European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T190811.20160606 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Juni 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1908/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03016474.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16J 15/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von Dichtelementen sowie Dichtelement | ||||||||
Name des Anmelders: | Federal-Mogul Sealing Systems Bretten GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ElringKlinger AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 1 389 702 zu widerrufen.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung insbesondere folgende Druckschriften berücksichtigt:
D1: EP 0 394 145 A1;
D2: FR 2 574 891 A1.
II. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 6. Juni 2016 statt.
III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und, als Hauptantrag, den Einspruch zurückzuweisen, d.h. das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten oder das Patent auf Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 22. Juni 2011 als Hilfsanträge I oder II eingereichten Anspruchssätze oder der mit Schreiben vom 29. April 2016 als Hilfsanträge III und IV eingereichten Anspruchssätze aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Anspruch 1 des Streitpatents (Hauptantrag) lautet wie folgt; die Zahlen in eckigen Klammern entsprechen der von der Einspruchsabteilung verwendeten Merkmalsgliederung:
"[1] Verfahren zur Herstellung eines metallisch verstärkten Dichtelementes (9), indem (sic)
[2] zunächst ein metallisches Trägerelement (1) mit mehreren Ausnehmungen (2) versehen wird,
[3] dann das verbleibende Material des Trägerelementes (1) durch Prägen in die Ausnehmungen (2) verdrängt wird,
[3.1] sodass die Ausnehmungen (2) im wesentlichen vollständig verschlossen werden
[3.2] und das Trägerelement (2) einen U-förmigen Querschnitt
[3.2.1] mit einer durchgehenden Innenfläche (3) erhält und
[4] anschließend in die Innenfläche (3) ein aus Elastomermaterial bestehendes Dichtprofil (10) eingespritzt wird."
V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Folgendes vorgetragen:
a) Neuheit
i) Merkmal 3.1
Die Druckschrift D1 offenbart Ausnehmungen, die offen bleiben. Im Streitpatent werden die Ausnehmungen im wesentlichen (d.h. im Rahmen der üblichen Toleranz) vollständig verschlossen: es bleiben höchstens mikroskopische Spalten. In einer zweiten Variante, die in der Druckschrift D1 offenbart ist, sind die Ausnehmungen immer geschlossen und können daher nicht geschlossen werden.
ii) Merkmal 3.2
In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin auf die Definition von "Querschnitt" im Duden hingewiesen und betont, dass das Merkmal nicht die Kontur der Nut, sondern die Schnittfläche des Trägerelements betrifft.
iii) Merkmal 3.2.1
Die Druckschrift D1 zeigt auch keine durchgehende Innenfläche. Wenn man davon ausgeht, dass die unterbrochene Innenfläche durch das Einsetzen der Elastomerdichtung durchgehend wird, so wird dies dennoch nicht, wie von Anspruch 1 gefordert, durch das Prägen bewirkt.
iv) Merkmal 4
Bezüglich Merkmal 4 hat sich die Beschwerdeführerin der Auffassung der Einspruchsabteilung bzw. der im Ladungsbescheid ausgedrückten vorläufigen Auffassung der Beschwerdekammer angeschlossen.
b) Erfinderische Tätigkeit
Die beiden von der Beschwerdekammer festgestellten Unterschiede haben einen Synergie-Effekt und erlauben es, ein das Dichtelement gut verankerndes aber dennoch sehr einfach aufgebautes Trägerelement zu erhalten. Die Lehre der Druckschrift D1 führt nicht zur erfindungsgemäßen Lösung, da sie dazu anregt, die Ausnehmungen nie zu verschließen; sie kann nicht nahelegen, die Ausnehmungen zuerst zu öffnen und danach durch Prägen zu verschließen.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat Folgendes vorgetragen:
a) Neuheit
i) Merkmal 3.1
Sowohl im Streitpatent als auch in der Druckschrift D1 werden die Ausnehmungen durch das Prägen nicht vollständig geschlossen; es gibt immer die Möglichkeit eines Durchtritts von Elastomermaterial, was ja auch durch den Ausdruck "im wesentlichen" verdeutlicht wird. Insofern besteht kein Unterschied zur Druckschrift D1.
ii) Merkmal 3.2
Der Anspruch bietet keine Grundlage für eine Auslegung, der zufolge das Trägerelement insgesamt U-förmig sein muss. Das Merkmal ist auch offenbart, wenn - wie in der Druckschrift D1 - der Querschnitt des Trägerelements einen U-förmigen Teil aufweist.
