T 1536/11 () of 2.8.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T153611.20120802
Datum der Entscheidung: 02 August 2012
Aktenzeichen: T 1536/11
Anmeldenummer: 05008211.4
IPC-Klasse: F25D 3/11
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 27 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Kühlen und/oder Gefrieren von Gegenständen
Name des Anmelders: Linde AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Hauptantrag: Erweiterung (ja)
Hilfsantrag: Neuheit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 6. April 2011, mit der die europäische Patentanmeldung No.05008211.4 zurückgewiesen wurde.

II. Die Prüfungsabteilung hatte im wesentlichen argumentiert, dass in der ursprünglichen Anmeldung zwar "eine Platte" bzw. "Reflektorplatte" beschrieben werde, jedoch das Merkmal "eben" weder in der Beschreibung noch in den Ansprüchen offenbart sei. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 4 vom 18. März 2010 erfülle also nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, weil die Merkmale "ebene Reflektorplatte" im Anspruch 1 und "von einer [.....] ebenen Platte" im Anspruch 4 über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen eingereichten Anmeldung hinausgingen.

III. In ihrem Bescheid vom 16. Dezember 2008 hatte die Prüfungsabteilung zudem Dokument US-A-5 454 232 (D5) gemäss den Richtlinien C-VI, 8.2 und 8.3 als besonders relevant für die Frage der Neuheit in das Prüfungsverfahren eingeführt.

IV. Die Patentanmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat mit Eingabe vom 3. Juni 2011, eingegangen am 8. Juni 2011, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdebegründung eingereicht. Die Beschwerdegebühr wurde am 9. Juni bezahlt.

V. Mit der Ladung vom 10. April 2012 zur mündlichen Verhandlung versandte die Kammer eine Mitteilung gemäss Artikel 15(1) VOBK, in welcher unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass die Kammer sich vorbehalte, im Rahmen ihres Ermessens gemäss Artikel 111(1) EPÜ nicht nur über die Erfordernisse der Artikel 83,84 und 123(2) EPÜ, sondern auch über die Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit unter anderem im Hinblick auf D5 zu entscheiden.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 2. August 2012 statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen: gemäss Hauptantrag oder Hilfsantrag, wie mit der Beschwerdebegründung vom 3. Juni 2011 eingereicht.

VII. Anspruch 1 gemäss Hauptantrag lautet:

"Vorrichtung zum Kühlen und/oder Gefrieren von Gegenständen (3) mit einem in einer Behandlungszone (1) angeordneten Transportband (2) zum Befördern der Gegenstände (3) durch die Behandlungszone (1) und oberhalb des Transportbandes (2) angebrachten Sprüheinrichtungen (4) zum Aufsprühen von Kühlmittel auf die Gegenstände (3),

dadurch gekennzeichnet, dass

das Transportband (2) als Maschenband ausgebildet ist und dass unterhalb des Transportbandes (2) ein Reflektorspiegel (9) angebracht ist, der als einfache, ebene Reflektorplatte ausgebildet ist, der abtropfendes Kühlmittel auffängt und sammelt, so dass die Unterseite des Transportbandes (2) mit flüssigem Kühlmittel in Kontakt bleibt."

Anspruch 1 gemäss Hilfsantrag ist gleich Anspruch 1 des Hauptantrags mit dem einzigen Unterschied, dass der Begriff "ebene" vor "Reflektorplatte" gestrichen wurde.

VIII. Argumente der Beschwerdeführerin

Hauptantrag

Artikel 123(2)

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin enthält das Wort "Platte" den Begriff "eben" defininitionsgemäss und ist schon daher eine rhetorische Tautologie. Sollte der Fachmann nicht wissen, was eine Platte ist, könne er im Lexikon nachsehen (z.B. Wikipedia).

Weiterhin stünden die Merkmale "einfache Reflektorplatte" und "Reflektorspiegel" in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4, Zeilen 21 bis 23 und gäben dem Fachmann einen Hinweis, dass hier ein ebenes Bauteil gemeint ist und nicht ein gewölbtes oder gewelltes, wie die Prüfungsabteilung vermutet.

Die Zeichnung zeige mit der Platte 9 ganz eindeutig ein ebenes Bauteil. Ein gewölbtes oder gewelltes Bauteil hätte eine grössere Tiefe und müsste anders gezeichnet sein.

Artikel 84

Die Begriffe "Reflektorspiegel" und "Reflektorplatte" seien klar, weil der Fachmann verstehe, dass damit Kälte zurückreflektiert werde. Es sei offensichtlich, dass die Vorrichtung nichts mit Lichtstrahlung zu tun habe.

