T 1661/11 () of 6.5.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T166111.20130506
Datum der Entscheidung: 06 Mai 2013
Aktenzeichen: T 1661/11
Anmeldenummer: 04765213.6
IPC-Klasse: C08J 5/18
C08L 33/12
C08L 51/00
C08F 265/04
C08F 265/06
C08L 101/00
C08L 33/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 165 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Formmasse, enthaltend ein Mattierungsmittel
Name des Anmelders: Evonik Röhm GmbH
Name des Einsprechenden: Lucite International UK Limited
Kammer: 3.3.09
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja) - verspäteter Einwand nicht zugelassen
Erfinderische Tätigkeit (ja) - nicht naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden Lucite International UK vom 13. Juli 2011 richtet sich gegen die am 3. März 2011 mündlich verkündete und am 13. Mai 2011 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 685 186 der Firma Evonik Röhm GmbH in geändertem Umfang auf Basis der mit Schreiben vom 12. März 2009 eingereichten geänderten Ansprüche 1 bis 11 und einer daran angepassten Beschreibung aufrechtzuerhalten.

II. Der unabhängige Anspruch 1 der geänderten Anspruchs fassung ist eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 7 und lautet wie folgt:

"1. Formmasse, enthaltend

a) 50 bis 99,9 Gew.-% einer Matrix aus einem thermoplastischen Kunststoff und

b) 0,1 bis 50 Gew.-% eines in der Matrix verteilten Mattierungsmittels in Form eines (Meth)acrylatcopolymeren,

dadurch gekennzeichnet daß

das Mattierungsmittel ein (Meth)acrylatcopolymer ist, das aus den folgenden Monomeren hergestellt ist:

b1) 50 bis 95 Gew.-% Methylmethacrylat

b2) 5 bis 50 Gew.-% C1- bis C6-Alkylacrylaten

b3) 0,01 bis weniger als 0,5 Gew.-% eines vernetzenden Monomeren und/oder Pfropfvernetzers mit zwei oder mehr ethylenisch ungesättigten, radikalisch polymerisierbaren Resten,

b4) 0 bis 20 Gew.-% eines oder mehrerer weiterer, nicht vernetzender ethylenisch ungesättigter, radikalisch polymerisierbarer Monomeren [sic],

wobei sich die Bestandteile b1) und b2) sowie gegebenenfalls b3) und/oder b4) zu 100 Gew.-% addieren und das Mattierungsmittel eine Glasübergangstemperatur Tmg von mindestens 20ºC aufweist und wobei das Mattierungsmittel b) durch Emulsionspolymerisation hergestellt wurde und vor Einarbeitung in die Matrix einen mittleren Teilchenradius im Bereich von 100 nm bis 10 mym aufweist."

Die Ansprüche 2 bis 11 sind auf den Anspruch 1 rückbezogen.

III. Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützt. Folgende Dokumente wurden innerhalb der Einspruchsfrist eingereicht:

D1 WO-A 97/14749;

D2 US-A 5 242 968;

D3 US-A 6 476 148.

Nach Ablauf der Einspruchsfrist wurde unter anderem das Dokument

D5 "Polymers: Chemistry and Physics of Modern Materials", J. M. G. Cowie, (1973), Seiten 68-71

vorgelegt.

In ihrer Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der beanspruchte Gegenstand neu und erfinderisch sei und die Erfordernisse der Artikel 83, 84 und 123(2) EPÜ erfüllt seien.

Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit argumentierte die Einspruchsabteilung im wesentlichen, dass der Fachmann, ausgehend von D3, keinerlei Hinweis erhalte, dass - wie durch die mit Schreiben vom 12. März 2009 eingereichten neuen Vergleichsversuche gezeigt - durch die Verringerung der Teilchengröße des Mattierungs mittels, den Einsatz einer geringen Menge an Vernetzer und die Verwendung von Alkylacrylat anstelle von Methacrylat ein verbessertes Eigenschaftsprofil im Hinblick auf E-Modul, Zugfestigkeit, Streckspannung und Bruchdehnung erzielt werde.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (nachfolgend: Beschwerdeführerin) am 13. Juli 2011 Beschwerde ein und entrichtete die vorgeschriebene Gebühr am selben Tag. Mit der am 21. September 2011 eingegangenen Beschwerde begründung reichte die Beschwerdeführerin das Dokument

D6 WO-A 2001/12719

ein, das als besonders relevant für die Beurteilung der erfinderische Tätigkeit angesehen wurde. Einwände der mangelnden Neuheit gegenüber dem im Einspruchsverfahren zitierten Stand der Technik und D6 wurden nicht erhoben.

