langzeitstabile Abdichtungen gegen Feuchtigkeitseinflüsse ermöglicht" (Spalte 1, Zeilen 3 bis 27). In der E6 heißt es ferner, dass das dort offenbarte Verbunddichtband mit einer "feuchtigkeitssperrende(n)" Kunststoffschicht "zum Abdichten von Flächen und Öffnungen, insbesondere Fugen zwischen gleichen oder unterschiedlichen Bauelementen" vorgesehen ist (siehe Anspruch 1), weiter insbesondere "für problematische Abdichtungssituationen, wie zum Beispiel unregelmäßig verlaufende Fugen zwischen arbeitenden Teilen, Eckfugen, Rohrdurchlässe und Rinnenabläufe" (Spalte 1, Zeilen 17 bis 20), "z. B. Dichtungen im häuslichen Sanitärbereich, für Klimakammern, für Balkonfugen, für Abläufe in landwirtschaftlichen Betrieben, im Brunnenbau, im Beton-Hochbau" (Spalte 1, Zeilen 62 bis 65). Aufgrund dieses in der E6 genannten Ziels und dieser in der E6 genannten Verwendungen ist für einen fachkundigen Leser eindeutig, dass die Folienbahn der E6 eine fachübliche Feuchtigkeitssperre zum Schutz von Bauwerken und Bauteilen gegen Feuchtigkeit und flüssiges Wasser ist.

1.2.4 Damit ist in der E6 jedoch keine Zweckbestimmung der Folienbahn als Dampfbremse bzw. -sperre für Dach- und Fensteranschlussfugen außen- bzw. innenseitig offenbart, wie im Anspruch 1 definiert (siehe Punkt 1.1).

1.2.5 Dem Fachmann ist nämlich bekannt, dass Feuchtigkeits-sperren einerseits und Dampfbremsen bzw. -sperren andererseits unterschiedlichen Zwecken dienen: eine Feuchtigkeitssperre ist wasserdicht, um den Zutritt von flüssigem Wasser zum Bauwerk bzw. Bauteil zu verhindern (siehe z. B. die DIN 18195, "Bauwerksabdichtungen"); eine Dampfbremse bzw. -sperre dient hingegen dem klimabedingten Feuchteschutz (siehe die DIN 4108-3) und ist wasserdicht und zugleich, abhängig von ihrem Einsatzbereich, wasserdampfdiffusionsoffen bis -sperrend ausgeführt, um den Durchtritt von Wasserdampf von innen nach außen zu erlauben (bei außenseitiger Anbringung) bzw. um den Durchtritt von Wasserdampf von innen nach außen zu bremsen oder sperren (bei innen- bzw. raumseitiger Anbringung).

1.2.6 Darüber hinaus ist bei keiner der in der E6 genannten Verwendungen offenbart, dass die dort beschriebene Folienbahn an Fensterprofilen bzw. an Dampfsperrfolien im Dachbereich befestigt wird. Es ist in der E6 auch nicht offenbart, dass bei den genannten Verwendungen die Folienbahn überputzt wird. Die in der E6 offenbarten Außenlagen aus Vlies sind zwar grundsätzlich überputzbar; in der E6 wird der Vlies aber nur wegen seiner Aufnahmefähigkeit für flüssige Klebstoffe und seiner elastischen Dehnbarkeit verwendet, wodurch ein einfaches, starkes und gleichmäßiges Verkleben des Verbunddichtbands auf dem Untergrund ermöglicht und eine hohe Stabilität gegen mechanische Beanspruchung und Beschädigung erreicht wird (Spalte 1, Zeilen 37 bis 42 und Spalte 2, Zeilen 23 bis 52).

1.2.7 Die Beschwerdegegnerin II meint, dass der Wortlaut "Dichtungen ... für Balkonfugen" auf Spalte 1, Zeilen 62 bis 64 impliziere, dass die Folienbahn als Dampfbremse bzw. -sperre für Balkonfensteranschluss-fugen eingesetzt wird. Dem kann nicht gefolgt werden. Ein fachkundiger Leser wird diesen Wortlaut als Verweis auf die erforderliche Abdichtung von Balkonen gegen Niederschlags- bzw. Sickerwasser verstehen. Implizit ist für ihn hier höchstens, dass die Folienbahn dann fachgerecht eingebaut werden muss, beispielweise unterhalb des Fliesenbelags und des Fliesenbetts; der Fachmann weiß, dass andere Maßnahmen gegen das Eindringen von Wasser im Bereich des Balkontür-anschlusses einzuplanen sind.

