European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T191011.20140604 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Juni 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1910/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04820607.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | H04L 12/28 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Audio- und/oder Videosystem für ein Kraftfahrzeug | ||||||||
Name des Anmelders: | Continental Automotive GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit gegenüber Stand der Technik aus benachbarten technischen Gebieten - (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
Bei der Frage, ob es sich beim technischen Gebiet des Standes der Technik um ein Nachbargebiet zum Gebiet der Anmeldung handelt, geht es nach Ansicht der Kammer nicht primär darum, ob die zugehörigen Implementierungsparameter identisch sind, sondern vielmehr um die Ähnlichkeit der entsprechenden Aufgabenstellungen, der Randbedingungen und der funktionellen Konzepte dieser technischen Gebiete (siehe Punkte 2.1.7 und 2.1.8). |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, zur Post gegeben am 31. März 2011, auf Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 04820607.2 aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) gegenüber dem folgenden Stand der Technik:
D1: WO-A-02/063831.
II. Die Beschwerdeschrift ging am 27. Mai 2011 ein. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Mit der Beschwerdebegründung, eingegangen am 28. Juli 2011, reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche gemäß einem Hauptantrag, einem Hilfsantrag I und einem Hilfsantrag II zusammen mit drei neuen Beschreibungsseiten ein. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags oder hilfsweise auf der Basis eines der Hilfsanträge zu erteilen.
III. Die Kammer hat am 20. März 2014 zu einer für den 4. Juni 2014 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen. Mit der Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Beschwerde mit. Hierbei wurden insbesondere Einwände gestützt auf Artikel 52(1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ gegenüber der im Internationalen Recherchenbericht zitierten Druckschrift
D4: R.D. Gardner et al.: "High Performance Photonic
Avionics Networking using WDM", Proceedings of IEEE Military Communications 1999, pp. 958-962,
October 1999,
die von der Kammer gemäß Artikel 114(1) EPÜ in das Beschwerdeverfahren eingeführt wurde, erhoben und die Gründe hierfür dargelegt. Darüber hinaus wurde auch das deutschsprachige Familienmitglied der im Prüfungsverfahren zitierten Druckschrift D2 als Dokument
D3: DE-A-199 63 155
in der Anlage zur Ladung erwähnt.
IV. Mit Schreiben vom 5. Mai 2014 reichte die Beschwerdeführerin neue Ansprüche gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfsanträgen I bis VI mitsamt angepassten Beschreibungsseiten ein und beantragte eine Patenterteilung auf der Grundlage des Hauptantrags oder hilfsweise auf der Basis eines der Hilfsanträge.
V. Am 4. Juni 2014 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der alle vorliegenden Anträge in das Verfahren zugelassen und erörtert wurden. Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des Hauptantrags oder hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I bis VI, alle Anträge eingereicht mit Schreiben vom 5. Mai 2014. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Verwendung eines Systems zur Übertragung von Audio- und/oder Videodaten in Kraftfahrzeugen mit einem ringförmigen, bidirektionalen, optischen Netzwerk (1) aus Lichtwellenleitern und mittels des Netzwerks (1) ringförmig miteinander verbundenen Audio- und/oder Videogeräten (2-12), wobei in dem Netzwerk (1) in einem ersten Datenkanal einer ersten optischen Wellenlänge Daten zwischen den Audio- und/oder Videogeräten (2-12) übertragen werden, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Netzwerk in einem zweiten Datenkanal einer zweiten optischen Wellenlänge Daten zwischen den Audio- und/oder Videogeräten (2-12) übertragen werden, wobei die Audio- und/oder Videogeräte (2-12) optische Koppelelemente mit Filtern zum Separieren des ersten und zweiten Datenkanals aufweisen."
Anspruch 1 des Hilfsantrags I enthält alle Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und umfasst zusätzlich, dass
"der erste Datenkanal dazu ausgebildet ist, Daten nach dem MOST-Protokoll zu übertragen und der zweite Datenkanal dazu ausgebildet ist, Daten nach dem Internet-Protokoll zu übertragen". Anspruch 1 des Hilfsantrags II enthält alle Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I mit dem Unterschied, dass der Begriff "Daten" durch den Ausdruck "Multimediadaten" ersetzt wurde (vgl. Zeilen 9 und 17 von Anspruch 1).