V. Mit Schreiben vom 2. April 2012 verteidigte die Patentinhaberin (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung gewährten Fassung. Zur Stütze ihrer Argumentation bezüglich des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit reichte sie den bereits im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 12. März 2009 vorgelegten Versuchsbericht nochmals ein. Dieser umfasst neben der um das Vergleichsbeispiel aus D3a (EP-A 528 196, dem EP-Äquivalent zu D3) ergänzten Tabelle aus der Streitpatentschrift einen weiteren Versuch (Tabellen 2 und 3), in dem die mechanischen Eigenschaften einer Vergleichsfolie ("Neues Vergleichsbeispiel") mit einem Mattierungsmittel gemäß der Offenbarung aus D3 mit denen einer in der Dicke modifizierten Folie gemäß Beispiel 3 des Patents (nunmehr als "Beispiel 4" bezeichnet) verglichen werden.

VI. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgte am 11. Dezember 2012. Nachfolgend nahm die Kammer mit Bescheid vom 8. März 2013 zu wesentlichen Punkten Stellung.

Bezüglich der Neuheit wurde darauf hingewiesen, dass seitens der Beschwerdeführerin keine Neuheitseinwände erhoben wurden und die Neuheit daher voraussichtlich kein Diskussionsgegenstand in der mündlichen Verhandlung sein werde.

Die Kammer favorisierte D3 als nächstliegenden Stand der Technik für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit mit dem Argument, dass das Mattierungsmittel gemäß D3 vorzugsweise durch Emulsionspolymerisation - wie anspruchsgemäß - hergestellt werde. Die Kammer wies ferner darauf hin, dass in der mündlichen Verhandlung diskutiert werden müsse, ob die mit Schreiben vom 2. April 2012 eingereichten Vergleichsversuche die erfinderische Tätigkeit stützen können.

VII. Mit Schreiben vom 18. März 2013 reichte die Beschwerde führerin nochmals eine Stellungnahme ein, in der erstmals ein Neuheitseinwand im Hinblick auf das Dokument D6 vorgebracht wurde.

VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 6. Mai 2013 statt. Nach Erörterung der Zulässigkeit des Neuheitseinwandes der Beschwerdeführerin auf Basis von D6 und der Ankündigung der Kammer, dass der Neuheitseinwand nicht zugelassen werde, erklärte die Beschwerdegegnerin sie habe keine Einwände gegen die Zulassung des auf D6 gestützten Einwandes bezüglich der erfinderischen Tätigkeit.

IX. Die schriftlich und mündlich vorgebrachten Einwände der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

a) D6 ist prima facie für die Neuheit relevant, da es alle Anspruchsmerkmale einschließlich dem mittleren Teilchenradius offenbart.

b) Dem Gegenstand des Anspruchs 1 mangelt es an erfinderischer Tätigkeit, ausgehend von D6 als nächstliegendem Stand der Technik.

Die Druckschrift D6 betrifft Formmassen mit einer Matrix auf Methacrylat-Basis, enthaltend ein teilchenförmiges teilvernetztes Polymer auf Basis von Methacrylat als Mattierungsmittel. Sie liegt daher auf demselben technischen Gebiet wie die beanspruchte Erfindung.

Das teilchenförmige polymere Mattierungsmittel gemäß D6 kann dieselben Merkmale hinsichtlich des Alkylacrylatgehalts und des Vernetzers aufweisen wie das anspruchsgemäße Mattierungsmittel (Seite 6/7 verbrückender Absatz); ebenso kann das Polymer durch Emulsionspolymerisation hergestellt werden (Seite 8, Zeilen 19-23). Ferner überlappt der in D6 offenbarte Teilchengrößenbereich mit dem anspruchsgemäßen Bereich.

Die objektive technische Aufgabe besteht gegenüber D6 darin, eine alternative mattierte Formmasse bereitzustellen (diese Aufgabenformulierung wurde von der Beschwerdeführerin insbesondere in der mündlichen Verhandlung gewählt).

Aus den Beispielen 5.1 bis 5.4 von D6 (Tabelle auf Seite 22) geht hervor, dass sich die Glanzwerte linear mit zunehmender Teilchengröße eines kugelförmigen Mattierungsmittels erhöhen, was gleichbedeutend ist mit einer Zunahme des Mattierungseffektes mit abnehmender Teilchengröße. Damit liegt es für den Fachmann nahe, zur Erzielung eines hohen Matteffektes die Teilchen kugelförmig zu gestalten und die Teilchengröße möglichst klein zu wählen. Die beanspruchte Formmasse ist daher durch D6 allein nahegelegt.

Der Fachmann, ausgehend von D6, war auch durch D5 oder durch D3 dazu angehalten, das teilchenförmige Mattierungsmittel - wie anspruchsgemäß - durch Emulsionspolymerisation herzustellen, da die Emulsionspolymerisation ein übliches Polymerisationsverfahren ist (D5) und von der Beschwerdegegnerin kein durch die Emulsions polymerisation erzielter vorteilhafter Effekt nachgewiesen wurde. Im Gegenteil zeigt der vorgelegte Vergleichsversuch vielmehr einen höheren Glanz für die Formmassen aus D3, deren Mattierungsmittel ebenfalls durch Emulsionspolymerisation hergestellt wurde.

c) Dem Gegenstand des Anspruchs 1 mangelt es an erfinderischer Tätigkeit, ausgehend von D3 als nächstliegendem Stand der Technik

Geht man von der Formmasse gemäß D3 als nächst liegendem Stand der Technik aus, so ist der einzige Unterschied der beanspruchten Formmasse darin zu sehen, dass die Vernetzermenge für das Mattierungs mittel kleiner als 0,5 Gew.-% sein muss, während der minimale Vernetzeranteil in D3 0,5 Gew.-% beträgt.

