T 2102/11 () of 19.9.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T210211.20140919
Datum der Entscheidung: 19 September 2014
Aktenzeichen: T 2102/11
Anmeldenummer: 03769202.7
IPC-Klasse: F02F 3/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: EINTEILIGER KUEHLKANALKOLBEN FUER EINEN VERBRENNUNGSMOTOR
Name des Anmelders: MAHLE GMBH
Name des Einsprechenden: KS Kolbenschmidt GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Ausführbarkeit der Erfindung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. Juni 2011, zur Post gegeben am 29. Juli 2011, den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 1 546 536 gemäß Artikel 101(2) zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am 29. September 2011 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 5. Dezember 2011 eingegangen.

II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe der mangelnden Ausführbarkeit und erfinderischen Tätigkeit gestützt, Artikel 100 b), 100 a) und 56 EPÜ. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass diese Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden. Sie hatte dabei unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D1 = CH 262643 A

D2 = DE 44 46 726 A1

III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 11. Juni 2014 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 19. September 2014 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der unabhängige Anspruch 1 wie erteilt hat folgenden Wortlaut:

"Einteiliger Kühlkanalkolben für einen Verbrennungsmotor, mit einem aus Stahl geschmiedeten Kolbenkopf (1), der eine Verbrennungsmulde (3) im Kolbenboden (2), eine Ringwand (4) mit Ringpartie (11) und einen auf Höhe der Ringpartie (11) umlaufenden geschlossenen Kühlkanal (7) umfasst, wobei ein Kolbenschaft (9) mit den am Kolbenkopf (1) angehängten Naben (12) verbunden ist, und der zum Kolbenboden hin gerichtete Bohrungen (14) im Kühlkanal aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Bohrungen (14) umfangsseitig im Kühlkanal (7) in Bereichen eingebracht sind, in denen Brennstrahlen auf dem Kolbenboden treffen, dass die Bohrungen einen spitzen Winkel zur Kolbenachse bilden, und dass die Bohrungen mit derartigen Abständen voneinander beabstandet angeordnet sind, dass das zwischen den Bohrungen (14) vorhandene Kolbenmaterial Stützrippen (8) für den Kolbenboden (2) bildet."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Der Fachmann werde durch Anspruch 1 nicht angeleitet, wie und wo er Bohrungen in den Hohlraum des Kühlkanals einbringen solle. Somit sei die Erfindung nach Anspruch 1 nicht ausführbar.

Der Fachmann würde aus D1 erkennen, dass durch die gezeigten Bohrungen nicht nur der Wärmefluss gedrosselt werde, sondern auch der Kolben mit Kühlöl gekühlt werde. Die Verbrennung fände in D1 vornehmlich in der Kugel statt, wodurch ein intensives Kühlbedürfnis gegeben sei. Das Kühlkonzept der D1 könne zudem von der Materialfrage bzw. Kolbenbauart gelöst werden. Um die Kühlung in D2 zu verbessern, sei es für den Fachmann daher nahe gelegt, die Bohrungen aus D1 vom Innenbereich des Kühlkanalkolbens her nach oben in den Kühlkanal der D2 einzubringen, und zwar ungeachtet des Umstands, dass D1 einen älteren Massivkolben aus knetbarem Aluminium betreffe. Die Kühlkonzepte der D1 und D2 seien für den Fachmann daher als komplementär und dadurch als prinzipiell kombinierbar zu betrachten. Durch ihre Kombination werde unter Beibehaltung des Kolbenkonzepts des "entkoppelten Kolbens" aus D2 das Kühlvolumen vergrößert und aufgrund der Stützrippenbildung durch die Bohrungen zudem die Stabilität des Kühlkanalkolbens der D2 erhöht. Das weitere Merkmal der Anwinklung der Bohrungen könne dabei außer Betracht gelassen werden, weil in diesem Zusammenhang ohne Wirkung. Anspruch 1 beruhe daher auch auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

Die Erfindung nach Anspruch 1 sei jedenfalls basierend auf der gesamten ursprünglichen Offenbarung des Patents für den Fachmann ausführbar.

