T 1739/11 () of 26.4.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T173911.20160426
Datum der Entscheidung: 26 April 2016
Aktenzeichen: T 1739/11
Anmeldenummer: 99924971.7
IPC-Klasse: G01N 21/85
G01N 21/27
B07C 5/342
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR DETEKTION UND UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN KONTAMINATIONEN UND GUTSTOFFEN SOWIE ZWISCHEN VERSCHIEDENEN FARBEN IN FESTSTOFFPARTIKELN
Name des Anmelders: Krieg, Gunther, Prof.Dr.Ing.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (geänderter Hauptantrag: ja)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Patentanmelder) richtet seine Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 99924971.7 (internationale Veröffentlichungsnummer WO 00/70331) zurückgewiesen worden ist.

In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Prüfungsabteilung die Auffassung, dass die Erfindung gemäß den der Entscheidung zugrundeliegenden Anträgen nicht ausreichend im Sinne von Artikel 83 EPÜ offenbart sei.

II. Mit der Beschwerdebegründung hat der Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung und die in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ergangene Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 2007, 536) hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Januar 2016 geänderte Anspruchssätze gemäß Hauptantrag und Hilfsanträge I bis XVII eingereicht.

In Erwiderung auf eine weitere Mitteilung der Kammer hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. Februar 2016 u.a. die geänderten Seiten 1, 2, 2a und 7 der Beschreibung eingereicht.

In Erwiderung auf eine weitere Mitteilung der Kammer hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. Februar 2016 einen neuen Anspruchssatz (Ansprüche 1 bis 4) als Hauptantrag eingereicht.

Der Beschwerdeführer hat als Hauptantrag die Erteilung eines Patents auf der Grundlage folgender Unterlagen beantragt:

- Beschreibungsseiten 1, 2, 2a und 7, eingereicht mit Schreiben vom 8. Februar 2016, und Beschreibungsseiten 3 bis 6 in der ursprünglich eingereichten Fassung,

- geänderte Ansprüche 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 10. Februar 2016, und

- ursprünglich eingereichte Zeichnungsblätter 1/11 bis 11/11.

IV. Daraufhin wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 gemäß Hauptantrag lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Detektion und Unterscheidung der Grundmaterialien (94, 95, 96, 97), der Farben (90, 91, 92, 93) und der Kontaminationen (98, 99, 100) in granulatähnlichen oder tablettenförmigen Stoffen (3), wobei die Stoffe (3) mit einem Laser (1) zeilenförmig bestrahlt und optisch angeregt werden, wobei das von den Stoffen (3) reemittierte Licht (10) zur Detektion der Unterscheidung sowohl der Grundmaterialien (94, 95, 96, 97) als auch der Farben (90, 91, 92, 93) und der Kontaminationen (98, 99, 100) erfasst und spektroskopisch analysiert (11, 12) wird und die Stoffe (3) nach Grundmaterialien (94, 95, 96, 97), Farben (90, 91, 92, 93) und/oder Kontaminationen (98, 99, 100) klassifiziert und separiert werden, und wobei das reemittierte Licht (10) koaxial und entgegengesetzt zu dem Licht des Lasers (1) verläuft und das Licht des Lasers (1) und das reemittierte Licht (10) über ein gemeinsames reflektierendes Polygonrad (18, 35) verlaufen, wobei das spektral zerlegte Licht durch eine Multianoden-Photomultiplier-Röhre (72) als Spektrum erfasst wird und die Stoffanalyse, die Farbbestimmung und die Kontaminanten-Erkennung

a) über eine Signalaufbereitung (73), eine programmierte Logik (75) und über mathematische Algorithmen (79) mit Kalibrationsvektoren (80) oder

b) über einen Prozessor (86) mit Zugriff auf Referenzspektren, die in einem Datenspeicher (87) enthalten sind, erfolgen."

