European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T195111.20141205 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Dezember 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1951/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 06778422.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B01J 38/48 B01D 61/02 B01J 31/18 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Abtrennung von organischen Übergangsmetallkomplexkatalysatoren | ||||||||
Name des Anmelders: | Evonik Degussa GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | OXEA GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 931 472 zurückzuweisen.
II. Anspruch 1 gemäß Streitpatent in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Abtrennung eines gelösten Komplexkatalysators eines Metalls der 4., 5., 6., 7., 8., 9. oder 10. Gruppe des Periodensystems der Elemente, der einen Organophosphor-Ligand aufweist, aus einer nicht-wässrigen Hydroformylierungs-Reaktionsmischung, die ein Hydroformylierungsprodukt und ein organisches Lösemittel enthält, wobei das Verfahren zumindest einen Membrantrennschritt aufweist, bei dem zumindest eine Membran eingesetzt wird, die für das Hydroformylierungsprodukt besser durchlässig ist als für den Organophosphor-Liganden, dadurch gekennzeichnet,
dass die Hydroformylierungs-Reaktionsmischung in dem Membrantrennschritt auf eine Membran geführt wird, wobei der Membrantrennschritt bei einem Kohlenmonoxid-Partialdampfdruck von mindestens 200 kPa im Membranzufluss, im Membranabfluss und im Permeat durchgeführt wird."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 24 beziehen sich auf besondere Ausgestaltungen des Verfahrens nach
Anspruch 1.
III. Im Einspruchsverfahren waren von der Einsprechenden mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 100(a) EPÜ) geltend gemacht worden, unter anderem im Hinblick auf folgende Dokumente:
D1: GB 1 312 076 A; und
D2: Dissertation von D.J. Desrocher: "Membranes for the recovery of a homogenous catalyst"; Georgia Institute of Technology, Juli 2004.
IV. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem, dass der zitierte Stand der Technik ein Membrantrennverfahren, in dem der Kohlenmonoxid-Partialdampfdruck im Permeat mindestens 2 bar (200 kPa) beträgt, weder offenbare noch nahelege.
Daher sei der beanspruchte Gegenstand neu und erfinderisch gegenüber dem zitierten Stand der Technik.
V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hielt in ihrer Beschwerdebegründung und in ihrem weiteren Schreiben vom 10. August 2012 ihre Einwände im Hinblick auf die Dokumente D1 und D2 weiter aufrecht.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) bestritt in ihrer Erwiderung vom 16. März 2012 alle vorgebrachten Einwände und reichte zur Untermauerung ihres Vortrags unter anderem Vergleichsversuche (Figuren 1 bis 3) sowie, in Verbindung damit, die folgenden neuen Dokumente ein
D13: Crous et al. "Rhodium hydride formation in the presence of a bulky monophosphite ligand: a spectroscopic and solid-state investigation"; Dalton Trans., 2005, Seiten 1108 bis 1116; und
D14: Rhodium Catalyzed Hydroformylation, van Leeuwen und Claver (Eds.), Kluwer Academic Publishers 2000; Chapter 3 - "Rodium Phosphite Catalysts", P. von Kamer et al., erste 11 Seiten.
VII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 5. Dezember 2014 statt.
In der mündlichen Verhandlung bestritt die Beschwerdeführerin weder die Zulässigkeit der mit Schreiben vom 16. März 2012 eingereichten Vergleichsversuche noch die Glaubwürdigkeit der darin gezeigten Ergebnisse. Angesichts dieser Ergebnisse räumte die Beschwerdeführerin auch ein, dass, ausgehend von dem im Beispiel 1 des D1 offenbarten Verfahren als nächstliegendem Stand der Technik, die durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Membrantrennverfahrens zu sehen sei, mittels dessen der Metallskomplexkatalysator mit weniger Aktivitätsverlust abgetrennt werden kann.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
IX. Die Beschwerdeführerin führte bezüglich der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (Anspruch 1 wie erteilt) insbesondere Folgendes aus:
- Dokument D1 offenbare im Beispiel 1 ein Verfahren zur Abtrennung eines in einer nicht-wässrigen Hydroformylierungs-Reaktionsmischung gelösten Rhodium- Komplexkatalysators, der einen Organophosphor-Ligand aufweise, wobei die Hydroformylierungs-Reaktionsmischung auf eine Membran bei einem Gesamtdruck von 68,9 bar geführt werde.
