T 1699/11 () of 8.7.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T169911.20140708
Datum der Entscheidung: 08 Juli 2014
Aktenzeichen: T 1699/11
Anmeldenummer: 01126776.2
IPC-Klasse: B60H 1/22
B60H 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Klima- und Belüftungsanlage für ein Kraftfahrzeug
Name des Anmelders: Volkswagen Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Behr GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(3)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Zulassung in das Verfahren - Hauptantrag (JA)
Unzulässige Erweiterung, Erweiterung des Schutzbereichs (NEIN)
Erfinderische Tätigkeit (JA)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0962/98
T 1408/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 30. Mai 2011 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchs­abteilung, das europäische Patent Nr. 1205321 zu widerrufen.

Dabei hat die Einspruchs­abteilung entschieden, dass Anspruch 1 des seinerzeit gestellten Hauptantrags und des Hilfsantrags in einer Weise geändert wurden, dass jeweils ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

II. Am 8. Juli 2014 fand vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerde­führerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des Anspruchs 1, eingereicht als korrigierter Hilfsantrag 1 gemäß Anlage 2 des Schreibens vom 28. November 2012, der Ansprüche 2 bis 6 und der Beschreibungsspalten 1 bis 7, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, sowie der Figuren 1 bis 3, wie erteilt.

Die Beschwerde­gegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

III. Der Anspruch 1 gemäß dem einzigen Antrag lautet wie folgt:

Klima- und Belüftungsanlage (1) eines Kraftfahrzeugs,mit einem im Bereich der Instrumententafel angeordneten Gehäuse (2), das umfasst ein Gebläse (3), mit dem Frisch- und / oder Umluft (4) ansaugbar ist, ein Klimagerät (5) mit dem mindestens ein Teil des angesaugten Luftstroms (4) erwärmbar oder kühlbar ist, einen im Anschluss an das Klimagerät (5) geteilten Luftverteilungsraum (6) von dem mindestens ein Front-Luftkanal (7) abgeht,

dadurch gekennzeichnet, dass

von dem Luftverteilungsraum ein rechter Fond-Luftkanal (10') und ein linker Fond-Luftkanal (10) abgeht, mit denen ein Fond-Fußraum und B-Säulen belüftbar sind;

Luftsteuerelemente (9, 15) zur Steuerung der Luftmenge in diesen Luftkanälen (7,10,10') vorgesehen sind;

eine rechte Luftverteilbox (12a'), der Luft durch den rechten Fond-Luftkanal (10') zuführbar ist,

im Bodenbereich unter einem rechten Vordersitz angeordnet ist und

in der eine rechte elektrische Zusatzheizung (16') angeordnet ist, wobei

die rechte Luftverteilbox (12a') einen ersten Abzweig (13') aufweist, der zu einer rechten B-Säule führt, sowie einen zweiten Abzweig (11') aufweist, der zu einem hinteren rechten Fußraum führt;

eine linke Luftverteilbox (12a), der Luft durch den linken Fond-Luftkanal (10) zuführbar ist, im Bodenbereich unter einem linken Vordersitz angeordnet ist und

in der eine linke elektrische Zusatzheizung (16) angeordnet ist, wobei

die linke Luftverteilbox (12a) einen ersten Abzweig (13) aufweist, der zu einer linken B-Säule führt, sowie einen zweiten Abzweig (11) aufweist, der zu einem hinteren linken Fußraum führt.

IV. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:

