T 1819/11 () of 13.6.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T181911.20140613
Datum der Entscheidung: 13 Juni 2014
Aktenzeichen: T 1819/11
Anmeldenummer: 05290970.2
IPC-Klasse: B60H 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stellvorrichtung für wenigstens drei Klappen einer Belüftungs-, Heizungs- oder Klimaanlage eines Kraftfahrzeugs
Name des Anmelders: Behr France Rouffach SAS
Name des Einsprechenden: VALEO SYSTEMES THERMIQUES S.A.S.
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: unzulässige Erweiterung (nein)
Ausführbarkeit (ja)
Neuheit (ja)
erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 719 645 wurde mit der am 17. Juni 2011 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung in geänderter Form aufrechterhalten. Dagegen wurde von der Einsprechenden am 17. August 2011 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 27. Oktober 2011 eingereicht.

II. Es fand am 13. Juni 2014 eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung zunächst als Hilfsantrag 1 überreichten neuen Anspruchssatzes, der zum Hauptantrag erhoben wurde. Die sonstigen Anträge wurden nicht mehr weiter verfolgt.

III. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Stellvorrichtung für wenigstens drei Klappen einer Belüftungs-, Heizungs- oder Klimaanlage eines Kraftfahrzeugs mit mindestens einer Kurvensscheibe (16), die klappenseitig ausgebildete Führungen als Kurvenbahnen für Hebel aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass eine weitere Führung (23) als Kurvenbahn für einen Hebel an einer der Klappen ausgebildet ist, wobei die Führung (23) an einer der Flächen der Klappe (12) angebracht ist und von dieser vorstehend ausgebildet ist, wobei die Führung (23) in einer Ebene angeordnet ist, die senkrecht zur Schwenkachse der Klappe (12) verläuft."