- Der Beschreibung des D1 sei es zu entnehmen, dass das in der Hydroformylierungs-Reaktionsmischung enthaltene Synthesegas Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO) in einem Verhältnis von 20:1 bis 1:4 enthalte. Daher offenbare das Beispiel 1, bei Berücksichtigung dieses Verhältnisses, einen CO-Partialdampfdruck im Membrantrennschritt von 3,3 bis 55,2 bar.
- Da bei einer Entspannung von einem Gesamtdruck von 68,9 bar im Membranzufluss auf atmosphärischen Druck im Permeat mit einer mechanischen Schädigung der Membran zu rechnen sei, müsse im Beispiel 1 auf der Permeatseite der Membran einen Gegendruck erzeugt werden. Daher müsse bei einem CO-Partialdampfdruck im Membranzufluss von 55,2 bar permeatseitig notwendigerweise ein CO-Partialdampfdruck von mindestens 2 bar vorherrschen.
- Zudem werde das CO bei dem verringerten Druck im Permeat in den Gasraum übergehen und einen CO-Partialdampfdruck aufbauen, der mit Sicherheit mehr als 2 bar betragen müsse.
- Daher offenbare das Beispiel 1 des Dokuments D1 ein Verfahren, das implizit alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent aufweist.
- Die wissenschaftliche Arbeit D2 (Seite 26) betreffe ein Verfahren zur Abtrennung eines in einer nicht-wässrigen Hydroformylierungs-Reaktionsmischung gelösten Rhodium-Komplexkatalysators, der einen Organophosphor-Ligand aufweise, wobei die Hydroformylierungs-Reaktionsmischung auf eine Membran geführt werde.
- D2 offenbare, dass die Hydroformylierungsreaktion bei einem Synthesegasdruck von 12 bis 50 bar durchgeführt werde, und dass das verwendete Synthesegas H2 und CO in einem Verhältnis von 1:1 enthalte. Daher betrage der CO-Partialdampfdruck im Membranzufluss 6 bis 25 bar.
- Dieses Verfahren sei laut D2 in einer Anlage mit der auf Seite 177 dargestellten Prozessführung untersucht worden, welche eine Druckregulierung auf der Permeatseite der Membran vorsehe. Bei einer solchen Prozessführung werde zwangsläufig ein permeatseitiger Gegendruck erzeugt.
- Bei einem CO-Partialdampfdruck von 25 bar im Membranzufluss würde daher permeatseitig zwangsläufig ein CO-Partialdampfdruck von über 2 bar vorherrschen.
- Dokument D2 offenbare daher ebenfalls ein Verfahren, das implizit alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent aufweise.
Im Bezug auf die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes aus:
- Es sei aus dem Dokument D1 bereits bekannt gewesen, dass sich eine Verringerung des CO-Partialdampfdruckes nachteilig auf die katalytische Aktivität des gelösten Metallkomplexkatalysators auswirke.
- Ausgehend von dem im D1/Beispiel 1 offenbarten Verfahren als nächstliegendem Stand der Technik sei es daher für den Fachmann naheliegend gewesen, einen permeatseitigen Gegendruck zu erzeugen, zum Beispiel durch eine permeatseitige Druckregulierung, wie sie in der Figur auf Seite 177 des Dokuments D2 dargestellt sei, um derart den CO-Partialdruckabfall über die Membran zu reduzieren und die Trennung eines Metallkomplexkatalysators mit höherer katalytischer Aktivität zu ermöglichen.
- Daher sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, einen CO-Partialdampfdruck von mindestens 2 bar im Permeat einzustellen, um die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe zu lösen.