"4. Vorrichtung zur Detektion und Unterscheidung der Grundmaterialien (94, 95, 96, 97), der Farben (90, 91, 92, 93) und der Kontaminationen (98, 99, 100) in granulatähnlichen oder tablettenförmigen Stoffen (3) mit einer einen Laser (1) aufweisenden Einrichtung zur zeilenförmigen Beleuchtung der Stoffe, einer Analyseeinrichtung zur spektroskopischen Analyse (11, 12) des von den Stoffen (3) reemittierten Lichts (10), und einer Separierungseinrichtung (81) zur Klassifizierung und Separierung der Stoffe nach Grundmaterialien (94, 95, 96, 97), Farben (90, 91, 92, 93) und/oder Kontaminationen (98, 99, 100), wobei die Analyseeinrichtung (12) ein optisches System (2) mit einem reflektierenden Polygonrad (18, 35) umfasst, und wobei

das optische System (2) derart ausgebildet ist, sodass der Strahlengang des reemittierten Lichtes (10) koaxial und entgegengesetzt zu dem Strahlengang des Lichts des Lasers (1) über das reflektierende Polygonrad (18, 35) verläuft, und wobei eine Multianoden-Photomultiplier-Röhre (72) angeordnet ist zur Erfassung des spektral zerlegten Lichts als Spektrum und wobei die Vorrichtung

a) Mittel zur Signalaufbereitung (73) und Mittel mit einer programmierbaren Logik (75) und mathematischen Algorithmen (79) mit Kalibrationsvektoren (80) umfasst, wobei die Stoffanalyse, die Farbbestimmung und die Kontaminanten-Erkennung über die Signalaufbereitung (73), die programmierte Logik (75) und über die mathematischen Algorithmen (79) mit Kalibrationsvektoren (80) erfolgen oder wobei die Vorrichtung

b) einen Prozessor (86) und einen Datenspeicher (87), enthaltend Referenzspektren, auf den der Prozessor (86) Zugriff hat, umfasst, und wobei die Stoffanalyse, die Farbbestimmung und die Kontaminanten-Erkennung über den Prozessor (86) mit Zugriff auf Referenzspektren, die in dem Datenspeicher (87) enthalten sind, erfolgen."

Der Anspruchssatz gemäß Hauptantrag beinhaltet auch die abhängigen Ansprüche 2 und 3, die sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 richten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - Änderungen

Die geänderten unabhängigen Ansprüche 1 und 4 gemäß Hauptantrag entsprechen inhaltlich jeweils der Kombination des Anspruchs 1 und des unabhängigen Anspruchs 9 wie ursprünglich eingereicht mit den Merkmalen der abhängigen Ansprüche 4, 5 und 7 wie ursprünglich eingereicht und der Passage auf Seite 6, Zeilen 14 bis 16 der ursprünglich eingereichten Beschreibung, wobei der Gegenstand des vorliegenden geänderten unabhängigen Anspruchs 4 weiter klargestellt wurde (vgl. Fig. 6a und 6c). Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 entsprechen inhaltlich jeweils den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 wie ursprünglich eingereicht. Die geänderten Ansprüche erfüllen somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

Die während des Beschwerdeverfahrens vorgenommenen Änderungen der Beschreibung gemäß dem Hauptantrag betreffen die Würdigung des Standes der Technik (Regel 27 (1) (b) EPÜ 1973) und die Anpassung an die beanspruchte Erfindung (Artikel 84 und Regel 27 (1) (c) EPÜ 1973). Insbesondere wurde in der Beschreibung klargestellt, dass die Ausführungsform, die in Fig. 6b veranschaulicht ist, nicht mehr Gegenstand der beanspruchten Erfindung ist.

3. Hauptantrag - Ausführbarkeit

3.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist auf ein Verfahren zur Detektion und Unterscheidung der Grundmaterialien, der Farben und der Kontaminationen in granulatähnlichen oder tablettenförmigen Stoffen gerichtet. Das beanspruchte Verfahren beinhaltet im Wesentlichen zwei verschiedene Aspekte, nämlich einerseits die Bestrahlung der Stoffe mit einem Laser und die Detektion des von den Stoffen reemittierten Lichts (wie z.B. Fluoreszenzlicht, siehe Beschreibung, Seite 4, Zeilen 9 bis 13) mittels einer koaxialen optischen Anordnung, und andererseits die Klassifizierung und Separierung der Stoffe nach Grundmaterialien, Farben und Kontaminationen anhand einer spektroskopischen Analyse des reemittierten Lichts.