1.2.8 Die Beschwerdegegnerin I führt aus, dass die Kunststoffschicht der E6 implizit wasserdampf-diffusionsoffen bzw. -sperrend ausgeführt sei, da sie bevorzugt aus PU, PE oder Weich-PVC hergestellt ist (Spalte 2, Zeilen 1 bis 4). Es gibt in der E6 aber keine Angaben zu dem Wasserdampfdiffusionswiderstand und der Dicke solcher Kunststoffschichten. Es ist somit rein spekulativ, inwiefern die Kunststoffschicht aus PU, PE oder Weich-PVC wasserdampfdiffusions-

offen, -bremsend bzw. -sperrend ist. Und selbst, wenn diese Kunststoffschicht grundsätzlich wasserdampfdiffusionsoffen bzw. -sperrend wäre, änderte dies nichts daran, dass die E6 einzig und allein auf die Bereitstellung einer Feuchtigkeitssperre abzielt und dabei keine Verwendung dieser Feuchtigkeitssperre als Dampfbremse bzw. -sperre bezweckt (siehe Punkte 1.2.3 bis 1.2.8).

1.2.9 Die Beschwerdegegnerinnen monieren, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Vortrag zu der E6 ihrem eigenen Vortrag im vorangegangenen Prüfungsverfahren widerspreche. Der Vortrag der Beschwerdeführerin im vorangegangenen Prüfungsverfahren ist aber keineswegs bindend für die Beschwerdeführerin. Dies leitet sich unter anderem aus dem Erfordernis des Artikels 12 (2) VOBK ab, dass die Beschwerdebegründung das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin enthalten muss.

1.2.10 Die Kammer kommt also zu dem Schluss, dass die Folienbahn der E6 nicht zum gleichen Zweck oder mit demselben Ziel entwickelt wurde, wie die beanspruchte Erfindung.

1.2.11 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich mithin von der Folienbahn der E6 durch seine Zweckbestimmung sowie zumindest die Breite, die Dicke und die randseitige Selbstklebeschicht, wie sie im Kennzeichen des Anspruchs definiert sind.

1.3 Offenbarung der E7

1.3.1 Die E7 offenbart ein überputz- und überstreichbares Dichtband, welches Fensteranschlussfugen "schnell und sicher dampfdiffusionsdicht" dichtet (Seite 1, Absatz 1). Das Dichtband ist bevorzugt 10 bzw. 15 cm breit und 0,8 mm dick (Seite 2, Tabelle) und weist eine selbstklebende Butylkautschuk-Schicht mit hoher Klebekraft zur Befestigung an Untergründen vieler Art, welche einseitig mit einer direkt überputzbaren Außenlage aus Vlies kaschiert ist, an dessen Rand eine Selbstklebeschicht mit hoher Klebekraft zur Befestigung an Fensterrahmen aller Art angebracht ist (Seite 1 und Figur auf Seite 2). Dieses Dichtband stellt eine mehrlagige Folienbahn der beanspruchten Gattung dar, welche als Dampfsperre zur Abdichtung von innenseitigen Fensteranschlussfugen eingesetzt ist. In der E7 ist nicht offenbart, dass das dort beschriebene Dichtband eine zweite überputzbare Außenlage aus einem Vlies oder dergleichen aufweist.

1.3.2 Die Beteiligten sind sich einig, das die Folienbahn der E7 grundsätzlich zur Abdichtung von innenseitigen Dachanschlussfugen geeignet ist, beispielweise zum innenseitigen Anschluss einer Dampfsperrfolie mit einer Giebelwand. Es ist zwischen den Beteiligten aber streitig, wie ein Handwerker die Folienbahn der E7 dann anbrächte.

