T 2144/11 () of 29.10.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T214411.20151029
Datum der Entscheidung: 29 October 2015
Aktenzeichen: T 2144/11
Anmeldenummer: 02750811.8
IPC-Klasse: H03D 3/00
H03C 3/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Kompensation eines Phasenfehlers eines Empfangs- und/oder Sendesystems mit I/Q-Schnittstelle
Name des Anmelders: Intel Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: Rohde & Schwarz GmbH & Co KG
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (nein)
Änderungen - Berichtigung von Mängeln (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Ein zugelassener Vertreter der Patentinhaberin hat im Namen und mit Vollmacht der Infineon Technologies AG gegen die am 16. August 2011 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des Patents Nr. 1 410 496 die am 26. September 2011 eingegangene Beschwerde eingelegt.

II. Am 14. November 2011 ging ein Antrag auf Umschreibung des Patents auf die Infineon Technologies Delta GmbH ein. Die Zahlung der entsprechenden Verwaltungsgebühr erfolgte am 17. November 2011. Der Vertreter reichte die Beschwerdebegründung namens und im Auftrag der neuen Patentinhaberin am 16. Dezember 2011 ein.

III. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100(a) i.V.m. Artikeln 54 und 56 EPÜ, Artikel 100(b) i.V.m. Artikel 83 EPÜ und Artikel 100(c) i.V.m. Artikel 123(2) EPÜ angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung kam zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Patents wie erteilt über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausging (Artikel 123(2) EPÜ), und im Hinblick auf Dokument EP 0 731 556 A1 (D6), die in Artikel 100(a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags oder des zweiten Hilfsantrags entgegenstünden, und dass der erste und dritte Hilfsantrag nicht zugelassen werden sollte.

IV. Mit dem Schreiben von 28. Oktober 2015 nahm die Beschwerdegegnerin ihren Einspruch zurück, und informierte die Kammer, dass sie an der am 29. Oktober stattfindenden mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.

Die Beschwerdegegnerin hatte aber zuvor beantragt (siehe Schreiben vom 7. Mai 2012, Seite 19, Punkt "XI. Anträge"), die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, sofern die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichten Hilfsanträge ins Verfahren zugelassen werden sollten.

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in folgender geänderter Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung: Seiten 3 und 4 der Patentschrift und Seiten 2 und 5 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2015.

Ansprüche: Nr. 1 bis 6 eingereicht mit Schreiben vom 27. Oktober 2015.

Zeichnungen: Figuren 1 bis 7 der Patentschrift.

Zudem beantragt sie, den Antrag der Beschwerdegegnerin auf Kostenverteilung zurückzuweisen.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Kompensation eines Phasenfehlers in einem Sendesystem mit I- und Q-Signalverarbeitungszweigen, gekennzeichnet durch die Schritte:

- Programmieren eines zuvor durch Messung ermittelten Phasenfehlers DeltaPhi einer in dem Sendesystem verwendeten Hochfrequenzsendestufe während der Erstmontage des Sendesystems in den digitalen Signalverarbeitungsabschnitt des Sendesystems; und

- Berechnen von phasenkorrigierten I- und Q-Signalkomponenten in einem digitalen Signalverarbeitungsabschnitt der I- und Q-Signalverarbeitungszweige während des Sendebetriebs durch Korrektur von I- und Q-Signalkomponenten mit dem programmierten konstanten Phasenfehler DeltaPhi."

Anspruch 2 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Kompensation eines Phasenfehlers in einem Empfangssystem mit I- und Q-Signalverarbeitungszweigen, gekennzeichnet durch die Schritte:

- Programmieren eines zuvor durch Messung ermittelten Phasenfehlers DeltaPhi einer in dem Empfangssystem verwendeten Hochfrequenzempfangsstufe während der Erstmontage des Empfangssystems in den digitalen Signalverarbeitungsabschnitt des Empfangssystems; und

- Berechnen von phasenkorrigierten I- und Q-Signalkomponenten in einem digitalen Signalverarbeitungsabschnitt der I- und Q-Signalverarbeitungszweige des Empfangssystems während des Empfangsbetriebs durch Korrektur von Phasenfehler-behafteten I- und Q-Signalkomponenten mit dem programmierten konstanten Phasenfehler DeltaPhi."

Ansprüche 3 bis 6 sind vom Anspruch 1 oder 2 abhängig.