IV. Die Beschwerdeführerin hatte keine Einwände gegen das Zulassen zum Verfahren des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags und vertrat den Standpunkt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe. Insbesondere sei das Merkmal, wonach (i) "eine weitere Führung (23) als Kurvenbahn für einen Hebel an einer der Klappen ausgebildet ist" nicht ursprünglich offenbart, da die Anmeldung (siehe Absatz [0020] der veröffentlichten Anmeldung, nachfolgend als EP-A bezeichnet) lediglich offenbare, dass "an der schwenkbar gelagerten Frontbelüftungsklappe 12 ... an einer Klappenfläche 12' in einer radialen Ebene erstreckend eine Art Kurvenscheibe ausgebildet (vgl. Fig. 5)" sei, "welche eine abgerundet etwa L-förmige Führung 23 für einen Zapfen 24 bildet". Damit sei eine Klappe mit einer Kurvenbahn als Führung in EP-A nicht offenbart und zudem seien weitere mit Merkmal (i) direkt in Verbindung stehende Merkmale (siehe EP-A, Absatz [0020]), wie z.B. die "Frontbelüftungsklappe" und die in einer radialen Ebene erstreckende Kurvenscheibe welche eine abgerundete etwa L-förmige Führung bilde, in unzulässiger Weise ausgelassen worden.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfülle nicht die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ, da er nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass der Fachmann ihn ausführen könne. Spezifisch umfasse dieser Gegenstand auch Ausführungsformen die im Streitpatent nicht näher erläutert seien, wie z.B. Fälle, in denen die Schwenkachsen der Klappen nicht parallel seien oder in denen die die Kurvenbahn als Führungsbahn enthaltende Ebene der ersten Klappe nicht parallel zur korrespondierenden Ebene der zweiten Klappe sei, in welcher das entsprechende Ende des die zweite Klappe führenden Hebels angebunden sei. Der Fachmann müsse aber aufgrund der Offenbarung des Streitpatents in der Lage sein, sämtliche durch den Anspruchswortlaut umfassten Ausführungsformen umsetzten zu können.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei im Hinblick auf D6 (EP-A1-1 640 194) nicht neu. Zunächst seien unstreitig sämtliche Merkmale des Anspruchs mit der einzigen Ausnahme des Merkmals (ii) mit dem Wortlaut "mit mindestens einer Kurvenscheibe, die klappenseitig ausgebildete Führungen als Kurvenbahnen für Hebel aufweist", aus D6 offensichtlich bekannt. Dies ergebe sich insbesondere aus der Ausführungsform gemäß der Figur 1 in Verbindung mit der modifizierten Ausführungsform gemäß der Figur 7 und den Absätzen [0056] bis [0058] der Beschreibung von D6. Zusätzlich werde aber auch das besagte Merkmal (ii) implizit in Absatz [0061] von D6 (siehe bspw. "on peut envisager d'autres types d'organes mécaniques, par exemple des systèmes à came..") offenbart. Dieser Absatz offenbare ein Kurvenscheibensystem ("système à came"), welches eindeutig auch eine Kurvenscheibe mit als Kurvenbahnen ausgebildete Führungen für Hebel umfasse. Folglich sei insgesamt der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe im Hinblick auf D4 (EP-A1-1 132 228) oder D1 (DE-A1-101 27 347) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Als einziges Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 gegenüber D4 sei das obige Merkmal (i) anzusehen. Dieses Merkmal sei aber für den Fachmann naheliegend. Tatsächlich weise die aus D4 bekannte Vorrichtung eine Kurvensscheibe 20 auf (siehe Figuren 1, 2), die mit Führungen als Kurvenbahnen 34, 36, 38 für Hebel versehen sei. Diese Anordnung mit drei Kurvenbahnen auf einer Kurvensscheibe und dem dazugehörigen Hebelsystem sei sehr komplex und nehme auch viel Platz ein, so dass der Fachmann nach einem einfacheren und kompakteren Aufbau für dieses Führungssystem suchen werde. Ein solches sei aus der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung gemäß der Anlage U01 (Blätter 1/11 bis 11/11) bekannt. Insbesondere zeigten die Blätter 6/11, 7/11 und 9/11 bis 11/11 der Anlage U01 eine Klappe 12 mit einer in einer dazu radialen Ebene ausgebildeten Kurvenscheibe 23, die eine Kurvenbahn als Führung für einen Hebel zur Steuerung einer weiteren Klappe 13 aufweise. Die Übertragung dieser Merkmale auf die aus D4 bekannte Vorrichtung sei für den Fachmann naheliegend, da das Anbringen oder Ausbilden einer Kurvenbahn als Führung an einer radialen Ebene der Klappe lediglich eine bauliche Alternative zu der in D4 gezeigten Anordnung der Kurvenscheibe darstelle. Der Fachmann gelange somit in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Im Hinblick auf D1 weise der Gegenstand des Anspruchs 1 ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit auf. Die Erfindung unterscheide sich von D1 lediglich dadurch, dass die Führung für Hebel als Kurvenbahn ausgebildet sei, während gemäß D1 die Führung für Hebel durch direktes Anbinden des Hebels an der Klappe bewerkstelligt werde. Dieser Unterschied könne aber keine erfinderische Tätigkeit begründen, da die Maßnahme gemäß Merkmal (i) aus der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung (siehe Anlage U01) bekannt sei und der Fachmann diese auch auf die Vorrichtung von D1 in naheliegender Weise übertragen werde. Dadurch ergäben sich nämlich vielfältigere und verbesserte Möglichkeiten zur Kontrolle und zur Ausgestaltung der relativen Bewegung der durch die Führung verbundenen beiden Klappen. Der Fachmann erkenne, dass durch das aus der Vorbenutzung bekannte Merkmal (i) genau dieses Ziel erreicht werde, und werde folglich in naheliegender Weise durch Übertragen dieses Merkmals auf die Vorrichtung gemäß D1 zum Anspruchsgegenstand gelangen.

Ausgehend von der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung (siehe Anlage U01) gelange der Fachmann schließlich auch in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1. Hierzu stelle man fest, dass sich der Anspruchsgegenstand nur durch das Merkmal (ii) von der Vorrichtung gemäß der offenkundigen Vorbenutzung unterscheide. Dieser Unterschied könne aber keine erfinderische Tätigkeit begründen. In der Vorrichtung gemäß Anlage U01 seien nämlich die die Klappen antreibenden Wellen durch Mikromotoren kontrollierbar gesteuert (siehe Mikromotoren jeweils auf den Bildern rechts und links unten auf Blatt 1/11 von U01) und der Fachmann wisse, dass sich diese Vorrichtung durch eine Steuerung der Klappen mittels Kurvenscheiben vereinfachen lasse. Ein solches auf Kurvenscheiben basierendes Steuersystem sei nämlich dem Fachmann allgemein bekannt (siehe z.B. D2 (DE-A1-199 28 834), D3 (DE-A1-39 10 489), D7 (US-A-5 338 249), D4 (EP-A1-1 132 228) oder D8 (US-A-5 052 282))) und folglich werde der Fachmann in naheliegender Weise die entsprechenden Mikromotoren einfach durch dieses allgemein bekannte Steuersystem ersetzen und somit zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