1.3.3 Der Handwerker versuchte vermutlich, den in der E7 genannten Vorteil der hohen Klebekräfte des Selbstklebestreifens und der Butylkautschuk-Schicht auszunützen, indem er den Selbstklebestreifen an die Giebelwand klebte, während er die selbstklebende Butylkautschuk-Schicht an die Dampfsperrfolie anbrächte. Da die selbstklebende Butylkautschuk-Schicht der E7 selbst nicht überputzbar ist, müsste er diese nachträglich mit Putzträgern überspannen, bevor er die Giebelwand verputzen könnte.

1.3.4 Die Beschwerdegegnerin I hat eine alternative Art der Anbringung der Folienbahn der E7 im Dachbereich vorgestellt, bei welcher die Folienbahn mittels der selbstklebenden Butylkautschuk-Schicht an die Giebelwand und an die Dampfsperrfolie geklebt wäre, so dass der Innenputz direkt anschließend auf die gegenüberliegende Vlies-Außenlage der an der Giebelwand befestigten Folienbahn und den übrigen Teil der Giebelwand aufgebracht werden könnte. Diese alternative Art der Anbringung ist aber unrealistisch, denn sie hätte zum Ergebnis, dass der Selbstklebestreifen ohne Verwendung bliebe, was dem Sinn und Zweck dieses Selbstklebestreifens gemäß der E7 widerspräche.

1.3.5 Demnach kommt die Kammer zu dem Schluss, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Folienbahn der E7 zumindest dadurch unterscheidet, dass die Folienbahn eine zweite überputzbare Außenlage aus einem Vlies oder dergleichen aufweist.

1.4 Aufgabe-Lösungs-Ansatz ausgehend von der E7

1.4.1 Die Folienbahn der E7 ist ein geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, da sie zu einem ähnlichen Zweck wie die beanspruchte Erfindung entwickelt wurde, nämlich zur Bereitstellung einer zu verputzenden Dampfsperre für innenseitige Fensteranschlussfugen.

1.4.2 Sollte ein Handwerker die Folienbahn der E7 zum Anschluss einer Dampfsperrfolie mit einer Giebelwand verwenden, klebte er die Folienbahn mittels des Selbstklebestreifens an die Giebelwand, während er die selbstklebende Butylkautschuk-Schicht an die Dampfsperrfolie anbrächte (siehe Punkt 1.3.3). Dank der im Anspruch 1 definierten, zweiten überputzbaren Außenlage könnte die Folienbahn nun direkt überputzt werden, ohne vorab Putzträger auf die Butylkautschuk-Schicht anbringen zu müssen (in der Patentschrift siehe Absätze [0039] und [0043] und Absatz [0050] mit Figur 3). Das vorgenannte Unterscheidungsmerkmal gegenüber der E7 ergibt also eine höhere Flexibilität bezüglich der Verwendung der dort beschriebenen Folienbahn. Sie kann innen- bzw. raumseitig sowohl im Fensterbereich (wie in den Figuren 1, 5 und 6 der Patentschrift gezeigt) als auch im Dachbereich direkt nach ihrer Befestigung überputzt werden (wie in der Figur 3 der Patentschrift gezeigt).

1.4.3 Ausgehend von der Folienbahn der E7 besteht die objektive technische Aufgabe somit in der Bereitstellung einer solchen Folienbahn, welche als Dampfsperre zur Abdichtung von innenseitigen Dach- und Fensteranschlussfugen ohne größeren Aufwand einsetzbar ist.

1.4.4 Sollte ein mit dieser technischen Aufgabe befasster Fachmann Fachmann die Lehre der E6 heranziehen, wäre es aus folgenden Gründen nicht naheliegend, die Butylkautschuk-Schicht der E7 mit einer zweiten überputzbaren Außenlage aus Vlies zu versehen.

Erstens wäre es nicht naheliegend, ausgerechnet die selbstklebende Butylkautschuk-Schicht mit einem Vlies zu beschichten und mithin auf ihre selbstklebende Eigenschaft zu verzichten, denn es hieße, gegen die Lehre der E7 zu handeln.

Zweitens ist die Folienbahn der E6 ein- oder beidseitig mit einem Vlies kaschiert. Ausgehend der einseitig vlieskaschierten Folienbahn der E7 zöge der Fachmann allenfalls die einseitig vlieskaschierte Folienbahn der E6 heran, nachdem sie mit der Folienbahn der E7 kompatibel wäre. Dies könnte ihn höchstens dazu anregen, die Butylkautschuk-Schicht der E7 durch die Kunststoffschicht der E6 zu ersetzen. Auf diese Weise erhielte er eine einseitig vlieskaschierte Folienbahn; er gelangte also nicht zu der beanspruchten Lösung.