In ihrer Entscheidung befand die Prüfungsabteilung, dass das Verfahren gemäß den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anträgen in der Anmeldung nicht ausreichend im Sinne des Artikels 83 EPÜ 1973 offenbart sei. Dabei stützte sich die Prüfungsabteilung auf eine Reihe von Einwänden, die im Wesentlichen den zweiten der oben erwähnten Aspekte betreffen. Unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass alle diese Einwände, wie unten näher dargelegt, entweder durch den eingeschränkten Wortlaut des im Beschwerdeverfahren eingereichten Anspruchs 1 gegenstandslos geworden oder in Anbetracht des allgemeinen Fachwissens des einschlägigen Fachmanns nicht überzeugend sind.

3.2 In der Beschreibung wird neben der koaxialen optischen Anordnung, die zur Bestrahlung der Stoffe mit einem Laser und zur Detektion des von den Stoffen reemittierten Lichts dient (siehe Fig. 1 bis 5 und entsprechende Erläuterung auf Seite 4, erster Absatz bis Seite 6, zweiter Absatz), auch die Ermittlung der Grundmaterialien, der Farben und der Kontaminationen der Stoffe auf der Grundlage der Ergebnisse der spektroskopischen Analyse des reemittierten Lichts dargestellt (Fig. 6a, 6c und 7 bis 9 und die entsprechende Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, letzter Absatz). Dabei sind als Beispiele von Stoff-Grundmaterialien PVC, PET, PEN und PC (vgl. Fig. 8), als Beispiele von verschieden eingefärbten Stoffen Rot-, Braun-, Grün- und Transparent-PET-Materialien (vgl. Fig. 7), und als Beispiel von kontaminierten Stoffen mit Nitroverdünnung kontaminierte PET-Stoffe (vgl. Fig. 9) angegeben, und die entsprechenden Figuren 7 bis 9 zeigen die unterschiedlichen Emissionsspektren dieser Stoffe, je nach Grundmaterial, Farbe und Konzentration der Kontaminanten. Außerdem werden in der Beschreibung Methoden offenbart (vgl. Fig. 6a und 6c und die entsprechende Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz und Seite 7, zweiter Absatz), die auf der Basis einer spektroskopischen Analyse und Auswertung des von den Stoffen reemittierten Lichts eine Identifikation der Grundmaterialien, eine Bestimmung der Farbe und eine Detektion der Kontaminationen und somit eine Sortierung der Stoffe nach Grundmaterialien, Farben und Kontaminationen ermöglichen.

Die Beschreibung enthält daher Ausführungsformen des beanspruchten Verfahrens, die nach Auffassung der Kammer konkrete Ausführungsbeispiele der beanspruchten Erfindung darstellen. Die Kammer stimmt der Prüfungsabteilung zu, dass die Offenbarung dieser Ausführungsbeispiele nicht vollständig ist, und zwar in dem Sinne, dass der Beschreibung bestimmte technische Informationen nicht entnommen werden können, die für eine unmittelbare Nacharbeitung der Ausführungsbeispiele erforderlich sind. So werden in der Offenbarung der Ausführungsformen - wie in der angegriffenen Entscheidung richtig festgestellt wurde - weder der auszuwertende Spektralbereich bzw. die Auswertungswellenlängen, noch die konkreten Eigenschaften der Detektoren angegeben. Auch die konkrete Auswahl der Anregungswellenlängen bleibt in der Offenbarung offen, weil in der Beschreibung nur auf die Emissionswellenlängen eines YAG-Lasers sowie auf deren frequenzvervielfachten Wellenlängen (Seite 5 der Beschreibung, Zeilen 3 bis 5) Bezug genommen wird, ohne dabei anzugeben, welche Wellenlängen oder Kombinationen von Wellenlängen als Anregungswellenlängen anzuwenden sind. Auch die in den Fig. 7, 8 und 9 dargestellten Spektren geben keinen Hinweis auf die verwendeten Anregungs- und Auswertungswellenlängen.