- Der beanspruchte Gegenstand beruhe demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Beschwerdegegnerin führte hierzu Folgendes aus:
- Weder D1 noch D2 offenbare explizit oder implizit ein Membrantrennverfahren mit einem permeatseitigen CO-Partialdampfdruck von mindestens 2 bar.
- Insbesondere offenbare Dokument D1 auch die Anwendung eines CO-Partialdampfdruckes von lediglich 3,3 bar im Membranzufluss. Bei diesen Bedingungen sei im Rahmen des beschriebenen Membrantrennverfahrens ein CO-Partialdampfdruck von mindestens 2 bar im Permeat praktisch im Rahmen gar nicht einstellbar.
- Zudem werde die als Triebkraft für das Membrantrennverfahren erforderliche Druckdifferenz in der auf Seite 177 von D2 dargestellten Anlage nur durch Stickstoff (N2), und nicht durch ein CO-enthaltendes Synthesegas, erzeugt.
- Daher sei der Anspruchsgegenstand neu gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik.
- Ferner enthalte der herangezogene Stand der Technik keine Lehre, den CO-Partialdampfdruck im Permeat zu erhöhen, um derart die Abtrennung eines Metallkomplexkatalysators mit höherer katalytischer Aktivität zu ermöglichen.
- Ein solcher Zusammenhang werde vom Stand der Technik auch nicht nahegelegt. Die in der Anlage auf Seite 177 von D2 vorhandene Vorrichtung PI sei vor dem Reaktor und der Membran positioniert und könne daher den Druck im Permeat nicht direkt regeln.
- Die für die Lösung der zugrundeliegenden technischen Aufgabe ergriffene Maßnahme der Einstellung eines permeatseitigen CO-Partialdampfdruckes von mindestens 2 bar sei demnach durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
- Der beanspruchte Gegenstand beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag der Beschwerdegegnerin (Patent wie erteilt)
Neuheit
1. Die Beschwerdeführerin machte mangelnde Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 wie erteilt (Wortlaut siehe II supra) geltend, und zwar im Hinblick auf jedes der Dokumente D1 und D2.
2. Neuheit gegenüber Dokument D1
2.1 Beispiel 1 des Dokuments D1 offenbart ein Verfahren zur Abtrennung eines in einer Hydroformylierungs-Reaktionsmischung gelösten Rhodiumkomplexes Rh(CO)acetylacetonat(PBu2), d.h. eines Metallkomplexkatalysators gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Die flüssige Hydroformylierungs-Reaktionsmischung (siehe Anspruch 1 der D1) wird dabei über eine Membran geführt wird, die für das Hydroformylierungsprodukt besser durchlässig ist als für den Metallkomplexkatalysator. Der Membrantrennschritt wird bei einem feedseitigen (Gesamt-)Druck von 68,9 bar durchgeführt. Der permeatseitige Druck ist dabei zwangsläufig niedriger (siehe Seite 2, Zeilen 69 bis 89).
2.2 Beispiel 1 von D1 enthält jedoch keine ausdrücklichen Angaben zur Zusammensetzung der beaufschlagten Hydroformylierungs-Reaktionsmischung bzw. zum feedseitigen CO-Partialdampfdruck, oder zu den Druckverhältnissen (Gesamt- bzw. CO-Partialdampfdruck) im Permeat. Eine permeatseitige Entspannung auf Atmosphärendruck bzw. auf sehr niedrige Drücke (< 2 bar) ist nicht auszuschließen. Für ihre von der Beschwerdegegnerin bestrittene Behauptung, wonach die im Rahmen des Verfahrens gemäß D1/Beispiel 1 eingesetzte Membran bei einer permeatseitigen Entspannung bis auf Atmosphärendruck zwangsläufig mechanisch beschädigt würde, ist die Beschwerdeführerin einen überzeugenden Beweis schuldig geblieben. Dieses Argument muss daher unberücksichtigt bleiben.
Schon allein aus diesen Gründen ist Beispiel 1 von D1 nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des
Anspruchs 1.