1.4.5 Die Beschwerdegegnerin I argumentiert, dass ein Fachmann die Butylkautschuk-Schicht der E7 in naheliegender Weise durch die vlieskaschierte Kunststoffschicht der E6 ersetzte, falls er die wasserdampfdiffusionssperrende Folienbahn der E7 so weit ändern möchte, dass sie nun wasserdampfdiffusions-offen und mithin für einen Einsatz im Außenbereich geeignet wäre.

Diese Argumentation vermag aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen. Erstens ist diese Formulierung der zu lösenden objektiven Aufgabe nicht korrekt, da sie die aus dem Unterscheidungsmerkmal gegenüber der E7, d. h. der zweiten überputzbaren Außenlage aus Vlies oder dergleichen, resultierende technische Wirkung nicht berücksichtigt. Zweitens, sollte der Fachmann die Folienbahn der E7 wasserdampfdiffusionsoffen ausführen wollen, hätte er keine Veranlassung, die E6 zu berücksichtigen, da sie sich nicht mit Dampfsbremsen bzw. -sperren befasst, geschweige denn mit wasserdampfdiffusionsoffenen Dampfsbremsen (siehe Punkte 1.2.3 bis 1.2.8). Selbst wenn der Fachmann erkennte, dass die auf Spalte 2, Zeilen 1 bis 4 der E6 genannten Werkstoffe grundsätzlich zur Herstellung dünner wasserdampfdiffusionsoffenen Kunststoffschichten geeignet wären, bewegte diese Erkenntnis ihn allenfalls dazu, die Butylkautschuk-Schicht der Folienbahn der E7 durch eine derartige Kunststoffschicht zu ersetzen (siehe Punkt 1.4.4). Damit gelangte er nicht zur beanspruchten Erfindung.

1.4.6 Deshalb ist die Kammer der Auffassung, dass ausgehend von der E7 der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

1.5 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von der E6

1.5.1 Nachdem alle Beteiligten die E6 als einen möglichen Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehen haben, wird die erfinderische Tätigkeit auch ausgehend der E6 beurteilt.

1.5.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Folienbahn der E6 zumindest durch die Breite, die Dicke und die randseitige Selbstklebeschicht, wie sie im Kennzeichen des Anspruchs definiert sind (siehe Punkt 1.2). Die Beteiligten sind sich einig, dass die technische Aufgabe, die objektiv durch diese Unterscheidungsmerkmale gegenüber der E6 gelöst wird, darin liegt, die Befestigung der Folienbahn der E6 zu vereinfachen.

1.5.3 Der mit dieser technischen Aufgabe befasste Fachmann fände bereits in der E6 eine Lösung für diese Aufgabe. So lehrt die E6, dass das Verkleben des Verbunddichtbands auf dem Untergrund weiter erleichtert wird, wenn der Randbereich mit Lochungen (Spalte 3, Zeilen 2 bis 21; Figur 2a) oder mit einem Klettband (Spalte 3, Zeilen 51 bis 61; Figur 1a) versehen ist. Damit führte die E6 den Fachmann weg von der beanspruchten Lösung.

1.5.4 Selbst wenn der Fachmann diese in der E6 beschriebene Lösung als wenig zufriedenstellend ansähe und die Lehre der E7 heranzöge, könnte diese ihn nicht dazu anregen, zur Lösung der objektiven Aufgabe die Folienbahn der E6 gemäß dem Anspruch 1 zu modifizieren.

Erstens erführe der Fachmann aus der E7, dass die Kombination des Selbstklebestreifens und der selbstklebenden Butylkautschuk-Schicht eine sichere und schnelle Befestigung ermöglicht. Diese Lehre führte ihn weg von der beidseitigen Anbringung einer überputzbaren Außenlage, die der Anspruch 1 verlangt.