Das mit Schreiben vom 2. April 2012 eingereichte neue Vergleichsbeispiel einer Folie aus D3 gegenüber dem patentgemäßen Beispiel 4 ist kein aussagekräftiger Vergleichsversuch, da darin

- durch Weglassen des Ethylacrylatanteils als Polymerbaustein im Mattierungsmittel und

- durch Verwendung einer deutlich über dem Grenzwert von 0,5 Gew.-% liegenden Vernetzermenge von 5 Gew.-%

zwei Variable modifiziert wurden. Demgegenüber hätte ein fairer Vergleichsversuch auf einem Mattierungsmittel mit Ethylacrylat als Polymerbaustein basieren müssen, da gemäß der Offenbarung in D3 bis zu 15 Gew.-% Alkylacrylat im Mattierungsmittel vorhanden sein können. Der von der Beschwerdegegnerin im Versuchsbericht gezeigte Effekt der verbesserten mechanischen Eigenschaften kann daher die erfinderische Tätigkeit nicht stützen, so dass das zu lösende Problem in der Bereitstellung einer alternativen mattierten Formmasse gesehen werden muss (diese Aufgabenformulierung wurde von der Beschwerdeführerin insbesondere in der mündlichen Verhandlung gewählt).

Der Einsatz von Vernetzermengen von kleiner als 0,5 Gew.-% für das Mattierungsmittel ist jedoch schon aus D6 bekannt, so dass der Fachmann durch Kombination von D3 mit D6 ohne erfinderische Tätigkeit zum beanspruchten Gegenstand gelangen konnte.

d) In der mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin von der Kammer auf die schriftlich vorgebrachten Einwände zur erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von den, glänzende Artikel betreffenden Dokumenten D1 oder D2, hingewiesen. Darauf erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie keine weitern Einwände vorbringen möchte.

X. Die schriftlich und mündlich vorgebrachten Argumente der Beschwerdegegnerin können folgendermaßen zusammengefasst werden:

Der Anspruchsgegenstand ist nicht nur neu gegenüber dem zitierten Stand der Technik, sondern beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von D3 oder D6 als relevantem nächstliegenden Stand der Technik.

a) Die Neuheit gegenüber D6 ist gegeben, da aus mehreren Offenbarungsstellungen eine Auswahl getroffen werden muss.

b) D6 als nächstliegender Stand der Technik

Gemäß der in den Beispielen 1 bis 4 realisierten Lehre in D6 ist das bevorzugte Herstellungsverfahren für das teilchenförmige Mattierungsmittel die Substanzpolymerisation, verbunden mit einem an schließenden Mahlen der Partikel, was zu Teichen mit unregelmäßiger Gestalt führt. Auch die Beschreibung der D6 konzentriert sich eindeutig auf Mattierungsmittel, die durch Substanzpolymerisation mit anschließendem Mahlen hergestellt werden. Die Emulsionspolymerisation wird nur einmal in der allgemeinen Offenbarung auf der Seite 8, Zeile 23 erwähnt. Demgegenüber ist anspruchsgemäß die Emulsionspolymerisation eine zwingende Herstellungs methode des Mattierungsmittels, die zu Teilchen mit gleichmäßiger sphärischer Oberflächenstruktur und deutlich geringerer Teilchengröße führt. Darüber hinaus wird in keinem der Beispiele in D6 ein anspruchsgemäßer Vernetzergehalt offenbart. Schließlich wird der anspruchsgemäße mittlere Teilchenradius ausschließlich in Beispiel 5.1 offenbart. Die von der Beschwerdeführerin mit Blick auf die Beispiele 5.1 bis 5.4 von D6 behauptete lineare Abhängigkeit des Oberflächenglanzes von der Größe der Partikel lässt sich nicht ohne weiteres auf Emulsionspolymerisate mit noch kleineren Partikelgrößen übertragen und ist nur in dem von D6 gemessenen Bereich zu sehen. Es ist zu erwarten, dass diese Linearität bei noch kleineren Partikelgrößen abknickt. Zudem entspricht das ein Suspensionspolymerisationsverfahren einsetzende Beispiel 5 nicht der Lehre von D6, die auf Substanzpolymerisation und deutlich größere Teilchengrößen zur Erzielung eines guten Matteffekts ausgerichtet ist, wie der Vergleich von Beispiel 5 mit Beispiel 4 in der Tabelle auf Seite 22 zeigt. Ferner ist dem Beispiel 5 nicht zu entnehmen, welche Zusammensetzung und welchen Vernetzeranteil die kugelförmigen Teilchen haben. Der Anspruchsgegenstand ist daher durch D6 nicht nahe gelegt.