Anspruch 1 des Hilfsantrags III enthält alle Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I und umfasst zusätzlich, dass "der zweite Datenkanal dazu ausgebildet ist mit einer größeren Bandbreite Daten zu übertragen als der erste Datenkanal". Anspruch 1 des Hilfsantrags IV enthält alle Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III mit dem Unterschied, dass der Begriff "Daten" durch den Ausdruck "Multimediadaten" ersetzt wurde (vgl. Zeilen 9 und 17 von Anspruch 1).
Anspruch 1 des Hilfsantrags V enthält alle Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mit dem Unterschied, dass die Ausdrücke "Audio- und/oder Videodaten" bzw. "Audio- und/oder Videogeräte (2-12)" jeweils durch die Begriffe "Audiodaten" und "Audiogeräte (2-12)" ersetzt wurden.
Anspruch 1 des Hilfsantrags VI enthält alle Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag V und umfasst zusätzlich, dass "der erste Datenkanal dazu ausgebildet ist, Daten nach dem MOST-Protokoll zu übertragen und der zweite Datenkanal dazu ausgebildet ist, Daten nach dem Internet-Protokoll zu übertragen".
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. HAUPTANTRAG
Anspruch 1 dieses Antrags umfasst nur eine geringfügige Umformulierung gegenüber dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruch 1 (der Begriff "Netzwerkelemente" wurde durchgängig durch den Ausdruck "Audio- und/oder Videogeräte" ersetzt).
2.1 Artikel 52(1) EPÜ: Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Die Kammer urteilt, dass Anspruch 1 dieses Antrags nicht die Erfordernisse des Artikels 52(1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ erfüllt. Die Gründe hierfür sind wie folgt:
2.1.1 Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands betrachtete die Prüfungsabteilung die Druckschrift D1 als den nächstliegenden Stand der Technik (vgl. angefochtene Entscheidung, Punkt 9.1). Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass D1 zu viele strukturelle wie funktionelle Unterschiede (insbesondere mangels der Verwendung eines KFZ-Netzwerks und der Bereitstellung von WDM-Kanälen) zum Gegenstand der vorliegenden Erfindung aufweist, als dass es als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könnte. Im Ladungsbescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK (vgl. Punkt III oben) wurde daher mitgeteilt, dass die Kammer vielmehr von D4 als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht, da D4 einem mit dem der beanspruchten Erfindung zugrunde liegenden Bereich der KFZ-Technik vergleichbaren technischen Gebiet, nämlich der Luft- und Raumfahrttechnik, zuzuordnen ist und sich explizit mit dem gleichen funktionellen Konzept, d.h. der Unterstützung von mehreren Kommunikationsprotokollen über verschiedene WDM-Kanäle, befasst (vgl. Ladungsbescheid, Abschnitt 3.1.2).
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Frage des geeigneten nächstliegenden Stands der Technik für den Gegenstand von Anspruch 1 ausgiebig erörtert. Hierbei führte die Beschwerdeführerin an, dass das Dokument D3 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei, da es sich wie die vorliegende Erfindung auf das technische Gebiet der Multimediaübertragung in Kraftfahrzeugen beziehe, wohingegen D4 dem hierzu fachfremden Gebiet der Sensor-/Videodatenübertragung in der Luft- und Raumfahrttechnik zuzuordnen sei (vgl. auch Antwortschreiben der Beschwerdeführerin vom 5. Mai 2014, Seite 4, letzter Absatz).
Die Kammer merkt in diesem Zusammenhang zwar an, dass die Zuordenbarkeit des zu bestimmenden nächstliegenden Stands der Technik zu demselben Gebiet der Technik wie die beanspruchte Erfindung nur eines von vielen Kriterien zur Feststellung des nächstliegenden Stands der Technik darstellt (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage, 2013, Abschnitt I.D.3) und dass generell die Felder der KFZ-Technik und der Luft- und Raumfahrttechnik nicht per se als fremde bzw. voneinander entfernte Fachbereiche oder gar Studiengänge angesehen werden können (vgl. Punkt 2.1.62.1.6 unten). Dennoch geht die Kammer - zugunsten der Beschwerdeführerin - von der Druckschrift D3 als dem nächstliegenden Stand der Technik für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der vorliegenden Erfindung aus, zumal dadurch die in der ursprünglichen Anmeldung formulierte technische Aufgabe (vgl. Seite 2, zweiter Absatz) mit der objektiven Aufgabe im Rahmen des "Aufgabe-Lösungs-Ansatzes" gleichgesetzt werden kann (vgl. Punkt 2.1.42.1.4 unten) und D3, insbesondere im Hinblick auf die zusätzlichen Merkmale der vorliegenden Hilfsanträge, als ein erfolgversprechenderes Sprungbrett als D4 betrachtet wird.