Allerdings stellt das Fehlen dieser konkreten Angaben nach Auffassung der Kammer eine Nacharbeitung der Ausführungsbeispiele bzw. die Ausführbarkeit der Erfindung durch den einschlägigen Fachmann im Sinne von Artikel 83 EPÜ 1973 nicht in Frage. Die Erfindung betrifft die spektroskopische Analyse und Auswertung von Licht, das von verschiedenen Stoffen reemittiert wird, und auf diesem Gebiet ist als einschlägiger Fachmann nicht ein Fachmann mit allgemeinen Kenntnissen auf dem Gebiet der Optik bzw. der Spektroskopie zu betrachten, sondern ein Fachmann, der über ein fachübliches Wissen und Können in dem spezifischen Gebiet der Spektrometrie verfügt. Nach Auffassung der Kammer war ein solcher Fachmann am Anmeldetag der Anmeldung in der Lage, die oben erwähnten fehlenden Informationen aus seinem Fachwissen zu ergänzen. Dazu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

- Das beanspruchte Verfahren basiert auf der Anregung der zu unterscheidenden Stoffe mit einem Laser und auf der spektroskopischen Analyse und Auswertung des Lichts, das die Stoffe reemittieren. Seitens der Kammer bestehen keine Bedenken, dass der Fachmann mit vertretbarem Experimentieraufwand in der Lage war, als Anregungswellenlängen diejenige Wellenlängen bzw. Kombinationen von Wellenlängen (z.B. die in der Beschreibung beispielhaft genannten Emissionswellenlängen eines YAG-Lasers, vgl. Seite 5, Zeilen 3 bis 5) auszuwählen, die eine solche Anregung der zu unterscheidenden Stoffe ermöglichten, und als Auswertungswellenlängen diejenige Wellenlängen bzw. Wellenlängenbereiche (z.B. Spektralbereiche mit charakteristischen Peaks bzw. Kurvenformen, vgl. Fig. 7 bis 9) auszuwählen, die eine spektroskopische Analyse und Auswertung des reemittierten Lichts ermöglichten. So zeigen die in den Fig. 7 bis 9 dargestellten Spektren, dass die Intensität des reemittierten Lichts je nach Materialien, Farbe und Kontaminationskonzentration stark von den Auswertungswellenlängen abhängt, und dass eine Auswertung des reemittierten Lichts und somit eine Klassifizierung der Stoffe je nach Farbe und/oder Materialien und/oder Kontaminationskonzentration in bestimmten Spektralbereichen effizienter durchgeführt werden können als in anderen.

- Was die Detektoren betrifft, wurde der Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hauptantrag im Beschwerdeverfahren dahingehend geändert, dass das spektral zerlegte Licht durch eine Multianoden-Photomultiplier-Röhre erfasst wird. Der Fachmann wird aus den Multianoden-Photomultiplier-Röhren, die ihm zur Verfügung stehen, ohne großen Aufwand diejenige in Betracht ziehen, die eine spektroskopische Analyse und Auswertung des reemittierten Lichts in den ausgewählten Auswertungswellenlängen ermöglicht.

Somit kann die Kammer in der beanspruchten Erfindung keine besonderen technischen Erfordernisse erkennen, die dem einschlägigen Fachmann Schwierigkeiten bei der Auswahl der geeigneten Anregungswellenlängen, der geeigneten Auswertungswellenlängen und der geeigneten Multianoden-Photomultiplier-Röhren bereiten würden.

3.3 In der angefochtenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung ausgeführt, dass eine Farberkennung der Stoffe durch eine direkte spektrale Bewertung des reemittierten Lichts nicht ohne Weiteres ausgeführt werden könne, insbesondere nicht unter den in der Beschreibung angegebenen Verfahrensbedingungen, zu denen die Verwendung eines Falschlichtfilters vor dem Eingang des Spektrographen gehöre (vgl. Seite 4, Zeile 30 bis Seite 5, Zeile 3, und Seite 5, Zeilen 24 bis 29), der die reflektierten Anregungswellenlängen des Lasers unterdrücke und einer Farbermittlung lediglich durch Reflexionsmessung entgegenstehe. In diesem Zusammenhang ist die Kammer der Ansicht, dass der Offenbarung der Erfindung keine konkrete Lehre darüber zu entnehmen ist, wie eine solche Farberkennung ausgeführt werden kann, soweit die Stoffe nicht mit einem Anregungslicht mit einem kontinuierlichen Spektrum sondern mit dem Licht eines Lasers angeregt werden und die Farberkennung ausschließlich durch eine unmittelbare spektroskopische Analyse und Bewertung des von den Stoffen reemittierten Lichts erfolgen soll. Insbesondere stellt die Ausführungsform, die in Fig. 6b veranschaulicht ist (vgl. Beschreibung, Seite 7, erster Absatz), keine solche konkrete Lehre dar, da sie lediglich auf unbestimmte "vorgegebene mathematische Modelle" basiert, die in der Anmeldung nicht näher erläutert werden.

