T 1679/11 () of 17.1.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T167911.20140117
Datum der Entscheidung: 17 Januar 2014
Aktenzeichen: T 1679/11
Anmeldenummer: 06016788.9
IPC-Klasse: B60D 1/54
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 350 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Antriebseinheit für eine Anhängerkupplung
Name des Anmelders: Scambia Holdings Cyprus Limited
Name des Einsprechenden: Westfalia-Automotive GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Zulassung von nach der Beschwerdeerwiderung vorgelegtem Antrag sowie neuem Dokument (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 01) hat am 26. Juli 2011 gegen die am 7. Juni 2011 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 790 504 in geändertem Umfang Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 27. September 2011 eingegangen.

II. Gegen das vorliegende Patent wurde von der Einsprechenden 01 sowie von einer weiteren Einsprechenden 02 aufgrund der in Artikel 100 a) EPÜ 1973 genannten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit Einspruch eingelegt.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1, der nachfolgend zum Hauptantrag erklärt wurde, neu und erfinderisch sei gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik und führte dazu u. a. folgende Dokumente an:

D2: DE 196 12 961 A1; sowie

D3: EP 1 024 036 A1.

III. Am 17. Januar 2014 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. Die Beschwerdeführerin legte zur Diskussion der erfinderischen Tätigkeit des mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 eingereichten Hilfsantrags 4 folgendes Dokument erstmalig vor:

D17: EP 1 084 871 A2.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) erklärte am Ende der mündlichen Verhandlung den mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 eingereichten Hilfsantrag 4 zum Hauptantrag und reichte dazu einen neuen Anspruchssatz mit gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik abgegrenzter zweiteiliger Form sowie eine angepasste Beschreibung mit den Spalten 1 bis 12 ein. Die sonstigen Anträge wurden zurückgenommen.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, das Patent in der Fassung gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Hauptantrag aufrecht zu erhalten. Die sonstigen Anträge wurden zurückgenommen.

V. Anspruch 1 gemäß dem nun einzigen vorliegenden Antrag („Hauptantrag“) lautet wie folgt (die von der Kammer eingefügte Merkmalsgliederung 1a) bis 1i) lehnt sich an die Merkmalsgliederung in der Beschwerdebegründung an, wobei die Merkmale 1h) und 1i) erst mit dem vorliegenden Antrag hinzugefügt wurden):

1a) Antriebseinheit für eine Anhängerkupplung (2) mit einer um eine Schwenkachse (7) zwischen einer Betriebsstellung und einer Ruhestellung verschwenkbaren Kugelstange (3),

1a1) wobei die Anhängerkupplung (2) ausschließlich durch die Schwenkbewegung um die Schwenkachse (7) verstellt wird und

1a2) der Winkel der Schwenkachse so eingerichtet ist, dass die in der Regel in der Grundform U-förmig gebogene Kugelstange (3) während der Schwenkbewegung unter einem Stoßfänger hindurchtaucht, und

1b) die Antriebseinheit (1) über eine Antriebswelle (9) antreibbar ist,

1g) wobei die Antriebswelle (9) und die Schwenkachse (7) winklig zueinander angeordnet sind,

1c) und die Antriebseinheit (1) eine Verriegelung (15) der Anhängerkupplung (2) aufweist,

1d) welche in der verriegelten Stellung in einen an der Antriebseinheit (1) angeordneten Kopf (6) der schwenkbaren Kugelstange (3) eingreift,

1e) wobei die Verriegelung (15) mindestens einen Verriegelungsstift (16) aufweist,

dadurch gekennzeichnet,

1h) dass die Verriegelung (15) zwei Verriegelungsstifte (16) aufweist,

1i) dass die Verriegelungsstifte (16) in den Kopf (6) der Kugelstange (3) einführbar sind, und

1f) dass die Verriegelungsstifte (16) und die Schwenkachse (7) winklig zueinander angeordnet sind.