2.1.2 Dokument D3 offenbart die folgenden einschränkenden Merkmale von Anspruch 1 in dessen Terminologie:
Verwendung eines Systems zur Übertragung von
Audio- und/oder Videodaten in Kraftfahrzeugen mit einem ringförmigen, bidirektionalen, optischen Netzwerk aus Lichtwellenleitern ("optisches Netz 1") und mittels des Netzwerks ringförmig miteinander verbundenen
Audio- und/oder Videogeräten (siehe Spalte 1, Zeilen 1-4; Spalte 2, Zeilen 22-30; Spalte 5, Zeile 67 bis Spalte 6, Zeile 22 in Verbindung mit Fig. 1), wobei in dem Netzwerk
A) Daten zwischen den Audio-/Videogeräten übertragen werden (siehe Spalte 6, Zeilen 4-5: "... Das optische Netz 1 beinhaltet ein
Media-Datennetzwerk, das es erlaubt Datenströme zu routen ...");
B) die Audio-/Videogeräte optische Koppelelemente aufweisen (implizit offenbart durch die Benutzung der MOST-Technologie; siehe Spalte 2, Zeilen 27-30 und Spalte 6, Zeilen 7-9).
2.1.3 Der Unterschied zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 und der Offenbarung von D3 besteht mithin darin, dass
C) die Daten zwischen den Geräten in einem ersten und zweiten Datenkanal einer ersten und zweiten optischen Wellenlänge übertragen werden;
D) die optischen Koppelelemente der Geräte Filter zum Separieren des ersten und zweiten Datenkanals aufweisen.
Folglich ist der Gegenstand von Anspruch 1 dieses Antrags neu gegenüber D3 (Artikel 54 EPÜ).
2.1.4 Die Kammer betrachtet die in der vorliegenden Anmeldung formulierte technische Aufgabe als die durch Anspruch 1 zu lösende objektive Aufgabe bezüglich D3. Demzufolge besteht sie darin,
"ein Audio- und/oder Videosystem derart weiterzubilden, dass unter weitgehender Beibehaltung des bestehenden ringförmigen optischen Netzwerkes sowohl Geräte nach einem herkömmlichen Standard, wie insbesondere MOST, betrieben werden können, gleichzeitig jedoch für Geräte mit einem hohen Datendurchsatz eine effektivere Datenübertragung gewährleistet wird" (vgl. Seite 2, zweiter Absatz der ursprünglich eingereichten Anmeldung).
Im Sinne der Anmeldung (vgl. Seite 1, letzter Satz bis Seite 2, erster Absatz der ursprünglichen Beschreibung) und nach Auffassung der Beschwerdeführerin ist in diesem Zusammenhang "unter weitgehender Beibehaltung des bestehenden ringförmigen optischen Netzwerkes" so zu verstehen, dass der zugrunde liegende optische Bus nach dem Standard MOST (Media Oriented Systems Transport) weder durch einen MOST-Bus höherer Übertragungsrate ersetzt noch ergänzt werden soll. Darüber hinaus sind "Geräte mit einem hohen Datendurchsatz" als Geräte zu sehen, die Daten mit einer derart hohen Übertragungsrate übertragen können, dass die Kapazität eines konventionellen MOST-Busses mit einer maximalen Übertragungsrate von 22,5 MBit/s hierfür nicht mehr ausreicht (vgl. Seite 1, zweiter Absatz der ursprünglich eingereichten Anmeldung).
Ausgehend von einer derart definierten objektiven Aufgabe schließt sich die Kammer der Beschwerdeführerin darin an, dass es sich beim zugehörigen Fachmann um einen "Nachrichtentechniker mit Spezialkenntnissen in der Fahrzeugtechnik" handelt.