Der geltende Anspruch 1 wurde allerdings während des Beschwerdeverfahrens durch Aufnahme weiterer Merkmale eingeschränkt, und zwar durch die Präzisierung, dass bei der Stoffanalyse, bei der Farberkennung und bei der Kontaminanten-Erkennung Kalibrationsvektoren oder Referenzspektren mitberücksichtigt werden (vgl. Nr. V oben, Anspruch 1, Merkmale a) und b)). Diese Einschränkung geht auf die in der Beschreibung offenbarten Ausführungsformen nach Fig. 6a und 6c (vgl. Beschreibung, Seite 6, letzter Absatz und Seite 7, zweiter Absatz) zurück, wobei in der geltenden Beschreibung klargestellt wurde, dass die Ausführungsform nach Fig. 6b nicht mehr Gegenstand der beanspruchten Erfindung ist (vgl. Nr. 2 oben, zweiter Absatz).

Damit erfolgt die Farberkennung in dem Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 nicht durch direkte Analyse und Auswertung der gemessenen Spektren, sondern durch deren Auswertung unter Berücksichtigung von Kalibrationsvektoren oder Referenzspektren. Da - wie von dem Beschwerdeführer geltend gemacht - jede Kombination von Grundmaterialien, Farben und Kontaminanten ein spezifisches Spektrum des reemittierten Lichts - vgl. die in Fig. 7 bis 9 dargestellten Spektren mit charakteristischen Verläufen und entsprechenden Peaks - ergibt, ermöglicht eine Auswertung der gemessenen reemittierten Spektren auf der Basis von vorab ermittelten Referenzspektren bzw. Kalibrationsvektoren sowohl die Bestimmung der Farbe als auch die Bestimmung der Grundmaterialien und der Kontaminationen der Stoffe.

Der Fachmann wird daher feststellen, dass die Durchführung des beanspruchten Verfahrens mit einem bestimmten Satz von Stoffen voraussetzt, dass Stoffproben, die repräsentativ für die verschiedenen Grundmaterialien, Farben und Kontaminationen der Stoffe sind, erst einem Kalibrationsverfahren bzw. einem Erfassungsverfahren von Referenzmesswerten untergezogen werden, bevor das beanspruchte Verfahren ausgeführt werden kann. Nach Ermittlung der Referenzspektren (vgl. die in den Fig. 7 bis 9 dargestellten Spektren) bzw. der Kalibrationsvektoren auf der Basis der Stoffproben kann das beanspruchte Verfahren durchgeführt werden, d.h. die Spektren der zu untersuchenden Stoffe werden erst ermittelt und die Stoffe werden dann unter Berücksichtigung der Kalibrationsvektoren (siehe z.B. die Ausführungsform nach Fig. 6a und Beschreibung, Seite 6, letzter Absatz) oder durch Vergleich mit den Referenzspektren (siehe z.B. die Ausführungsform nach Fig. 6c und Beschreibung, Seite 7, zweiter Absatz) nach Grundmaterialien, Farben und/oder Kontaminationen klassifiziert und separiert.