VII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen folgendes vor:

Als Reaktion zu dem in der Ladung der Kammer erhobenen Einwand nach Artikel 100(c) i.V.m. mit Artikel 123(2) EPÜ seien die Worte "oder Wartung", und dabei die zugehörige Alternative wobei der Phasenfehler des Hochfrequenzsendestufe auch während einer Wartung gemessen und gespeichert werden könnte, in Ansprüche 1 und 2 wie erteilt gestrichen worden. Damit bestehe kein Widerspruch zwischen dem Merkmal des Programmierens des Phasenfehlers und dem Merkmal wonach der gemessene Phasenfehler konstant sei. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 nach dem Hauptantrag entspreche somit dem in der Ladung erwähnten Ausführungsbeispiel, in welchem der Phasenfehler einmalig gemessen werde und konstant sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von dem Sender nach D6 dadurch, dass der Wert des in dem Kontrollspeicher 25 (siehe Abbildung 1) gespeicherten Phasenfehlers des Hochfrequenzsendestufe zuvor durch Messung während der Erstmontage ermittelt worden und als konstant gespeichert sei. In D6 werde der Phasenfehlerwert beta im Kontrollspeicher 25 ständig durch die Regelschleife aktualisiert und dabei geändert.

Der dabei erzielte Effekt bestehe darin, dass bestimmte Typen von Phasenfehler mit weniger Aufwand als mit einer Regelschleife korrigiert oder ausgeglichen werden können. Damit werde durch die Erfindung ein einfacheres Verfahren vorgeschlagen.

In D6 sei kein Hinweis auf eine Erstmontage und die Speicherung von konstanten Phasenfehlerwerten enthalten. Im Gegenteil werden die gespeicherten Werte in D6 ständig geändert.

Bei Vorhandensein eines Regelkreises gemäß dem Stand der Technik nach D6 sei eine Programmierung eines Phasenfehlers bei der Erstmontage unnötig. Ein Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags bringe die technische Wirkung hervor, dass ohne einen im Gerät vorhandenen Phasenfehler-Regelkreis dennoch eine Phasenkorrektur zwischen I- und Q-Zweig erfolgen könne, die z.B. die Bauteiletoleranzen ausgleiche. Dadurch beruhe der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Phasenfehler können verschiedene Ursachen haben, wie Temperatur, Leistung oder Bauteiletoleranzen. Ein Fachmann wisse sofort welche Art von Phasenfehler mittels der vorliegenden Erfindung ausgeglichen werden können.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Eintragung des Rechtübergangs nach Regel 22 EPÜ von der Infineon Technologies AG auf die Infineon Technologies Delta GmbH erfolgte erst mit Wirkung vom 17. November 2011. Folglich war die Infineon Technologies AG am Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde, d.h. am 26. September 2011, im Sinne der Regel 22 EPÜ beschwerdeberechtigt (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts IV.C.2.1).

Die Beschwerde ist daher zulässig.

2. Zulassung des neuen Antrags

Der von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 eingereichte Antrag weicht nur insofern von dem vor der Einspruchsabteilung verteidigten Hauptantrag ab, als die Worte "oder Wartung" in Reaktion auf den in der Ladung der Beschwerdekammer erhobenen Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ gestrichen wurden, und dass das Wort "Quadratur" im Anspruch 2 gestrichen wurde, um Anspruch 2 mit Anspruch 1 in Einklang zu bringen. Anspruch 2 wurde somit korrigiert. Dieser Antrag, der den bisherigen Hauptantrag ersetzt, ist daher ins Verfahren zugelassen worden (Artikel 13(1) VOBK).

3. Artikel 123(2) EPÜ

Das Wort "konstant" in den Ansprüchen 1 und 2 ist in der veröffentlichten Anmeldung WO 03/013191 A2 nicht vorhanden. Seite 9, Zeilen 20 bis 31 dieser Veröffentlichung besagt allerdings, dass der Phasenfehler "einmalig" im Rahmen der Erstmontage bestimmt wird, wobei das Gerät dann für den weiteren Betrieb Phasenfehler-kompensiert ist.

Gegebenenfalls laut ursprünglicher Beschreibung "kann ein Nachstellen des Phasenfehlers DeltaPhi auch im Rahmen einer Überprüfung oder Wartung des Gerätes durchgeführt werden, und es ist ebenfalls denkbar, dass der Phasenfehler DeltaPhi während des Betriebs des Gerätes mittels einer in dem Gerät integrierten Messeinrichtung wiederholt bestimmt und aktualisiert wird" (siehe auch die ursprüngliche Beschreibung Seite 3, Zeile 31 bis Seite 4, Zeile 24, insbesondere den Begriff "Einzelkorrektur des Phasenfehlers" auf Seite 4, Zeile 23, 24).