Ferner ergibt sich der Anspruchsgegenstand auch nicht in naheliegender Weise aus D6 in Kombination mit D3. Die unregelmäßige Teilchenmorphologie der vorzugsweise durch Substanzpolymerisation und Mahlen hergestellten Mattierungsteilchen unterscheidet sich signifikant von den sphärischen durch Emulsionspolymerisation hergestellten Teilchen in D3. Auch offenbart D3 ausschließlich Vernetzergehalte außerhalb des anspruchsgemäßen Bereiches.

Schließlich stellt D5 ein Lehrbuch dar, welches die Emulsionspolymerisation genau wie D6 nur als eine von mehreren Möglichkeiten offenbart.

c) D3 als nächstliegender Stand der Technik

Die Lehre von D3 befasst sich mit der Herstellung von Seidenmattfolien mit verbesserten mechanischen Eigenschaften (impact strength; Spalte 2, letzte Zeile) aus Formmassen mit einer Methacrylatbasis und einem auf Methacrylat basierenden Mattierungsmittel und verfolgt daher dieselben Ziele wie die beanspruchte Erfindung. Die Herstellung des Mattierungsmittels erfolgt vorteilhaft durch - anspruchsgemäß anzuwendende - Emulsionspolymerisation. Daher ist D3 als nächstliegender Stand der Technik dem Dokument D6 vorzuziehen.

Es war Aufgabe der Erfindung, Formmassen bereit zustellen, die sich zu Formkörpern mit einem Eigenschaftsspektrum verarbeiten lassen, das sich durch gute Haptik und akzeptablen Matteffekt bei verbesserten mechanischen Eigenschaften auszeichnet. Zur Optimierung dieses Eigenschaftsbildes musste eine geeignete Balance zwischen Haptik, Matteffekt und mechanischer Stabilität gefunden werden, die es erforderlich machte, drei Variable ("Stellschrauben"), nämlich

- die Polymerzusammensetzung des Mattierungsmittels;

- den Grad der Vernetzung des Polymeren und

- die Partikelgröße des Mattierungsmittels

aufeinander abzustimmen.

Aus Abschnitt [0009] der Patentschrift geht hervor, dass die Vernetzung des Mattierungsmittels mit einem geringen Vernetzeranteil bewirkt, dass das teilchen förmige Mattierungsmittel in der Polymermatrix nicht mehr kugelförmig, sondern ellipsoid erscheint und eine gewisse Quellung in der Matrix erfährt. Das Ausmaß dieser Quellung muss aber durch Regulierung der Härte des Polymerteilchens mittels des Einbaus eines bestimmten Anteils an Alkylacrylat in die Polymerstruktur gesteuert werden. Durch Kombination dieser Maßnahmen wird ein ausgewogenes Eigenschaftsbild hinsichtlich Matteffekt und Haptik in Verbindung mit verbesserten mechanischen Eigenschaften erzielt. Dieser Effekt wird in dem eingereichten Versuchsbericht durch das neue Vergleichsbeispiel gemäß D3 mit dem patentgemäßen Beispiel 4 unterstrichen.

Der anspruchsgemäße Vernetzergehalt in D3 liegt außerhalb des beanspruchten Bereichs. Ferner können zwar die anspruchsgemäßen Merkmale der Partikelgröße, des Methylmethacrylatgehaltes und des Alkylacrylatgehalts des Mattierungsmittels jeweils für sich der allgemeinen Offenbarung in D3 entnommen werden, jedoch findet sich in D3 kein Hinweis auf die anspruchsgemäße Gesamtkombination dieser Variablen. Im Gegenteil werden Alkylacrylate lediglich als optional dargestellt, während im (einzigen relevanten) Beispiel 2 der D3 Isobutylmethacrylat eingesetzt wird. Somit ist der Anspruchsgegenstand durch D3 nicht nahegelegt.

Die Argumentation der Beschwerdeführerin, D3 in Kombination mit D6 lege die beanspruchte Erfindung nahe, beruht auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Im Gegensatz zu D3 konzentriert sich D6 eindeutig auf Mattierungsmittel, die durch Substanzpolymerisation mit anschließendem Mahlen, und nicht durch die anspruchsgemäße Emulsionspolymerisation hergestellt werden. Ferner liegt in den Beispielen der Vernetzergehalt nicht in der Nähe des anspruchsgemäßen Bereichs.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

XII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen - Artikel 84 und 123(2) EPÜ

Gegen die Änderungen in den dem einzigen Antrag der Beschwerdegegnerin zugrunde liegenden Unterlagen (Ansprüche 1-11 sowie angepasste Beschreibung vom 12. März 2009) wurden von der Beschwerdeführerin keine Einwände bezüglich der Klarheit und unzulässigen Erweiterung erhoben. Nach Auffassung der Kammer sind die Änderungen unter Artikel 84 und 123(2) EPÜ nicht zu beanstanden.

