T 1814/11 (Synergistische Fungizide Mischung/BASF SE) of 6.2.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T181411.20130206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2013
Aktenzeichen: T 1814/11
Anmeldenummer: 05026582.6
IPC-Klasse: A01N 43/653
A01N 43/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fungizide Mischungen auf der Basis von Prothioconazol und Picoxystrobin
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: E.I. DU PONT DE NEMOURS AND COMPANY
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja) - Synergismus nicht vorhersehbar
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2156/14
T 2097/15
T 1259/17
T 1639/21

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 1 642 499 zu widerrufen.

II. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente zitiert:

(1) US-B-6 306 850

(2) Dave W. Bartlett et al., The Royal Society of Chemistry - Pesticide Outlook - August 2001- "Understanding the Strobilurin Fungicides", pages 143 to 148.

(3) Research Disclosure, "Strobilurin compositions", Research Disclosure database Number 405085, published in January 1998, 8 pages.

(4) Research Disclosure, "Picoxystrobin compositions", Research Disclosure database Number 429035, published in January 2000, 8 pages.

III. Der Einspruch richtete sich gegen den vollen Umfang des Patents. Er basierte auf Einspruchsgründen gemäß Artikel 100(a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit).

IV. Die Einspruchsabteilung sah den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 6 der erteilten Fassung als nicht erfinderisch an, insbesondere aufgrund der Offenbarung des Dokuments (1) in Kombination mit dem Dokument (2).

V. Die folgende Entscheidung basiert auf der erteilten Fassung der Ansprüche. Der Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Fungizide Mischung, enthaltend

(1) 2-[2-(1-Chlorcyclopropyl)-3-(2-chlorphenyl)-2-hydroxypropyl]-2,4-dihydro-[1,2,4]-triazol-3-thion (Prothioconazol) der Formel I oder dessen Salze oder Addukte

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

und (3) Picoxystrobin der Formel III

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

oder dessen Salze oder Addukte in einer synergistisch wirksamen Menge."

VI. Die folgenden Argumente der Beschwerdeführerin waren für diese Entscheidung erheblich:

- Dokument (1) stelle den nächsten Stand der Technik dar. Ausgehend davon bestehe die Aufgabe darin synergistische Mischungen auf Basis von Prothioconazol bereitzustellen.

- Die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

- Der Fachmann würde sich an Kombinationen mit den höchsten Wirkungssteigerungen des Dokuments (1) orientieren und daher nicht an solchen, die die Verbindungen (XII) und (XIII) (siehe Spalten 25-26) enthalten.

- Synergismus sei, selbst für Kombinationen strukturell ähnlicher Verbindungen, nicht vorhersehbar.

- Das Dokument (2) befasst sich nicht mit Synergismus. Daher würde der Fachmann dieses Dokument außer Acht lassen.

VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte wie folgt:

- Dokument (1) stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Aufgabe sei die Bereitstellung einer weiteren synergistisch wirkenden Prothioconazol enthaltenden fungiziden Mischung.

- Picoxystrobin (siehe Dokument (2)) weise im Vergleich zu den schon bekannten Strobilurinen (Seite 144 von (2), letzter Absatz der linken Spalte und erster Absatz der rechten Spalte und Tabelle 2 der Seite 145) vorteilhafte Eigenschaften auf, insbesondere gegenüber den aus Dokument (1) bekannten Azoxystrobin und Kresoxim-Methyl.

- Strobilurine seien ein Markterfolg (siehe Dokument (2), Seite 143, rechte Spalte, erster vollständiger Absatz), der dem Fachmann einen klaren Hinweis gebe, Picoxystrobin einzusetzen.

- Der Fachmann würde Azoxystrobin bzw. Kresoxim-Methyl durch Picoxystrobin mit einer angemessenen Erfolgschance ersetzen.

- Die Tabellen 4 und 5 des Dokuments (1) (siehe Spalten 33-34 und 39-40) stellen eine klare Anregung dar, nach weiteren Alternativen zu forschen.