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Anspruch 1 sei nunmehr auf zwei in den Kopf der Kugelstange einführbare Verriegelungsstifte und damit einen anderen Gegenstand gerichtet, so dass die Zulassung des vorliegenden Antrags in das Verfahren problematisch sei. Es sei unmöglich, alle Kombinationen von erteilten Ansprüchen anzugreifen, so dass u. U. eine Nachrecherche erforderlich sei.

In Reaktion auf den im Verfahren zugelassenen Hilfsantrag 4, der die Basis für den vorliegenden Antrag bildete, werde Dokument D17 vorgelegt, um zu bewerten, ob es eine Erfindung darstelle, bei einer bekannten Anhängerkupplung mit bekannter Verriegelung nun zwei Verriegelungsstifte vorzusehen.

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber dem in Dokument D3 gezeigten zweiten Ausführungsbeispiel (siehe Figuren 8 und 11 in Verbindung mit Absatz [0167] und Figuren 16 und 18 in Verbindung mit Absatz [0171]). Zur Fixierung des Schwenkteils in der Ruhestellung komme darin ein Festlegehebel 272 mit einem kugelförmig ausgebildeten vorderen Ende in Eingriff mit einer Aussparung 270, und in der Arbeitsstellung schwenke der Stützarm 160 mit dem die Stützfläche 62‘ tragenden Ende in die Vertiefung 66‘ ein. Anspruch 1 verlange nicht, dass die als Verriegelungs­stifte aufzufassenden Bauteile (272, 160) beide gleichzeitig - beispielsweise in der Arbeitsstellung - in den Kopf der Kugelstange einführbar seien. Auch wenn die Bauteile in D3 als „Hebel“ und „Arm“ bezeichnet würden, sei nur entscheidend, ob ein als Stift aufzufassendes stangenförmiges, langgestrecktes Bauteil in den Kopf der Kugelstange einführbar sei. Im Übrigen werde auch im Streitpatent ein Arm 17 in Verbindung mit dem Verriegelungsstift gezeigt, wobei es keine Rolle spiele, ob sich dazwischen noch ein Gelenk befinde.

Die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 seien aus dem in D3 gezeigten ersten Ausführungsbeispiel bekannt. Die Antriebseinheit sei z. B. (siehe Figur 24) durch die Antriebswelle 426 antreibbar, welche wie mit Merkmal 1g) gefordert winklig zur Schwenkachse 12 angeordnet sei. Eine Verriegelung (siehe Figuren 2 und 4 sowie 5 bis 7) greife in der verriegelten Stellung mit einer Kugel 60 in einen an der Antriebseinheit angeordneten Kopf (Schwenkteil 14) und weise einen Verriegelungsstift in Gestalt des Keilkörpers 82 auf, der im vorderen Teil stiftförmig ausgebildet sei. Der Keilkörper 82 sei Teil der Verriegelung und als Verriegelungsstift aufzufassen, d. h. "die Verriegelung weise den Stift auf" gemäß Merkmal 1e), wobei dieses Merkmal nichts zur Wirkung des Stiftes auf die Kugelstange aussage. Gemäß Merkmal 1d) greife die Verriegelung – nicht der Verriegelungsstift - in den Kopf der Kugelstange ein.

Bei der im ersten Ausführungsbeispiel des Dokuments D3 gezeigten Kugelverriegelung werde die Verriegelungs­kugel 60 mit dem Verriegelungsstift 82 betätigt. Der Fachmann erkenne, dass die Verriegelung unzureichend sei und sich bei großer Last lösen könne. Es stelle sich also die Aufgabe, eine Verriegelung mit zusätzlicher Sicherheit zu schaffen. Aus D17 (Figur 1, Absatz [0024]) sei bekannt, zur Sicherung der Kugelstange in der Arbeitsstellung zwei Verriegelungs­stifte bzw. Verriegelungsbolzen 14 vorzusehen, wobei auch eine Dreikugelverriegelung denkbar sei. D17 lege dem Fachmann also eine Lösung mit zwei Verriegelungs­bolzen nahe, die auch platzsparend sei.