Eine unmittelbare Kühlung durch die in D1 gezeigten Bohrungen stehe in D1 nicht im Vordergrund, sondern die erzeugte Wärme werde vom Kolbenkopf nach Innen in den Kolben geleitet, indem sie durch die Bohrungen gestoppt, also gedrosselt werde. Eine solche Wärmeentwicklung trete in D2 hingegen nicht auf, da bereits eine Kühlung des Kolbenkopfs mittels des Kühlkanals und dem darin ringförmig eingeschlossenen Kühlöls erfolge. Auch eine Brennstrahlausrichtung mit Kolbenmulde im Kühlkanalkolben der D2 sei bei dem älteren kugelförmigen Brennraum der D1 nicht möglich, was wiederum zu anderen Kühlkonzepten führe. Unterschiedliche Kolbenkonzepte bzw. -bauarten erforderten daher auch immer ein anderes Kühlkonzept. Ausgehend von einem nach Anspruch 1 geforderten modernen Kühlkanalkolben wie in D2 mit einem aus Stahl geschmiedeten Kolbenkopf und "entkoppeltem Kolbenschaft" bei kleiner Kompressionshöhe, würde der Fachmann einen veralteten Massivkolben ohne Kühlkanal aus knetbarer Leichtmetalllegierung wie aus D1 zur Verbesserung des Kolbenkonzepts der D2 folglich nicht heranziehen. Anspruch 1 sei im Lichte der D2 und D1 daher erfinderisch.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Ausführbarkeit der Erfindung

2.1 Nach Auffassung der Kammer ist die Erfindung bereits allein basierend auf dem Wortlaut des Anspruchs 1 für den Fachmann ausführbar, wonach zunächst zum Kolbenboden hin gerichtete Bohrungen (also wie in der Figur 1 gezeigt im Kühlkanal nach oben hin) eingebracht werden. Diese sind nach dem Anspruchswortlaut "umfangsseitig im Kühlkanal in Bereichen eingebracht ..., in denen Brennstrahlen auf den Kolbenboden treffen" (also wieder im Kühlkanal nach oben hin), und so beabstandet, "dass das Kolbenmaterial zwischen den Bohrungen Stützrippen für den Kolbenboden bildet". Vgl. Kammermitteilung vom 11. Juni 2014. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist dadurch für den Fachmann in Anspruch 1 trotz der Formulierung "... gerichtete Bohrungen im Kühlkanal ..." eine unmissverständliche Anleitung gegeben, wie und vor allem wo die Bohrungen im Kolbenmaterial des Kolbenkopfs einzubringen sind. Die Kammer stimmt mit der Auffassung der Beschwerdegegnerin überein, dass ein Vorsehen von Bohrungen im vom Kühlkanal gebildeten Hohlraum technisch unsinnig wäre und daher dem technischen Verständnis des Fachmanns widerspräche. Der Fachmann würde eine solche sinnwidrige Auslegung des Anspruchswortlauts, die auch nicht von der Beschreibung oder den Figuren des erteilten Patentes gestützt wird, folglich verwerfen.

Der Vollständigkeit halber stellt die Kammer fest, dass Bohrungen nach Anspruch 1 (wie erteilt) basierend auf der Gesamtheit der Offenbarung des Patentes vom Fachmann in jedem Fall zu verwirklichen sind: siehe Absätze 0010 bis 0016 des Patents, und die gezeigten Ausführungsbeispiele von Bohrungen in den Figuren.

2.2 Das Patent offenbart die Erfindung somit so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Daher scheitert der Einwand der mangelnden Offenbarung der Erfindung unter Artikel 100 b) EPÜ.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 In Übereinstimmung mit den Parteien wird D2 als nächstliegender Stand der Technik erachtet, da dieses Dokument einen einteiligen Kühlkanalkolben mit einem Kolbenkopf 2 aus geschmiedetem Stahl und einem auf Höhe der Ringpartie (Kolbenringband 3) umlaufenden geschlossenen Kühlkanal 8 beschreibt. Der zweigeteilte Abdeckring 10 (z.B. eine geteilte Tellerfeder) zum Verschluss des unten offenen Kühlkanals 8 ist mit einer Zuführ- 11 und einer Abführöffnung 12 für das Kühlöl versehen, vgl. D2, Anspruch 1; und Spalte 1, Zeile 57 bis Spalte 2, Zeile 18, und Figuren 3 und 4.

3.2 Die Kammer folgt den Ausführungen der Parteien, dass der einteilige Kühlkanalkolben aus D2 aus der Sicht des Fachmanns gemeinhin als Kolben mit "thermisch entkoppeltem Kolbenschaft" verstanden wird: Hierbei erfolgt die thermische Entkopplung von Kolbenkopf und Kolbenschaft dadurch, dass im Kolbenkopf 2 ein umlaufend geschlossener Kühlkanal 8, und zwischen Kolbenkopf 2 und Kolbenschaft 4 eine ringförmig umlaufende Ausnehmung 7 ausgebildet sind, siehe D2, Figur 3.

Wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt, und für den Fachmann ebenfalls hinlänglich bekannt, weisen derart aufgebaute Kolben bei verbesserter Kolbenkühlung (bzw. hoher Wärmebeständigkeit) zudem eine kleine Kompressionshöhe und gleichzeitige Gewichtsoptimierung (insbesondere bei geschmiedetem Stahl) auf. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Kammer folglich der Ansicht, dass für den zuständigen Fachmann das Kühlkonzept des einteiligen Kühlkanalkolbens aus D2 untrennbar mit dessen Kolbenbauart verknüpft ist.

3.3 Dokument D1 beschreibt hingegen keinen einteiligen Kühlkanalkolben aus geschmiedetem Stahl wie in Anspruch 1 des Patents gefordert, sondern einen Massivkolben alter Bauart (Oktober 1949) aus knetbarer Leichtmetalllegierung (Aluminiumlegierungen: vgl. Seite 1, Zeilen 1 bis 3 und Seite 2, Zeilen 36 bis 37) ohne Kühlkanal. So wird im Massivkolben der D1 mittels Bohrungen 5 und 6 die Wärmeleitfähigkeit zwischen der Brennkammer und der Kolbenwand herabgesetzt, um den Wärmefluss nach den Kolbenringen zu drosseln, so dass die Wärmeabfuhr in vermehrtem Maße über andere Teile des Kolbens z.B. das Innere desselben erfolgen muss, vgl. D1, Seite 2, Zeilen 14 bis 23, und die Figuren. Das Kühlöl tritt hierbei nicht wie bei einem Kühlkanalkolben durch die Öffnungen im Verschlusselement des ringförmigen Kühlkanals zur Kühlung im Kolbenkopf ein und aus, sondern die Kühlung wird durch das ins Innere des Kolbens gelangende Öl erreicht, vgl. D1, Seite 2, Zeilen 23 bis 27. Wie von der Beschwerdegegnerin ergänzt, stellt sich in D1 im Gegensatz zu modernen Kühlkanalkolben mit Kolbenmulde wie aus D2 auch nicht die Problematik der Kühlung infolge Brennstrahlausrichtung (Direkteinspritzung), denn D1 betrifft eine frühe Ausbildung der Brennkammer in Kugelform (wandgeführtes Verfahren).

3.4 Die Kammer vertritt daher die Auffassung, dass der zuständige Fachmann zur Verbesserung eines einteiligen Kühlkanalkolbens aus geschmiedetem Stahl mit Kolbenmulde wegen deren grundlegend unterschiedlichen Bauarten und Kühlkonzepten keine Anregungen auf dem Gebiet alter Massivkolben aus knetbaren Leichtmetalllegierungen mit kugeliger Brennkammer suchen würde.

3.5 In Anwendung des ,,Aufgabe-Lösungs-Ansatzes" würde der Fachmann daher für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf Bauart und Kühlkonzept eines einteiligen Kühlkanalkolbens nach Anspruch 1 das Dokument D1 weder als Ausgangspunkt wählen (vgl. angefochtene Entscheidung Punkt 4.2), noch ausgehend von D2 naheliegend in Betracht ziehen.

Daher führt auch der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit unter Artikel 100 a) und 56 EPÜ nicht zum Erfolg.

4. Im Lichte der vorhergehenden Ausführungen bestätigt die Kammer im Ergebnis die angefochtene Entscheidung, wonach keiner der genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt entgegensteht.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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