VIII. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Nächster Stand der Technik

In Einklang mit den Parteien geht die Kammer davon aus, dass das Dokument (1) den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Es beschreibt fungizide Mischungen aus Prothioconazol in Kombination mit spezifischen Verbindungen, darunter Kresoxim-Methyl und Azoxystrobin, die synergistisch wirken (siehe Spalte 1, Zeile 36, Spalte 4, Verbindungen (XII) und (XIII) und Spalte 7, Zeilen 55 bis 60). Daher unterscheidet sich der Gegenstand des Streitpatents von dem Gegenstand des Dokuments (1) nur dadurch, dass Picoxystrobin als zweite Wirkstoffkomponente in der beanspruchten Zusammensetzung verwendet wird.

2.2 Aufgabe

Im Hinblick auf das Dokument (1), besteht die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen synergistisch wirksamen fungiziden Zusammensetzung auf Basis von Prothioconazol.

3. Lösung

3.1 Die im Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchte Zusammensetzung aus Prothioconazol und Picoxystrobin wurde als Lösung vorgeschlagen.

3.2 In Anbetracht der Ergebnisse der Tabelle 3 und 4 des Streitpatents, geht die Kammer davon aus, dass die obengenante Aufgabe tatsächlich gelöst wurde.

3.3 Ausgehend vom Dokument (1) hätte der Fachmann, der die im Punkt 2.2 definierte Aufgabe lösen will, jedoch keinen Anlass gehabt, Prothioconazol mit dem im Dokument (2) erwähnten Picoxystrobin zu mischen. Zwar offenbart Dokument (2), dass Picoxystrobin vorteilhafte Eigenschaften (siehe Seite 144, erster Absatz der rechten Spalte) gegenüber anderen Strobilurinen aufweist, beispielweise den aus Dokument (1) bekannten Azoxystrobin und Kresoxim-Methyl, Picoxystrobin enthaltende Mischungen mit synergistischer Wirkung werden jedoch an keiner Stelle des Dokuments erwähnt. Hinzu kommt, dass synergistische Effekte nicht vorhersehbar sind, d.h. wenn wie im Dokument (1) eine Kombination von zwei spezifischen Verbindungen synergistisch wirkt, bedeutet dies nicht, dass ein solcher Synergismus auch erwartet werden kann, wenn man eine der beiden strukturell modifiziert. Das zeigt sich auch daran, dass in Dokument (1) spezifische Fungizide als Mischungspartner offenbart werden, nicht jedoch Fungizidklassen.

Die Kombination von Prothioconazol mit Picoxystrobin als synergistische Mischung ergibt sich damit für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus der Lehre der Dokumente (1) und (2).

Die rechtzeitig offenbarten Dokumente (3) und (4) betreffen zahlreiche Fungizidmischungen, die Picoxystrobin und eine weitere Wirkstoffkomponente, darunter Azole (siehe Dokument (3), Seite 3, erster vollständiger Absatz und Dokument (4), Seite 2, zweiter und dritter vollständiger Absatz) enthalten. Diese Mischungen können vorgeblich Synergismus aufweisen (siehe Dokument (3), Seite 2, erster Satz des letzten Absatzes und Dokument (4), Seite 2, letzter Satz des zweiten Absatzes). Nähere Angaben dazu oder Beispiele enthalten diese Dokumente jedoch nicht. Darüber hinaus gehört Prothioconazol nicht zu den aufgelisteten Wirkstoffen. Daher kann der Fachmann diesen Dokumenten keinen Hinweis entnehmen, dass sich beim Mischen von Prothioconazol mit Picoxystrobin ein synergistischer Effekt einstellen könnte.

3.4 Die Beschwerdegegnerin vertrat die Auffassung, dass in Anbetracht des Markterfolgs von verschiedenen Strobilurinen (siehe Dokument (2), Seite 143, erster vollständiger Absatz der rechten Spalte) und der verbesserten Eigenschaften des Picoxystrobins im Vergleich zu den vermarkten Strobilurinen (siehe Dokument (2), Seite 144, rechte Spalte, erster Absatz und Tabelle 2) der Fachmann über klare Hinweise verfüge, Picoxystrobin mit Prothioconazol mit einer angemessenen Erfolgerwartung zu kombinieren.

Dieses Argument wäre zutreffend, wenn die zu lösende Aufgabe lediglich in der Bereitstellung von alternativen Fungizidmischungen anzusehen wäre. Dies ist hier jedoch nicht der Fall (siehe Punkt 2.2). Von den verbesserten Eigenschaften, die Picoxystrobin im Vergleich zu Azoxystrobin und Kresoxim-Methyl aufweist (siehe Dokument (2), Seite 144, zweiter vollständiger Absatz) kann nicht abgeleitet werden, dass es auch synergistisch in einer Mischung mit Prothioconazol wirkt. Dokument (2) offenbart experimentelle Ergebnisse in Bezug auf die Aktivität von Picoxystrobin in Vergleich zu anderen bekannten Strobilurinderivaten wie beispielweise die im Dokument (1) erwähnten Kresoxim-Methyl und Azoxystrobin. Obwohl die beiden letztgenannten Strobilurinderivate mit Prothioconazol synergistisch wirken (siehe Dokument (1), Tabelle 1, Spalten 25 und 26, Mischungen (I) + (XIII) und (I) + (XII)), kann daraus nicht gefolgert werden, dass Picoxystrobin, trotz vorteilhafter Eigenschaften, in Kombination mit Prothioconazol ebenfalls synergistisch wirken wird.

3.5 Die Beschwerdegegnerin argumentierte weiter, dass es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, Verbindungen derselben Klasse, nämlich Strobilurine, einzusetzen und durch Anwendung des Prinzips von Versuch und Irrtum zu der beanspruchten Mischung zu gelangen.

Dieses Argument kann die Kammer nicht überzeugen. Fungizidverbindungen, die zur selben Klasse gehören, haben zwar in der Regel entweder ähnliche Wirkmechanismen und/oder eventuell ähnliche chemische Strukturen. Dies besagt aber nicht, dass, wenn einige Fungizidverbindungen derselben Klasse in Kombination mit einer bestimmten Fungizidverbindung synergistisch wirken, alle oder größtenteils alle Verbindungen dieser Klasse mit dieser bestimmten Verbindung auch synergistisch wirken werden. Synergismus ist prinzipiell nicht vorhersehbar (siehe Dokument (1), Spalte 7, Zeilen 55 bis 60) und kann daher nicht auf irgendeinen Wirkmechanismus und/oder Struktur zurückgeführt werden. Das Prinzip von Versuch und Irrtum, das von der Beschwerdegegnerin herangezogen wurde, würde in diesem Fall, ausgehend vom Dokument (1) und ohne Kenntnis der Erfindung, auf das Testen von Mischungen unterschiedlicher Fungizidverbindungen mit Prothioconazol hinauslaufen, ohne dass für den Fachmann absehbar ist, ob tatsächlich mindestens eine Mischung synergistisch wirkt.

3.6 Die Beschwerdegegnerin hat auch betont, dass der Lehre des Dokuments (2) entsprechend (siehe Absatz "Sensitivity of fungal populations to strobilurine, and resistance management", linke Spalte der Seite 147), Picoxystrobin für den Einsatz in Kombination mit anderen Fungiziden in verschiedenen kreuzresistenten Gruppen zur Kontrolle von Getreidekrankheiten bestimmt sei. Dem könne der Fachmann daher eine Anregung entnehmen, Picoxystrobin mit anderen Fungiziden mit unterschiedlichem Wirkmechanismus zu kombinieren.

Indessen wird an der von der Beschwerdegegnerin genannten Stelle auf bestimmte kreuzresistente Gruppen verwiesen (i.e. Kombinationen von Strobilurinen mit Famoxadone und Fenamidon). Des Weiteren wird, wie auch von der Beschwerdeführerin betont, in diesem Zusammenhang bereits auf die Resistenz einiger Pathogene gegen Strobilurine verwiesen. Dem kann der Fachmann höchstens entnehmen, dass eine Kombination von Strobilurinen mit einem Fungizid gegen diese spezifischen Pathogene ratsam sein könne. Einen Hinweis darauf Picoxystrobin für die Lösung der unter Punkt 2.2 genannten Aufgabe einzusetzen kann der Fachmann diesem Absatz nicht entnehmen.

3.7 Es folgt daraus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 sind deshalb auch erfinderisch.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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