Dokument D2 zeige (siehe Figur 3) eine über eine Antriebswelle 86 antreibbare Antriebseinheit mit einer in Figur 5 dargestellten Verriegelung, welche in einen Kopf der Kugelstange eingreife, und damit die Merkmale 1a) bis 1d), wobei die Antriebswelle und die Schwenkachse winklig zueinander angeordnet seien wie mit Merkmal 1g) gefordert. Man könne das Hakenende der in Dokument D2 gezeigten Klinke 114 verschieden interpretieren und entweder als Stift oder nicht als Stift auffassen. Allerdings sei auch der Vorsprung 100 stiftförmig oder der als Bolzen ausgebildete Anschlag 102, der direkt in Einwirkung mit der Kugelstange stehe. In jedem Falle fehle dem Gegenstand von Anspruch 1 aber gegenüber dem Dokument D2 die erfinderische Tätigkeit. Ausgehend von D2 stelle sich dem Fachmann die Aufgabe, ein alternatives sicheres Verriegelungskonzept zur Verriegelung der Schwenkbewegung zur Verfügung zu stellen. Dokument D17 verfolge dabei (siehe Absatz [0024]) die gleiche Stoßrichtung einer zusätzlichen Sicherung der Kugelstange wie D2 (siehe Spalte 10, Zeilen 15 ff.) und zeige als Lösung zwei Verriegelungsstifte.

VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:

Anspruch 1 gemäß vorliegendem Antrag wurde gegenüber dem im erstinstanzlichen Verfahren verfolgten Anspruch 1 um eine Kombination von erteilten Ansprüchen ergänzt. Aufgrund der positiven vorläufigen Auffassung der Einspruchsabteilung sei es nicht notwendig gewesen, im erstinstanzlichen Verfahren weitere Hilfsanträge einzureichen. Die Einreichung des vorliegenden Antrags sei eine Reaktion auf die Anmerkungen der Kammer zum Verriegelungsstift im Zusammenhang mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung.

Die Neuheit gegenüber Dokument D3 sei gegeben, da weder der in D3 gezeigte schwenkbare Stützarm noch der Festlegehebel mit kugelförmigem Ende einen einführbaren Verriegelungsstift - also einen Stift, der in etwas eingesteckt werde - darstellten wie mit den Merkmalen 1h) und 1i) gefordert.

Dokument D3 offenbare eine Verriegelungskugel 60, die in den Kopf der Kugelstange eingreife (vgl. Absatz [0113] und Figur 3). Der Begriff „Verriegelungsstift“ gemäß Anspruchswortlaut definiere, dass ein stiftförmiges Element vorgesehen sei, dass die Riegelwirkung unmittelbar herbeiführe. Dies könne nicht der Keilkörper 82 aus D3 sein, auch wenn dieser stiftförmig ausgebildet sein mag, da er ein Betätigungselement für die Verriegelungskugel 60 und kein Verriegelungselement sei. Das kugelförmige Verriegelungselement der D3 weise auch keine bevorzugte Achse auf, und die in D3 durch das Antriebsrad 470 definierte Antriebsachse sei koaxial und nicht winklig zur Schwenkachse 12 angeordnet.