Zweitens könnte die Lehre der E7 den Fachmann allenfalls dazu anregen, die Ausführungsform der E6 mit einem einseitigen Vlies mit der einseitig vlieskaschierten Folienbahn der E7 zu kombinieren (siehe Punkt 1.4.4). So versähe er höchstens die einseitig vlieskaschierte Kunststoffschicht der E6 mit einem randseitigen Selbstklebestreifen gemäß der E7. Dies entspräche aber nicht der beanspruchten Erfindung.

1.5.5 Deshalb ist die Kammer der Auffassung, dass ausgehend von der E6 der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

2. Der abhängige Anspruch 2 und die unabhängigen Ansprüche 3 und 4 betreffen eine besondere Ausführungsform der Folienbahn gemäß Anspruch 1, einen Fensterrahmen mit einer solchen Folienbahn und eine Verwendung dieser Folienbahn. Diese Ansprüche genügen ebenfalls den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ im Hinblick auf die E6 und E7.

3. Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf E4 und E9

3.1 Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer machte die Beschwerdegegnerin III mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die E4 und E9 geltend. Im schriftlichen Beschwerdeverfahren hatte sie, wie auch die weiteren Beschwerdegegnerinnen, dagegen ihren Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausschließlich auf die E6 und E7 gestützt.

3.2 Dieser neue Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die E4 und E9 stellte also eine späte wesentliche Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin III dar, deren Zulassung im Ermessen der Kammer lag, siehe Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 13 (1) und (3) VOBK.

3.3 Nach Artikel 12 (2) VOBK muss die Beschwerdeerwiderung das gesamte Vorbringen einer Beschwerdegegnerin enthalten. Die Beschwerdegegnerin III hätte deshalb dem vorgenannten neuen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit bereits in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 27. April 2012 erheben müssen. Stattdessen hat sich ihre Beschwerdeerwiderung im Wesentlichen darin erschöpft, die Unrichtigkeit der Beurteilung der Offenbarung der E4 durch die Einspruchsabteilung darzulegen.

3.4 Die Beschwerdegegnerin III erklärte, dass sie zu diesem Zeitpunkt gar keinen Bedarf sah, den vorgenannten erweiterten Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu erheben, da sie weiterhin die Auffassung vertrat, dass die E4 und E9 als ein einziges Dokument zu betrachten seien und da das Patent mangels erfinderischer Tätigkeit im Lichte der E6 als nächstliegender Stand der Technik und der E7 widerrufen worden war.

3.5 Dies ist zwar ansatzweise nachvollziehbar. Trotzdem hätte die Beschwerdegegnerin III diesen weiteren Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit jedenfalls zeitnah nach Erhalt der Ladung vom 6. Dezember 2013 und lange vor der mündlichen Verhandlung erheben können. Denn in ihrer als Anlage zur Ladung beigefügten Mitteilung hatte die Kammer ihre vorläufige Meinung kundgetan, dass und warum ein Einwand mangelnder Neuheit im Hinblick auf die E4 und E9 keinen Erfolg haben dürfte (siehe Punkt 4.2) und dass, entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerinnen, die E7 der beanspruchten Erfindung näher komme als die E6, wie die Beschwerdeführerin argumentierte (Punkt 5).

Stattdessen hat die Beschwerdegegnerin III es vorgezogen, ihren Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die E4 und E9 erst in der mündlichen Verhandlung, d. h. zum spätmöglichsten Zeitpunkt, zu erheben. Dieses Vorgehen hatte als Konsequenz, dass dieser Einwand sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für die Kammer völlig überraschend kam, so dass eine Vorbereitung hierzu nicht möglich gewesen war und eine Behandlung dieses Einwands weder der Beschwerdeführerin noch der Kammer ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung unzumutbar war.

3.6 Aus diesen Gründen und unter Berücksichtigung des Standes des Verfahrens und der gebotenen Verfahrensökonomie entschied die Kammer, diesen neuen Einwand in das Verfahren nicht zuzulassen (Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 13 (1) und (3) VOBK). Auf die mögliche Relevanz dieses Einwands braucht deshalb nicht eingegangen werden.

4. Die Kammer kommt also zu dem Schluss, dass der von den Beschwerdegegnerinnen zulässigerweise geltend gemachte Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags der Beschwerdeführerin nicht entgegensteht.

5. Auf die Hilfsanträge der Beschwerdeführerin braucht daher nicht eingegangen werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Fassung aufrechterhalten.

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