V. Die Beschwerdegegnerin legte dar, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe. Die Änderung des Anspruchs durch das besagte Merkmal (i) und das Weglassen der Merkmale betreffend die "Frontklappe" und die "L-förmige Führung" gingen nicht über den Inhalt von EP-A hinaus, da zwischen letzteren Merkmalen und dem Merkmal (i) kein zwingender und unmittelbarer technischer Zusammenhang bestehe. Das weggelassene Merkmal betreffend die in einer radialen Ebene liegende "Kurvenscheibe" sei durch den Wortlaut "Kurvenbahn" und durch die in Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale des erteilten Anspruchs 2 in äquivalenter Weise ersetzt.

Der Gegenstand des Anspruchs erfülle die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ, da die von der Beschwerdeführerin angeführten Beispiele rein akademisch und für den Fachmann völlig irrelevant seien. Es sei nicht möglich und könne nicht erwartet werden, dass jede denkbare durch den Anspruchswortlaut abgedeckte Ausführungsform, egal ob prinzipiell ausführbar oder nicht, in einer Patentschrift abgehandelt werde. Eine Patentschrift sei eben keine theoretisch-wissenschaftliche Dissertation.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D6, da dieses Dokument das Merkmal (ii) nicht offenbare. Dieses Merkmal sei aus den allgemeinen Aussagen des Absatzes [0061] von D6 nicht zu entnehmen und weitergehende spezifische Auslegungen dieses Absatzes, die ohnehin den Diskussionsrahmen für die Frage der Neuheit sprengen würden, seien im Hinblick auf D6, welches lediglich einen Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ darstelle, nicht zulässig.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei im Hinblick auf D4 für den Fachmann nicht naheliegend. Zunächst repräsentiere D4 keinen Stand der Technik gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1, da die in D4 gezeigte Führungen nicht "klappenseitig ausgebildet" seien. Weiterhin seien für den Fachmann aus D4 keine Hinweise zu entnehmen, die ihn zu den kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 führen könnten. Es bestehe auch für den Fachmann angesichts der Baustruktur und Konfiguration der aus D4 bekannten Vorrichtung keine Veranlassung und kein Bedürfnis an der Steuerung der Klappen 10, 12, 14 durch die Kurvensscheibe 20 (siehe D4, Figuren 1,2) irgend etwas zu ändern. Beispielsweise sei für den Fachmann nicht ohne weiteres ersichtlich, wie die Steuerung der Klappe 14, die eine zur Achse der Kurvenscheibe senkrechte Schwenkachse besitze und durch eine auf dem zylindrischen Mantel der Kurvenscheibe liegenden Kurvenbahn gesteuert werde, durch die Maßnahmen gemäß dem Merkmal (i) auf einfache Art und Weise entsprechend zu ersetzen sei. Für den Fachmann bestünde keine Anregung dies zu tun. Aus diesen Gründen werde der Fachmann auch die angebliche offenkundige Vorbenutzung gemäß Anlage U01 (deren Offenkundigkeit nicht erwiesen sei) nicht näher in Betracht ziehen, wobei überdies in der Vorrichtung gemäß U01 auch keine Kurvenscheibe verwendet werde, im Gegensatz zur Offenbarung von D4 und zum Oberbegriff des Anspruchs 1, sondern direkt auf den Achsen der Klappen aufgesteckten Schrittmotoren. Insgesamt sei also der beanspruchte Gegenstand nicht naheliegend.

Der von D1 ausgehende Fachmann werde auch nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bestehe für den Fachmann keine Veranlassung an der Führung der Klappe 34 (D1, Figuren 1 bis 3) durch die Koppelstange 36 und die Klappe 26 etwas zu ändern. Aus D1 seien keine Hinweise zu entnehmen, die die Vermutung rechtfertigen könnten, dass die Steuerung der Klappe 34 nicht zufriedenstellend oder verbesserungsbedürftig sei. Daran werde sich für den Fachmann selbst in Anbetracht der angeblichen Vorbenutzung (siehe Anlage U01) nichts ändern, weswegen die Vorrichtung gemäß U01 auch aufgrund ihrer technischen Unterschiede gegenüber D1 (siehe Ausführungen zu D4) vom Fachmann nicht näher berücksichtigt werde.

Ausgehend von der angeblichen Vorbenutzung gemäß Anlage U01 könne der Fachmann gleichermaßen nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Es sei nicht ersichtlich, wieso der Fachmann die von der Beschwerdeführerin genannten Schritte unternehmen solle um durch Änderung der Vorrichtung gemäß U01 zur erfindungsgemäßen Vorrichtung zu gelangen. Hierzu bestehe keine Veranlassung, zumal auch die bereits angesprochene Steuerung der Klappen durch Mikromotoren von einer Steuerung mittels Kurvenscheiben vom Konzept her weit entfernt sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt die Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ. Das strittige Merkmal (i) ist zwar nicht buchstäblich oder wortgetreu in EP-A offenbart, dennoch ergibt es sich inhaltsgemäß aus Absatz [0020] von EP-A in Verbindung mit Anspruch 1 von EP-A. Insbesondere spezifiziert dieser Absatz, dass die Führung gemäß Anspruch 1 durch eine "Kurvenscheibe" bewirkt wird, wobei offensichtlich und selbsterklärend ist, wie der Begriff "Kurvenscheibe" schon aussagt, dass die "Kurvenscheibe" eine einer "Kurvenbahn" entsprechenden Führung inhaltsgemäß impliziert. Insofern, kann hier das Merkmal "Kurvenbahn", welches übrigens an einer anderen Stelle in EP-A (siehe Absatz [0018]) explizit auftritt, keine Erweiterung der ursprünglichen Offenbarung von EP-A zur Folge haben. Weiterhin, durch die Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 2 in den Anspruch 1, ist nun klar angegeben, dass die als Kurvenbahn ausgebildete Führung in einer radialen Ebene angeordnet ist, die senkrecht zur Schwenkachse der Klappe verläuft. Damit werden auch die Einwände der Beschwerdeführerin betreffend das Weglassen des Wortlauts "in einer radialen Ebene erstreckend eine Art Kurvenscheibe" gegenstandslos, da diese Merkmale durch dazu äquivalente Merkmale ersetzt wurden. Schließlich besteht keine Notwendigkeit für die Aufnahme der Merkmale "Frontbelüftungsklappe" und "L-förmige Führung" in den Anspruch 1. In der Tat ergibt sich aus EP-A (siehe Absätze [0008], [0012])), dass die Führung nur "vorzugsweise" "insbesondere" an der Frontbelüftungsklappe ausgebildet ist und auch lediglich "bevorzugt" L-förmig ausgebildet ist. Darüber hinaus folgt auch aus dem Absatz [0020], dass die Führung durch die in einer radialen Ebene der Klappe ausgebildete Kurvenbahn von ihrer technischen Funktion her nicht von der spezifischen L-förmigen Konfiguration abhängt, da eine Vielfalt von unterschiedlichen Kurvenformen bei dem in Absatz [0020] beschriebenen Führungsmechanismus möglich sind. Aus diesen Gründen kann aus dem Weglassen der besagten Merkmale keine Verletzung von Art. 123 (2) EPÜ abgeleitet werden.

Die Aufnahme des Merkmals "klappenseitig ausgebildet" in Anspruch 1 (siehe EP-A, Absatz [0018]) ist dagegen notwendig, da in Absatz [0018] nur eine "klappenseitig ausgebildete" Kurvenbahn offenbart ist, während durch das Weglassen dieses Merkmals auch Ausbildungen der Kurvenbahn auf einer anderen Seite der Kurvenscheibe vom Anspruchsgegenstand mit umfasst sind, wobei aber in einem solchen Falle für die Übertragung der Bewegung auf die zu führende Klappe besondere technische Vorkehrungen zu treffen sind, die in EP-A nicht offenbart sind.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Beispiele sind für den Fachmann irrelevant, weil auf der Basis der gesamten Offenbarung des Streitpatents und insbesondere der Figuren offensichtlich ist, dass solche Beispiele bei der Erfindung keine Rolle spielen und die Erfindung auch nicht auf solche Beispiele gerichtet ist. Allein aus der Tatsache, dass vom Schutzumfang des Anspruchs abgedeckte hypothetische Ausführungsformen denkbar sind, die aber nicht explizit im Streitpatent offenbart werden, kann nicht unmittelbar eine Verletzung von Artikel 83 EPÜ abgeleitet werden. Ganz im Gegenteil, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, lassen sich in aller Regel solche Situationen oft nicht vermeiden. Wesentlich ist für den Fachmann im vorliegenden Fall, dass die abgehandelten Ausführungsformen hinreichend deutlich und vollständig offenbart sind. Darüber hinaus ist bei der Frage der ausreichenden Offenbarung nicht nur die Offenbarung des Patents sondern auch das allgemeine Fachwissen zu berücksichtigen und die Beschwerdeführerin hat keinen Nachweis erbracht, dass der fachkundige Leser nicht in der Lage wäre, die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen hypothetischen Ausführungsformen anhand seines allgemeinen Fachwissens umzusetzen.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu im Hinblick auf D6, welches einen nicht vorveröffentlichten Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ darstellt. D6 offenbart nämlich nicht das besagte Merkmal (ii), welches den Wortlaut "mit mindestens einer Kurvenscheibe, die klappenseitig ausgebildete Führungen als Kurvenbahnen für Hebel aufweist" besitzt. Dieses Merkmal ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht implizit aus Absatz [0061] von D6 (siehe bspw. "on peut envisager d'autres types d'organes mécaniques, par exemple des systèmes à came..") abzuleiten, denn der Begriff "systèmes à came" ist sehr allgemein und nicht zwingend und unmissverständlich als Kurvenbahn zu deuten, da es etliche weitere Bedeutungen haben kann (z.B. Nocken, Exzenter). Zudem offenbart D6 in Absatz [0061] auch nicht spezifisch eine "Kurvenbahn für Hebel" gemäß Merkmal (i).

Insofern kann die Offenbarung von D6 für den Anspruchsgegenstand nicht neuheitsschädlich sein, da die entsprechenden Merkmale in D6 nicht unmissverständlich und klar, explizit oder implizit, offenbart werden.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist im Hinblick auf D4 oder D1 für den Fachmann nicht naheliegend.

Zunächst ist zu der in D4 gezeigten Vorrichtung festzustellen, dass diese, im Unterschied zu der erfindungsgemäßen Vorrichtung, keine "klappenseitig ausgebildete" Kurvenscheibe aufweist. Dieses Merkmal spiegelt sich darin wider, daß die aus D4 bekannte Vorrichtung, im Unterschied zur erfindungsgemäßen Vorrichtung, keine im Wesentlichen axiale Anordnung der Kurvensscheibe und der Klappen auf gemeinsamen oder nur leicht versetzten parallelen Achsen, sondern eine stark abgeflachte Struktur aufweist, die sich im Wesentlichen in Ebenen senkrecht zur äußeren zylindrischen Mantelfläche der Kurvenscheibe erstreckt; wobei auch die in diesen Ebenen angeordneten Klappen relativ zueinander und zur Kurvenscheibe selbst ziemlich weit auseinander liegen (siehe D4, Figuren 1, 2). Die bekannte Vorrichtung aus D4 ist damit ersichtlich auch funktional und baulich derart konzipiert, dass die drei Klappen 10, 12, 14 zentral und unabhängig voneinander über eine einzige Kurvenscheibe 20 gesteuert werden. Folglich würde der Fachmann ausgehend von E4 keinen Grund haben, die technischen Maßnahmen gemäß Merkmal (i) überhaupt in Erwägung zu ziehen, da durch diese Maßnahmen die Struktur der Vorrichtung weder einfacher noch kompakter werden würde und zusätzlich auch keine prinzipiell unabhängige Steuerung der einzelnen Klappen gegeben wäre. Dies gilt umso mehr, als auch die Vorrichtung gemäß der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung (siehe Anlage U01), die das Merkmal (i) offenbaren soll, ähnlich wie die Erfindung eine im wesentlichen axiale Anordnung der Klappen aufweist, mit an gemeinsamen oder leicht versetzten parallelen Achsen angebrachten Klappen. Die strukturell und funktional unterschiedliche Konzeption der Vorrichtungen gemäß D4 und U01 würde somit den Fachmann davon abhalten, diese zwei technischen Gegenstände miteinander zu kombinieren. Im Übrigen ist auch noch festzustellen, dass aus der Anlage U01 der Fachmann auch nicht entnehmen würde, wie das Merkmal (i) auf die Vorrichtung gemäß D4 übertragen werden könnte, falls die Schwenkachse der Klappe senkrecht auf die Achse der Kurvenscheibe steht (siehe D4, z.B. Klappe 14 und Kurvenscheibe 20 in Figuren 1, 2).

Aus den genannten Gründen ist der Gegenstand des Anspruch 1 im Hinblick auf D4 und die behauptete offenkundige Vorbenutzung U01, selbst wenn die Offenkundigkeit der Vorbenutzung nachgewiesen wäre, nicht naheliegend.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist im Hinblick auf D1 und die behauptete offenkundige Vorbenutzung (siehe Anlage U01) nicht naheliegend. Die Vorrichtung des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung von D1 lediglich darin, dass eine weitere Führung als Kurvenbahn für einen Hebel an einer der Klappen ausgebildet ist (siehe obiges Merkmal (i)). Es mag sein, dass dieses Merkmal, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, eine verbesserte und vielfältigere Ausgestaltung der relativen Bewegung der Klappen grundsätzlich ermöglicht. Jedoch gibt es für den Fachmann in D1 keinen Hinweis dahingehend, dass die durch eine Koppelstange bewirkte Führung einer ersten Klappe mittels einer zweiten Klappe hinsichtlich der Art der somit erzeugten Relativbewegung in irgend Weise in technischer Hinsicht nachteilig ist. Dieser Themenbereich wird in D1 nicht angeschnitten und die Beschwerdeführerin konnte ebenfalls nicht näher erläutern, welcher Grund den Fachmann unmittelbar dazu bewegen würde, das Merkmal (i) auf D1 zu übertragen. Dies umso mehr, als es sich bei diesem Merkmal nicht um allgemein bekannte und geläufige technische Maßnahmen handelt, denn dieses Merkmal wird von keinem der schriftlich vorveröffentlichten Dokumente gezeigt (D6 ist als Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ gemäß Artikel 56 EPÜ bei der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht zu lassen). Aus der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung gemäß Anlage U01, welche dieses Merkmal als einzige zeigt, ist es naturgemäß für den Fachmann kaum möglich, spezifische technische Lehren herzuleiten, da insbesondere auch präzisere und detaillierte Angaben zur Funktionsweise und zu besonderen technischen Eigenschaften der Vorrichtung fehlen. Unter diesen Umständen ist auch nicht nachvollziehbar, wie der Fachmann zwingend zu der Einsicht gelangen könnte, dass die Übertragung des Merkmals (i) auf die aus D4 bekannte Vorrichtung notwendig und technisch sinnvoll sei.

Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf D1 und die behauptete offenkundige Vorbenutzung U01 (selbst wenn die Offenkundigkeit der Vorbenutzung nachgewiesen wäre) für den Fachmann nicht naheliegend.

Der Fachmann würde ausgehend von der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung (siehe Anlage U01) nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Die Übertragung des Merkmals (ii), welches aus den von der Beschwerdeführerin zitierten Dokumenten bekannt ist, auf die Vorrichtung gemäß U01, ist für den Fachmann nicht naheliegend. Es ergibt sich insbesondere durch die Verwendung von Kurvenscheiben, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, kein eindeutiger und zwingender Vorteil, da im Gegenteil der Einsatz von Mikromotoren in der Vorrichtung gemäß U01 eine sehr kompakte Bauweise und zusätzlich auch noch eine vollständig unabhängige Steuerung der unterschiedlichen Schwenkachsen der Klappen ermöglicht. Zusätzlich ist auch nicht unmittelbar ersichtlich, welchen der gezeigten Mikromotoren der Vorrichtung gemäß U01 der Fachmann spezifisch durch Kurvenscheiben ersetzen würde und welche Klappen konkret durch die Kurvenscheibe(n) gesteuert werden sollten; wobei ohnehin nicht klar ist, wie und ob sich damit die durch die Steuerung der Klappen definierten funktionalen Eigenschaften der Vorrichtung ändern würden.

Insgesamt folgt aus diesen Ausführungen, dass für den Fachmann kein zwingender Grund vorhanden ist, der ihn unmittelbar dazu veranlassen würde, das besagte Merkmal (ii) auf die Vorrichtung gemäß der Vorbenutzung zu übertragen. Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf die behauptete offenkundige Vorbenutzung (selbst wenn die Offenkundigkeit der Vorbenutzung nachgewiesen wäre) und die weiter von der Beschwerdeführerin zitierten Dokumente für den Fachmann nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrecht zu erhalten:

- Ansprüche 1 bis 10 gemäß Hauptantrag, eingereicht am 13. Juni 2014;

- Beschreibung Spalten 1 bis 5, wie eingereicht am Juni 2014;

- Figuren 1 bis 15 wie erteilt.

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