2.1.5 Gemäß der Lehre von D3 wird ein optisches Netz nach dem MOST-Standard mit einer begrenzten Bandbreite von 22,5 MBit/s als Medien-Datennetzwerk zur Übertragung von Audio- und Videodaten, d.h. mit nur einem Datenkanal, verwendet (siehe Spalte 2, Zeilen 27-30; Spalte 6, Zeilen 7-9). Um nun die entsprechende objektive Aufgabe zu lösen, würde der oben definierte Fachmann nach Möglichkeiten suchen, eine effektive Datenübertragung auch für Geräte mit hoher Übertragungsrate zu ermöglichen ohne hierbei einen anderen oder zusätzlichen optischen MOST-Bus einzusetzen.
2.1.6 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit außer dem Stand der Technik auf dem Gebiet, auf dem die Anmeldung liegt (d.h. dem Gebiet der Fahrzeugtechnik im vorliegenden Fall), gegebenenfalls auch der Stand der Technik auf Nachbargebieten und/oder auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet (wie z.B. der Nachrichtentechnik) heranzuziehen, auf dem die gleichen oder ähnliche Probleme wie auf dem Spezialgebiet der Anmeldung eine Rolle spielen und von dem erwartet werden muss, dass der Fachmann des betreffenden Spezialgebiets von seinem Vorhandensein Kenntnis haben muss (vgl. z.B. T 176/84, ABl. EPA 1986, 50, Punkt 5.3.1). Hierbei würde sich nach Auffassung der Kammer der Fachmann nicht nur auf die KFZ-Technik beschränken lassen, sondern auch auf einem hierzu verwandten Gebiet wie die Flugzeugtechnik nach Lösungshinweisen Ausschau halten. Die technischen Felder der KFZ-Technik und der Flugzeugtechnik sind nämlich traditionsgemäß als benachbarte Gebiete anzusehen, da sie ähnliche Aufgabenstellungen (wie z.B. Störsicherheit, Robustheit, Zuverlässigkeit), Randbedingungen (wie z.B. Mobilität) und funktionelle Konzepte (wie z.B. die physikalische/logische Trennung der Übertragungssysteme für Sicherheits- und Unterhaltungsdaten im Vehikel) aufweisen. Daher ist die Kammer im Gegensatz zum Vortrag der Beschwerdeführerin der Auffassung, dass diese technischen Felder auch zum Prioritätszeitpunkt der Anmeldung derart miteinander verwandt waren, dass sie nicht als fremde und unvereinbare Fachbereiche betrachtet werden konnten. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass sogar Studiengänge generell unter der Bezeichnung "Fahrzeugtechnik/Luft- und Raumfahrttechnik" von diversen Universitäten oder Fachhochschulen angeboten werden.
2.1.7 Der dem Gebiet der Flugzeugtechnik ("avionics") zuzuordnende technische Artikel D4 befasst sich explizit mit einer effektiven Datenübertragung, insbesondere mit der Erhöhung der Bandbreiteneffizienz, in einem Flugzeug-Übertragungssystem ("avionics communications system") mittels der aus der Nachrichtentechnik hinreichend bekannten Wellenlängenmultiplex (WDM)-Technologie. Aufgrund der Verwendung der WDM-Technik muss mithin das dort betrachtete optische Netz weder ersetzt noch ergänzt werden (siehe z.B. D4, Zusammenfassung: "... wavelength division multiplexing (WDM) can provide a huge bandwidth-to-weight ratio ..."; Seite 958, rechte Spalte, vierter Absatz: "Use of WDM technology offers a significant weight and size advantage ... because of the resulting decrease in the number of optical fibres ..."). Die Kammer ist daher der Überzeugung, dass der Fachmann das Dokument D4 als für die Lösung der objektiven Aufgabe höchst erfolgversprechende Grundlage heranziehen würde.
Die Beschwerdeführerin argumentierte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dass der Fachmann D4 nicht zur Lösung der objektiven Aufgabe in der Zusammenschau mit D3 berücksichtigen würde, da das dort behandelte Gebiet der Flugzeugtechnik im Militärbereich ("military aircraft") ganz speziellen Anforderungen, wie die Übertragung von zeitkritischen Daten, und ganz anderen finanziellen Möglichkeiten, nach denen "Geld keine Rolle spielt", unterliege. Hierzu bemerkt die Kammer, dass zum einen die Lehre von D4 nicht auf die Übertragung von nur zeitkritischen Daten beschränkt ist und zum anderen D4 sich sehr wohl mit der Frage der Kostenminimierung befasst (siehe z.B. Seite 959, rechte Spalte, Abschnitt "Cost and Life Cycle Requirements").
