T 2032/11 () of 30.10.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T203211.20141030
Datum der Entscheidung: 30 October 2014
Aktenzeichen: T 2032/11
Anmeldenummer: 04790951.0
IPC-Klasse: A61L 15/48
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: BLUT UND/ODER KÖRPERFLÜSSIGKEITEN ABSORBIERENDE POLYMERPARTIKEL
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Nippon Shokubai Co., Ltd.
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 123
Schlagwörter: Hauptantrag: Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Hilfsantrag 1: Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0369/05
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen I (Patentinhaberin) und II (Einsprechende) richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr.1 682 194 in geänderter Fassung auf Grundlage des damals geltenden Hilfsantrages 1 aufrecht erhalten wurde.

II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang von der Beschwerdeführerin II wegen mangelnder Ausführbarkeit, mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden (Artikel 100 a) und b) EPÜ). Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Druckschriften genannt:

(5) JP-A-61-016903 in ihrer englischen Übersetzung (5a),

(7) JP-A-2-153903 in ihrer englischen Übersetzung (7a) und

(13) EP-A-0 759 460.

III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das Patent in seiner erteilten Fassung (damaliger Hauptantrag) die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, ausreichend offenbare. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei u.a. von Druckschrift (5) neuheitsschädlich getroffen. Der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 sei neu und beruhe ausgehend von den Druckschriften (5) und (13) auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IV. Die Beschwerdeführerin I reichte mit Schriftsatz vom 4. April 2012 einen neuen Hauptantrag, sowie die Hilfsanträge 1 bis 10 ein. Während der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2014 ersetzte sie ihren Hilfsantrag 1 durch einen neuen Hilfsantrag 1. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des Hauptantrages lautet wie folgt:

"1. Blut und/oder Körperflüssigkeiten absorbierende Polymerpartikel, enthaltend

a) mindestens ein einpolymerisiertes ethylenisch ungesättigtes, säuregruppentragendes Monomer,

b) mindestens einen einpolymerisierten Vernetzer,

c) gegebenenfalls ein oder mehrere mit a) copolymerisierbare einpolymerisierte ethylenisch und/oder allylisch ungesättigte Monomere,

d) gegebenenfalls ein oder mehrere wasserlösliche Polymere, auf die die Monomere a), b) und ggf. c) zumindest teilweise aufgepfropft sind und

e) gegebenenfalls ein oder mehrere umgesetzte Nachvernetzer,

wobei die Polymerpartikel mit mindestens einem Tensid und mindestens einem Lösungsmittel der allgemeinen Formel I

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK(I)

in der

R**(1) C1-C8-Alkyl, wobei der Rest halogensubstituiert sein kann,

R**(2), R**(3) unabhängig voneinander Wasserstoff oder Methyl und

n eine ganze Zahl von 0 bis 5 bedeuten,

beschichtet sind und die trockenen Polymerpartikel eine Blutabsorption von mindestens 15g/g aufweisen."

"8. Verfahren zur Herstellung von Blut und/oder Körperflüssigkeiten absorbierender Polymerpartikel durch Polymerisation einer Mischung aus

a) mindestens einem ethylenisch ungesättigten, säuregruppentragenden Monomeren, die zumindest teilweise neutralisiert sein können,

b) mindestens einem Vernetzer,

c) gegebenenfalls einem oder mehreren mit a) copolymerisierbaren ethylenisch und/oder allylisch ungesättigten Monomeren und

d) gegebenenfalls einem oder mehreren wasserlöslichen Polymeren, auf die die Monomere a), b) und ggf. c) zumindest teilweise aufgepfropft werden können,

wobei das dabei erhaltene Grundpolymer getrocknet, klassiert und

e) gegebenenfalls mit einem oder mehreren Nachvernetzern nachbehandelt und getrocknet wird,

dadurch gekennzeichnet, dass man die getrockneten Polymerpartikel mit mindestens einem Tensid und mindestens einem Lösungsmittel der allgemeinen Formel I

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK(I)

in der

R**(1) C1-C8-Alkyl, wobei der genannte Rest halogensubstituiert sein kann,

R**(2), R**(3) unabhängig voneinander Wasserstoff, Methyl oder Ethyl und

n eine ganze Zahl von 0 bis 20 bedeuten,

nachbehandelt und so klassiert wird, dass die Polymerpartikel eine Korngröße von kleiner 700 mym aufweisen, wobei der Anteil an Partikeln mit kleiner 10 mym unter 1 Gew.-% beträgt."

Hilfsantrag 1 enthielt nur noch die Ansprüche 1 bis 7, sowie die umnumerierten Ansprüche 13 und 14 des Hauptantrages, d.h. die Verfahrensansprüche 8 bis 12 des Hauptantrages waren gestrichen.