Artikel 83

Der Fachmann verstehe, dass die ebene Reflektorplatte wie ein Flachdach wirke, um abtropfendes Kühlmittel aufzufangen und zu sammeln. Der im Anspruch 2 erwähnte Abstand von 0 bis 40mm stehe nicht im Widerspruch zu dem im Anspruch 1 genannten Kontakt des Transportbandes mit dem Kühlmittel auf der Platte, weil er die Nachgiebigkeit des Transportbandes unter verschiedenen Belastungen berücksichtige.

Somit sei dem Fachmann klar, dass ein ebenes Bauteil diese Funktionen erfüllen könne, so dass die Erfordernisse des Artikels 83 erfüllt sind.

Hilfsantrag

Artikel

Der Begriff "ebene" wurde gestrichen, so dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) erfüllt seien.

Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber D5 neu. D5 beschreibe zwar eine Vorrichtung zum Kühlen und/oder Gefrieren von Gegenständen mit einem in einer Behandlungszone angeordneten Transportband, bei der aber beim Befördern der Gegenstände durch die Behandlungszone die Unterseite des Transportbandes nicht mit flüssigem Kühlmittel in Kontakt bleibe. Auch bei der Vorrichtung gemäss Figur 2 der D5 sei die "Platte" gewölbt und damit in der Tat eine Wanne, so dass das Transportband entweder nicht in Kontakt mit flüssigem Kühlmittel oder vollständig eingetaucht sei.

Im Gegensatz dazu laufe bei der Vorrichtung gemäss Anspruch 1 das Transportband mit seiner Unterseite durch das flüssige Kühlmittel und bleibe damit mit diesem in Kontakt. Dies passiere dadurch, dass es auf der Platte schleife, auf der sich Flüssigkeit befinde.

Weiterhin sei, obwohl D5 ein "Gitter mit feinen Maschen" (siehe Spalte 2, Zeile 39) offenbare, die gesamte Lehre und der Schutz auf Transportbänder im Form von saugfähigen Polymerbändern beschränkt, die weniger durchlässig als das Maschenband der Vorrichtung gemäss Anspruch 1 seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1 Der Begriff "eben" erscheint nicht explizit in der ursprünglichen Beschreibung. Zudem ist aus der einzelnen Figur der Anmeldung die Form der Platte nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, weil lediglich eine Seitenansicht dargestellt ist.

2.2 Weiterhin ist die Funktion der Platte in der Beschreibung Seite 4, Zeilen 20 bis 23 folgendermassen dargestellt:

"Stickstoff wird durch den Reflektorspiegel 9, der beispielweise als einfache Reflektorplatte ausgebildet sein kann, aufgefangen und gesammelt, so dass die Unterseite des Transportbandes 2 mit flüssigem Stickstoff in Kontakt bleibt"

Die "einfache" Platte muss daher so gestaltet sein, dass sie flüssigen Stickstoff auffangen und sammeln kann. Die Erläuterung der Anmelderin, dass der Fachmann verstehen würde, dass die Platte wie ein Flachdach gestaltet ist und wirkt, überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass eine derartige Auslegung sich nicht aus der Beschreibung ergibt, sodass ein Mangel unter Artikel 83 EPÜ vorliegen würde, hat ein Flachdach nicht die Aufgabe, Wasser zu sammeln. Diese funktionellen Erfordernisse weisen daher vielmehr auf einen nicht-ebenen Aufbau hin, wie es z.B. in der Vorrichtung gemäss US-A-5454232 (D5) der Fall ist.

2.3 Zusammenfassend kann der Fachmann im Einklang mit den Erfordernissen des Artikels 83 mangels anderer Hinweise die Anmeldung nur so verstehen, dass die Platte einen nicht-ebenen Aufbau aufweisen soll, was auch nicht in Widerspruch zu den Erfordernissen des Artikels 84 steht. Damit ist aber der Begriff "eben" nicht eindeutig und unmittelbar aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu entnehmen, so dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) nicht erfüllt sind.

3. Hilfsantrag

3.1 Artikel 123

3.1.1 Im Hilfsantrag ist der Reflektorspiegel als "einfache Reflektorplatte" definiert, was durch die Beschreibung auf der ursprünglichen Seite 4 gestützt ist.