Gemäß der Offenbarung von D4 werden die Daten zwischen den am optischen Ringnetz ("ROBUS network") angeschlossenen Geräten über verschiedene optische Wellenlängen-Datenkanäle ("WDM channels") übertragen (siehe Seite 960, rechte Spalte, Zeilen 1-3: "... As WDM channels are mutually independent, each may employ a different protocol with a different bit-rate ..."). Ferner lehrt D4, dass die optischen Koppelelemente ("optical device coupler") der Geräte Filter ("Arrayed Waveguide Grating AWG") zum Separieren der unterschiedlichen WDM-Datenkanäle aufweisen (siehe D4, Seite 961, rechte Spalte, dritter Absatz, zweiter Satz: "... the Arrayed Waveguide Grating (AWG) ... can be used to multiplex and de-multiplex the individual channels of a WDM signal ..." in Verbindung mit Fig. 1 und Fig. 2). Folglich offenbart D4 die Merkmale C) und D) von Anspruch 1.
2.1.8 An dieser Stelle stellt sich nun die Frage, ob der Fachmann die aus D4 bekannten Implementierungsmaßnahmen gemäß Merkmale C) und D) auch tatsächlich im System von D3 umsetzen würde oder ob ihn irgendwelche technischen Schwierigkeiten bzw. die Notwendigkeit größerer Anpassungen davon abhalten würden. Hierzu führte die Beschwerdeführerin an, dass es bei Anwendung der Lehre von D4 auf das System von D3 nahezu unmöglich sei, das aus D3 bekannte ursprüngliche Fahrzeugnetzwerk beizubehalten, da das optische Ringnetz von D4 mit einer Glasfaser als Übertragungsmedium (statt mit einem in der KFZ-Technik gebräuchlichen Kunststofflichtleiter), mit WDM-Lasern als Lichtquelle (statt mit Leuchtdioden), mit moduliertem Lichtsignal einer einzigen Lichtquelle (statt der Verwendung einer eigenen Lichtquelle an jedem Gerät) und mit einer Übertragungsrate im GBit/s-Bereich (statt mit einer in der MOST-Technologie üblichen Übertragungsrate von 22,5 MBit/s) betrieben werden würde (vgl. Antwortschreiben vom 5. Mai 2014, Seite 6, dritter Absatz).
Dieser Argumentation vermag die Kammer jedoch nicht zu folgen. Zum einen spielt beim vorliegenden Anspruch 1 das konkret einzusetzende Übertragungsmedium, die zu verwendenden Lichtquellen und die nominelle Übertragungsrate gar keine Rolle. Zum anderen gibt ja die oben formulierte objektive Aufgabe gerade vor, dass das bestehende ringförmige optische Netzwerk, d.h. das optische Ringnetz von D3 im vorliegenden Fall, beibehalten werden soll. Daher ist es für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum der Fachmann das Übertragungsmedium, die Lichtquellen und die durch die verwendende MOST-Technologie vorgegebene maximale Übertragungsrate ändern, geschweige denn durch Parameter aus dem Implementierungsumfeld der Flugzeugtechnik ersetzen sollte. Es geht hierbei indes nur darum, das funktionelle Konzept des Systems von D4 so zu übernehmen, dass eine effektive Datenübertragung auch für Geräte mit hoher Übertragungsrate im bestehenden optischen Netz gemäß der objektiven Aufgabe ermöglicht wird. Hierzu würde aber der Fachmann lediglich das Senden und Empfangen von WDM-Signalen auf verschiedenen Wellenlängen, d.h. auf unterschiedlichen Datenkanälen, in das System von D3 ohne weitere Probleme einbauen. Das Konzept des Sendens und Empfangens von WDM-Signalen ist wiederum vollkommen unabhängig von den Implementierungsdetails hinsichtlich des Übertragungsmediums, der Lichtquellen und der jeweiligen Übertragungsrate. Folglich können nach Einschätzung der Kammer die Maßnahmen der Merkmale C) und D) ohne technische Schwierigkeiten bzw. größere Anpassungen im KFZ-System von D3 implementiert werden, so dass den Fachmann nichts davon abhalten würde, die Lehren der aus benachbarten Gebieten stammenden Dokumente D3 und D4 zu kombinieren, um somit die objektive technische Aufgabe vollständig und in naheliegender Weise zu lösen.
2.1.9 Aus der obigen Begründung folgt unmittelbar, dass der Gegenstand von Anspruch 1 dieses Antrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber den kombinierten Lehren von D3 und D4 beruht.
2.2 Folglich ist dieser Antrag nicht gewährbar nach Artikel 56 EPÜ.
3. HILFSANTRÄGE I bis VI
Die vorliegenden Hilfsanträge I bis VI geben im jeweiligen Anspruch 1 (mit hinzugefügter Hervorhebung) zusätzlich an, dass
E) der erste Datenkanal dazu ausgebildet ist, Daten nach dem MOST-Protokoll zu übertragen und der zweite Datenkanal dazu ausgebildet ist, Daten nach dem Internet-Protokoll zu übertragen (gemäß Hilfsanträge I, II, III, IV, VI; gestützt durch Seite 3, erster Absatz der ursprünglichen Anmeldung);
F) Multimediadaten zwischen den Audio-/Videogeräten übertragen werden (gemäß Hilfsanträge II, IV; gestützt durch Seite 1, zweiter Absatz und Seite 4, letzter Absatz der ursprünglichen Anmeldung);
G) der zweite Datenkanal dazu ausgebildet ist, mit einer größeren Bandbreite Daten zu übertragen als der erste Datenkanal (gemäß Hilfsanträge III, IV; gestützt durch Seite 3, erster Absatz und Anspruch 4 der ursprünglichen Anmeldung);
H) Audiodaten zwischen Audiogeräten übertragen werden (gemäß Hilfsanträge V, VI; gestützt durch Anspruch 1 und Fig. 1 der ursprünglichen Anmeldung).
3.1 Artikel 52(1) EPÜ: Neuheit und erfinderische Tätigkeit
3.1.1 Die Merkmalsanalyse und die Feststellungen bezüglich Anspruch 1 des Hauptantrags gemäß Punkte 2.1.12.1.1 bis 2.1.82.1.8 oben, insbesondere für die Merkmale A) bis D) , gelten mutatis mutandis auch für Anspruch 1 der Hilfsanträge.
3.1.2 Im Hinblick auf das Merkmal E)E) , d.h. die Verwendung von MOST- und IP-Protokoll für die beiden WDM-Datenkanäle, wird in D3 bereits die Verwendung des MOST-Protokolls für die Datenübertragung über einen einzigen Datenkanal vorweggenommen (siehe D3, Spalte 6, Zeilen 7-9). Der Einsatz des IP-Protokolls ist jedoch weder der Offenbarung von D3 noch derjenigen von D4 explizit zu entnehmen. Die Kammer ist aber der Auffassung, dass dieser Unterschied gemäß Merkmal E)E) keine funktionelle synergetische Wechselwirkung mit den Unterscheidungsmerkmalen C) und D) eingeht, da die Auswahl von geeigneten Datenübertragungsprotokollen gemäß Merkmal E)E) als völlig unabhängig von der Bereitstellung der einzelnen WDM-Kanäle zur Erhöhung der Bandbreiteneffizienz gemäß Merkmale C) und D) anzusehen ist. Daher kann der erfinderische Beitrag des Merkmals E)E) auch unabhängig von demjenigen der Merkmale C) und D) beurteilt werden.
In der Tabelle 1 von D4 werden nun ausgewählte, für den Einsatz in der Flugzeugtechnik geeignete Protokolle aufgezählt. Hierbei wird unter anderem das Protokoll "Gigabit Ethernet" genannt, das in der Regel meist zusammen mit dem Internet-Protokoll (z.B. als
"IP-over-Ethernet") verwendet wird (siehe auch Seite 3, erster Absatz der vorliegenden Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung). Der Fachmann würde unmittelbar aus dem Zusammenhang erkennen, dass es sich dabei lediglich um eine beispielhafte Aufzählung handelt. Nach Auffassung der Kammer kann aber die Auswahl aus einer Reihe von für den Einsatz in
KFZ-Netzen geeigneten Kommunikationsprotokollen (wie z.B. das MOST- und IP-Protokoll) zur Unterstützung gängiger Kommunikationstechnologien in einem KFZ-Netz nicht als erfinderischer Beitrag zum Stand der Technik angesehen werden. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Verwendung eines MOST-Busses durch D4 nicht nahegelegt werden könne, kann schon deshalb nicht überzeugen, weil D3 ja schon den Einsatz eines optischen MOST-Busses lehrt und daher der Fachmann nur noch vor der Aufgabe steht, ein zweites Übertragungsprotokoll wie das IP-Protokoll für den zweiten Datenkanal auswählen zu müssen.
3.1.3 Das Merkmal F) , wonach speziell Multimediadaten im optischen Netz übertragen werden, wird auch bereits im nächstliegenden Stand der Technik D3 offenbart, da es sich dort explizit um ein Multimediasystem handelt (siehe z.B. D3, Spalte 5, Zeilen 15-18). Dies wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auch nicht bestritten. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann D4 nicht heranziehen würde, weil er in Bezug auf die Übertragung von Multimediadaten zwischen Audio- und/oder Videogeräten eher nach Lösungen im Bereich der Consumer-Elektronik suchen würde, überzeugt die Kammer aus den in den Punkten 2.1.62.1.6 bis 2.1.82.1.8 genannten Gründen nicht.
3.1.4 Das Merkmal G) , d.h. die Verwendung unterschiedlicher Bandbreiten auf den beiden WDM-Datenkanälen, stellt zwar ein weiteres Unterscheidungsmerkmal bezüglich D3 dar. Die Beurteilung seines erfinderischen Beitrags ist aber nach Ansicht der Kammer auch hier unabhängig von demjenigen der anderen Unterscheidungsmerkmale C) und D) durchzuführen, da die Zuweisung der jeweiligen Bandbreiten an die entsprechenden Datenkanäle gemäß Merkmal G) eine unmittelbare technische Konsequenz der Auswahl von Datenübertragungsprotokollen gemäß Merkmal E)E) darstellt und folglich auch als völlig unabhängig von der Bereitstellung der einzelnen
WDM-Kanäle gemäß Merkmale C) und D) anzusehen ist (vgl. Punkt 3.1.23.1.2 oben). Somit kann auch hier kein synergetischer Gesamteffekt festgestellt werden, so dass der erfinderische Beitrag des Merkmals G) unabhängig von den anderen Unterscheidungsmerkmalen beurteilt werden kann.
In Bezug auf Merkmal G) wird nun in D4 gelehrt, dass unterschiedliche Übertragungsraten, d.h. Bandbreiten, auf den entsprechenden WDM-Datenkanälen unabhängig voneinander verwendet werden können (siehe D4, Seite 960, rechte Spalte, Zeilen 1-3: "... WDM channels ... may employ a different protocol with a different bit-rate ..."; Seite 961, linke Spalte, Abschnitt "Network Data Routing", erster Satz: "Every wavelength channel in a ROBUS network forms an independent uni-directional bus/lightpath which is configured through the network to deliver bandwidth as required"). Daraus folgt wiederum sofort, dass hier ein bestimmter WDM-Datenkanal ("erster Datenkanal") eine höhere bzw. niedrigere Bandbreite als ein anderer
WDM-Kanal ("zweiter Datenkanal") aufweisen kann, in Übereinstimmung mit Merkmal G) .
Das von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebrachte Argument, dass die obige Lehre von D4 auch die Verwendung von zwei MOST-Bussen mit identischen Übertragungsraten zuließe, geht ins Leere, da in D4 nur ein optisches Ringnetz zum Einsatz kommt und nach Ansicht der Kammer die Verwendung identischer Übertragungsraten auf den
WDM-Datenkanälen nach der obigen Lehre ("a different protocol with a different bit-rate") theoretisch genauso möglich ist wie die Verwendung von unterschiedlichen Datenraten im Sinne von Merkmal G) .
3.1.5 Auch die (ausschließliche) Übertragung von Audiodaten zwischen Audiogeräten (z.B. "CD-Wechsler 2") gemäß Merkmal H) ist eindeutig im nächstliegenden Stand der Technik D3 offenbart (siehe z.B. Spalte 6, Zeilen 23-35 in Verbindung mit Fig. 1), was auch von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht angezweifelt wurde.
3.2 Somit sind auch die vorliegenden Hilfsanträge nicht gewährbar nach Artikel 56 EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.