Der einzige Antrag - eingereicht als korrigierter Hilfsantrag 1 gemäß Anlage 2 des Schreibens vom 28. November 2012 - sei nicht verspätet vorgelegt worden. Die Ansprüche dieses Antrags seien bereits mit der Beschwerdebegründung vorgelegt worden. In der mit dem Schreiben vom 28. November 2012 vorgelegte Version seien lediglich offensichtliche Schreibfehler korrigiert worden. Auch eine Vorlage mit der Beschwerdebegründung stelle kein verspätetes Vorbringen dar, da die Änderungen des Anspruchs 1 dieses Antrags die in der Entscheidung diskutierten Mängel behöben. Somit müsse der Antrag vom 28. November 2012 gemäß Anlage 2 in das Verfahren zugelassen werden. Der Gegenstand dieses Anspruchs 1 sei nicht in unzulässiger Weise erweitert worden. So definiere der Anspruch einen Fond-Fußraum, der aus einem rechten hinteren Fußraum und einem linken hinteren Fußraum bestehe. Der Fachmann wisse, dass ein Fahrzeug eine rechte und linke Seite habe und so sei es nur logisch sich auf diese Seiten zu beziehen. Auch der rechte bzw. der linke Fond-Luftkanal seien der ursprünglichen Offenbarung zu entnehmen. Zum einen definiere der unabhängige Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht einen Fond-Luftkanal. Zum anderen seien in den Figuren Fond-Luftkanäle dargestellt, von denen einer links und der andere rechts verlaufe. In den Figuren sei weiterhin die Defrosterdüse gezeigt; diese sei bei einem Fahrzeug vorne an der Windschutzscheibe und somit sei die Darstellung der räumlichen Gegebenheiten des rechten und des linken Fond-Luftkanals in den Figuren eindeutig und unmittelbar zu entnehmen: der eine verlaufe rechts, der andere links und beide nach hinten. Im Übrigen sei daher der Gegenstand des Anspruchs 1 klar definiert und durch die Beschreibung gestützt.

Auch definiere der Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 nicht in unzulässiger Weise eine Zwischenver­allgemeinerung der ursprünglich offenbarten Gegenstände.

So stünden die von der Beschwerdegegnerin angesprochenen Merkmale, die im Kontext des Ausführungsbeispiels gemäß den Figuren bzw. den Paragraph [0026] der Patentschrift genannt seien, nicht in funktionalem oder strukturellem Zusammenhang mit den Merkmalen, die dort entnommen wurden. So stehe insbesondere die Drehklappe, mit der die Luftzufuhr zur B-Säule ganz oder teilweise absperrbar ist, nicht in Zusammenhang mit der Zusatzheizung in der Luftverteilbox. Der geänderte Anspruch 1 definiere auch keinen Schutzbereich, der über den des erteilten Anspruchs hinausginge. So ist im erteilten Anspruch von einem Bodenbereich unter (oder vor) den Vordersitzen die Rede.

Damit sei ein Bereich definiert, in dem die Luftverteilbox zu liegen komme. Damit sei aber nicht beansprucht, dass eine einzige Luftverteilbox unter beiden Vordersitzen gleichzeitig liege.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht durch den Stand der Technik, ausgehend von

E11 (DE 196 46 123 A1) oder

E16 (US 6,059,018 A) in Kombination mit

E24 (DE 695 09 695 T2), nahegelegt.

Das Dokument E11 zeige die Merkmale des Oberbegriffs. Die zu lösende Aufgabe bestehe in der Verbesserung der Fondklimatisierung, siehe dazu auch die Patentschrift, Paragraph [0010]. Zur Lösung dieser Aufgabe würde allerdings der Fachmann das Dokument E24 nicht zu Rate ziehen. Dieses setze sich nämlich mit der Platzierung eines Klimagerätes auseinander, welches aus Platzgründen nicht in der Instrumententafel unterge­bracht werden solle. So sei das Klimagerät gemäß E24 unter den Vordersitzen angeordnet. Dieses Klimagerät stelle aber keine Luftverteilbox im Sinne der Erfindung dar, da es die Luft nicht verteile; auch sei keine Zusatzheizung vorhanden. Letztlich offenbare E24 lediglich eine bekannte Klimaanlage, die eben unter den Sitzen angeordnet sei und nicht in der Instrumententafel. Damit aber stelle sich auch das der Erfindung zugrunde liegende Problem gar nicht, da es an Fond-Luftkanälen fehle, die bereits von einem Klimagerät aufbereitete Luft mit einer Zusatzheizung zusätzlich erwärmen. Somit könne E11 in Kombination mit E24 nicht den Gegenstand des Anspruchs 1 nahelegen.

V. Die Beschwerdegegnerin erwiderte die Argumente wie folgt:

Der einzige Antrag gemäß Anlage 2 des Schreibens vom 28. November 2012, dort bezeichnet als Hilfsantrag 1, dürfe nicht in das Verfahren zugelassen werden. Dieser sei verspätet vorgelegt worden. Dieser Antrag hätte bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorgelegt werden können.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags gehe weiterhin über den ursprünglich offenbarten Gegenstand hinaus. Weiterhin sei der Wortlaut des Anspruchs 1 unklar im Sinne des Artikels 84 EPÜ. So sei ein rechter oder ein linker Fond-Luftkanal nicht der ursprünglich eingereichten Offenbarung zu entnehmen. Dort sei nur von einem Fond-Luftkanal oder von Fond-Luftkanälen die Rede. Eine räumliche Zuordnung der Fond-Luftkanäle nach links bzw. rechts könne auch nicht den Figuren entnommen werden. Es handele sich um schematische Zeichnungen, die eine technische Funktionsweise erklärten, aber schon deshalb keine räumliche Einordnung des Gezeigten erlaubten, da dort insbesondere keine Fahrzeugseiten oder -richtungen bezeichnet seien. Auch sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen kein linker bzw. rechter Fond-Fußraum offenbart. Auch sei unklar, wie der rechte und der linke hintere Fußraum mit dem Fond-Fußraum zusammenhänge. Alle drei Merkmale stünden mit dem unbestimmten Artikel im Anspruch, ohne dass ein Zusammenhang zwischen diesen definiert sei. Daher sei nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei um drei unterschiedliche Fußräume handele. Somit sei der Wortlaut des Anspruchs nicht klar, bzw. dessen Gegenstand unzulässig erweitert.

Ebenfalls liege eine unzulässige Zwischenver­allgemeinerung vor. Die weiteren mit dem Ausführungs­beispiel, welches als Offenbarungsgrundlage für die in den geänderten Anspruch aufgenommenen Merkmale dient, offenbarten Merkmale fehlten im Anspruch 1, obwohl diese in einem funktionalen bzw. strukturellen Zusammenhang mit den aufgenommenen Merkmalen stünden. So sei in diesem Zusammenhang eben auch eine Drehklappe offenbart, die die Luftzufuhr zur B-Säule absperren kann, weiterhin sind die Fond-Luftkanäle zur Luftverteilbox nur als flache Kanäle offenbart. Die Figuren zeigten weiterhin eine symmetrische Anordnung der Fond-Luftkanäle und dass diese sich V-förmig von der Mitte aus erstreckten.

Des Weiteren werde bemängelt, dass der Schutzbereich des geänderten Anspruchs 1 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 erweitert wurde. So definiere der erteilte Anspruch, dass sich eine einzige Luftverteilbox unter beiden Vordersitzen befinde. Nunmehr gebe es aber zwei Luftverteilboxen, die sich unter einem Vordersitz befänden. Damit habe sich der Schutzbereich verändert.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei durch die Kombination der Dokumente E11 und E24 nahegelegt.

E11 offenbare alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1. Die Aufgabe, die mit den Merkmalen des Kennzeichens gelöst werde, sei - im Einklang mit Paragraph [0010] der Patentschrift - die Verbesserung der Fondklimatisierung. Dies aber werde durch die Offenbarung der E24 nahegelegt, die alle Merkmale des Kennzeichens offenbare. So sei dort eine Luftverteilbox unter den Vordersitzen angeordnet, diese weise eine Heizung auf, und die Luft werde in den Fußraum und in die B-Säulen verteilt. Es sei also für den Fachmann, der sich der gestellten Aufgabe gegenüber sieht, ein Einfaches, an die Anschlüsse 34 und 36 der in Figur 4 der E24 gezeigten Anordnung eine Klimaanlage gemäß dem Oberbegriff anzuschließen und damit zum Gegenstand des strittigen Anspruchs 1 zu gelangen. Letztlich könne auch eine Luftverteilbox gemäß dem strittigen Anspruch 1 die Luft auch nach vorne - wie in E24 gezeigt - verteilen, da dies durch den Anspruchswortlaut nicht ausge­schlossen sei. Ebenfalls aber könne der Fachmann die Luftverteilung gemäß E24 nach vorne einfach weglassen.

Im Übrigen lege auch die Kombination von E16 und E24 den Gegenstand des Anspruchs 1 nahe, da E16, so wie E11, alle Merkmale des Oberbegriffs offenbare.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der einzige Antrag, eingereicht als korrigierter Hilfsantrag 1 gemäß der Anlage 2 des Schreibens vom 28. November 2012 wird in das Verfahren zugelassen.

2.1 Die Kammer teilt hierbei nicht die Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach der Antrag verspätet vorgelegt sei und bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung hätte vorgelegt werden können, Artikel 12 (4) bzw. 13 (1) VOBK.