3.1.2 Somit sind die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt.

3.2 Artikel 84, Klarheit

3.2.1 Aus der Anmeldung sind keine besonderen, mit dem Zusatz "Reflektor" in den Begriffen "Reflektorspiegel" und "Reflektorplatte" verbundenen Eigenschaften zu entnehmen. Daher kann der Fachmann nur verstehen, dass die Platte irgendetwas reflektieren soll, sei es Kälte, wie die Anmelderin vorbringt oder etwas anderes, so dass dieser Zusatz, wenngleich nahezu selbstverständlich und damit überflüssig, nicht unklar ist.

3.3 Neuheit

3.3.1 Die Kammer ist ebenso wie die Prüfungsabteilung in Ihrem Bescheid vom 16. Dezember 2008 Abschnitt 2.1 der Auffassung, dass die Platte (4) der zweiten Ausführungsform der D5 (siehe die Figur 2) als einfache, (Reflektor)platte ausgebildet ist, die abtropfendes Kühlmittel auffängt und sammelt ("the supporting plate itself constitutes a trough for the recovering cryogenic liquid. It may then be slightly incurvated." - siehe Spalte 4, Zeilen 43 bis 45)). Der Begriff "slightly incurvated" ist dabei derart auszulegen, dass die Platte nur genügend leicht gewölbt ist, um das abtropfende Kühlmittel derart aufzufangen und zu sammeln, dass eine dünne Schicht von Kühlmittel auf der Platte gebildet ist (siehe Spalte 6, Zeilen 2 bis 4). Wie oben im Punkt 2.2 und 2.3 ausgeführt, entspricht dies genau dem, was sich der Fachmann auch beim Streitpatent unter einer einfachen Platte, die eine derartige Aufgabe erfüllen muss, vorstellen würde.

3.3.2 Die Platte der D5 ist auch ein "Reflektor"spiegel. Abgesehen davon, dass die Anmeldung diesem Begriff keine besondere Eigenschaft oder Bedeutung zuschreibt, ist sie aus Aluminium oder Edelstahl (siehe Spalte 4, Zeilen 23 bis 24) und würde damit entsprechend der Auslegung der Anmelderin ebenfalls Kälte reflektieren.

3.3.3 Das Argument der Anmelderin, dass bei der Vorrichtung gemäss Figur 2 der D5 die Unterseite des Transportbandes nicht mit flüssigem Kühlmittel in Kontakt bleibt, überzeugt nicht. Der Anspruch verlangt nicht, dass allein die Unterseite des Transportbandes ständig mit flüssigem Kühlmittel über die gesamte Länge der Platte in Kontakt bleibt. Vielmehr besagt dieses Merkmal nur, dass die Vorrichtung so ausgebildet sein soll, dass die Unterseite des Transportbandes bei Befördern der Gegenstände durch die Behandlungszone über eine gewisse Länge durch das auf der Platte gesammelte Kühlmittel läuft, was auch bei der D5 der Fall ist. Zudem gibt die D5 an, dass das Transportband im allgemeinen eine Dicke von 1 bis 20mm aufweist (siehe Spalte 4, Zeilen 10 bis 11) und für die Ausführungsform gemäss Figur 2, dass das flüssige Kühlmittel im zentralen Bereich der Platte ein Bad mit bis zu einer Tiefe von 1 bis 2mm bildet (siehe Spalte 6, Zeilen 2 bis 4). Daraus folgt auch, dass in weiten Bereichen der angegebenen Dicke und der Behandlungszone nur die Unterseite des Transportbandes im Kontakt mit dem Kühlmittel bleibt.

3.3.4 Weiterhin ist der im Anspruch 2 erwähnte Abstand vom 0 bis 40mm nur bei einer derartigen Auslegung sinnvoll, weil bei der von der Beschwerdeführerin angesprochenen Nachgiebigkeit des Transportbandes unter verschiedenen Belastungen die Kontaktlänge zwangsläufig unterschiedlich wird.

3.3.5 Das Transportband ("conveying band") der Vorrichtungen der D5 kann ein "Gitter mit feinen Maschen aus Metall oder Verbundwerkstoff" sein("a lattice with fine mesh which is metallic or made of composite material" - siehe Spalte 2, Zeile 39-40) sein. Hinsichtlich dieser expliziten Offenbarung kann die Kammer der Behauptung der Anmelderin, dass die gesamte Lehre der D5 auf saugfähige Polymerbänder beschränkt sei, so dass ein als Maschenband ausgebildetes Transportband nicht offenbart sei, nicht folgen.

3.3.6 Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags hinsichtlich der Ausführungsform gemäss Figur 2 der D5 nicht neu.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesem Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation