European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T171411.20141205 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Dezember 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1714/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03024740.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | F03D 7/00 F03D 11/00 F03D 7/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Betreiben eines Windparks | ||||||||
Name des Anmelders: | Wobben, Aloys | ||||||||
Name des Einsprechenden: | REpower Systems AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja) Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 3. August 2011 gegen die am 26. Mai 2011 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 1 389 682 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt, am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 5. Oktober 2011 die Beschwerdebegründung eingereicht.
II. Mit den Einsprüchen sind von beiden Einsprechenden I und II die Einspruchsgründe nach Art. 100a),b) und c) EPÜ geltend gemacht worden. Die Einsprechende II (Vestas) hat allerdings ihren Einspruch mit Schreiben von 15. Dezember 2008 zurückgezogen.
Die Einspruchsabteilung entschied, das Patent aufgrund unzulässiger Erweiterung zu widerrufen. Sie stellte fest, dass der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsanträge 1,2,3a,3c unzulässig erweitert wurde (Art 123(2)EPÜ) und der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3b zu einer Erweiterung des Schutzbereiches führe (Art 123(3) EPÜ). Die Hilfsanträge 3,4,5,6,6a,6b und 7 wurden nicht ins Verfahren zugelassen.
III. Am 5. Dezember 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang des eines der Hilfsanträge 1 bis 12, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, oder 1' bis 12', die mit Schreiben vom 3. November 2014 eingereicht wurden, aufrechtzuerhalten - der ursprüngliche Hauptantrag wurde insoweit nicht weiterverfolgt.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende I) hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Der Anspruch 1 der geltenden Anträge lautet wie folgt:
Hilfsantrag 1
"Verfahren zum Betreiben eines Windparks (10) mit einer Anzahl von ersten Windenergieanlagen (1,4,7) und einer Anzahl von zweiten Windenergieanlagen (2,5,8) wobei die ersten Windenergieanlagen diejenigen sind, auf die der Wind zuerst trifft und die zweiten Windenergieanlagen in Windrichtung gesehen hinter den ersten Windenergieanlagen stehen, wobei die Windenergieanlagen drehzahlvariabel ausgebildet sind und über eine Pitchregelung der Rotorblätter verfügen, wobei die Windenergieanlagen mittels einer ersten Drehzahl-Leistungskennlinie betrieben werden,
dadurch gekennzeichnet, dass die Drehzahl und/oder Leistung der ersten Windenergieanlagen durch Betrieb einer zweiten, anderen als die erste Drehzahl-Leistungskennlinie unter ihren maximal möglichen Nennwert eingestellt wird/werden."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist wie Hilfsantrag 1 mit folgender Hinzufügung im kennzeichnenden Teil (durch die Kammer hervorgehoben) :
"dadurch gekennzeichnet, dass zur Reduzierung des Schallpegels der ersten Windenergielage die Drehzahl und/oder Leistung ...".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 fügt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 als letztes, kennzeichnendes Merkmal hinzu:
"wobei die ersten Windenergieanlagen eine geringere Drehzahl und/oder eine geringere Leistung aufweisen bzw. erzeugen, als die zweiten Windenergieanlagen."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ist wie Hilfsantrag 3 mit folgender Streichung (durch die Kammer hervorgehoben) im kennzeichnenden Teil:
"...durch Betrieb einer [deleted: zweiten], anderen [deleted: als die erste][deleted: ]Drehzahlkennlinie ...".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 fügt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 als letztes, kennzeichnendes Merkmal hinzu :
"wobei in Abhängigkeit der Windrichtung und der Windstärke und der Uhrzeit die Drehzahl einer Windenergieanlage derart eingestellt wird, dass an einem vorbestimmten Immissionspunkt ein vorbestimmter Schallpegel nicht überschritten wird."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 fügt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 als letztes, kennzeichnendes Merkmal hinzu:
"wobei bei einem Wind, dessen Windrichtung im Wesentlichen vom Immissionspunkt zum Windpark verläuft, die Windenergieanlagen, die dem Immissionspunkt am nächsten liegen, in ihrer Leistung und/oder Drehzahl reduziert werden."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 ist wie Hilfsantrag 6 mit folgenden Änderungen im kennzeichnenden Teil (Hinzufügungen und Streichungen von der Kammer hervorgehoben):
"... durch Betrieb einer zweiten, anderen als die erste Drehzahl-Leistungskennlinie unter ihren maximal möglichen [deleted: Nennw]Wert eingestellt werden...".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 ist wie Hilfsantrag 7, ersetzt aber im kennzeichnenden Teil den Begriff "Wert" durch den Begriff "Nennwert".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 ist wie Hilfsantrag 8 mit folgender Streichung im kennzeichnenden Teil (durch die Kammer hervorgehoben):
"einer [deleted: zweiten,] anderen [deleted: als die erste] Drehzahl-Leistungskennlinie...",
und wobei das letzte kennzeichnende Merkmal durch das folgende Merkmal ersetzt worden ist:
"in Abhängigkeit der Windrichtung und der Windstärke und der Uhrzeit die Drehzahl einer Windenergieanlage derart eingestellt wird, dass an einem Immissionspunkt ankommende Gesamt-Schallpegel so niedrig sind, dass vorgegebene Grenzwerte eingehalten werden."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 ist wie Hilfsantrag 9 mit folgender Hinzufügung im kennzeichnenden Teil (durch die Kammer hervorgehoben):
"durch Betrieb einer anderen Drehzahl-Leistungskennlinie zur Erniedrigung des Systemwirkungsgrades".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 ist wie Hilfsantrag 10, wobei aber im ersten und zweiten kennzeichnenden Merkmal die zweite Option ("und/oder Leistung" bzw. "und/oder eine geringere Leistung") gestrichen worden ist.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 ist wie Hilfsantrag 11, fügt jedoch am Ende das folgende Merkmal hinzu:
"wobei die Windenergieanlagen des Windparks von selben Typ sind."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 1' bis 12' sind wie Ansprüche 1 der entsprechend nummerierten Hilfsanträge 1 bis 12, fügt aber jeweils am Ende des ersten kennzeichnenden Merkmals den folgenden Wortlaut hinzu: "so dass die zweiten Anlagen den Wind mit einer höheren Windgeschwindigkeit erfahren".
VI. Die Beschwerdeführerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:
Es gebe technisch keinen Unterschied zwischen "maximal möglichen Wert" einerseits und "maximal möglichen Nennwert" andererseits, denn der maximal mögliche Wert der Drehzahl einer Windenergieanlage sei die Nenndrehzahl, und somit auch der Nennwert der Drehzahl der jeweiligen Windenergieanlage. Deswegen auch dürfe im Hilfsantrag 7 bzw. 7' "Nennwert" durch "Wert" ersetzt werden, ohne den Schutzgegenstand zu erweitern.
Beim Lesen der ursprünglichen Stammanmeldung sei es für den Fachmann eindeutig klar, dass implizit zwei Drehzahl-Leistungskennlinien vorhanden seien, wobei bei einem Windpark alle Windenergieanlagen vom gleichen Typ seien und die gleichen Drehzahl-Leistungskennlinien hätten.
Schallreduzierung sei eine naturgesetzliche Folge der Drehzahlreduktion. Der Anspruch erfülle seinen Zweck, weshalb es keiner Zweckangabe bedürfe.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten folgendes vorgetragen:
Windenergieanlagen mit mehreren Drehzahl-Leistungskennlinien weisen für jede dieser Kennlinien mehrere Nennwerte auf. Es sei dementsprechend unklar, ob der maximale Nennwert in Bezug auf die erste oder die zweite Kennlinie definiert werde. Der Begriff des maximal möglichen Wertes sei nicht unbedingt auf eine Drehzahl-Leistungskennlinie bezogen, da ein Betrieb oberhalb der Nenndrehzahl jederzeit möglich sei. Da die Begriffe nicht synonym seien, führe im Hilfsantrag 7 bzw. 7' die Wiedereinführung von "Wert" anstatt "Nennwert" dazu, dass der Schutzgegenstand erweitert werde, Artikel 123(3) EPÜ.