3. Neuheit

3.1 Zulässigkeit des Neuheitseinwandes gegenüber D6

Das Dokument D6 wurde von der Beschwerdeführerin erstmals mit der Beschwerdebegründung mit dem Argument eingereicht, dass D6 sehr relevant für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei. In Punkt 3.21 der Beschwerdebegründung wurde der Unterschied der beanspruchten Formmasse gegenüber D6 darin gesehen, dass D6 die beanspruchte Partikelgröße des Mattierungsmittels und deren Herstellung durch Emulsionspolymerisation nicht explizit offenbare. Daraus lässt sich schließen, dass die Beschwerdeführerin den beanspruchten Gegenstand gegenüber D6 als neu angesehen hat.

Diese Ansicht wurde von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18. März 2013 - nach Absendung der Ladung zur mündlichen Verhandlung - im Punkt 1.2 dahingehend revidiert, dass nun ein Neuheitseinwand gegenüber diesem Dokument erhoben wurde.

Gemäß Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern liegt es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens der Beschwerdeführerin nach Einreichung der Beschwerdebegründung zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens kann unter anderem auch die Relevanz des Vorbringens eine Rolle spielen.

Die Kammer hat die Relevanz des Neuheitseinwands gegenüber D6 daher geprüft und ist zu der Ansicht gelangt, dass der Einwand prima facie nicht relevant ist, da er auf einer Mehrfachauswahl von Merkmalen betreffend

- die Art der Polymerisation des Mattierungsmittels (Seite 8, Zeilen 17-23);

- die Teilchengröße (Seite 7, Zeilen 13-30);

- den Vernetzeranteil sowie

- den Anteil an Methylmethacrylat und Alkylacrylat in der Polymerstruktur (Seite 9, Zeilen 7-13)

beruht (siehe Punkte 4.6.3 und 4.8.2), die nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern nicht neuheitsschädlich ist.

Der Neuheitseinwand gegenüber D6 wird daher nicht zum Verfahren zugelassen.

3.2 Die Neuheit der beanspruchten Formmasse gegenüber den im Einspruchsverfahren zitierten Dokumenten ist ebenfalls gegeben. Sie wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht in Frage gestellt.

3.3 Die beanspruchte Formmasse ist somit neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Die beanspruchte Erfindung liegt auf dem Gebiet der Formmassen zur Herstellung mattierter Formkörper, insbesondere Folien (Abschnitte [0001] und [0006] der Patentschrift). Aus den Abschnitten [0004] und [0005] geht hervor, dass ein Ausgangspunkt für die Erfindung mattierte Formmassen gemäß dem in der EP-A 0 528 196 beschriebenen Stand der Technik ist. Diese Druckschrift entspricht dem im Einspruchsverfahren als D3a bezeichneten Dokument und ist das EP-Äquivalent zum Dokument D3 (siehe Punkt V.).

Gemäß Abschnitt [0007] der Patentschrift war es Aufgabe der Erfindung, eine Formmasse zur Herstellung mattierter Formkörper bereitzustellen, die sich durch eine seidenmatte Oberfläche mit angenehmer Haptik auszeichnet. Darüber hinaus ergibt sich aus Abschnitt [0009], dass die erfindungsgemäßen Formmassen Formkörper mit feiner, seidenmatter Oberfläche und verbesserten mechanischen Eigenschaften (Zugfestigkeit, Weiterreißfestigkeit) ergeben.

4.2 D3 befasst sich mit Formmassen auf Basis einer thermo plastischen Polymermatrix und einem darin verteilten Mattierungsmittel zur Herstellung von Filmen mit gutem Matteffekt und guten mechanischen Eigenschaften (Anspruch 1 in Verbindung mit Spalte 2, Zeile 58 bis Spalte 3, Zeile 6). Damit bezieht sich D3 auf das gleiche technische Gebiet und die gleiche technische Aufgabe wie die beanspruchte Erfindung. D3 wird daher als nächst liegender Stand der Technik angesehen.

Das polymere Mattierungsmittel "B" gemäß D3 enthält ein Alkylmethacrylat in einem Gehalt von 50 bis 99,5 Gew.-% sowie einen ethylenisch ungesättigten Vernetzer in einem Gehalt von 0,5 bis 10 Gew.-%. Das Alkylmethacrylat ist bevorzugt eine Mischung aus Methylmethacrylat und einem weiteren Alkylmethacrylat. In die Polymerstruktur können fakultativ noch andere ethylenisch ungesättigte Comonomere in einer Menge von 0 bis 15 Gew.-% eingebaut sein. Als Beispiele werden Ester der Acryl/Methacrylsäure, Styrol, (Meth)Acrylnitril und Vinylacetat genannt (siehe Anspruch 1 in Verbindung mit Spalte 6, Zeilen 10 bis 24). Der mittlere Teilchendurchmesser des Mattierungsmittels liegt bei 1 bis 150 mym, bevorzugt 1 bis 10 mym, besonders bevorzugt 1 bis 5 mym (Spalte 3, Zeilen 60 bis 63).

4.3 Gemäß Beschwerdegegner besteht die gegenüber D3 gelöste Aufgabe in der Bereitstellung von Formkörpern mit ausreichendem Matteffekt bei zugleich verbesserten mechanischen Eigenschaften.

4.4 Diese Aufgabe wird anspruchsgemäß dadurch gelöst, dass, ausgehend von der allgemeinen Offenbarung der D3

- als Alkylmethacrylat ein Methylmethacrylat ausgewählt wird,

- dieses in einer Menge von 50 bis 95 Gew.-% eingesetzt wird (Anspruch 1: 50 bis 95 Gew.-% Methylmethacrylat b1)),

- aus dem Bereich von 0 bis 15 Gew.-% für das Comonomere ein Wert von 5 bis 15 Gew.-% ausgewählt wird;

- aus der Liste der möglichen Comonomeren Alkylacrylat eingesetzt wird (Anspruch 1: 5 bis 50 Gew.-% C1- bis C6-Alkylacrylat b2));

- für den Teilchendurchmesser der bevorzugte Bereich von 1 bis 10 mym gewählt wird (Anspruch 1: 100 nm bis 10 mym);

- bei der Wahl des Vernetzeranteils vom untersten Grenzwert in D3 von 0,5 Gew.-% ausgegangen und diese Menge auf einen in D3 nicht offenbarten Wert von unter 0,5 Gew.-% verringert wird.

4.5 Zum Nachweis, dass diese Aufgabe tatsächlich gelöst wird, wurde von der Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 2. April 2012 der bereits im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 12. März 2009 vorgelegte Versuchsbericht erneut eingereicht. Dieser Versuchsbereicht (Tabelle 3 auf Seite 12) enthält insbesondere ein "neues Vergleichsbeispiel", in dem eine Folie mit einem polymeren Mattierungsmittel, dessen Zusammensetzung sich am Beispiel 2 von D3 orientiert, mit einer Folie aus der beanspruchten Formmasse verglichen wird, deren Mattierungsmittel eine Zusammensetzung gemäß Beispiel 3 der Patentschrift aufweist ("Beispiel 4" im Versuchsbericht). Laut Beschwerdegegnerin zeigt dieser Vergleich, dass die Folie aus der beanspruchten Formmasse verbesserte mechanische Eigenschaften hinsichtlich E-Modul, Zugfestigkeit, Streckspannung und Bruchdehnung aufweist.

Der gezeigte Effekt beruht jedoch nicht auf einem aussagekräftigen Vergleich:

- So liegt der Ethylacrylatanteil des Mattierungsmittels gemäß dem streitpatentgemäßen Beispiel bei 30 Gew.-% gegenüber 0 Gew.-% im Beispiel gemäß D3 ("neues Vergleichsbeispiel") und damit deutlich oberhalb des in D3 für das Comonomer offenbarten Bereichs von 0 bis 15 Gew.-%. Ferner wurde von den drei Beispielen der Patentschrift mit 10 Gew.-% (Beispiel 2), 20 Gew.-% (Beispiel 2) und 30 Gew.-% (Beispiel 3) Ethylacrylat die Variante mit dem von dem in D3 offenbarten Bereich am weitesten entfernt liegenden Wert verwendet;

- Der Vernetzeranteil des Mattierungsmittels gemäß dem streitpatentgemäßen Beispiel liegt bei 0,2 Gew.-% gegenüber 5 Gew.-% im Beispiel gemäß D3. Er liegt damit deutlich unterhalb des anspruchsgemäßen Grenzwertes von "weniger als 0,5 Gew.-%" und ebenfalls weit von dem in D3 offenbarten Bereich von 0,5 bis 10 Gew.-% entfernt.

Die Vergleichsversuche können somit nicht glaubhaft belegen, dass die von der Beschwerdegegnerin formulierte Aufgabe tatsächlich über den gesamten Anspruchsumfang gelöst wurde.

Die Kammer stimmt damit mit der Beschwerdeführerin überein, dass ausgehend von D3 die objektive technische Aufgabe weniger anspruchsvoll in der Bereitstellung einer alternativen mattierten Formmasse zu sehen ist.

4.6 Es ist zu prüfen, ob ausgehend von dieser Aufgabe die anspruchsgemäße Lösung nahelag.

4.6.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass sich die beanspruchte Formmasse von D3 prinzipiell nur in dem (infinitesimal) geringeren Vernetzeranteil von "weniger als 0,5 Gew.-%" gegenüber 0,5 Gew.-% in D3 unterscheide, da ja alle anderen Merkmale explizit in D3 offenbart seien. Es sei aber im Hinblick auf D6 (Seite 2, Zeilen 2/3; Seite 7, erster Absatz) nahegelegt, einen Vernetzeranteil von weniger als 0,5 Gew.-% einzusetzen, zumal durch den Unterschied zu D3 kein spezieller technischer Effekt gezeigt worden sei.

