T 2048/11 (Transaktionsserver/SWISSRE) of 12.4.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T204811.20180412
Datum der Entscheidung: 12 April 2018
Aktenzeichen: T 2048/11
Anmeldenummer: 04738102.5
IPC-Klasse: G06Q 10/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: TRANSAKTIONSSERVER UND COMPUTERPROGRAMMPRODUKT
Name des Anmelders: Swiss Reinsurance Company Ltd.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale
Erfinderische Tätigkeit - allgemeines Fachwissen
Zurückverweisung an die erste Instanz - besondere Gründe gegen Zurückverweisung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 04738102.5 aufgrund des Artikels 97(2) EPÜ mangels Neuheit (Artikel 52(1), 54(1) und (2) EPÜ) und mangels erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) gestützt auf folgende Druckschriften zurückgewiesen worden ist:

D1: WO 02/39358 und

D2: WO 03/034312.

II. Die Kammer hat entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin in einem Bescheid zur mündlichen Verhandlung geladen und ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde dargelegt. Auf der Grundlage insbesondere von D1 wurden die Einwände der angefochtenen Entscheidung wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit aufrecht erhalten und die Gründe dafür dargelegt.

III. Mit Schreiben vom 12. März 2018 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag sowie Hilfsanträge 1 bis 4 ein. Es wurden außerdem weitere Argumente im Hinblick auf die Neuheit und erfinderische Tätigkeit übermittelt.

IV. Am 12. April 2018 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf alle vorgetragenen Argumente diskutiert wurden.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben, die Neuheit der Ansprüche gemäß Anhang A, eingereicht mit Schreiben vom 12. März 2018, festzustellen und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung und Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen (Hauptantrag). Sie beantragte hilfsweise die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung und Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auf der Basis der Ansprüche gemäß Anhang B eingereicht mit Schreiben vom 12. März 2018 zurückzuverweisen (Hilfsantrag 1). Weiter hilfsmäßig beantragte sie die Erteilung des Patents auf der Basis der Ansprüche gemäß Anhang A (Hilfsantrag 2), Anhang B (Hilfsantrag 3) oder Anhang C, ebenfalls eingereicht mit Schreiben vom 12. März 2018 (Hilfsantrag 4).

VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag und Hilfsantrag 2 lautet:

"1. Computerisierter Transaktionsserver (1) mit basierend auf einer modular [sic] Architektur dynamisch änderbarer [sic] Ablaufsteuerung zum Abschliessen von Verträgen zwischen einem Leistungsnehmer und einem Leistungserbringer, umfassend eine Benutzerschnittstelle mit mehreren Dateneingabemodulen (151), die Dateneingabefelder zur Eingabe von Vertragsgegenstandsdaten umfassen, welche Benutzerschnittstelle für Leistungsnehmer mittels Endgeräten (3a, 3b, 3c) über ein Telekommunikationsnetz (2) bedienbar ist, gespeicherte Datenregeln zugeordnet zu den Dateneingabefeldern, und Validierungsmittel (12) zum Überprüfen von über die Dateneingabefelder eingegebenen Datenwerten basierend auf den zugeordneten Datenregeln, zum Anfordern von Korrekturen über die Benutzerschnittstelle basierend auf den zugeordneten Datenregeln und zum Erzeugen eines Validierungsresultats, und Evaluierungsmittel (13) zum Evaluieren der über die Dateneingabefelder eingegebenen Datenwerte basierend auf zugeordnet gespeicherten Geschäftsregeln und zum Erzeugen eines entsprechenden Evaluationsresultats, gekennzeichnet durch

einen mittels eines Steuermoduls (11) und der Evaluationsmittel (13) gesteuerten Prozessablauf, wobei die Geschäftsregeln und Datenregeln jeweils einem von mehreren Regelsätzen zugeordnet sind, und mittels Steuermittel ein anzuwendender Regelsatz aus den Regelsätzen in Abhängigkeit mindestens eines in ein bestimmtes Datenfeld eingegebenen Datenwertes auswählbar ist, wobei die Änderung der aktiven Regelsätze im Transaktionsserver in Abhängigkeit der eingegebenen Datensätze dynamisch erfolgt womit verschiedene Ablaufpfade mit verschiedenen zugeordneten Dateneingabemodulen entsprechend einem datengesteuerten mehrstufigen vernesteten Triageprozessablauf selektiert und aktiviert sind, und wobei die Datensätze mindestens geographische Daten und/oder Benutzeridentifizierungsdaten und/oder Leistungsidentifizierungsdaten umfassen,

mehrere verschiedene Vertragsabschlussprozesse (141, 142) zum Anzeigen eines Vertragspreises über die Benutzerschnittstelle, zum Anfordern und Entgegenzunehmen einer Zustimmung zum Abschluss eines Vertrags vom Leistungsnehmer über die Benutzerschnittstelle, und zum Abspeichern eines abgeschlossenen Vertrags,

Steuermittel zum Aktivieren der Evaluierungsmittel (13) und zum Aktivieren eines ersten der Dateneingabemodule, bei positivem Validierungsresultat, und zum automatischen Selektieren und Aktivieren von verschiedenen Vertragsabschlussprozesse [sic](141, 142) in Abhängigkeit des Evaluationsresultats, wobei die Ausführung dynamisch veränderbarer Dateneingabefolgen und Prozessablaufmuster abhängig von den eingegebenen Datenwerten und gespeicherten Geschäftsregeln erfolgt, und

Steuermittel zum Aktivieren eines zweiten der Dateneingabemodule bei negativem Validierungsresultat, wobei das zweite der Dateneingabemodule entsprechend der oder den Geschäftsregeln selektiert ist, und wobei bei gleicher Ablaufsteuerung des Steuermoduls (11) mittels des Steuermoduls (11) gesteuerte Module und/oder Prozess [sic] durch die modulare Architektur der dynamisch änderbaren Ablaufsteuerung ersetzbar sind."

Der Gegenstand von Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 and Hilfsantrag 3 fügt dem folgendes hinzu:

"eine Regeldatenbank (18) des Transaktionsservers (1), der die Geschäftsregeln abgespeichert umfasst, wobei die Geschäftsregeln jeweils eine Regellogik und einen oder mehrere Regelparameter umfassen, wobei die Regelparameter in der Regeldatenbank (18) des Transaktionsserver [sic] (1) gespeichert sind, und wobei die Speicherung der Regellogik dynamisch veränderbar, als ausführbarer Programmcode in der Regeldatenbank (18) gespeichert ist,

verschiedene Ablaufpfade mit verschiedenen zugeordneten Dateneingabemodulen,".

Der Gegenstand von Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 fügt dem folgendes weitere Merkmal hinzu:

"und wobei die dynamischen Veränderungen der Regellogik bei gleichbleibender programmtechnischer Steuerung erfolgt [sic]".

VII. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin finden sich im einzelnen in den Entscheidungsgründen.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag und Hilfsantrag 1

Zurückverweisung

Die angefochtene Entscheidung behandelt sowohl die Neuheit, als auch die erfinderische Tätigkeit. Auch hat sich die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren sowohl schriftlich als auch während der mündlichen Verhandlung zu beiden Einwänden geäußert und Argumente vorgebracht. Die Kammer sieht sich ebenfalls in der Lage, Neuheit und auch erfinderische Tätigkeit zu prüfen. Sie übt ihr Ermessen nach Artikel 111(1) EPÜ daher dahingehend aus, dass sie in der Sache selbst entscheiden kann und keine Zurückverweisung erforderlich ist. Den beiden entsprechenden Anträgen auf Zurückverweisung wird daher nicht stattgegeben.

2. Hilfsantrag 2

2.1 Die Entgegenhaltung D1 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen, da diese ebenfalls auf den computergestützten Abschluss von Transaktionen wie etwa Lebensversicherungsverträgen gerichtet ist und damit einschlägig ist. D1 offenbart ebenfalls einen

computerisierten Transaktionsserver zum Abschließen von Verträgen zwischen einem Leistungsnehmer und einem Leistungserbringer ("intermediary web server" in Abb. 2; Zusammenfassung), umfassend eine Benutzer­schnittstelle mit mehreren Dateneingabemodulen, die Dateneingabefelder zur Eingabe von Vertrags­gegenstandsdaten umfassen ("a profile can be collected over several screens" auf Seite 12, Zeilen 17-18; "the user 12 can interactively build his own insurance step plan.... Web pages are used to obtain user preferences and to guide the user through the process" auf Seite 13, Zeilen 17-19; "The question server provides hypertext forms with questions and choices for the client" auf Seite 16, Zeilen 29-30), welche Benutzerschnittstelle für Leistungsnehmer mittels Endgeräten über ein Telekommunikationsnetz bedienbar ist (Abb. 2; Seite 12, Zeile 12-13), gespeicherte Datenregeln zugeordnet zu den Dateneingabefeldern (implizit, da alle Eingaben geprüft werden müssen), und Validierungsmittel zum Überprüfen von über die Dateneingabefelder eingegebenen Datenwerten basierend auf den zugeordneten Datenregeln, zum Anfordern von Korrekturen über die Benutzerschnittstelle basierend auf den zugeordneten Datenregeln und zum Erzeugen eines Validierungsresultat ("the question server can verify each answer, e.g. to check that numerical fields are within acceptable ranges" auf Seite 16, Zeile 29 - Seite 17, Zeile 10), Evaluierungsmittel ("underwriting engine" auf Seite 13, Zeilen 22-32; "Underwriting Process" auf Seite 22, Zeile 5 - Seite 23, Zeile 20) zum Evaluieren der über die Dateneingabefelder eingegebenen Datenwerten basierend auf den zugeordnet gespeicherten Geschäftsregeln ("underwriting rules" auf Seite 13, Zeile 27-29; Seite 17, Zeilen 11-15), und zum Erzeugen eines entsprechenden Evaluationsresultat ("if a particular response matches defined parameters" auf Seite 27, Zeile 12; "binding offers" auf Seite 24, Zeile 6; Seite 32, Zeilen 27-32), wobei die Geschäftsregeln und Datenregeln jeweils einem von mehreren Regelsätzen zugeordnet sind ("There is logic built into the engine that only requires the user to complete the minimum number of questions required...", "The queries can be stored in ... matrices" auf Seite 26, Zeile 29 - Seite 27, Zeile 17; "rule in the rule set" auf Seite 27, Zeilen 25-26); und mittels Steuermittel ein anzuwendender Regelsatz aus den Regelsätzen in Abhängigkeit mindestens eines in ein bestimmtes Datenfeld eingegebenen Datenwertes auswählbar ist ("The process of drilling down is parameter driven" auf Seite 26, Zeile 29 - Seite 27, Zeile 17),

einen mittels eines Steuermoduls und der Evaluationsmittel gesteuerten Prozessablauf, wobei die Änderung der aktiven Regelsätze im Transaktionsserver in Abhängigkeit der eingegebenen Datensätze dynamisch erfolgt womit verschiedene Ablaufpfade mit verschiedenen zugeordneten Dateneingabemodulen entsprechend in einem datengesteuerten mehrstufigen vernesteten Triageprozessablauf selektiert und aktiviert sind (Seite 27, Zeilen 8-17; Abb. 10; "referred for manual processing" auf Seite 22, Zeilen 23-33), und wobei die Datensätze mindestens geographische Daten ("location" in Abb. 8) und/oder Benutzeridentifizierungsdaten ("Name" in Abb. 8) und/oder Leistungsidentifizierungsdaten ("desired coverage term and amount" auf Seite 24, Zeile 9) umfassen,

mehrere verschiedene Vertragsabschlussprozesse zum Anzeigen eines Vertragspreises über die Benutzerschnittstelle, zum Anfordern und Entgegenzunehmen einer Zustimmung zum Abschluss eines Vertrags vom Leistungsnehmer über die Benutzerschnittstelle, und zum Abspeichern eines abgeschlossenen Vertrags (Seite 32, Zeile 27 - Seite 33, Zeile 13), und Steuermittel zum Aktivieren der Evaluierungsmittel und zum Aktivieren eines ersten der Dateneingabemodule ("query panels" auf Seite 27, Zeilen 8-17), zum Aktivieren der Evaluierungsmittel, bei positivem Validierungsresultat, und zum automatischen Selektieren und Aktivieren von verschiedenen Vertragsabschlussprozesse in Abhängigkeit des Evaluationsresultats, wobei die Ausführung dynamisch veränderbarer Dateneingabefolgen und Prozessablaufmuster abhängig von den eingegebenen Datenwerten und gespeicherten Geschäftsregeln erfolgt ("The process of drilling down is parameter driven, if a particular response matches defined parameters, then the question engine returns the name of a secondary query panel 262" auf Seite 27, Zeilen 8-17; Abb. 10, und Seite 22, Zeilen 23-33), und Steuermittel zum Aktivieren eines zweiten der Dateneingabemodule bei negativem Validierungsresultat, wobei das zweiten der Dateneingabemodule entsprechend der oder den Geschäftsregeln selektiert ist ("if more detailed queries are required 238, the process loops 240 through a tertiary query panel 264" auf Seite 27, Zeilen 16-17). | 2.2 Die Kammer schließt sich der Analyse der Prüfungs­abteilung von D1 an. Jedoch ist die Kammer der Auffassung, dass D1 nicht explizit das hinzugefügte Merkmal offenbart, wonach bei gleicher Ablaufsteuerung mittels des Steuermoduls gesteuerte Module und/oder Prozesse durch eine modulare Architektur ersetzbar und damit dynamisch änderbar sind. Der Gegenstand von Anspruch 1 wird somit als neu gegenüber D1 angesehen. 3. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ Jedoch vermögen die von der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer erfinderischen Tätigkeit vorgebrachten Argumente die Kammer nicht zu überzeugen. 3.1 Die Beschwerdeführerin hat insbesondere während der mündlichen Verhandlung als wesentlichen Unterschied zur D1 auf die beanspruchte dynamische Anpassung verwiesen. Jedoch ist aus Sicht der Kammer eine breite Auslegung der "dynamischen Anpassung" geboten, v.a. vor dem Hintergrund der lediglich allgemeinen Offenbarung ohne konkrete Ausführungsbeispiele in der Anmeldung. Am konkretesten ist der Pseudocode auf Seite 21 der Beschreibung, der aber nicht erkennen lässt, inwieweit eine Anpassung dynamisch ist. Vielmehr wird verzweigt und es werden Unterprogramme ausgeführt. So ist auch aus Seite 5, Zeilen 2 bis 6 der Beschreibung zu entnehmen, dass ein Ersetzen von Programmteilen dadurch erfolgt, dass Module, Prozesse und Programmteile abhängig von Statuswerten aktiviert und/oder ausgewählt werden. Auch dies kann somit gemäß der Anmeldung als dynamische Anpassung angesehen werden. 3.2 Weiter hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass ein Versicherungsprodukt durch den beanspruchten Transaktionsserver automatisch erstellt werden könne, was ein gegenüber D1 anderes Konzept darstelle. Jedoch wird dies nicht zwangsläufig erreicht, da in dem genannten Ausführungsbeispiel auf Seite 21 der Beschreibung anhand des Pseudocodes erkennbar ist, dass auch die Möglichkeit besteht, dass mit den gesammelten Informationen lediglich ein halbautomatisierter Vertragsabschlussprozess erfolgt (vgl. auch Seite 20, Zeilen 11 bis 15). Auch ist kein solches Konzept beansprucht, sondern ein Transaktionsserver. Dieses Argument vermag daher nicht zu überzeugen. 3.3 D1 selbst gibt genügend Hinweise auf eine modulare Realisierung bzw. Systemarchitektur. So wird in D1 die Möglichkeit einer modularen Implementierung vorgeschlagen (vgl. Seite 15, Zeilen 21 bis 25 "implemented as modules" oder "The system includes modules..."). Auf dem allgemeinen Niveau des Lösungsvorschlags der vorliegenden Erfindung ist eine modulare Architektur daher aus D1 nahegelegt. Weitere Unterschiede und eventuelle technische Effekte gegenüber der Offenbarung von D1 sind mangels Ausführungsbeispielen nicht erkennbar. 3.4 Auch in D1 wird eine Programmierung einer Dateneingabe mittels JAVA und applets vorgeschlagen (vgl. Anmeldung, Seite 11, Zeile 9 und D1, Seite 25, Zeilen 10 bis 13). Somit wird in D1 ein vergleichbarer Programmieransatz zur Erzeugung von Dateneingabemodulen verfolgt. 3.5 Die Beschwerdeführerin bezeichnet den Anspruchs­gegenstand als Expertensystem zum Zweck eines Abschließens von Verträgen zwischen Leistungsnehmer und -erbringer. Dessen Wissensbasis besteht anspruchsgemäß aus Datenregeln und Geschäftsregeln. Diese stellen aus Sicht der Kammer abstrakte geschäftsbezogene Daten dar und sind somit dem Bereich der nicht-technischen Daten zuzuordnen. Diese nicht-technische Wissensbasis ist der Kern des Systems, von welchem die Wahl von Ablaufpfaden und damit verbunden auch von zu verwendenden Dateneingabemodulen abhängt, und kann damit selbst keinen erfinderischen technischen Beitrag leisten. 3.6 Die Kammer sieht im Anspruch keine universelle Benutzerschnittstelle entgegen dem Argument der Beschwerdeführerin (vgl. z.B. Seite 4, Absatz 7 der Beschwerdebegründung). Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die beanspruchte Auswahl und Aktivierung von verschiedenen Dateneingabemodulen abhängig von eingegebenen Datenwerten (bei Vertragsabschlüssen regelmäßig geschäftsbezogene Daten) und gespeicherten Geschäftsregeln erfolgt (vgl. z.B. Seite 4, Absatz 6 der Beschwerdebegründung mit Verweis auf Seite 4, Zeilen 24 bis 28 der Beschreibung). Anspruchsgemäß ist ein Pfad mit einer Auswahl von speziell vorgefertigten Dateneingabeschnittstellen spezifiziert. Jedes Dateneingabemodul ist spezifisch angepasst und wird in Abhängigkeit von den Regeln ausgewählt. Diese Sammlung speziell vorgegebener Dateneingabemodule wird von der Kammer nicht als universal angesehen, d.h. es wird nicht angenommen, dass jede erdenkliche Situation abgebildet wurde (daher auch die Möglichkeit eines lediglich halbautomatisierten Vertragsabschlusses - siehe oben). Insofern stimmt die Kammer der angefochtenen Entscheidung zu, dass es sich bei den verschiedenen Dateneingabemodulen um "nicht universale", z.B. nach Bedarf aufgerufene, herkömmliche, vorprogrammierte HTML-Seiten handeln kann (siehe die Beschreibung der vorliegenden Anmeldung, "Stand der Technik" auf den Seiten 1 und 2, z.B. das Aktivieren einer Benutzerschnittstelle in einer bestimmten Sprache). Auch trifft es zu, dass aus der gesamten Anmeldung nicht hervorgeht, wie eine universale Benutzerschnittstelle realisiert werden soll. Der Anspruch liest sich hinsichtlich der Benutzerschnittstelle eher wie ein Anforderungskatalog, denn wie ein technischer Lösungsvorschlag. Konkrete technische Merkmale, die die beanspruchten Funktionen oder Schnittstellen realisieren, finden sich weder im Anspruchswortlaut, noch in der Beschreibung. 3.7 In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass die in der Beschwerdebegründung angeführten "drei definierten Phasen" (siehe Seite 3 unten) mangels konkreter technischer Merkmale im Anspruchswortlaut als ein abstraktes geschäftsbezogenes Konzept betrachtet werden, welches selber keinen technischen Charakter besitzt und daher nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen kann. 3.8 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin (vgl. Seite 4, Abs. 5 der Beschwerdebegründung) offenbart D1 abhängig von dem Resultat einer Datenevaluation automatisch weitere Dateneingabemodule auszuwählen und zu selektieren (siehe D1, Seite 22, Zeilen 23 bis 33 oder Seite 27, Zeilen 8 bis 17). Dabei wird ebenfalls eine dynamische Generierung von Prozessabläufen in Abhängigkeit von der Dateneingabe erreicht. Es wird diesbezüglich insbesondere auf die Figur 10 von D1 mit zugehörigem Beschreibungstext verwiesen. Die Question panels 231, 234 und 240 entsprechen dabei den Dateneingabemodulen im Anspruchswortlaut. Je nach eingegebenen Daten werden Regeln (rules engine) angewendet und erforderlichenfalls weitere Durchgänge (loops) durchgeführt. Dies erkennt der Fachmann als Validieren von Eingabedaten mit Korrekturmöglichkeit. Insbesondere wird damit eine Selektierung und Aktivierung eines weiteren Dateneingabemoduls erreicht, wobei eine erneute Datenerfassung und Verarbeitung erfolgt (vgl. z.B. D1, Seite 27, "process of drilling down" wie in den Zeilen 8 bis 17 beschrieben). 3.9 Die Beschwerdeführerin hat die dem hinzugefügten Unterscheidungsmerkmal zu Grunde liegende Aufgabe darin gesehen, einen automatisierten Prozess bereitzustellen, welcher ohne programm-technische Eingriffe dynamisch angepasst werden kann (vgl. Seite 11, der Eingabe vom 12. März 2018). Die Lösung dieser Aufgabe gemäß dem Wortlaut von Anspruch 1 unterscheidet sich nur unwesentlich von der formulierten Aufgabe. Es mag dahin gestellt bleiben, ob darin eine aufgabenhafte Formulierung des Anspruchs gesehen werden kann. Aus Sicht der Kammer ist die beanspruchte Lösung ausgehend von D1 unter Berücksichtigung der allgemeinen Fachkenntnisse eines Programmierers anhand der oben dargestellten entsprechenden Hinweise auf modulare Architektur und objektorientierte Programmierung nahegelegt. So sieht die Kammer bei einer solchen Implementierung keine technischen Hürden, die der Fachmann zu überwinden hat, sondern erachtet eine solche Implementierung im Rahmen des üblichen Fachwissens als nahegelegt. Dem Gegenstand von Anspruch 1 fehlt es daher an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Hilfsantrag 3 4. Die Offenbarung von D1 gibt auch weitere Hinweise auf die zusätzlichen Merkmale von Anspruch 1 dieses Antrags, insbesondere dahingehend, dass eine Speicherung der Regellogik dynamisch veränderbar, als ausführbarer Programmcode in der Regeldatenbank gespeichert ist, so dass verschiedene Ablaufpfade resultieren. So offenbart D1, dass Regeln in einem eigenen Regelset abgespeichert werden (D1, Seite 27, Zeile 25 und 26, "implemented as a rule in the rule set"). Darüber hinaus wird explizit darauf hingewiesen, dass Regeln flexibel implementierbar sind und bedarfsweise veränderbar sind (D1, Seite 28, Zeilen 16 und 17, "Implementation of the decision tree is flexible. Hence, rules can always be added, edited, deleted, or re-ordered as requirements dictate"). Damit ist eine dynamisch veränderbare Regellogik aus D1 zumindest nahegelegt. Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach der Rule-Tree in D1 nicht veränderbar sei, sondern vordefiniert immer gleich (vgl. Seite 10, zweiter Absatz der Eingabe vom 12. März 2018) trifft daher nicht zu. Hilfsantrag 4 5. Vor dem Hintergrund der vorstehend angeführten Offenbarung in D1 kann auch das weitere Merkmal von Anspruch 1 dieses Antrags keine erfinderische Tätigkeit begründen. Da in D1 zwar die Regeln in einem Regelset veränderbar sind, der übergeordnete Programmcode zur Abarbeitung der Regeln jedoch nicht, wird anspruchsgemäß auch in D1 erreicht, dass die dynamischen Veränderungen der Regellogik bei gleichbleibender programmtechnischer Steuerung erfolgen. 6. Mithin verleihen auch die zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge 3 und 4 dem Gegenstand von Anspruch 1 keine erfinderische Tätigkeit. |

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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