iii) Merkmal 3.2.1
Eine durchgehende Innenfläche ist auch in der Druckschrift D1 offenbart. Wenn man davon ausgeht, dass die Öffnung 7 der Figur 4 eine Abmessung von 1.5 mm hat und die relative Verkleinerung durch das Prägen (Figur 5) betrachtet (4% oder weniger der Ausgangsfläche; die Situation nach dem Prägen scheint noch übertrieben groß zu sein), dann ist die Situation absolut vergleichbar mit derjenigen, die im Streitpatent beschrieben wird. Viele Minilöcher sind über die Länge des Trägerelements verteilt, aber die Innenoberfläche ist in jeder Richtung durchgehend.
iv) Merkmal 4
Die Einspritzung des Elastomermaterials in die nach dem Prägen verbleibende Ausnehmung kann nur unter Druck erfolgen. Der Fachmann hat keine andere Technik als das Einspritzen vor Augen. Daher ist dieses Merkmal implizit offenbart.
b) Erfinderische Tätigkeit
Der Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift D1 ausgeht und das dort gelehrte Verfahren derart vereinfachen will, dass nur einseitig gedichtet wird, würde ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen. In diesem Falle wäre es nämlich naheliegend, die H-Form des Trägerelements durch eine U-Form zu ersetzen und die Durchbohrung im wesentlichen vollständig zu verschließen, da kein Kanal für die Übertragung des Elastomermaterials auf die andere Seite des Trägers benötigt werde. Die gelöste Aufgabe bestehe so gesehen darin, aus einer H-Form eine U-Form zu machen.
Entscheidungsgründe
1. Die Anmeldung, auf der das Streitpatent beruht, wurde am 8. März 2006 eingereicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (Sonderausgabe Nr. 4 ABl. EPA, 217) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (Sonderausgabe Nr. 4 ABl. EPA, 219) die Artikel 54, 56 und 100 EPÜ 1973 anzuwenden.
2. Auslegungsfragen
2.1 Merkmal 3.1
Dieses Merkmal verlangt, dass "die Ausnehmungen im wesentlichen vollständig verschlossen werden".
2.1.1 "Ausnehmungen"
Die Kammer versteht den Begriff "Ausnehmung" im Sinne eines ausgesparten Raums. Sowohl ein Sackloch als auch ein Durchgangsloch stellen eine Ausnehmung dar.
Die einzigen im Ausführungsbeispiel des Streitpatents offenbarten Ausnehmungen sind gestanzte Löcher, also Durchgangslöcher (siehe insbesondere Figur 2, die mehrere Ausnehmungen 2 auf einem Blechstreifen 1 zeigt).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
2.1.2 "verschlossen"
Das Streitpatent enthält - ebenso wie die ursprüngliche Anmeldung - keine Definition des Begriffs "verschlossen".
Sie enthält aber Erläuterungen für das Ausführungsbeispiel, das, wie schon erwähnt, ausgestanzte Ausnehmungen offenbart (Unterstreichungen durch die Kammer):
- Seite 2, Zeilen 27 und 29: "... wobei im Verlauf der Druckumformung das Material in die vorab ausgestanzten Ausnehmungen, diese weitestgehend oder gar vollständig verschließend, verdrängt wird";
- Seite 3, Zeilen 19 bis 23: "Gemäß Figur 3 durchläuft der Blechstreifen 1 den Bereich einer Prägemaschine. Infolge der dort ausgeübten Druckkräfte wird das verbleibende Material des Blechstreifens 1 in die Ausnehmungen 2 gemäß Figur 2 verdrängt und verschließt diese im wesentlichen vollständig. In Figur 3 dargestellt ist, dass die in Figur 2 angeführten Öffnungen vollständig verschlossen sind ...".
Der Fachmann würde verstehen, dass unter "verschlossen" im Gesamtzusammenhang der ursprünglichen Anmeldung "nicht durchgehend" (im Sinne von Durchgangsbohrungen) zu verstehen ist. Die Tatsache, dass eine Ausnehmung verschlossen ist, heißt daher nicht, dass sie vollständig mit Material gefüllt sein muss; in diesem Fall würde die Ausnehmung verschwinden.
Sacklöcher sind ipso facto "verschlossen" in diesem Sinn.
2.1.3 "im wesentlichen vollständig verschlossen"
Der Ausdruck "im wesentlichen vollständig" ist nur ungenau bestimmt und bedarf deshalb der Auslegung. Der Ausdruck umfasst den Fall der vollständigen Verschlossenheit, geht aber darüber hinaus und erfasst auch gewisse Situationen, in denen die Ausnehmungen unvollständig verschlossen werden. In diesem Zusammenhang würde der Fachmann untersuchen, was denn Ziel und Zweck des Verschließens im Sinne des Streitpatents ist und Situationen, in denen Ausnehmungen zwar unvollständig verschlossen sind, aber eben derart, dass das eigentliche Ziel oder Wesen des Verschließens noch gewährleistet ist, als "im wesentlichen verschlossen" deuten.
Angesichts der Lehre des Streitpatents würde der Fachmann verstehen, dass das Verschließen der Ausnehmungen bewirkt, dass bei der Einspritzung des Elastomermaterials keine nennenswerten Mengen des Elastomers durch die Ausnehmung hindurchfließen und somit für die Bildung des Dichtprofils verloren gehen. Er würde also zum Verständnis gelangen, dass eine Ausnehmung als "im wesentlichen verschlossen" zu gelten hat, wenn sie zwar kleine Risse oder Spalten oder dergleichen besitzt, die sie mit der der Innenfläche des Trägerelements gegenüberliegenden Oberfläche verbinden, diese aber so klein sind, dass beim Einspritzen kaum Elastomermaterial durch diese Risse oder Spalten hindurchwandern kann.
2.1.4 "werden"
Anspruch 1 ist ein Verfahrensanspruch, was bedeutet, dass nicht nur das Endergebnis, sondern auch die Art und Weise, wie es erreicht wird, von Bedeutung ist. Deshalb ist die Verwendung des Verbs "werden" hier bedeutsam. Der Anspruch darf nicht so ausgelegt werden, als wäre nur gefordert, dass die Ausnehmungen letztendlich verschlossen sind. Anders gesagt, würde ein Verfahren des Stands der Technik, in dem die Ausnehmungen nie offen (d.h. immer "verschlossen" im obigen Sinn, siehe Punkt 2.1.22.1.2 ) waren, den Anspruch nicht vorwegnehmen, da in einem solchen Verfahren die Ausnehmungen nicht verschlossen werden, sondern bestenfalls verschlossen bleiben. Dazu bedarf es keiner Berufung auf die Beschreibung, denn der Anspruchswortlaut ist in dieser Hinsicht klar.
An dieser Auslegung ändert auch nichts, dass der Unterschied zwischen "sein" und "werden" in der englischen und französischen Fassung der Ansprüche nicht zum Ausdruck kommt ("... are ... closed ..." bzw. "... sont ... obturés ...." können sowohl den Vorgang als auch den Endzustand beschreiben), da gemäß Artikel 70 (1) EPÜ der Wortlaut in der Verfahrenssprache die verbindliche Fassung darstellt.
2.2 Merkmal 3.2
Dieses Merkmal verlangt, dass "das Trägerelement einen U-förmigen Querschnitt erhält".
Der Duden definiert "Querschnitt" als "Darstellung einer Schnittfläche, wie sie bei einem in Querrichtung durch einen Körper geführten Schnitt entstehen würde". Dies ist auch das dem Fachmann geläufige Verständnis des Ausdrucks: ein Element hat einen Querschnitt einer bestimmten Form (z.B. einer U-Form), wenn eine Schnittebene existiert, in der die Schnittfläche diese Form besitzt.
2.3 Merkmal 3.2.1
Diesem Merkmal zufolge erhält das Trägerelement durch das Prägen und das dabei erfolgende Verschließen der Ausnehmungen eine "durchgehende" Innenfläche.
Laut Duden bedeutet "durchgehend" im räumlichen Sinn "ohne räumliche Unterbrechung". Die Einspruchsabteilung hat das Wort offensichtlich als synonym zu "zusammenhängend" angesehen (siehe Entscheidungsgründe, Blatt 5, erster Absatz), dafür aber keine Begründung abgegeben.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das Streitpatent in Absatz [0008] feststellt, dass "[i]n Figur 3 dargestellt ist, dass die in Figur 2 angeführten Öffnungen vollständig verschlossen sind, so dass der Blechstreifen 1 dann eine durchgehende Innenfläche 3 aufweist" (Unterstreichung durch die Kammer). Dies scheint einen kausalen Zusammenhang zwischen dem vollständigen Verschließen und der Durchgängigkeit der Innenfläche herzustellen. Eine derartige Auslegung würde aber zu einer Unstimmigkeit im Anspruch 1 führen, da die Ausnehmungen dort nur im wesentlichen vollständig verschlossen sein müssen, die Innenfläche aber durchgehend (und nicht nur im wesentlichen durchgehend) zu sein hat.
Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass das Merkmal 3.2.1 im Anspruch 1 seinem allgemeinen Wortsinn nach auszulegen ist, also derart, dass die Innenfläche nirgends vollständig unterbrochen ist. Dies scheint der Auslegung durch die Einspruchsabteilung zu entsprechen.
3. Neuheit (Art. 54 (1) EPÜ 1973)
Die Druckschrift D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines metallisch verstärkten Dichtelementes (Titel: "Procédé de fabricaton (sic) d'un joint comportant un corps métallique équipé d'au moins un élément d'étanchéité souple"), in dem zunächst ein metallisches Trägerelement 3 ("corps métallique") mit mehreren Ausnehmungen 7 versehen wird (Spalte 3, Zeilen 15 bis 19: "... ménager ... des trous traversants 7 ..."; vgl. Figur 2).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Dann wird das verbleibende Material des Trägerelementes 3 durch Prägen in die Ausnehmungen 7 verdrängt (Spalte 3, Zeilen 20 bis 25: "Après ménagement de ces trous 7, il est procédé, par emboutissage, au ménagement des deux rainures 8 débouchant sur les deux faces du corps 3, la formation de ces rainures assurant le fluage de la matière dans les trous 7 dont la section se réduit et qui forment alors des fentes 9."). Die Ausnehmungen 7 werden dabei fast vollständig verschlossen (vgl. die Figuren 4 und 5).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Auf die Innenfläche wird dann ein aus Elastomermaterial bestehendes Dichtprofil 6 aufgebracht (Spalte 3, Zeilen 29 bis 34: "Enfin, il est procédé, au cours d'une seule opération de moulage à température ambiante, suivie d'une reprise à chaud, au dépôt des cordons d'étanchéité 6, ..."; vgl. Figur 5).
Es ist unbestritten, dass die Druckschrift die Merkmale 1 bis 3 offenbart. Im Folgenden untersucht die Kammer die Merkmale, deren Offenbarung in der Druckschrift D1 strittig war.
3.1 Merkmal 3.1
Die Druckschrift D1 offenbart zwei Ausführungsformen. Das in den Figuren offenbarte Ausführungsbeispiel umfasst Durchgangslöcher, die mittels Prägung teilweise verschlossen werden (siehe Figur 5). Jedoch ist es die erklärte Absicht der Druckschrift D1, mittels einseitiger Einspritzung Dichtelemente auf beiden Seiten des Trägerelements herzustellen. Das bedeutet aber, dass der offene Spalt notwendigerweise so dimensioniert ist, dass eine nennenswerte Menge von Elastomermaterial während des Einspritzens durch den Spalt hindurchwandert. Die Öffnung wird deshalb beim Prägen nicht "im wesentlichen vollständig verschlossen" (siehe dazu Punkt 2.1.32.1.3 ). Mit anderen Worten, das Merkmal 3.1 ist in dieser Ausführungsform nicht offenbart.
Die zweite offenbarte Ausführungsform umfasst Ausnehmungen in Form von Sacklöchern. Solche Ausnehmungen sind definitionsgemäß nie offen (siehe Punkte 2.1.22.1.2 und 2.1.42.1.4 ) und werden daher nicht durch das Prägen verschlossen. Deshalb offenbart auch diese Ausführungsform das Merkmal 3.1 nicht.
3.2 Merkmal 3.2
Angesichts der weiter oben dargelegten Deutung des Ausdrucks "Querschnitt" (siehe Punkt 2.22.2 ) kommt die Kammer zum Schluss, dass die Druckschrift D1 kein Trägerelement mit U-förmigem Querschnitt offenbart. Selbst wenn man vom Trägerelement der Figur 5 ausgeht
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
und die in Spalte 3, Zeilen 54-56 in Betracht gezogene Variante mit beidseitigen Sacklöchern darauf überträgt, würde man nur ein Trägerelement mit H-förmigem Querschnitt erhalten.
3.3 Merkmal 3.2.1
In Anbetracht der Auslegung dieses Merkmals durch die Kammer (siehe Punkt 2.32.3 ) hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass die Druckschrift D1 das Merkmal offenbart. Die Zusammenschau der Figuren 3 und 5 macht klar, dass die Innenfläche nirgends vollständig unterbrochen ist.
3.4 Merkmal 4
Die Einspritzung des Elastomermaterials in die nach dem Prägen verbleibende Ausnehmung, wie sie in der Figur 5 der Druckschrift D1 dargestellt ist, kann nur unter Druck erfolgen. Es ist zwar im Prinzip denkbar, andere Techniken als die Einspritzung mittels einer Düse zum Einsatz zu bringen, aber in der Praxis würde der Fachmann nur eine Einspritzung in Betracht ziehen. Er würde also den Begriff moulage (z.B. Spalte 3, Zeile 30) implizit als moulage par injection verstehen. Deshalb ist dieses Merkmal in der Druckschrift D1 implizit offenbart.
3.5 Zusammenfassung
Die Kammer ist zum Schluss gelangt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu ist gegenüber der Druckschrift D1, da diese die Merkmale 3.1 und 3.2 nicht offenbart.
4. Erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ 1973)
4.1 Nächstliegender Stand der Technik
Die Einspruchsabteilung hat die Druckschrift D1 als nächstliegenden Stand der Technik angesehen. Die Kammer sieht keinen guten Grund, von dieser Wahl abzugehen.
Die Beschwerdeführerin hat die Wahl der Druckschrift D1 bemängelt. Die Druckschrift sei "[a]ufgrund der konstruktiven Unterschiede ... nicht nächstkommend" (Beschwerdebegründung, Seite 6, vorletzter Absatz). Dazu beruft sie sich allerdings auf Merkmale, die nicht Teil des Anspruchs 1 sind (Streifenform der Dichtung). Die Kammer sieht nicht, warum der Aufgabe-Lösungs-Ansatz auf die Druckschrift D1 nicht angewendet werden könnte. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin keinen alternativen nächsten Stand der Technik genannt.
4.2 Unterschiede
Wie weiter oben ausgeführt (siehe Punkt 3.53.5 ), unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 durch die Merkmale 3.1 und 3.2 von der Offenbarung der Druckschrift D1.
4.3 Naheliegen
Die Beschwerdegegnerin hat ihre Argumentation zum Naheliegen des Anspruchs von Gegenstand 1 nicht mittels des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes dargelegt, sondern erklärt, dass der Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift D1 ausgehe und sich auf ein einseitiges Dichtelement beschränken wolle, ohne jede erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde.
Dieses Argument konnte die Kammer nicht überzeugen. Insbesondere sieht die Kammer keinen Anlass, warum der Fachmann, der eine einseitige Variante des beidseitigen Dichtelements der Druckschrift D1 anstrebt, einen Prägevorgang ins Auge fassen würde, bei dem die Ausnehmungen im wesentlichen vollständig verschlossen werden. Wie weiter oben dargelegt wurde (siehe Punkt 3.13.1 ), werden in keiner der beiden in der Druckschrift D1 offenbarten Varianten die Ausnehmungen im wesentlichen vollständig verschlossen: im Falle der Durchgangslöcher ist das Verschließen nicht im wesentlichen vollständig, und im Falle der Sacklöcher kann von Verschließen überhaupt nicht die Rede sein. Der Fachmann, der von der Druckschrift D1 ausgeht und ein einseitiges Dichtelement anstrebt, würde nicht die Variante der Durchgangslöcher in Betracht ziehen, da das Durchgangsloch gerade dazu dient, das Elastomermaterial beidseitig aufzutragen. Er würde also die Variante der Sacklöcher ins Auge fassen und nur einseitig Sacklöcher vorsehen. Bei der weiteren Verarbeitung würden diese Sacklöcher aber nicht verschlossen werden.
Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass die Beschwerdegegnerin nicht überzeugend dargelegt hat, dass es dem Gegenstand an der erfinderischen Tätigkeit fehlt. Da nicht gezeigt wurde, dass sich die Erfindung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, gilt die Erfindung gemäß Artikel 56 EPÜ 1973 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
Der Einspruchgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ 1973 steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents in unveränderter Form nicht entgegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.