Windparks mit gemischten Windenergieanlagen seien schon am Tag der Priorität der vorliegenden Stammanmeldung bekannt gewesen, und es gehe nicht klar und eindeutig aus dieser Stammanmeldung hervor, dass die erste Drehzahl-Leistungskennlinie für alle Anlagen gleich sei.
Drehzahlreduzierung sei im Anspruch des Hilfsantrags 1 nicht genannt. Eine höhere Drehzahl müsse nicht stets zu höherer Leistung führen. Auch der ursprüngliche Anspruch 6 (Grundlage für den jetzigen Anspruch 1) der Stammanmeldung diene letztendlich der Schallreduzierung, siehe Stammanmeldung S. 2 2. Absatz.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hilfsantrag 1
2.1 Im vorliegenden Fall ist das Patent ursprünglich als Teilanmeldung einer früheren Anmeldung (unter Artikel 153(3), veröffentlicht als WO-A-00/77395 mit Anmeldetag 11. März 2000) eingereicht worden. Die Beschreibung der Teil- und der früheren (Stamm)Anmeldung sind identisch; dagegen entspricht der Inhalt der Ansprüche 1 bis 4 der Teilanmeldung wie eingereicht bzw. dem der Ansprüche 4,6,7 und 9 der Stammanmeldung.
Etwaige Änderungen im Einspruchs- und nachfolgenden Beschwerdeverfahren müssen nach Artikel 101(3) EPÜ den Erfordernissen des europäischen Patentübereinkommens genügen, insbesondere denen der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ. Die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ sind dabei nach ständiger Rechtsprechung, siehe dazu die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7.Auflage, 2013, II.E.1.7 und II.F.1.1, so zu verstehen, dass sich vorgenommene Änderungen unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung bzw. der früheren Anmeldung ergeben müssen, wobei der Fachmann die Gesamtoffenbarung (Beschreibung, Figuren und Ansprüche) der ursprünglichen Anmeldung bzw. Stammanmeldung betrachtet. Dabei ist auch die implizite Offenbarung, d.h. das, was für den Fachmann zwangsläufig aus der ursprünglichen Anmeldung bzw. Stammanmeldung als ganzes hervorgeht, zu berücksichtigen.
2.2 Im vorliegenden Fall entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dem Anspruch 1 wie im Hauptantrag vor der Einspruchsabteilung. Der erteilte Anspruch 1 war gegenüber Anspruch 1 der Teilanmeldung wie eingereicht u.a. dadurch geändert worden, dass im Prüfungsverfahren das Merkmal:"wobei die Windenergieanlagen drehzahlvariabel ausgebildet sind und über eine Pitchregelung der Rotorblätter verfügen" hinzugefügt wurde, und das Merkmal "so dass auch die zweiten Anlagen, die in Windrichtung hinter den ersten Anlagen stehen, den Wind mit einer höheren Windgeschwindigkeit erfahren" gestrichen wurde. Zudem war im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 der Begriff "maximal möglicher Wert" durch "maximal möglicher Nennwert" ersetzt worden.
Darüber hinaus wurde im Einspruchsverfahren Anspruch 1 gegenüber Anspruch 1 des Patents dadurch geändert, dass die Windenergieanlagen mittels einer "ersten Drehzahl-Leistungskennlinie" und die ersten Windenergieanlagen mittels einer "zweiten, anderen als der ersten Drehzahl-Leistungskennlinie" betrieben werden.