V. Die Beschwerdeführerin I brachte vor, dass der Gegenstand der Ansprüche aller Anträge ausführbar sei, da der Fachmann wisse, dass unter einem "trockenen" Polymerpartikel solche mit Wassergehalten von bis zu 5 Gew.-% zu verstehen seien auch in Paragraph [0059] des Streitpatents sei diese Grenze bereits angegeben.

Zur Neuheit brachte die Beschwerdeführerin I vor, dass Druckschrift (5) nicht offenbare, dass trotz der hohen Temperaturen des dort eingesetzten Trocknungsverfahrens noch Lösungsmittel der Formel (I) in der Beschichtung der Polymerpartikel verbleibe. Ausgehend von Druckschrift (5) als nächstliegendem Stand der Technik beruhe der Gegenstand der Ansprüche aller Anträge auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auch wenn als technische Aufgabe nur die Bereitstellung einer Alternative angenommen werde, sei die Lösung, nämlich eine zusätzliche Beschichtung der Polymerpartikel mit einem Lösungsmittel der Formel (I) nicht durch den Stand der Technik nahegelegt. In Bezug auf das Verfahren gemäß Anspruch 8 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sich die Partikelgröße in Anspruch 8 auf die beschichteten Polymerpartikel beziehe, während die ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen diese Partikelgröße nur in Bezug auf die noch nicht beschichteten Polymerpartikel offenbarten. Da sich jedoch durch die Beschichtung die Partikelgröße nicht ändere, seien die Werte der unbeschichteten Partikel auf die beschichteten Partikel übertragbar, so dass keine Verletzung des Artikels 123(2) EPÜ vorliege. Zur erfinderischen Tätigkeit brachte sie vor, dass ausgehend von Druckschrift (5) als nächstliegendem Stand der Technik die zusätzliche Beschichtung der Polymerpartikel mit einem Lösungsmittel der Formel I zur Erzielung einer verbesserten Blutabsorption nicht nahegelegen habe.

VI. Die Beschwerdeführerin II brachte vor, dass die Patentschrift den Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 10 die Erfindung nicht so ausreichend offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Insbesondere das Merkmal, dass die Blutabsorption von mindestens 15 g/g, bzw. 20 g/g, an trockenen Polymerpartikeln zu messen sei, sei für den Fachmann nicht nachzuvollziehen, da die Patentschrift nicht definiere, was unter einem trockenen Polymerpartikel zu verstehen sei und durch welches Verfahren diese trockenen Polymerpartikel erreicht würden. In Abhängigkeit des Trocknungsgrades der Polymerpartikel seien auch unterschiedliche Blutabsorptionen zu erwarten, so dass der Fachmann nicht feststellen könne, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereichs arbeite.

Zur Neuheit zog die Beschwerdeführerin II in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nur noch die Druckschrift (5) an. Beispiel 3 dieser Druckschrift offenbare Polymerpartikel entsprechend den Polymerpartikeln des Streitpatentes, welche mit einem Tensid und mit Ethanol beschichtet seien. Auch nach der Trocknung bei 190°C sei noch ein Teil des eingesetzten Ethanols auf der Oberfläche der Polymerpartikel vorhanden. Die Blutaufnahme von 15 g/g werde auch mit diesen Polymerpartikeln erreicht. Daher nehme Beispiel 3 der Druckschrift (5) den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neuheitsschädlich vorweg.

Ausgehend von Druckschrift (5) als nächstliegendem Stand der Technik stelle der Gegenstand des Anspruchs 1 lediglich eine naheliegende Alternative dar, da Druckschrift (7) bereits einen Hinweis auf eine zusätzliche Beschichtung mit einem Lösungsmittel der Formel (I) gebe. Die in den Verfahrensanspruch 8 des Hauptantrages eingeführte Beschränkung der Partikelgröße sei lediglich in Kombination mit den nicht beschichteten Polymerpartikeln offenbart und könne nicht auf andere Partikel übertragen werden. Daher verstoße diese Änderung gegen Artikel 123(2) EPÜ.