2.3 Ferner kann laut Beschreibung (Seite 2, Zeilen 29 bis 30) das verwendete Synthesegas H2 und CO in einem Verhältnis von 20:1 bis 1:4 enthalten.
2.3.1 Selbst unter der Annahme, dass dieses lediglich optionale Merkmal im Rahmen des konkreten Verfahrens nach Beispiel 1 zur Anwendung kommen müsse, könnte man daraus nicht schließen, dass der feedseitige
CO-Partialdampfdruck zwingend hoch sein müsse, also z.B. ca. 55,2 bar (entsprechend einem H2/CO Verhältnis im Synthesegas von 1:4 bei einem Gesamtdruck von 68,9 bar), und nicht genau so gut nur 3,3 bar (entsprechend einem H2/CO-Verhältnis im Synthesegas von 20:1) betragen könne.
2.3.2 Es wurde von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang nicht bestritten, dass bei einem CO-Partialdampfdruck im Membranzufluss von lediglich 3,3 bar der CO-Partialdampfdruck im Permeat wohl kaum 2 bar oder größer als 2 bar wäre, da sonst die angestrebte Trennung des Metallkomplex-katalysators nur schwer bzw. gar nicht zu erreichen wäre.
2.3.3 Daher kommt die Kammer zum Schluss, dass Beispiel 1 von D1 auch nicht implizit unmittelbar und eindeutig einen CO-Partialdampfdruck im Permeat von mindestens 2 bar offenbart.
2.4 Die Offenbarung des Dokuments D1 steht daher der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nicht entgegen.
3. Neuheit gegenüber Dokument D2
3.1 Dokument D2 (Seite xvi) ist eine Dissertation, die sich mit der Untersuchung der Abtrennung eines in einer Hydroformylierungs-Reaktionsmischung gelösten Rhodiumcomplexkatalysators [RhH(CO)(PPh3)3] befasst. Dabei wird ein Metallkomplexkatalysator gemäß Anspruch 1 des Streitpatents mittels einer bestimmten Polyimid-Membran, die für das Hydroformylierungsprodukt besser durchlässig ist als für den Metallkomplexkatalysator, abgetrennt.
3.2 Die als Modellreaktion ausgewählte Hydroformylierung von 1-Dodezen ist auf Seite 26 von D2 (Zeilen 6 bis 18 und Figur 2.6) beschrieben. Diesem Teil der Beschreibung ist zu entnehmen, dass das bei dieser Reaktion verwendete Synthesegas H2 und CO in einem Verhältnis von 1:1 enthält und dass der Gesamtdruck des Synthesegases 12 bis 50 bar betragen soll. Dieser Druck soll auch als Triebkraft für den Membrantrennprozess dienen. Daraus ergibt sich, dass der CO-Partialdampfdruck im Membranzufluss 6 bis 25 bar betragen kann.
3.3 Jedoch enthält die Beschreibung des D2 keinen expliziten Hinweis auf den permeatseitigen CO-Partialdampfdruck.
3.4 Die Beschwerdeführerin war der Meinung, dass Dokument D2 die in der Figur A.2 auf Seite 177 dargestellte Anlage und Prozessführung für die auf Seite 26 beschriebene Hydroformylierungsreaktion mit anschließendem Membrantrennschritt vorschlägt. Da diese Anlage eine Druckregulierungsvorrichtung enthält, womit nach Meinung der Beschwerdeführerin ein Gegendruck auf der Permeatseite der Membran erzeugt werden kann, würde sich bei einem CO-Partialdampfdruck von 25 bar im Membranzufluss zwangsläufig ein CO-Partialdampfdruck im Permeat von über 2 bar einstellen.