Der vorliegende Antrag ist gegenständlich bereits mit der Beschwerdebegründung vorgelegt worden. Dem gegenüber ist im vorliegenden Antrag, der mit Schreiben vom 28. November 2012 vorgelegt wurde, lediglich ein offen­sichtlicher Fehler im Anspruch 1 korrigiert worden, was von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde.

Die mit diesem Antrag in Anspruch 1 eingeführten Änderungen behandeln prima facie den in der Entscheidung der Einspruchsabteilung angesprochenen Mangel der unzulässigen Erweiterung. Somit hat die Beschwerde­führerin mit der Vorlage dieses Antrags in legitimer Weise auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung reagiert.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht nicht über den Inhalt der Anmeldung, wie ursprünglich eingereicht, hinaus, Artikel 123(2) EPÜ. Des Weiteren ist der Anspruch deutlich gefasst und durch die Beschreibung gestützt, Artikel 84 EPÜ.

3.1 Die Beschwerdegegnerin beanstandet, dass die Anmeldung, wie ursprünglich eingereicht, keinen rechten und keinen linken hinteren Fußraum definiere und ebenfalls keinen rechten oder linken Fond-Luftkanal.

Eine Unklarheit ergebe sich durch die Merkmale des Fond-Fußraums, des rechten hinteren Fußraums und des linken hinteren Fußraums. So sei mindestens unklar, wie diese zusammenhingen, eine Definition dazu fehle nicht nur im Anspruch, sondern auch in der Beschreibung. Da aber eine derartige Definition fehle, müsse davon ausgegangen werden, dass hier drei voneinander unabhängige Fußräume vorlägen; dies sei aber nicht offenbart und stelle daher ebenfalls eine unzulässige Erweiterung dar.

3.1.1 Ein rechter und ein linker Fond-Luftkanal sind implizit eindeutig und unmittelbar den Anmeldeunterlagen, wie ursprünglich eingereicht, entnehmbar. Dabei ist festzustellen, dass der Anspruchswortlaut nicht fordert, dass der rechte Fond-Luftkanal auf der rechten Fahrzeugseite bzw. der linke Fond-Luftkanal auf der linken Fahrzeugseite verläuft. Auch wenn der Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen - wie die Beschwerdegegnerin ausführt - lediglich einen Fond-Luftkanal ohne räumliche Zuordnung definiert, so ist der Beschreibung und den Figuren zweifelsfrei zu entnehmen, dass zwei Fond-Luftkanäle vorgesehen sind, deren Luftverteil­boxen unter je einem Vordersitz liegen (vgl. Beschreibung der veröffentlichten Anmeldung, Paragraph [0040]). Den Figuren ist zu entnehmen, dass die beiden Fond-Luftkänale in Fahrtrichtung nebeneinander liegen: somit liegt einer links und der andere rechts (vgl. Figuren 1 bis 3).

3.1.2 Auch die Tatsache, dass sich der geltende Patent­anspruch 1 nunmehr sowohl auf einen hinteren rechten bzw. linken Fußraum, als auch auf einen Fond-Fußraum im Allgemeinen bezieht, stellt weder einen Mangel an Klarheit noch eine unzulässige Erweiterung dar.

Anspruch 1, wie ursprünglich eingereicht, definiert, dass ein Fond-Luftkanal u.a. einen Fond-Fußraum belüftet. Weiterhin ist in der Beschreibung der Anmeldung in Spalte 5, Zeilen 53 und 54 ein hinterer rechter und linker Fußraum genannt, in den jeweils ein Abzweig der dazugehörigen Luftverteilbox führt. Dem Fachmann ist aber unmittelbar klar, wie der Fond-Fußraum in der allgemeinen Definition mit dem hinteren rechten bzw. linken Fußraum gemäß der bezeichneten Passage in Verbindung steht; diesen Zusammenhang sieht die Kammer als implizit offenbart an: der hinterer rechte Fußraum und hintere linke Fußraum bilden gemeinsam den Fond-Fußraum.

Das Fehlen dieser Definition im Anspruch oder der Beschreibung kann auch keinen Mangel an Klarheit im Sinne des Artikels 84 begründen, da wie ausgeführt, dem Fachmann bei Betrachtung der Beschreibung und der Figuren klar ist, wie die strittigen Merkmale zu verstehen sind.

3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht in unzulässiger Weise zwischenverallgemeinert worden.

3.2.1 Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts können Merkmale aus einem Ausführungsbeispiel mit anderen - in einem allgemeineren Kontext offenbarten - kombiniert werden, ohne dass zwangläufig eine zu beanstandende Verallgemeinerung entsteht. Nach Artikel 123 (2) EPÜ ist eine solche Verallgemeinerung dann zulässig, wenn der Fachmann aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zweifelsfrei erkennen kann, dass diese aus dem Ausführungsbeispiel entnommenen Merkmale nicht in engem strukturellen oder funktionalen Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des Ausführungsbeispiels stehen, sondern sich unmittelbar und eindeutig auf den allgemeinen Kontext beziehen, vgl. T 962/98 (Gründe 2.5) und T 1408/04 (Gründe 4).

3.2.2 Diese Situation trifft auf die Merkmale zu, die aus dem in Paragraph [0040] beschriebenen Ausführungsbeispiel in den Anspruch 1 aufgenommen wurden, nämlich die allgemeinen Merkmale, die die zweiseitige Fond­klimatisierung beschreiben: dass über einen rechten und einen linken Fond-Luftkanal und jeweils eine Luftverteilbox, in der eine elektrische Zusatzheizung angeordnet ist, der hintere rechte und der hintere linke Fußraum und die jeweiligen B-Säulen belüftbar sind. Der Fachmann würde in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels erkennen, dass es sich um eine allgemeine Form der Fond­klimatisierung für beide Fahrzeugseiten handelt und dass sich die strittigen Merkmale des Anspruchs unmittelbar und eindeutig auf diesen allgemeinen Kontext beziehen.

3.2.3 Insofern folgt die Kammer nicht der Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach die Drehklappe (15, 15a) in der Luftverteilbox mit welcher der zur B-Säule führende Abzweig teils oder ganz absperrbar ist oder die Aus­gestaltung der Fond-Luftkanäle als sehr flach weitere Merkmale seien, die in engem funktionalem und strukturellen Zusammenhang mit den Merkmalen stehen, die in den geänderten Anspruch 1 aufgenommen wurden.

So wird an anderer Stelle der Beschreibung der Fachmann darüber informiert, dass die Luftmenge am B-Säulen-Auslass in bekannter Weise gesteuert werden könne, vgl. Beschreibung der veröffentlichten Anmeldung, Spalte 2, Paragraph [0013]. Damit ist eindeutig und unmittelbar klar, dass das Merkmal Drehklappe keines der Merkmale ist, die in den unmittelbaren Kontext der in den Anspruch aufgenommenen Merkmale betreffend die räumliche Anordnung der Fond-Luftführung gehören.

Auch die Ausgestaltung der Luftverteilbox als sehr flach stellt eine spezielle Ausgestaltung des Ausführungs­beispiels dar, welche unabhängig von diesen allgemeinen Merkmalen des Ausführungsbeispiels ist. Der Fachmann würde klar erkennen, dass die Form ,,sehr flach" den baulichen Gegebenheiten im Fahrzeug unter den Vorder­sitzen geschuldet ist, nicht aber dem grund­sätzlichen Funktionsprinzip der erfindungsgemäßen Fond­klimatisierung. Im Übrigen ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass eine effiziente Nutzung des zur Verfügung stehenden Bauraumes eine besondere Form der Luftkanäle bedingt, ggf. sind diese sehr flach auszugestalten.

4. Anspruch 1 ist nicht derart geändert worden, dass sein Schutzbereich erweitert wurde (vgl. Artikel 123 (3) EPÜ).

4.1 Der erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand der Beschwerdegegnerin bezieht sich auf den erteilten Anspruch 1, wonach eine Luftverteilbox unter oder vor den Vordersitzen angeordnet sein soll. Dabei sei eben auch beansprucht, dass nur eine einzige Luft­verteilbox unter beiden Vordersitzen angeordnet sei, da im erteilten Anspruch 1 von ,,den Vorder­sitzen" (Plural­form) die Rede sei. Diese mit dem erteilten Anspruch beanspruchte Variante fehle nun im vorliegenden Anspruch 1. Damit aber habe sich der Schutzbereich unzulässig verändert.

4.2 Der erteilte Anspruch 1 enthält eine - nach Ansicht der Kammer - unmissverständliche Bereichsdefinition, in der die Luftverteilbox erfindungsgemäß anzuordnen ist, nämlich ,,im Bodenbereich unter oder vor den Vordersitzen", siehe Patentschrift, Spalte 7, Zeilen 36 und 37. Die Luftverteilbox ist also nicht ,,unter den Vordersitzen" anzuordnen, sondern in einem Bereich, der sich unter den Vordersitzen befindet. Damit aber ist auch eine Luftverteilbox, die sich unter einem der Vordersitze befindet in diesem Bereich angeordnet.

Die Tatsache, dass nunmehr eine rechte und eine linke Luftverteilbox im Bereich unter den Vordersitzen angeordnet ist, stellt eine Einschränkung des strittigen Anspruchs 1 gegenüber der erteilten Fassung dar und kann somit keine Erweiterung des Schutzbereichs begründen.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5.1 Die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 sind unbestritten aus dem Dokument E11 oder E16 bekannt.

Die mit den Merkmalen des kennzeichnenden Teils zu lösende Aufgabe besteht - ebenfalls unbestritten - darin, den Komfort bezüglich der Klimatisierung für die Passagiere im Fond zu verbessern, siehe auch die Patentschrift, Paragraph [0010].

5.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die Merkmale des kennzeichnenden Teils allesamt aus dem Dokument E24 bekannt seien und somit die Kombination von E11 (oder E16) mit E24 den Gegenstand des Anspruchs 1 nahelegten.

5.3 Die Kammer ist indes der Auffassung, dass der Fachmann diese Dokumente aus den nachstehenden Gründen nicht miteinander kombinieren würde.

5.3.1 E24 offenbart nämlich keine Luftverteilbox mit einer elektrischen Zusatzheizung, wie im kennzeichnenden Teil des strittigen Anspruchs 1 beansprucht.

In der Vorrichtung gemäß E24 ist eine Klima- und Belüftungsanlage (vgl. dazu den Wortlaut des Oberbegriffs des strittigen Anspruchs 1), mit einem im Bereich unter den Vordersitzen angeordneten Gehäuse, das umfasst ein Gebläse, mit dem Frisch- bzw. Umluft ansaugbar ist, ein Klimagerät mit dem mindestens ein Teil des angesaugten Luftstroms erwärmbar oder kühlbar ist, einen im Anschluss an das Klimagerät geteilten Luftverteilungsraum von dem ein Fondluftkanal abgeht.

Das Dokument E24 zeigt also eine Klimaanlage, wie sie das Streitpatent im Anspruch 1 im Oberbegriff definiert, mit dem Unterschied, dass es eben nicht in der Instrumententafel, sondern unter den Vordersitzen angeordnet ist, vgl. dazu E24, Seite 2, zweiter Absatz.

5.3.2 Die in E24 gezeigte Vorrichtung ist daher nicht als Ergänzung zu einer bereits im Fahrzeug vorhandenen Klimaanlage gedacht. Daher kann auch das Argument der Beschwerdegegnerin nicht überzeugen, dass der Fachmann erkenne, dass er an die Anschlüsse 34, 36 der Figur 4 (E24) auch eine bereits vorhandene Klimaanlage gemäß E11 bzw. E16, die sich in der Instrumententafel befindet, anzuschließen habe. Das in Paragraph [0004] der Patentschrift beschriebene Problem, nämlich dass die im Bereich der Instrumententafel aufbereitete Luft aufgrund des langen Weges nicht mit dem nötigen Komfort nach hinten geleitet werden könne, stellt sich bei einer Vorrichtung, wie in E24 gezeigt, nicht.

5.3.3 Deshalb offenbart E24 auch keine Zusatzheizung. E24 zeigt in dem Gehäuse unter dem Vordersitz ein Klimagerät mit einer Heizung. Diese Heizung stellt aber keine Zusatz-Heizung dar, da es die einzige Heizung des Fahrzeugs ist. Auch weist das Gehäuse 12 der E24 einen Abzweig auf, der zu der B-Säule führt. Der Luftauslass 16 des Gehäuses 12 geht in einen hohlen Längsträger zur Verteilung der Luft im Fahrzeug, vgl. E24, Seite 7, vorletzter Absatz. Die Belüftung der B-Säulen geschieht dann über den hohlen Längsträger, vgl. Figur 2 und Seite 9, drittletzter Absatz.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Anspruch 1 gemäß korrigierter Anlage 2 vom 28. November 2012

- Ansprüche 2 bis 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2014,

- Beschreibungsspalten 1 bis 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2014,

- Figuren 1 bis 3 wie erteilt.

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