2.3 Zum Austausch des Begriffs "Wert" durch "Nennwert"
2.3.1 Der Begriff "Nennwert" wurde in der ursprünglichen Teil- oder Stammanmeldung nicht verwendet, und es fehlt somit zumindest eine explizite Basis für diese Änderung. In der Teil- und Stammanmeldung wird ausschließlich der Begriff "maximal möglicher Wert", und zwar nur in Anspruch 1 bzw. 6, verwendet. Daher ist die Frage zu stellen, was der Fachmann unter dem im Anspruch benutzten Ausdruck "maximal möglicher Nennwert" im Vergleich zu "maximal möglicher Wert" versteht, insbesondere ob im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung der Stamm- oder Teilanmeldung aus der Sicht des Fachmanns die Begriffe "maximal möglicher Wert" und "maximal möglicher Nennwert" als gleichbedeutend angesehen werden können. In anderen Worten, ob der Fachmann aus der Ursprungsoffenbarung der Teil- und Stammanmeldung unmittelbar und eindeutig entnehmen kann, dass unter normalem Verständnis dieser Begriffe und im Kontext gelesen mit "maximal möglichem Wert" der "maximal mögliche Nennwert" gemeint ist.
2.3.2 Nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 bezieht sich der definierte "maximal mögliche Nennwert" auf die vorher definierte "Drehzahl und/oder Leistung", und ist somit als maximal mögliche Nenndrehzahl bzw. Nennleistung auszulegen. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die Nenndrehzahl und die Nennleistung die für eine vorgegebene Windenergieanlage höchste Drehzahl und Leistung darstellen. Dementsprechend gäbe es technisch keinen Unterschied zwischen "maximal möglichem Wert" einerseits und "maximal möglichem Nennwert" andererseits. Denn der maximal mögliche Wert der Drehzahl (oder Leistung) einer Windenergieanlagewäre die Nenndrehzahl (Leistung) und somit der Nennwert der Drehzahl (Leistung) dieser Windenergieanlage.
2.3.3 Nach den Kenntnissen der Kammer und in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Beschwerdegegnerin deuten im breiteren Fachgebiet des Maschinenbaus Begriffe wie Nenndrehzahl oder Nennleistung normalerweise auf Werte hin, die den Normaleinsatz einer Maschine kennzeichnen, nämlich wofür die Maschine nach Hersteller- oder sonstigen Vorgaben bei Dauerbetrieb ausgelegt ist. So ist mit der Nennleistung einer Maschine, z.B. einen Motor oder Generator, die höchste Leistung gemeint, die bei einem bestimmungsgemäßen Betrieb ohne zeitliche Einschränkung erbracht wird, und Lebensdauer und Sicherheit der Maschine nicht beeinträchtigt. Die Nenndrehzahl hat eine ähnliche auf den Dauerbetrieb bezogene Bedeutung.
Die Kammer hat keinen zwingenden Grund anzunehmen, dass es im Fachgebiet der Windenergie anders ist. Auch für Windenergieanlagen finden die Begriffe "Nennleistung" oder "Nenndrehzahl" im obigen Sinne Verwendung. Solche Werte werden vom Hersteller oder Anlagenbetreiber definiert, um einen optimierten Betrieb zu gewährleisten, und zwar in Abhängigkeit von Betriebs-Parametern wie zum Beispiel Geräuschentwicklung, Langzeitstabilität der Anlage und deren elektrischen und mechanischen Bauteilen, Lärmschutz, Netzeinspeisung der erzeugten elektrischen Leistung, Zeitintervallen zwischen Wartungen, etc. Insbesondere bei den pitch-geregelten Anlagen sind mehrere Drehzahl-Leistung Kennlinien vorgegeben. Jede dieser Drehzahl-Leistungskennlinien weist eine Nennleistung sowie eine Nenndrehzahl auf, die die Volllastnennwerte bei dem Betrieb auf der jeweiligen Drehzahl-Leistungskennlinie darstellen. Daher kann der Fachmann diese Begriffe nicht beliebig austauschen, weil sie verschiedene Werte der Drehzahl oder Leistung definieren.