3.4.1 Der Legende besagter Figur A.2 ist zu entnehmen, dass eine Permeationstestanlage dargestellt ist, mit der Dialyse-, hydraulische Permeations- und Rückhaltungsexperimente mit der ausgewählten Membran durchgeführt wurden. Für die Kammer ergibt sich daraus, dass diese Testanlage nicht eine Anlage darstellt, wie sie normalerweise für die Durchführung der auf Seite 26 beschriebenen Reaktion mit anschließendem Membrantrennverfahren verwendet wird. Die folgende Beschreibung der Versuchsdurchführung (Abschnitt A.2.4 auf Seiten 184 und 185 von D2) weist zudem darauf hin, dass in allen Experimenten, wie auch aus der Figur A.2 zu entnehmen ist, Stickstoff (N2) und nicht ein CO enthaltendes Synthesegas verwendet wurde, um die für das Membrantrennverfahren notwendige Druckdifferenz zu erzeugen (siehe Figur A.2 oben und Seite 185, Zeilen 2 bis 4). Dies wird auch in verschiedenen anderen Passagen von D2 (Seite 113, Zeilen 1 bis 2 und Figur 5.2 auf Seite 115) im Rahmen der Diskussion der durchgeführten Experimente bestätigt. Zum permeatseitigen Gesamtdruck bzw CO-Partialdampfdruck ist auch in diesem Teil der Beschreibung nichts gesagt.
3.4.2 Bereits aus diesem Grund vermag die von der Beschwerdeführerin entgegengehaltene Zusammenschau der Seiten 26 und 177 von D2 keine Offenbarung eines unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fallenden Verfahrens darzustellen.
3.5 Die Kammer merkt der Vollständigkeit halber an, dass eine für das auf Seite 26 des D2 beschriebene Membrantrennverfahren geeignete Anlage mit zwei in Serie geschalteten Membranen auf Seite 132 des D2 (Figur 5.7) dargestellt ist. Im Absatz 5.4.5 (Seite 132 und 133) wird die dadurch mögliche Katalysatorrückgewinnung unter ausgewählten Bedingungen abgeschätzt. Nach diesen Bedingungen (Seite 133, Zeilen 5 bis 10) werden sowohl der erste wie auch der zweite Membrantrennschritt bei einem Gesamtdruck von 15 atm (15 bar) im Membranzufluss durchgeführt. Da nach dem ersten Membrantrennschritt der Druck im Permeat notwendigerweise niedriger ist, muss der Gesamtdruck von 15 atm im Membranzufluss vor der zweiten Membran wiederhergestellt werden.
Jedoch finden sich auch in diesem Teil der Beschreibung keinerlei Angabe zu den permeatseitig vorherrschenden Druckverhältnissen, ganz zu schweigen zum permeatseitigen CO-Partialdampfdruck.
3.6 Für die Kammer offenbart D2 daher selbst bei zusätzlicher Berücksichtigung des Informationsgehalts der Seiten 132 und 133 kein unter den Wortlaut des vorliegenden Anspruch 1 fallenden Verfahrens.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1, und folglich auch die Gegenstände der von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 24, sind daher neu (Artikel 52(1) und 54 EPÜ).
Erfinderische Tätigkeit
5. Erfindung
5.1 Die Erfindung betrifft (siehe Streitpatent, Abschnitte [0001] bis [0004] und Anspruch 1) ein Membrantrennverfahren zur Abtrennung von gelösten Metallkomplexkatalysatoren aus einer Hydroformylierungs-Reaktionsmischung.
5.2 In Abschnitt [0008] der Beschreibung finden sich folgende Angaben: "Nachteilig an den aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren ist der häufig auftretende Aktivitätsverlust des Katalysators, so dass trotz einer effektiven Abtrennung des Rhodiums aus dem Reaktionsgemisch eine Abnahme der Aktivität des Katalysators zu beobachten ist. Insbesondere durch die Verclusterung des Rhodiums zu feindispersen Partikeln wird dieses bereits durch eine Mikrofiltration (0,45 mym) abscheidbar. In den Verfahren nach dem Stand der Technik wird kein Unterschied zwischen gelöstem Rhodium-Katalysator-Ligandsystem und feinstdispersem, verclustertem, metallischen Rhodium gemacht...".
6. Nächstliegender Stand der Technik
6.1 Es bestand Einvernehmen zwischen den Parteien, dass das im Beispiel 1 des Dokuments D1 beschriebene Verfahren den nächstliegenden Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt.
6.2 Im Hinblick auf die in Dokument D1 angesprochene Problematik und die Ähnlichkeit des in Beispiel 1 von D1 offenbarten Trennverfahren mit dem Verfahren gemäß vorliegendem Anspruch 1 hat die Kammer keine Veranlassung, einen anderen Standpunkt einzunehmen.
7. Technische Aufgabe
7.1 Laut Beschreibung des Streitpatents (Abschnitt [0009]) "bestand die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin, ein Verfahren bereitzustellen...mit welchem der Übergangsmetallskomplexkatalysator möglichst vollständig, ohne das Auftreten von Verclusterungen (unter Verclusterung wird im Rahmen der vorliegenden Erfindung die Bildung von Verbindungen mit mindestens vier Metallatomen verstanden) und mit einem möglichst geringen Aktivitätsverlust abgetrennt werden kann."
7.2 Auch ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik D1/Beispiel 1, der sich ebenfalls eine möglichst vollständige Trennung des Metallkomplexkatalysators zum Ziel setzt, werde nach Meinung der Beschwerdegegnerin die technische Aufgabe gelöst, ein Membrantrennverfahren bereitzustellen, mittels dessen der Metallskomplexkatalysator mit weniger Aktivitätsverlust abgetrennt werden kann.
8. Lösung
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent das Membrantrennverfahren laut Anspruch 1 vor, welches insbesondere dadurch gekennzeichnet ist,
"dass der Membrantrennschritt bei einem CO-Partialdampfdruck von mindestens 200kPa im Membranzufluss, im Membranabfluss und im Permeat durchgeführt wird" (Hervorhebungen durch die Kammer).
9. Erfolg der Lösung
9.1 In der mündlichen Verhandlung räumte die Beschwerdeführerin ein, dass der mit Schreiben vom 16. März 2012 von der Beschwerdegegnerin eingereichten Vergleichsversuch, dessen Zulässigkeit sie nicht bestritt, zeigt, dass bei einem permeatseitigen
CO-Partialdampfdruck von mindestens 200kPa (2 bar) der abgetrennte Metallkomplexkatalysator eine höhere katalytische Aktivität aufweist als bei drucklosem (bei Atmosphärendruck von 1 bar) Ablaufen des Permeats.
9.2 Auch die Kammer sieht sich nicht veranlasst, die Zulässigkeit dieses in Reaktion auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung eingereichten Vergleichsversuchs, und der in Verbindung damit eingereichten Dokumente D13 und D14 in Frage zu stellen.
Die Kammer hat auch keinen Grund die Glaubwürdigkeit bzw. Aussagekraft (in Verbindung mit den Informationen aus D13 und D14) dieses Vergleichsversuchs anzuzweifeln.
9.3 Daher ist für die Kammer die der Erfindung zugrundeliegende technische Aufgabe (Punkte 7.1 und 7.2 supra) durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 auch tatsächlich gelöst.
10. Nicht-Naheliegen der Lösung
10.1 Es ist unbestritten, dass das einzige in D1/Beispiel 1 nicht offenbarte Merkmal des Verfahrens nach vorliegendem Anspruch 1 die Einhaltung eines permeatseitigen CO-Partialdampfdrucks von mehr als 2 bar ist.
10.2 Es bleibt daher zu entscheiden ob es für dem Verfahren laut D1/Beispiel 1 ausgehenden Fachmann naheliegend war, angesichts des Standes der Technik und unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens, einen CO-Partialdampfdruck im Permeat von mindestens 2 bar einzustellen, um derart die Abtrennung eines Metallkomplexkatalysators mit höherer katalytischer Aktivität zu erreichen.
10.3 Dokument D1 für sich genommen
10.3.1 Dokument D1 (Seite 1, Zeile 85, bis Seite 2, Zeile 8) lässt sich entnehmen, dass ein in einer Hydroformylierungs-Reaktionsmischung gelöster Metallkomplexkatalysator bei einem Absinken des
CO-Partialdampfdrucks deaktiviert und ausgefällt wird. Dies kann beispielsweise passieren, wenn im Rahmen der Aufarbeiten des Reaktionsgemischs ein Destillationsschritt durchgeführt wird.