3.4 Die Prüfungsabteilung hat des Weiteren in ihrer Entscheidung die Ansicht vertreten, dass zum Zeitpunkt der Patentanmeldung im Stand der Technik nicht bekannt gewesen sei, wie ein Spektrum zur gleichzeitigen Klassifizierung nach drei verschiedenen Parametern, nämlich im vorliegenden Fall Material, Farbe und Kontaminationen, verwendet werden könnte. Dieser Ansicht kann sich die Kammer jedoch nicht anschließen. Der einschlägige Fachmann, d.h. ein Fachmann mit einem fachüblichen Wissen und Können in dem spezifischen Gebiet der Spektrometrie (vgl. Nr. 3.2 oben), war in der Lage, eine solche Auswertung von Spektren zwecks Klassifizierung von Stoffen durchzuführen. So hat der Beschwerdeführer bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens auf Methoden hingewiesen - wie z.B. die sogenannte "Multivariate Kalibration", insbesondere die "partial-least-square-Methode" (PLS-Methode), oder die üblichen, auf linearen Gleichungssystemen basierten mathematischen Methoden -, die zum Zeitpunkt der Anmeldung zum allgemeinen Fachwissen des hier einschlägigen Fachmanns gehörten (siehe z.B. die folgenden, vom Beschwerdeführer bereits während des erstinstanzlichen Prüfungsverfahrens eingereichten Dokumente: "Spektroskopiesoftware OPUS - Multivariate Kalibration", Bruker Analytische Messtechnik GmbH, 1997, und "Multivariate Kalibration - Ein praktischer Leitfaden zur Methodenentwicklung in der quantitativen Analytik", J.-P. Conzen, Bruker Optik GmbH (Literaturverzeichnis, Inhaltverzeichnis und Auszüge aus den Kapiteln 1 bis 4), das bereits im Jahr 2000 in der 3. Auflage vorlag) und eine solche Auswertung von Spektren ermöglichten.

In der angefochtenen Entscheidung wurde nicht in Frage gestellt, dass die Anwendung der Methode der Multivariaten Kalibration für die quantitative Auswertung von Spektren in dem Gebiet der Spektrometrie bekannt war. Es wurde aber bezweifelt, dass der Fachmann dabei ohne erhebliches zusätzliches Wissen und ohne einen höheren Versuchsaufwand zu einer Auswertung von Spektren zwecks Klassifizierung und Sortierung von Stoffen gelangen konnte. Die Kammer kann jedoch diesem pauschalen Einwand nicht folgen. Bei der Implementierung solcher spektrometrischen Auswerteverfahren ist - wie von dem Beschwerdeführer geltend gemacht - ein bestimmter Versuchsaufwand üblich und erforderlich, und die Kammer sieht keinen Grund zu der Annahme, dass dieser Aufwand das überschreitet, was am Anmeldetag in diesem konkreten Gebiet allgemein als zumutbar bzw. vertretbar angesehen wurde. Außerdem ist für die Kammer nicht ersichtlich, welches zusätzliche Wissen bei der Anwendung der Methoden der Multivariaten Kalibration auf die hier in Betracht kommende Analyse von Spektren noch erforderlich wäre.

3.5 Die Prüfungsabteilung hat ihren Einwand der mangelnden Ausführbarkeit auch damit begründet, dass der Fachmann zur Ausführung der Erfindung zahlreiche Versuche durchführen müsse, um die optimale Auswahl der Anregungswellenlängen bzw. Kombinationen von Wellenlängen, des auszuwertenden Spektralbereichs bzw. der Auswertungswellenlängen, des Detektors und des Auswertungsverfahrens zu treffen. Außerdem sei die Auswertung der Spektren der Stoffe zur gleichzeitigen Klassifizierung von verschiedenen Stoffen, z.B. auf der Basis der Methode der Multivariaten Kalibration, sehr aufwendig. Damit sei ein zu hoher Experimentier- und Optimierungsaufwand erforderlich, der über den dem Fachmann zumutbaren Aufwand weit hinausgehe.

Jeder der in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Schritte stellt, wie oben in Nr. 3.2 bis 3.4 bereits ausgeführt, die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens nicht grundsätzlich in Frage, und die Tatsache, dass jeder dieser Schritte einen bestimmten, aber vertretbaren Aufwand mit sich bringt (siehe insbesondre Nr. 3.2 oben, vierter und fünfter Absatz, und Nr. 3.4, letzter Absatz), führt im vorliegenden Fall dazu, dass die Abfolge der Schritte auch einen bestimmten und durchaus vertretbaren Aufwand mit sich bringt. Außerdem erfordert nach Ansicht der Kammer die beanspruchte Erfindung nicht, dass das Verfahren unter "optimalen" Bedingungen auszuführen ist, und nach Artikel 83 EPÜ 1973 ist es auch nicht erforderlich, dass die Offenbarung der Erfindung eine "optimale" Nacharbeitung der Erfindung ermöglicht.

Somit ist die Kammer der Meinung, dass der Aufwand des einschlägigen Fachmanns bei der Ausführung des beanspruchten Verfahrens nach den gesamten Umständen des Falles und in dem besonderen Gebiet der Spektrometrie als zumutbar zu werten ist.

3.6 Der unabhängige Anspruch 4 richtet sich auf eine Vorrichtung zur Detektion und Unterscheidung der Grundmaterialien, der Farben und der Kontaminationen in granulatähnlichen oder tablettenförmigen Stoffen. Die beanspruchte Vorrichtung weist Mittel auf, deren funktionellen Merkmale im Wesentlichen jeweils den Schritten des Verfahrens nach dem geltenden Anspruch 1 entsprechen. Insbesondere wurde der geltende Anspruch 4 während des Beschwerdeverfahrens auch dadurch eingeschränkt, dass die Vorrichtung entweder Mittel mit mathematischen Algorithmen mit Kalibrationsvektoren oder einen Datenspeicher mit Referenzspektren umfasst, und dass die Stoffanalyse, die Farbbestimmung und die Kontaminanten-Erkennung u.a. über die mathematischen Algorithmen mit Kalibrationsvektoren bzw. über einen Prozessor mit Zugriff auf die Referenzspektren erfolgen (vgl. Nr. V oben, Anspruch 4, Merkmale a) und b), und Nr. 3.3 oben).

Die oben unter Nr. 3.1 bis 3.5 gemachten Ausführungen gelten daher auch sinngemäß für die Vorrichtung nach dem unabhängigen Anspruch 4.

3.7 Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 und die entsprechenden Merkmale wurden in der Entscheidung der Prüfungsabteilung unter Artikel 83 EPÜ 1973 nicht beanstandet.

3.8 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung nach Artikel 83 EPÜ 1973 hinsichtlich der mit dem Hauptantrag beanspruchten Erfindung erfüllt ist.

4. Hauptantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit

4.1 In der angefochtenen Entscheidung wurde die Anmeldung zurückgewiesen, da nach Ansicht der Prüfungsabteilung die beanspruchte Erfindung nicht ausreichend offenbart war. Neuheit und erfinderische Tätigkeit waren nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung. Nachdem - wie oben dargelegt wurde - der vorliegende Hauptantrag die Voraussetzungen des Artikels 83 EPÜ 1973 erfüllt, wäre unter diesen Umständen die Sache normalerweise an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen.

Die Kammer hat jedoch im vorliegenden Fall von einer Zurückverweisung abgesehen und von der ihr aufgrund von Artikel 111 (1) EPÜ 1973 eingeräumten Befugnis, im Rahmen der Zuständigkeit der Prüfungsabteilung tätig zu werden, Gebrauch gemacht. Entscheidend hierfür war zum einen der weit zurückliegende Anmeldetag der Anmeldung (14. Mai 1999). Zum anderen hatte die Prüfungsabteilung im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens schon zu erkennen gegeben, wie sie den von ihr zitierten Stand der Technik bewertet. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer keine Zurückverweisung beantragt hat.

4.2 Während des erstinstanzlichen Prüfungsverfahrens wurde die Neuheit der beanspruchten Erfindung gemäß den jeweils geltenden Anträgen von der Prüfungsabteilung nicht in Frage gestellt. Die Kammer hat auch keine Bedenken hinsichtlich der Neuheit der beanspruchten Erfindung gemäß dem vorliegenden Hauptantrag (Artikel 52(1) EPÜ und 54(1) EPÜ 1973).

4.3 Im Laufe des erstinstanzlichen Prüfungsverfahrens wurden im Zusammenhang mit der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit folgende Dokumente genannt:

D1: EP-A-0345949

D2: WO-A-9833058

D3: US-A-4636074

D4: WO-A-9606689

D5: WO-A-9311403

D6: US-A-4600105

D7: US-A-3545610

D8: US-A-3062965.

Unter Berücksichtigung des Standes der Technik gemäß den Dokumenten D1 bis D8 ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem geltenden Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ 1973). Insbesondere lassen sich der zweite der oben unter Nr. 3.1 erwähnten Aspekte der beanspruchten Erfindung (d.h. die Klassifizierung und Separierung von Stoffen nach Grundmaterialien, Farben und Kontaminationen auf der Grundlage einer spektroskopischen Analyse von reemittiertem Licht) und die dabei erzielte technische Wirkung (d.h. eine schnelle und simultane Identifikation und Sortierung verschiedener Stoffe nach Grundmaterial, Farbe und Kontaminationen, vgl. Beschreibung, Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, letzter Absatz) selbst unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens weder aus einem der zitierten Dokumente D1 bis D8 allein noch aus einer Kombination dieser Dokumente ableiten. In diesem Zusammenhang wird auf Folgendes hingewiesen:

- Dokument D1 offenbart die Identifikation von Objekten, insbesondere von Diamanten, durch Bestrahlung der Objekte mit einem Laser und Detektion von spezifischen Frequenzen, insbesondere Raman-Frequenzen, in einem schmalen Emissionsband des zu identifizierenden Objekts (Zusammenfassung, Spalte 4, Zeile 53 bis Spalte 5, Zeile 9; Spalte 14, Zeilen 7 bis 25; und Spalte 15, Zeile 39 bis Spalte 16, Zeile 18). Es wird aber keine spektroskopische Analyse von reemittiertem Licht im eigentlichen Sinne und auch keine Ermittlung der Farbe bzw. Kontaminationen vorgenommen.

- Dokument D2 offenbart die Analyse von polyzyklischen aromatischen Hydrocarbonverbindungen in Aerosolen durch Fluoreszenz-Spektroskopie und den Vergleich der Messungen mit Referenzspektren unter Verwendung von Multivariate-Analyse (Zusammenfassung, Ansprüche 12 bis 15). Es wird aber keine Detektion von Grundmaterialien im eigentlichen Sinne, geschweige denn von der Farbe oder den Kontaminationen vorgenommen.

- Dokument D4 offenbart die optische Ermittlung der Eigenschaften von Stoffen und die Sortierung der Stoffe je nach Zusammensetzung oder Farbe (Zusammenfassung, Seite 7, Zeilen 9 bis 17; Seite 11, Zeilen 8 bis 12; und Seite 23, Zeilen 3 bis 21). Die Ermittlung der Eigenschaften erfolgt aber anhand einer Analyse von Streureflexionslicht, und nicht - wie beansprucht - anhand einer spektroskopischen Analyse von reemittiertem Licht, das eine effizientere Bestimmung der Eigenschaften, insbesondere der Grundmaterialien und der Kontaminationen, erzielen lässt.

- Dokument D3 offenbart ein optisches System für ein Plasma-Emissionsspektrometer (Zusammenfassung), Dokument D5 offenbart einen optischen konfokalen Abstandssensor zur optischen Messung von Flachbaugruppen und Erstellung von Höhenrasterbildern (Zusammenfassung), Dokument D8 offenbart eine photoelektrische Abtastvorrichtung zur optischen Erfassung von Fehlern in Oberflächen (Spalte 1, Zeilen 9 bis 12). Keines dieser Dokumente offenbart jedoch die Detektion oder die Analyse von reemittiertem Licht zwecks Klassifizierung und Sortierung von Stoffen.

- Die Dokumente D6 und D7 offenbaren verschiedene Verfahren zur Erzsortierung durch Detektion von reflektiertem bzw. gestreutem Licht (D6, Zusammenfassung, und D7, Zusammenfassung und Spalte 1, Zeilen 4 bis 11). Keines der Verfahren basiert jedoch auf einer spektroskopischen Analyse des detektierten Lichts, geschweige denn auf einer spektroskopischen Analyse von reemittiertem Licht.

5. Da nach Auffassung der Kammer die Patentanmeldung gemäß dem geltenden Hauptantrag und die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, auch den übrigen Erfordernissen des EPÜ im Sinne von Artikel 97 (1) EPÜ genügen, ist der Hauptantrag gewährbar. Damit sind die vorliegenden Hilfsanträge gegenstandslos.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit der folgenden Fassung zu erteilen:

- Beschreibung: Seiten 1, 2, 2a und 7, eingereicht mit Schreiben vom 8. Februar 2016, und Seiten 3 bis 6 wie ursprünglich eingereicht;

- Ansprüche: Nr. 1 bis 4 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 10. Februar 2016;

- Zeichnungen: Zeichnungsblätter 1/11 bis 11/11, wie ursprünglich eingereicht.

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