Die Erfindung habe eine um eine schräge Achse schwenkbare Anhängerkupplung zum Gegenstand, die in Längsrichtung des Fahrzeugs möglichst kompakt baue, weshalb sowohl der Motor bzw. die Antriebswelle als auch die Verriegelungsstifte winklig zur Schwenkachse angeordnet seien. Ein ähnliches System sei auch in D3 gezeigt, welches auch gegen Anschlagelemente gedreht werde. Dokument D17 zeige hingegen ein anderes System, welches in die Höhe baue und nicht frei schwenkbar um eine schräge Achse sei, sondern eine Kulissenführung aufweise. Die in D17 gezeigten Verriegelungsbolzen 14 dienten in erster Linie zur Entlastung der Spindel. Der Fachmann habe ausgehend von D3 keine Veranlassung, die in D3 beschriebene und bewusst gewählte Verriegelungs­kugel zu ersetzen, da sie in den kalottenähnlich ausgebildeten Anschlagsflächen 62, 64 eine Spannkraft entwickle und den Kugelhals stets spielfrei in seiner Arbeitsstellung halte, zumal D3 einen zum Streitpatent prinzipiell anders aufgebauten Antriebs- und Verriegelungs­mechanismus zeige.

Das in D2 die Verriegelung bewirkende Element sei eine Klinke 114, die nicht stiftförmig ausgebildet sei und einen Vorsprung 100 an der Kugelstange hintergreife. Der Anschlag 102 und der Vorsprung 100 aus D2 seien keine Verriegelungsstifte und griffen insbesondere nicht in den Kopf der Kugelstange ein. Die Achse 112, um welche die Verriegelungsklinke gedreht werde, sei zwar als einziges Element stiftförmig, jedoch parallel zur Schwenkachse des Kugelhalses ausgerichtet. Damit seien insbesondere die Merkmale 1d), 1e) und 1f) nicht aus D2 bekannt. Ein wesentliches Element in D2 sei, dass die Verriegelungsklinke beim Anfahren der Kugelstange in ihre Betriebsstellung automatisch ausweiche, um bei Erreichen der Betriebsstellung die Verriegelung selbsttätig zu bewirken. Dies sei nicht ohne Weiteres durch einen Verriegelungsstift erreichbar, da hierfür die Form der Verriegelungsklinke aus D2 (mit einer Einlaufschräge 122) maßgebend sei. Der Fachmann würde ausgehend von Dokument D2 diese Funktion nicht aufgeben wollen und habe keine Veranlassung, anstelle der Verriegelungsklinke einen Verriegelungsstift vorzusehen, der winklig zur Schwenkachse angeordnet sei. Zudem biete die Klinke eine raumsparende Lösung, die der Fachmann nicht fallen lassen würde. Dokument D17 zeige eine andere Kinematik, die nicht einfach übertragbar sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulassung des dem vorliegenden Antrag zugrunde liegenden Hilfsantrags 4 in das Verfahren

Die Kammer ließ den mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 eingereichten Hilfsantrag 4 in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK, ABl. EPA 2007, 536) in das Verfahren zu. In der mündlichen Verhandlung wurde dieser Antrag nach Anpassung der zweiteiligen Form von der Beschwerdegegnerin dann zum Hauptantrag und einzigen Antrag erklärt.

Es wird anerkannt, dass die Einreichung des Hilfsantrags 4 in Reaktion auf Anmerkungen der Kammer zum beanspruchten Verriegelungsstift in der Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgte. Die Beschwerdeführerin behielt sich in diesem Zusammenhang vor, ein neues Dokument D17 vorzulegen, so dass nach Ansicht der Kammer eine Nachrecherche nicht erforderlich schien.

Die Kammer kann sich auch der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anschließen, dass dieser Antrag auf einen anderen Gegenstand gerichtet sei. Die Diskussion im Beschwerdeverfahren war schon immer auf die Interpretation des Merkmals "Verriegelungsstift" der beanspruchten Verriegelung gerichtet, so dass eine Einschränkung dieses Merkmals in der vorgenommenen Weise („in den Kopf der Kugelstange einführbar“, „zwei Verriegelungsstifte“) nicht als neuer Gegenstand angesehen werden kann. Die erste Änderung entspricht der von der Patentinhaberin schon zum bisherigen Wortlaut vertretenen engen Auslegung; die zweite Änderung führt keinen neuen Gegenstand ein, sondern verlangt allein, dass das diskutierte Bauteil "Verriegelungsstift" zweifach vorhanden sein muss. Das Streitpatent wurde zudem im erstinstanzlichen Verfahren in seiner Gesamtheit angegriffen, wobei die neu in Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale auf erteilten abhängigen Ansprüchen beruhen.

3. Zulassung von Dokument D17 in das Verfahren

Das von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung in Reaktion auf die Zulassung des Hilfsantrags 4 vorgelegte Dokument D17 wurde von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) VOBK in das Verfahren zugelassen, da es in leicht verständlicher Weise eine Verriegelung mittels zweier in eine Kugelstange einführbare Verriegelungsstifte zeigt. Die Beschwerdegegnerin erhob diesbezüglich auch keine Einwände.

4. Zulässigkeit der Änderungen

Anspruch 1 gemäß vorliegendem Antrag basiert auf dem im Einspruchsverfahren als zulässig und gewährbar angesehenen Anspruch 1 und wurde um die zusätzlichen Merkmale der erteilten Ansprüche 7 und 2 ergänzt. Dabei wurde in Anlehnung an die in Anspruch 7 definierten "zwei Verriegelungsstifte" auch der in Anspruch 2 ursprünglich definierte "Verriegelungsstift" durch den Plural "Verriegelungsstifte" ersetzt, was in der Beschreibung und in Figur 6 ursprünglich offenbart ist.

Die Beschwerdeführerin hatte keine Einwände in Bezug auf die Zulässigkeit der Änderungen, und auch die Kammer sieht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ und des Artikels 84 EPÜ 1973 als erfüllt an.

5. Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)

Dokument D3 zeigt (siehe Figuren 23 und 24) eine Antriebseinheit (Schwenkantrieb 420, Antriebsmotor 422) für eine Anhängerkupplung (Kugelhals 16 mit Kugel 20). Die beiden in D3 gezeigten Ausführungsformen (Figuren 1 bis 4 sowie Figuren 8 ff.) zeigen eine ausschließlich um eine Schwenkachse (12) zwischen einer Betriebs- und einer Ruhestellung verschwenkbare Kugelstange (16). Die Antriebseinheit ist (siehe Figuren 23 und 24) über eine Antriebswelle (426) antreibbar, wobei die Antriebswelle und die Schwenkachse winklig zueinander angeordnet sind. Die Antriebseinheit weist zudem eine Verriegelung der Anhängerkupplung auf, welche in der zweiten Ausführungsform (siehe Absätze [0167] und [0171] sowie Figuren 8, 11, 16 und 18) zweifach ausgebildet ist durch einen Festlegehebel (272) und einen Stützarm (160), die in Vertiefungen (270 bzw. 66') im Kopf der Kugelstange eingreifen.

Es ist zwar richtig, dass die Verriegelungsstifte wie beansprucht nicht gleichzeitig in Eingriff mit dem Kopf der Kugelstange sein müssen. Die Kammer kann sich jedoch nicht der Ansicht der Beschwerdeführerin anschließen, dass sowohl der Festlegehebel als auch der Stützarm aus D3 jeweils einen in den Kopf einführbaren Verriegelungsstift darstellten und D3 damit zwei Verriegelungsstifte offenbare wie mit den Merkmalen 1h) und 1i) gefordert. Ein Verriegelungsstift ist nach Auffassung der Kammer ein zur Verriegelung vorgesehenes Bauteil, welches als Stift charakterisiert ist und damit – wie auch von der Beschwerdeführerin zugestanden wurde - eine stangenförmige, langgestreckte Form aufweist, die sich durch eine im Vergleich zur Längsersteckung deutlich kleinere Quererstreckung auszeichnet. Dies trifft nach Auffassung der Kammer bereits für den in D3 gezeigten Festlegehebel 272 nicht zu, der - soweit in den Figuren (siehe z. B. Figur 11) erkennbar - eine gebogene Form aufweist und damit zwar als "Hebel", jedoch im Verständnis der Kammer nicht als "Stift" anzusehen ist. Da sich der Gegenstand von Anspruch 1 damit schon von der in D3 gezeigten Verriegelung darin unterscheidet, dass keine zwei Verriegelungsstifte gemäß Merkmal 1h) gezeigt sind, kann dahingestellt bleiben, ob der augenscheinlich in Form eines Pleuels ausgeführte Stützarm 160 noch als "Stift" aufgefasst werden könnte.

Der Gegenstand von Anspruch 1 ist also neu gegenüber der in D3 offenbarten Lehre (Artikel 54 (1) EPÜ 1973).

6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

6.1 D3 als nächstliegender Stand der Technik zeigt in seiner ersten Ausführungsform (siehe Figuren 1 bis 4 mit Figuren 23 und 24) den Oberbegriff von Anspruch 1. Die Einrichtung in D3 bestehend aus Keilkörper 82 und Verriegelungskugel 60 (siehe Figur 2) stellt nach Auffassung der Kammer eine Verriegelung der Anhängerkupplung im Sinne von Anspruch 1 (d. h. der Merkmale 1c) bis 1e)) dar, welche in der verriegelten Stellung über die Verriegelungskugel 60 in einen an der Antriebseinheit angeordneten Kopf (Schwenkteil 14) der schwenkbaren Kugelstange eingreift und mit dem Keilkörper 82 einen Verriegelungsstift aufweist. Der Keilkörper 82 hat (siehe Figur 2) eine langgestreckte Form mit annähernd halbzylindrischer Querschnittsfläche (siehe Figur 4), stellt also ein stangenförmiges, langgestrecktes Bauteil und damit einen "Stift" dar. Der Begriff „Verriegelungsstift“ definiert nach Ansicht der Kammer keine unmittelbare Verriegelungswirkung durch den Stift, sondern allgemein einen zur Verriegelung dienenden Stift und umfasst damit auch das in D3 gezeigte stiftförmige Betätigungselement zur Betätigung einer Verriegelungskugel. Schließlich sind in D3 mehrere Antriebswellen (426, 470) gezeigt, wobei die Antriebswelle 426 die Merkmale 1b) und 1g) erfüllt.

Im Unterschied zum Gegenstand von Anspruch 1 zeigt D3 keine zwei Verriegelungsstifte, die in den Kopf der Kugelstange einführbar und die beide winklig zur Schwenkachse angeordnet sind, gemäß den kennzeichnenden Merkmalen 1h), 1i) und 1f) von Anspruch 1.

Eine Verriegelung mittels zweier Verriegelungsstifte, die jeweils in den Kopf der Kugelstange eingreifen, kann gegenüber einer einfachen Verriegelung als sicherer angesehen werden, um ein Lösen der Verriegelung bei größerer Last zu verhindern. Die zu lösende Aufgabe kann also darin gesehen werden, eine Verriegelung mit zusätzlicher Sicherheit zu schaffen.

Es ist zwar richtig, dass Dokument D17 (Figur 1) eine Anhängerkupplung mit zwei Verriegelungsbolzen 14 zeigt. Es fehlt jedoch an ausreichenden Anhaltspunkten, dass dem Fachmann ausgehend von D3 unter Berücksichtigung von D17 nahelegt wird, von der in D3 gezeigten Verriegelung mittels einer Verriegelungskugel abzuweichen und anstelle dieser Kugel oder zusätzlich zu dieser Kugel zwei in den Kopf der Kugelstange einführbare Verriegelungsbolzen bzw. –stifte vorzusehen. Das in D3 gezeigte Ausführungsbeispiel stellt eine komplexe, in sich geschlossene Lösung dar, die durch Aufbau einer Spannkraft den Kugelhals stets spielfrei in seiner Arbeitsstellung hält und damit bereits eine sichere Verriegelung bereitstellt. Das Vorsehen zweier, in den durch Schwenkteil 14 gebildeten Kopf der Kugelstange einführbarer, Verriegelungsbolzen bei der aus D3 bekannten Lösung würde eine aufwendige Umkonstruktion des Schwenkteils 14 sowie das Vorsehen entsprechender Betätigungsmittel für die Verriegelungs­bolzen nach sich ziehen, wozu dem Fachmann jede Veranlassung fehlen würde, so dass eine derartige Abwandlung, zumal ohne Kenntnis der Erfindung, nicht naheliegend ist.

6.2 Dokument D2 zeigt (siehe Figuren 3 und 5) eine Antriebseinheit 80 für eine Anhängerkupplung mit einer winklig zur Schwenkachse angeordneten Antriebswelle 86 und eine Verriegelung mittels einer Klinke 114. Fasst man den am Ende der Kugelstange vorgesehenen Vorsprung 100 als Teil der Kugelstange auf, greift die Verriegelung in einen Kopf der schwenkbaren Kugelstange ein, so dass die Merkmale 1a) bis 1d) sowie 1g) in D2 gezeigt sind. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin jedoch nicht darin folgen, dass das Hakenende der Klinke 114 als Verriegelungsstift aufzufassen ist, da eine Klinke kein stangenförmiges, langgestrecktes Bauteil ist. Es mag daher dahingestellt bleiben, ob aus D2 mit dem Vorsprung 100, dem bolzenförmigen Anschlag 102 oder der Achse 112 auch Merkmal 1e) vorbekannt ist.

Ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik sind zumindest die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 nicht in D2 offenbart, da D2 keine zwei Verriegelungsstifte zeigt, die in den Kopf der Kugelstange einführbar und winklig zur Schwenkachse angeordnet sind. Wie von der Beschwerdeführerin durch Verweis auf die entsprechenden Passagen in D2 und D17 belegt, zeigen beide Druckschriften eine Verriegelung als zusätzliche Sicherung des Kugelhalses, welcher in D2 bereits (siehe Spalte 10, Zeilen 15 ff.) durch ein selbsthemmendes Getriebe gesichert sein mag, während in D17 (siehe Absatz [0024]) ein Konus mit entsprechender Gegenfläche vorgesehen ist. Die sich dem Fachmann ausgehend von D2 stellende Aufgabe kann also darin gesehen werden, ein alternatives sicheres Verriegelungs­konzept zur Verriegelung der Schwenkbewegung zur Verfügung zu stellen.

Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass der Fachmann die vorteilhafte Ausführung der Verriegelung in D2, bei der aufgrund der Formgebung der Verriegelungsklinke mit einer Einlaufschräge die Verriegelung bei Erreichen der Betriebsstellung selbsttätig bewirkt wird, nicht aufgeben würde. In Dokument D17 ist zwar eine Verriegelung mittels zweier Verriegelungsstifte gezeigt, aber für den Fachmann besteht keine Veranlassung, die in D2 gezeigte Verriegelungsklinke durch zwei Verriegelungsstifte zu ersetzen. Außerdem müsste der Fachmann erhebliche Umkonstruktionen vornehmen und damit erfinderisch tätig werden, um die in D17 für eine axial in einer Führungshülse verschiebbare Kugelstange vorgesehenen Verriegelungsstifte bei der Kugelstange aus D2, die auf einer Achse zwischen zwei Lagerwangen schwenkbar gelagert ist, vorzusehen und in Eingriff mit der Kugelstange zu bringen.

6.3 Da weder ausgehend von Dokument D3 noch ausgehend von Dokument D2 der Fachmann in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde, erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ 1973.

7. Anspruch 1 gemäß vorliegendem Antrag mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 13 und der daran angepassten Beschreibung und den erteilten Zeichnungen bilden daher eine geeignete Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anweisung zurückverwiesen, das europäische Patent auf Basis der folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

- Ansprüche 1 bis 13 gemäß vorliegendem Antrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2014;

- Beschreibungsspalten 1 bis 12, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2014;

- Figuren 1 bis 8 wie erteilt.

Quick Navigation