Dennoch offenbart die ursprüngliche Anmeldung eine Ausführungsform, in der während des Sende- bzw. Empfangsbetriebs die Berechnung von phasenkorrigierten I- und Q- Signalkomponenten... (stets) mit einem einmalig bestimmten im Rahmen der Erstmontage des Gerätes einprogrammierten Phasenfehler erfolgt. Mit "einmalig bestimmt" wird ein Phasenfehlerwert definiert, der nachher unveränderlich, ständig gleichbleibend ist, was der Bedeutung von "konstant" entspricht. Es ist weiters für den Fachmann klar, dass dieser Phasenfehler vor dem Einprogrammieren bestimmt, insbesondere gemessen, werden muss. Mit der Streichung der Worte "oder Wartung", die eine wiederholte Bestimmung und ein Nachstellen des Phasenfehlers impliziert, wird ein möglicher Widerspruch und Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ vermieden.

Mit der Streichung der Worte "oder Wartung" wird auch der beanspruchte Gegenstand eingeschränkt. Es entsteht dabei kein Verstoß gegen Artikel 123(3) EPÜ.

4. Artikel 54 EPÜ

Dokument D6, das von der Einsprechenden während des Einspruchsverfahrens als nächstliegender Stand der Technik betrachtet wurde (siehe erster Satz des Punkts II.2.5 der Entscheidungsgründe), offenbart ein Verfahren zur Kompensation eines Phasenfehlers in einem Sendesystem mit I- und Q-Signalverarbeitungszweigen (siehe Abbildung 1) mittels eines Komplex-Multiplizierers 22, der einen Phasenfehler beta aus einem Kontrollspeicher 25 abliest (siehe Seite 3, Zeile 46 bis Seite 4, Zeile 3 und Abbildung 2). Der zur Korrektur von I- und Q-Signalkomponenten benutzte Phasenfehler beta wird während des Sendebetriebs durch eine Regelschleife wiederholt bestimmt (vgl. Seite 3, Zeilen 39 bis 45 und Seite 4, Zeilen 4 bis 12) und zeitweise neu im Speicher 25 programmiert.

D6 offenbart nicht, dass ein zuvor durch

Messung ermittelter Phasenfehler während der

Erstmontage einprogrammiert wird und als konstant, d.h. als unveränderlicher, ständig gleichbleibender Wert, zur Berechnung der phasenkorrigierten I- und Q-Signalkomponenten während des Sende- bzw. Empfangsbetriebs benutzt wird.

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 ist daher neu (Artikel 54 EPÜ).

5. Artikel 56 EPÜ

Mit einem zuvor durch Messung ermittelten und während der Erstmontage einprogrammierten Phasenfehler wird ein einfaches Phasenfehlerkompensationsverfahren vorgeschlagen, womit sich bestimmte Phasenfehler in einfacher Weise kompensieren lassen. Die Kammer schließt sich der Meinung der Beschwerdeführerin an, dass ein Fachmann in der Lage wäre zu erkennen, welche Phasenfehler sich somit leicht kompensieren lassen. Die Beschreibung nennt als Beispiel dafür den Quadratur-Phasenfehler der Trägerfrequenz (siehe z.B. Absatz [0027] der Patentschrift). Ausgehend von D6 gibt es keinen Anlass eine solche Art von Phasenfehlern anhand von zuvor während der Erstmontage durch Messung ermittelten Werten zu kompensieren. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 ergibt sich daher nicht in naheliegender Weise aus dem vorhandenen Stand der Technik. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

6. Artikel 104(1) EPÜ

Die mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 eingereichten Ansprüche entsprechen einer der Alternativen der erteilten Ansprüche. Somit wurde kein neuer Hilfsantrag eingereicht der der Beschwerdegegnerin wesentliche, unnötige Kosten verursacht haben kann. Das Verhalten der Beschwerdeführerin hat auch im Laufe des Einspruchs- bzw. Beschwerdeverfahrens keine vermeidbare mündliche Verhandlung verursacht. Deswegen würde eine Kostenverteilung zu Gunsten der Beschwerdegegnerin nicht der Billigkeit entsprechen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in folgender geänderter Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung: Seiten 3 und 4 der Patentschrift und Seiten 2 und 5 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2015.

Ansprüche: Nr. 1 bis 6 eingereicht mit Schreiben vom 27. Oktober 2015.

Zeichnungen: Figuren 1 bis 7 der Patentschrift.

3. Der Antrag auf Kostenverteilung wird zurückgewiesen.

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