4.6.2 Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die erfinderische Tätigkeit nicht notwendigerweise einen speziellen technischen Effekt voraussetzt, sondern auch im Fall einer nicht naheliegenden Alternative zum Stand der Technik anerkannt werden kann. Nach Ansicht der Kammer beruht die Schlussfolgerung der Beschwerde führerin, dass der einzige Unterschied der beanspruchten Formmasse zu der in D3 offenbarten Formmasse im geringeren Vernetzeranteil liege, auf einer Betrachtungsweise, die rückschauend in Kenntnis der beanspruchten Erfindung angestellt wurde. Es müssen nämlich, wie bereits im Punkt 4.4 dargelegt, mehrere Merkmale aus verschiedenen einzelnen Teiloffenbarungen in D3 in einer bestimmten Weise kombiniert werden, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen. Die Kammer sieht daher den Unterschied nicht nur in dem geringeren Vernetzergehalt, sondern zusätzlich in dem Gehalt an Methylmethacrylat, sowie dem zwingenden Gehalt an Alkylacrylat als Comonomer in einer Menge von mindestens 5 Gew.-% in Kombination mit dem mittleren Teilchenradius von 100 nm bis 10 mym.

Der Fachmann wird sich bei der Betrachtung des in D3 offenbarten Standes der Technik zunächst daran orientieren, wie dieser in den Beispielen umgesetzt worden ist. Dem einzigen die Herstellung des Mattierungsmittels betreffenden Beispiel 2 von D3 kann der Fachmann jedoch nur eine Polymerzusammensetzung entnehmen,

- die einen Methylmethyacrylatgehalt außerhalb des beanspruchten Bereiches aufweist (47,5 Gew.-% im Beispiel der D3 gegenüber 50 bis 95 Gew.-% in Anspruch 1),

- in der kein C1-C6 Alkylacrylat enthalten ist und

- in der der Vernetzergehalt weit oberhalb der anspruchsgemäßen Obergrenze von weniger als 0,5 Gew.-%, nämlich bei 5 Gew.-% liegt.

Das im Beispiel fehlende C1-C6 Alkylacrylat (anspruchsgemäße Komponente b2)) wird in D3 lediglich als eine von mehreren optionalen Comonomeren offenbart (Seite 6, Zeile 20 bis 24). Tatsächlich liegt der Schwerpunkt der D3 jedoch auf Alkylmethacrylat als zusätzlicher Komponente (Beispiel 2 (Isobutylmethacrylat) sowie Spalte 6, Zeile 15-16 und Ansprüche 19 bis 21). Auch findet sich kein Hinweis, der den Fachmann dazu veranlassen könnte, den beispielhaft realisierten Vernetzergehalt von 5 Gew.-% deutlich unter den unteren Grenzwert des in D3 offenbarten Bereiches von 0,5 bis 10 Gew.-% zu reduzieren.

Die beanspruchte Formmasse ist daher aus D3 nicht nahegelegt.

4.6.3 Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin muss ein Naheliegen auch im Hinblick auf eine Kombination von D3 mit D6 verneint werden.

D6 offenbart eine mattierte Formmasse, die als Mattierungsmittel ein teilchenförmiges Polymer umfasst, welches

- 50 bis 100 Gew.-% eines Methylmethacrylats,

- 0 bis 50 Gew.-% eines Alkylacrylats oder Alkylmethacrylats und

- 0 bis 10 Gew.-%, beispielsweise 0,4 bis weniger als 2 Gew.-% eines copolymerisierbaren Vernetzers enthält

und welches eine gewichtsgemittelte Teilchengröße oberhalb 100 mym aufweist (Seite 2, Zeile 23 bis Seite 3, Zeile 2, Seite 6, Zeile 18 bis 25 und Seite 7, Zeile 23 bis 25). Das teilchenförmige Polymer kann durch eine Vielzahl von Polymerisationsmethoden hergestellt werden, beispielsweise Suspensionspolymerisation, Lösungspolymerisation, Emulsionspolymerisation oder Substanzpolymerisation (Seite 8, Zeile 21 bis 23).

Der nach einer Alternativen zu den mattierten Formmassen der D3 Ausschau haltende Fachmann müsste unter anderem aus den in D6 offenbarten Polymerisationsverfahren die Emulsionspolymerisation auswählen und hierbei einen Vernetzergehalt aus den in D6 offenbarten Bereichen auswählen, der im anspruchsgemäßen Bereich liegt. Jedoch lehrt D6 von einer solchen Mehrfachauswahl weg:

- Es wird auf Seite 8, dritter Absatz, Seite 10, letzter Absatz und Seite 11, zweiter Absatz der D6 explizit darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, dass die eingesetzten Partikel Ecken und Kanten aufweisen. Solche Ecken und Kanten werden durch das sich an die Substanzpolymerisation anschließende Mahlen erhalten. Entsprechend wird auch in den Ausführungsbeispielen 1-4 der D6 die Substanzpolymerisation eingesetzt. Somit konzentriert sich D6 eindeutig auf Mattierungsmittel, die durch Substanzpolymerisation mit anschließendem Mahlen, und nicht durch die anspruchsgemäße Emulsionspolymerisation hergestellt werden.

- Ferner liegt in keinem der Beispiele der Vernetzergehalt im anspruchsgemäßen Bereich.

4.7 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 und damit verbunden der Gegenstand der übrigen Ansprüche gegenüber D3 sowie D3 in Kombination mit D6 erfinderisch.