VII. Die Beschwerdeführerin I beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage ihres Hauptantrages aufrechtzuerhalten, hilfsweise auf der Grundlage eines ihrer Hilfsanträge 1 bis 10 aufrechtzuerhalten, Hauptantrag und Hilfsanträge 2 bis 10 wie eingereicht mit Schriftsatz vom 4. April 2012 und Hilfsantrag 1 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

Die Beschwerdeführerin II beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

2.1 Der Verfahrensanspruch 8 basiert auf dem Wortlaut des erteilten Verfahrensanspruchs 9 (ursprüngliche Version wortgleich mit der erteilten Version), der am Ende noch einen weiteren Verfahrensschritt angefügt enthält, wonach das Produkt "so klassiert wird, dass die Polymerpartikel eine Korngröße von kleiner 700 mym aufweisen, wobei der Anteil an Partikeln mit kleiner 10 mym unter 1 Gew.-% beträgt". Als Basis für dieses Merkmal verwies die Beschwerdeführerin I auf Seite 11, Zeilen 35 bis 38 der ursprünglichen Beschreibung.

2.2 Die zitierte Passage bezieht sich jedoch auf die Partikelgrössenverteilung eines Zwischenproduktes, nämlich der nicht vernetzten Hydrogel-Partikel und nicht auf die Partikelgrössenverteilung des nach der Vernetzung erhaltenen Endproduktes, wie nunmehr beansprucht.

2.3 Die Beschwerdeführerin I brachte vor, dass mit der Vernetzung eines beschichteten Hydrogel-Partikels keine nennenswerte Änderung der Partikelgrösse einhergehe, so dass die Partikelgrössenverteilung der Hydrogel-Partikel auch für das nach der Vernetzung entstehende Endprodukt gelte.

2.4 Indessen ist festzustellen, dass je nach gewähltem Vernetzer und gewählten Verfahrensbedingungen bei der Vernetzung auch Agglomerate von Hydrogelpartikeln entstehen können. Daher kann der Fachmann der zitierten Passage nicht direkt und eindeutig entnehmen, dass die Partikelgrössenverteilung, die dort für die Hydrogel-Partikel angegeben ist, auch für das nach der Vernetzung erhaltene Endprodukt gilt. Somit stellt die Änderung in Anspruch 8 eine technische Information dar, die über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt der Anmeldung hinausgeht.

2.5 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die in Anspruch 8 des Hauptantrages vorgenommene Änderung den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ nicht genügt.

Hilfsantrag 1

3. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

3.1 Hilfsantrag 1 enthielt nur noch die Ansprüche 1 bis 7, sowie die umnumerierten Ansprüche 13 und 14 des Hauptantrages. Der Verfahrensanspruch 8 des Hauptantrages, der im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ als nicht gewährbar erachtet wurde (siehe Paragraph 2. supra), sowie die davon abhängigen Ansprüche 9 bis 12 des Hauptantrages waren gestrichen.

3.2 Der Wortlaut des Anspruchs 1 basiert auf dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1, der am Ende zusätzlich das Merkmal enthält, wonach "die trockenen Polymerpartikel eine Blutabsorption von mindestens 15g/g aufweisen." Dieses Merkmal entstammt dem von Anspruch 1 abhängigen Anspruch 6 (ursprüngliche Version wortgleich mit der erteilten Version). Da dieses Merkmal somit ursprünglich offenbart ist und eine Beschränkung des Umfanges des erteilten Anspruchs 1 bedeutet, erfüllt diese Änderung die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ.

4. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)

4.1 Die Beschwerdeführerin II hat die Ausführbarkeit der Erfindung, wie im Anspruch 1 definiert, angegriffen. Insbesondere sei der in Anspruch 1 enthaltene Parameter, nämlich dass "die trockenen Polymerpartikel eine Blutabsorption von mindestens 15g/g aufweisen", nicht über die gesamte Breite des Anspruchs ohne unzumutbaren Aufwand ausführbar.

4.2 Gemäß Artikel 83 EPÜ ist die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass der im Anspruch definierte Gegenstand anhand der Lehre der Patentschrift und unter Mithilfe des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand, wozu auch die Durchführung üblicher Versuche gehört, vollständig ausführbar sein muss. Dies gilt auch, wenn der Gegenstand anhand funktioneller Merkmale definiert wird (vgl. T 369/05, Punkt 3.3 der Entscheidungsgründe, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung der Beschwerdekammern sowie "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes", 7. Aufl., II.C.4.4). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Patentschrift, gegebenenfalls zusammen mit dem Fachwissen, ausreichende Informationen darüber liefern muss, wie die Polymerpartikel ausgestaltet sein müssen. damit "die trockenen Polymerpartikel eine Blutabsorption von mindestens 15g/g aufweisen".

Die Parteien waren einig, dass die Patentschrift ausreichende Informationen hinsichtlich der chemischen Struktur der Polymerpartikel enthält. Auch die Beschichtung der Polymerpartikel mit einem Tensid und einem Lösungsmittel der Formel (I) stelle den Fachmann nicht vor Probleme. Jedoch war die Beschwerdeführerin II der Auffassung, dass, mangels einer eindeutigen Vorschrift in der Patentschrift, wie "trockene" Polymerpartikel hergestellt werden könnten, der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht ausführbar sei.

Indessen enthält das Streitpatent in Paragraph [0059] einen Hinweis, dass die Polymerpartikel getrocknet würden, bis ein Restfeuchtegehalt bevorzugt unter 5 Gew.-% erreicht werde. Daher war dem Fachmann aus dem Streitpatent uns auch aus seinem allgemeinen Fachwissen bekannt, was unter "trockenen Polymerpartikeln" im Sinne des Streitpatentes zu verstehen ist.

Der Beschwerdeführer II brachte vor, dass der Fachmann nicht wisse, ob er "trockene Polymerpartikel" im Sinne des Streitpatentes vorliegen habe und damit auch nicht wisse, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Bereiches arbeite.

Diese Rüge ist jedoch tatsächlich ein Einwand unter Artikel 84 EPÜ (Deutlichkeit), der im Hinblick auf die Ansprüche in erteilter Fassung nicht zulässig ist.

4.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit der Erfindung gemäß Artikel 100 b) EPÜ in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ nicht durchgreift.

5. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

5.1 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zitierte die Beschwerdeführerin II ausdrücklich nur die Druckschrift (5) als neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1.

5.2 Druckschrift (5) offenbart ein wasserabsorbierendes Material, das erhältlich ist, indem man ein Carboxylgruppen enthaltendes wasserabsorbierendes Polymer mit einem Mehrfachalkohol und einem hydrophilen organischen Lösungsmittel mischt und durch Erhitzen die Molekülketten an der Oberfläche der wasserabsorbierenden Polymerpartikel durch den Mehrfachalkohol vernetzt (Anspruch 1). Die Liste der einsetzbaren Mehrfachalkohole enthält auch Substanzen, die unter die Definition eines Tensids gemäß Streitpatent fallen (Seite 7, Zeile 26 bis Seite 8, Zeile 6) und die Liste der hydrophilen organischen Lösungsmittel enthält auch Vertreter der Lösungsmittel der Formel I gemäß Streitpatent (Seite 8, Zeile 27 bis Seite 9, Zeile 4). Druckschrift (5) offenbart in Beispiel 3 die Herstellung eines derartigen wasserabsorbierenden Materials, bei dem ein wasserabsorbierendes Polymer mit Sorbitanmonostearat und Ethylalkohol vermischt und anschließend 20 Minuten einer Hitzebehandlung unterzogen wird, wobei das Material beim Austrag eine Temperatur von 190°C aufweist. Die Druckschrift (5) offenbart jedoch an keiner Stelle, dass der vor der Vernetzung zugesetzte Ethylalkohol am Ende der Hitzebehandlung noch auf der Oberfläche des wasserabsorbierenden Polymers verbleibt.

Damit ist der Druckschrift (5) zumindest jenes Merkmal des Anspruchs 1, wonach die Polymerpartikel mit mindestens einem Lösungsmittel der allgemeinen Formel I beschichtet sind, nicht zu entnehmen.

5.3 Die Beschwerdeführerin II brachte vor, dass auch bei einer Hitzebehandlung wie in Beispiel 3 beschrieben, noch Reste von Ethanol auf der Oberfläche der Polymerpartikel verblieben. Die durch die Vernetzungsreaktion entstehende Oberfläche könne ebenfalls als "Beschichtung" im Sinne des Streitpatentes verstanden werden.

Indessen hat die Beschwerdeführerin II für ihre Behauptung, wonach Ethanol nach der Hitzebehandlung des Beipiels 3 noch auf der Oberfläche der wasserabsorbierenden Polymerpartikel verbleibe, keine Beweise vorgelegt. In Ermangelung von Belegen seitens der Beschwerdeführerin II kann jedoch dieses Argument nicht durchgreifen. Da die Anwesenheit von Ethanol auf der Oberfläche der wasserabsorbierenden Polymerpartikel nicht belegt wurde, ist es auch unerheblich, ob die Vernetzung einer Partikeloberfläche technisch als "Beschichtung" zu verstehen ist, da die Anwesenheit eines Lösungsmittel der Formel I gemäß Streitpatent in jedem Fall obligatorisch ist.

5.4 Daher kommt die Kammer zur Auffassung, dass Druckschrift (5) dem Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neuheitsschädlich entgegensteht.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 In der angefochtenen Entscheidung wurde die Druckschrift (5) als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Die Beschwerdeführerin II zog im Beschwerdeverfahren zusätzlich die Druckschrift (13) an.

6.1.1 Die Druckschriften (5) und (13) beschreiben jeweils wasserabsorbierende Polymerpartikel, die mit einem Polyol als Oberflächenvernetzer gemischt werden. Das Ziel der Druckschrift (5) war, wie im Streitpatent, das Erreichen hoher Absorptionskapazitäten und hoher Retention (siehe Druckschrift (5), Seite 3, Zeile 25 bis Seite 4, Zeile 1), während Druckschrift (13) darauf abzielte, neben einer hohen Absorptionskapazität auch eine hohe Absorptionsgeschwindigkeit zu erreichen (siehe Druckschrift (13), Seite 3, Zeilen 51 bis 54).

6.1.2 Der Offenbarungsgehalt der Druckschrift (13) liegt dem Gegenstand des Streitpatentes somit nicht näher, als die Offenbarung der Druckschrift (5), die in der angefochtenen Entscheidung den nächstliegenden Stand der Technik darstellte.

6.1.3 Infolgedessen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass das Druckschrift (5) den nächstliegenden Stand der Technik und Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt.

6.2 Wie von der Beschwerdeführerin I vorgetragen, bestand die Aufgabe des Streitpatentes darin, ausgehend von Druckschrift (5) als nächstliegendem Stand der Technik ein verbessertes Produkt bereitzustellen, während die Beschwerdeführerin II als technische Aufgabe lediglich die Bereitstellung einer Alternative sah.

Angesichts der positiven Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auf der Basis der am wenigsten ambitionierten Aufgabenstellung, nämlich der Bereitstellung einer Alternative zum nächstliegenden Stand der Technik (siehe unten), muss auf die Frage, ob eine Verbesserung glaubhaft gemacht wurde, nicht weiter eingegangen werden.

Daher geht die Kammer im Folgenden von der objektiven technischen Aufgabe der Bereitstellung einer Alternative aus.

6.3 Als eine Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent die Polymerpartikel gemäß Anspruch 1 vor, die zusätzlich mit einem Lösungsmittel der allgemeinen Formel I beschichtet sind.

6.4 Dass die Polymerpartikel gemäß Anspruch 1 die objektive technische Aufgabe erfolgreich lösen war zwischen den Parteien nicht strittig.

6.5 Es bleibt daher zu untersuchen, ob die vom Streitpatent vorgeschlagene Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war, oder nicht.

6.6 Die Druckschrift (7) lehrt ein Verfahren zur Herstellung von wasserabsorbierenden Polymerpartikeln, wobei ein wasserabsorbierendes Polymerpulver mit einem Vernetzer in Gegenwart von Wasser und einem Ether vernetzt wird (siehe Anspruch 1). Der Ether wird dabei als Dispergiermittel zur homogeneren Verteilung der wasserabsorbierenden Polymerpartikel und der Vernetzerkomponente eingesetzt (Seite 6 Zeile 26 bis Seite 7, Zeile 8). Im Anschluss an die Oberflächenvernetzung der Polymerpartikel wird das erhaltene Produkt getrocknet, d.h. der als Dispersionsmittel eingesetzte Ether wird von der Partikeloberfläche entfernt (Seite 9, Zeilen 10 bis 20) Somit erhält der Fachmann aus Druckschrift (7) keinen Hinweis darauf, zur Lösung der in Paragraph 6.2 supra definierten Aufgabe die Polymerpartikel zusätzlich mit einem Lösungsmittel der allgemeinen Formel I zu beschichten.

6.7 Die Kammer gelangt daher zu der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Ansprüche 8 und 9

7. Auch die in Anspruch 9 beanspruchten Hygieneartikel, sowie das Verfahren gemäß Anspruch 8 zur Herstellung dieser Hygieneartikel sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Polymerpartikel gemäß Anspruch 1 verwenden. Da der Gegenstand des Anspruchs 1 als nicht nahegelegt angesehen wurde (siehe Paragraph 6 supra), kann aus denselben Gründen auch dem Gegenstand der Ansprüche 8 und 9 eine erfinderische Tätigkeit zugrunde gelegt werden.

8. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 enthalten bevorzugte Ausführungsformen der Polymerpartikel gemäß Anspruch 1. Daher wird deren erfinderische Tätigkeit von derjenigen des unanhängigen Anspruchs 1 getragen.

Hilfsanträge 2 bis 10

9. Da der Gegenstand des Hauptantrages für gewährbar erachtet wurde, ist über die nachrangigen Hilfsanträge 2 bis 10 nicht zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent aufrecht zu erhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1-9, eingereicht als Hilfsantrag 1 während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, und einer anzupassenden Beschreibung.

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