2.3.4 Der Bezug auf Dauerbetrieb bei normal herrschenden Bedingungen schließt höhere Werten nicht nur nicht aus, sondern sieht sogar kurze Überschreitungen eines Nennwerts vor. So kann, wenn besondere Bedingungen dies verlangen, eine Maschine kurzzeitig mit einer höheren Drehzahl oder Leistung arbeiten, wobei die Maschine dann aber Kräften oder Einwirkungen ausgesetzt ist, die bei längerem Betrieb zu einer Beeinträchtigung der Lebensdauer oder der Sicherheit der Maschine führen können. Physikalisch sind somit höhere Drehzahlen und Leistung möglich. Das gilt auch z.B. für eine drehzahlvariable Windenergieanlage, wo Nenndrehzahl und -Leistung den Dauerbetrieb bei den normal herrschenden Windverhältnissen kennzeichnet, wo aber kurzzeitig, insbesondere bei Windböen, Überschreitungen beschränkt möglich sind. Überschreitungen eines Nennwertes sind aber durch die physikalischen Eigenschaften der Anlage oder Maschine Grenzen gesetzt. Oberhalb solcher Grenzen wird der Maschine bzw. Anlage Schaden nehmen.
2.3.5 Aus den obigen Überlegungen geht hervor, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin höhere Werte als der Nennwert für Drehzahl oder Leistung einer Windenergieanlage sehr wohl möglich sind. In diesem Sinne könnte dann der ursprünglich verwendete Begriff "maximal möglicher Wert" für Drehzahl oder Leistung als physikalisch bedingter Höchst- oder Grenzwert für Drehzahl oder Leistung ausgelegt werden, der nicht ohne hohes Schadensrisiko überschritten werden darf. Die ursprüngliche Offenbarung gibt keine weiteren Informationen zur Auslegung des Begriffes her, der nur im unabhängigen Anspruch 1 bzw. 6 (der Teil- und Stammanmeldung) erwähnt wird. Es wird beschrieben, die Drehzahl oder Leistung zu reduzieren (vgl. Seite 3, Zeilen 20 bis 26, Teilanmeldung), Leistungswerte werden angegeben (Tabelle auf Seite 7), und aus der Figur 1 sind Drehzahlwerte abzuleiten. Nirgendwo in der Beschreibung, Figuren oder sonstigen Ansprüchen wird aber eine Grenze für die Drehzahl oder Leistung gesetzt, geschweige denn vorgegeben, dass dieser zweite, andere Wert unterhalb des Nennwertes liegen soll.
2.3.6 Da sich der Begriff "maximal möglicher Wert" für Drehzahl oder Leistung, wie oben ausgeführt, sehr wohl auf den physikalischen Grenzwert beziehen könnte, und somit nicht als "Nennwert" verstanden werden muss, wird durch die Angabe "Nennwert" anstatt "Wert" im Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags eine neue technische Information vermittelt. Diese Information, dass die Drehzahl- oder der Leistungswert (im Betrieb der anderen Kennlinie) unterhalb des Nennwertes als Grenzwert liegt, stellt einen neuen Sachverhalt dar, der über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt der Teil- und Stammanmeldung hinausgeht. Somit verstößt diese Änderung gegen die Erfordernisse der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ.
2.4 Hinzufügen der Begriffe der "ersten" und "zweiten Kennlinien"
2.4.1 Der erteilte Anspruch 1 unterscheidet sich vom ursprünglich eingereichten Anspruch 1 weiterhin durch Hinzufügung der Merkmale, nach welchen "die Windenergieanlagen mittels einer ersten Drehzahl-Leistungskennlinie betrieben werden" und "[die] ersten Windenergieanlage durch Betrieb einer zweiten, anderen als die erste Drehzahl-Leistungskennlinie [betrieben werden]". Es wird zum ersten Mal auf die "ersten" und "zweiten Kennlinien" Bezug genommen, wobei der geänderte Anspruch 1 nun erfordert, dass alle Windenergieanlagen in der ersten Drehzahl-Leistungskennlinie betrieben werden, wohingegen nach der Regelung die ersten (windwärts gelegenen) Windenergieanlagen auf die zweite, andere Drehzahl-Leistungskennlinie eingestellt werden.
2.4.2 Kennlinien werden unter anderem an drei relevanten Stellen in der (identischen) Beschreibung der ursprünglich eingereichten Teil- und Stammanmeldung erwähnt, siehe Seite 3, Zeilen 20-24; Seite 5, Zeilen 15-28; und Seite 7, Zeilen 8-13 in der Teilanmeldung (entspricht Seite 3 Absatz 3, Seite 4; Absatz 4 bis Seite 5, Absatz 1; bzw. Seite 6, Absatz 3, der Stammanmeldung).
Die erste Passage beschreibt (Seite 3, Zeilen 20 bis 24), wie bei einer Windenergieanlage durch Betrieb in einer anderen Drehzahl-Leistungskennlinie die gewünschte Generatorleistung bei geringeren Drehzahlen gefahren wird.
Nach Seite 5, Zeilen 15-28 wird in einem Windpark mit Anlagen 1-9 als Alternative zur bedingungsabhängigen Reduzierung der Drehzahl aller Anlagen "die zu steuernde Anlage in einer anderen Drehzahl-Leistungskennlinie betrieben". Aus dem nachfolgenden Satz geht dann hervor, dass damit eine Verringerung der Drehzahl bei einer gleichbleibenden Leistung erzielt werden kann.
Die Seite 7, Zeilen 8 bis 13 erwähnt dann kurz in Bezug auf Anlagen vom Typ E-40, dass diese mit verschiedenen Drehzahl-Leistungskennlinien fahren, ohne diese Möglichkeit aber mit der dort weiter beschriebenen Drehzahlreduzierung in Verbindung zu bringen.
2.4.3 Nirgendwo ist in diesen Passagen davon die Rede, dass alle Anlagen eines Windparks in einer ersten Drehzahl-Leistungskennlinie, oder die windwärts gelegenen Anlagen in einer zweiten, anderen Drehzahl-Leistungskennlinie betrieben werden. Diese Passagen nehmen immer nur Bezug auf eine Anlage, und die Möglichkeit, diese in einer anderen Kennlinie zu betreiben. Es wird aber nicht beschrieben wie verschiedene Anlagen eines Windparks und ihre Kennlinien sich zueinander verhalten. Wo die Erfindung an Hand eines Windparks im Detail ausgeführt wird, ab Seite 5, letzter Absatz, wird ausschließlich die Drehzahl-- oder Leistungs)reduzierung beschrieben, ohne aber in diesem Zusammenhang anzudeuten, wie eine solche Reduzierung über eine Kennlinienänderung verwirklicht werden könnte. Insbesondere wird in Bezug auf den Windpark ausgeführt, Seite 5, letzter Absatz, dass die ganze erste Reihe in ihrer Drehzahl reduziert wird, wobei es weder eindeutig noch unmittelbar ableitbar ist, dass sämtliche Windenergieanlagen der ersten Reihe auf eine gleiche, zweite Drehzahl-Leistungskennlinie eingestellt werden.
2.4.4 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass es für den Fachmann beim Lesen der Beschreibung (Seite 3, Absatz 3, der Seite 5, Absatz 1) und des Anspruchs 2 der Teilanmeldung bzw. 7 der Stammanmeldung eindeutig klar sei, dass implizit zwei Drehzahl-Leistungskennlinien vorhanden sein müssten, wobei bei einem Windpark alle Anlagen vom gleichen Typ seien und somit die gleichen Drehzahl-Leistungskennlinien hätten.
Die Kammer folgt insoweit der Ansicht der Beschwerdegegnerin, wonach Windparks den Bedürfnissen und Umständen entsprechend manchmal mehrere Anlagenmodellen eines gleichen Typs umfassen. Insbesondere ist es für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum der Fachmann nie verschiedene Anlagetypen, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, in einem Anlagepark gemeinsam aufstellen würde. Selbst wenn die Windenergieanlagen vom gleichen Typ sein sollten, ist der ursprünglichen Offenbarung keine eindeutige und unmittelbare Lehre für den Fachmann zu entnehmen, dass alle Windenergieanlagen des Windparks mittels der gleichen ersten Drehzahl-Leistungskennlinie betrieben werden müssten. Ebenso wenig ist es für den Fachmann in der ursprünglichen Teil- oder Stammanmeldung unmissverständlich erkennbar, dass alle Windenergieanlagen der ersten oder (in Windrichtung gesehen) vorderen Reihe mit der selben zweiten Drehzahl-Leistungskennlinie eingestellt werden.
2.4.5 Die oben unter Absatz 2.4.2 zitierten Passagen in der Teil- und Stammanmeldung beschreiben zudem einen spezifischen Betrieb zu einem spezifischen Zweck, d.h. in einem bestimmten Kontext. Auf Beschreibungsseite 3, Zeilen 20 bis 22 (Teilanmeldung) dient die Wahl einer anderen Drehzahlkennlinie dazu, "die gewünschte Generatorleistung bei geringeren Drehzahlen zu fahren". Dies wiederum hat zum Ziel, Schallgrenzwerte einzuhalten, siehe vorstehender Absatz auf Seite 3. Auch die Zeilen 19 bis 28 lassen sich in diesem Sinne lesen: durch Betrieb in einer anderen Kennlinie ist es "durchaus möglich, dass bei verminderter Drehzahl die Leistung der Windenergieanlage gleich bleibt". Auch hier geht es darum, am Immissionspunkt den Gesamt-Schallpegel so niedrig zu halten, "dass vorgegebene Grenzwerte eingehalten werden" (Beschreibungsseite 4 der Teilanmeldung, Zeilen 17 bis 23). Auch auf Seite 7 geht es letztendlich um eine Drehzahlreduzierung zwecks Einhaltung des Schallpegelwertes (Seite 6, letzter Satz auf Seite 7 übergehend). Ziel und Zweck ergeben sich nicht zwingend aus der Wahl einer anderen Kennlinie, obwohl in der Beschreibung die besondere Wahl eng damit zusammenhängt. Dadurch, dass das Merkmal der Kennlinien ohne Bezug auf diese anderen Merkmale, also außerhalb seines ursprünglichen Kontextes steht, ist der Anspruch 1 gegenüber seiner Ursprungsoffenbarung in der Teil- und Stammanmeldung verallgemeinert worden, und verstößt somit zusätzlich gegen Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ.
2.4.6 Folglich wurde der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch das Hinzufügen der ersten und zweiten Kennlinien unzulässig erweitert. Somit verstößt auch diese Änderung gegen die Erfordernisse des Artikels 76(1) EPÜ gegenüber der Stammanmeldung und des Artikels 123(2) EPÜ gegenüber der Teilanmeldung.
3. Hilfsanträge 2-12,1'-12'
3.1 Keiner der weiteren Hilfsanträge behebt jeden der oben ausgeführten Einwände. Der Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 bis 6 und 8 bis 12 bzw. 1' bis 6' und 8' bis 12' enthält den im Prüfungsverfahren hinzugefügten Begriff "Nennwert", während die Hilfsanträge 2,2',3,3',7,7',8 und 8' die Begriffe "erste" und "zweite Kennlinien" enthalten. Ebenso fehlt in dem Hilfsantrag 2 ein Verweis auf die Drehzahlreduzierung. Die in diesen Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen verstoßen wie oben ausgeführt gegen die Erfordernisse des Artikels 76(1) und 123(2) EPÜ.
3.2 In Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 7 und 7' ist der Begriff "Nennwert" durch den ursprünglichen Begriff "Wert" ersetzt worden. Somit erfordert dieser Anspruch nicht mehr, dass die Drehzahl der ersten Windenenergieanlagen unter ihrem maximal möglichen Nennwert, sondern nur, dass diese unter ihrem maximal möglichen Wert, der der physikalische Grenzwert sein könnte, liegen muss. Dadurch ist der Schutzgegenstand gegenüber dem des erteilten Patentes erweitert worden; diese Änderung verstößt gegen die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ.
4. Da keiner der Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar ist, hat die Kammer keinen Grund, von der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweichen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.