10.3.2 Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Fachmann, ausgehend von einem Membrantrennverfahren wie in D1/Beispiel 1 beschrieben, auch bei einer Erhöhung des
CO-Partialdampfdruckes auf Seite des Permeats, das ja keine signifikante Menge an zu stabilisierendem Metallkomplexkatalysator enthält, eine bessere Aufrechterhaltung der Aktivität des mit dem Retentat abgetrennten Metallkomplexkatalysators erwarten hätte können.
10.3.3 Zudem offenbart Dokument D1 nicht, auf der Permeatseite der Membran eine Druckregelungsvorrichtung vorzusehen, die die Einstellung bzw Aufrechterhaltung eines gewünschten CO-Partialdampfdruckes im Permeat ermöglichen würde.
10.3.4 Für die Kammer vermag Dokument D1 für sich genommen daher nicht, ein Verfahren gemäß vorliegendem Anspruch 1 nahezulegen.
10.4 Kombination der Dokumente D1 und D2
10.4.1 Selbst wenn der Fachmann die in der Figur A.2 (Seite 177) des Dokuments D2 dargestellte Prozessführung als für die Durchführung des im Beispiel 1 von D1 beschriebenen Verfahrens geeignet ansehen würde, könnte er dieser Figur keinerlei Hinweis auf das Vorsehen einer Druckregelungsvorrichtung zur permeatseitigen Einstellung/Aufrechterhaltung eines erhöhten Drucks entnehmen: In der Tat ist die von der Beschwerdeführerin angesprochene Vorrichtung ("pressure gauge") PI stromaufwärts vom Reaktor R-100 und der Membran und nicht permeatseitig, das heißt stromabwärts nach der Membran, positioniert. Sie dient, wie in der diesbezüglichen Beschreibung (Seite 185, Zeilen 2 bis 4) erläutert wird, nur zur Erzeugung unterschiedlicher Druckdifferenzen als Triebkraft für das untersuchte Membrantrennverfahren. Diese feedseitige Druckregulierung hat keinen direkten Einfluss auf den permeatseitigen Druck, und ein permeatseitiges Einstellen eines Gegendrucks mittels der dargestellten Vorrichtung PI bzw. der symbolisch dargestellten Ventile wird auch im Rahmen der Versuchsbeschreibung (Seite 185) nicht angesprochen. Auch aus der von der Beschwerdeführerin betonten Angabe in D2, wonach die Vorrichtung PI bis zu Drücken von 600 psi eingesetzt werden kann, lässt sich keine entsprechende Information ableiten.
10.4.2 D2 enthält an keiner Stelle einen expliziten Hinweis auf den im Permeat vorhandenen CO-Partialdampfdruck (siehe Punkte 3.1 bis 3.5 supra). Ferner regt D2 auch in keiner Weise an, die als Triebkraft für das Membrantrennprozess verwendeten Druckdifferenz unter Einstellung eines permeatseitigen Gegendrucks zu regeln, und schon gar nicht im Sinne einer Maßnahme, die einen positiven Einfluss auf die katalytische Wirkung des so abgetrennten Metallkomplexkatalysators haben könnte.
10.4.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Dokumente D1 und D2, auch bei deren Zusammenschau, dem Fachmann nicht nahelegen, permeatseitig einen
CO-Partialdampfdruck von mindestens 2 bar einzustellen, um derart bei der Abtrennung einen möglichst geringen Aktivitätsverlust des Metallkomplexkatalysators zu erreichen. In Unkenntnis der Erfindung konnte der von D1 ausgehende Fachmann selbst unter Berücksichtigung der D2 nicht in naheliegender Weise zu einem unter den vorliegenden Anspruch 1 fallenden Verfahren gelangen.
11. Demnach beruhen der Gegenstand des Anspruchs 1, und folglich auch die Gegenstände der von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 24, auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.