4.8 Dieselben Überlegungen gelten auch, wenn der Fachmann von D6 als nächstliegendem Stand der Technik ausgeht.

4.8.1 Auch hier stimmt die Kammer mit der Beschwerdeführerin überein, dass die objektive technische Aufgabe ausgehend von D6 darin besteht, eine alternative mattierte Formmasse bereitzustellen.

4.8.2 Aus der Offenbarung in D6 (siehe Punkt 4.6.3) müsste betreffend die Art der Polymerisation des Mattierungsmittels, die Teilchengröße, den Vernetzeranteil sowie die Polymerzusammensetzung des Mattierungsmittels eine Mehrfachauswahl getroffen werden, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen. Wie oben bereits dargestellt (Punkt 4.6.3), lehrt D6 vom anspruchsgemäßen Polymerisationsverfahren und dem anspruchsgemäßen Vernetzergehalt weg. Gleiches gilt für die mittlere Teilchengröße, da diese gemäß Seite 7, Zeile 23 bis 25 bei oberhalb 100 mym (entsprechend einem mittleren Teilchenradius von oberhalb 50 mym) und damit weit oberhalb des anspruchsgemäßen Bereiches liegt. Selbst wenn man zugunsten des Beschwerdeführers annimmt, dass der anspruchsgemäße mittlere Teilchenradius in Beispiel 5 der D6 offenbart ist, kann der Fachmann auch ausgehend von diesem Beispiel nicht zum Anspruchsgegenstand gelangen. Insbesondere werden in diesem Beispiel keine Emulsionspolymerisate sondern Suspensionspolymerisate eingesetzt und fehlt jegliche Information über die Polymerzusammensetzung und den Vernetzergehalt der kugelförmigen Partikel. Die anspruchsgemäße Alternative ist somit durch D6 nicht nahegelegt.

4.8.3 Ferner ergibt sich diese Alternative auch nicht in naheliegender Weise durch eine Kombination von D6 mit D3. Insbesondere würde der Fachmann auch unter Berücksichtigung der D3 nicht zum anspruchsgemäßen Vernetzergehalt gelangen, da, wie oben dargelegt, D3 ausschließlich Vernetzergehalte außerhalb des anspruchsgemäßen Bereiches offenbart. Ferner offenbart D3 zwar anspruchsgemäße mittlere Teilchenradien, dies jedoch nur in Verbindung mit Emulsionspolymerisaten, während sich D6 auf Substanzpolymerisate konzentriert. Die Art der Polymerisation hat jedoch einen Einfluss auf die Teilchenmorphologie. Daher lassen sich die in D3 offenbarten mittleren Teilchenradien nicht ohne weiteres auf D6 übertragen.

4.8.4 Vom Beschwerdeführer wurde noch vorgetragen, dass der Fachmann auch durch D5 dazu angehalten werde, das teilchenförmige Mattierungsmittel der D6 - wie anspruchsgemäß gefordert - durch Emulsionspolymerisation herzustellen, da die Emulsionspolymerisation ein übliches Polymerisationsverfahren sei. D5 stellt einen Auszug aus einem Lehrbuch dar, welcher sich mit verschiedenen Polymerisationsverfahren beschäftigt und unter anderem die Emulsionspolymerisation allgemein beschreibt. D5 bezieht sich an keiner Stelle auf mattierte Formmassen. Es bestand daher für den nach einer Alternative Ausschau haltenden Fachmann keinerlei Veranlassung, D5 zu Rate zu ziehen, geschweige denn die dort offenbarte Emulsionspolymerisation in D6 anzuwenden.

4.9 Die ausschließlich im schriftlichen Verfahren angezogenen Dokumente D1 und D2 betreffen Artikel mit glänzender Oberfläche und sind daher nicht als nächstliegender Stand der Technik geeignet. Da diesen Dokumenten eine andere Zielsetzung zugrunde liegt als die matte Oberflächen betreffenden Dokumente D3 und D6, eignen sie sich auch nicht zur Kombination mit D3 oder D6 als nächstliegender Stand der Technik.

4.10 Aus obigen Gründen wird der beanspruchte Gegenstand als eine nicht-naheliegende Alternative angesehen. Die erfinderische Tätigkeit wird daher anerkannt.

4.11 Nach Ankündigung der Kammer, dass der beanspruchte Gegenstand eine nicht naheliegende Alternative darstellt, zeigte sich die Beschwerdeführerin in der sich anschließenden Diskussion überrascht über die Zuerkennung einer erfinderischen Tätigkeit, obwohl keine Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik nachgewiesen wurde.

Die Kammer weist jedoch darauf hin, dass das Vorliegen eines vorteilhaften technischen Effekts keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ist und aus der Rechtsprechung der Beschwerdekammern keine Grundlage dafür abgeleitet werden kann. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch eine Alternative mit ähnlichen Eigenschaften wie der Stand der Technik als erfinderisch angesehen werden weil sie eine Bereicherung des Standes der Technik darstellt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall aus den obigen Gründen gegeben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation