T 1511/11 () of 20.9.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T151111.20130920
Datum der Entscheidung: 20 September 2013
Aktenzeichen: T 1511/11
Anmeldenummer: 06761699.5
IPC-Klasse: F16L 25/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 128 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wellrohrleitung
Name des Anmelders: AZ Pokorny S.R.O.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Beauftragung eines Gutachters (nein)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Anmelderin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 06 761 699.5 zurückgewiesen worden ist.

II. Die Zurückweisung der Anmeldung wurde in der angefochtenen Entscheidung mit einem Mangel an erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973) begründet.

III. Am 20. September 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der als Hauptantrag und als Hilfsantrag mit Schreiben vom 20. August 2013 eingereichten Ansprüche 1 bis 9 zu erteilen.

Zudem wurde beantragt, dass die Beschwerdekammer einen Gutachter zur Klärung der Frage, ob bezüglich der Merkmalsgesamtheiten gemäß den Patentansprüchen 1 und/oder 2 vom Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit auszugehen ist, beauftragt.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"Wellrohr- oder Wellschlauchleitung, enthaltend

ein Wellrohr (1); (33)

und wenigstens eine Anschlusseinheit, wobei

das Wellrohr (1); (33) mit einem hülsenförmigen Bauteil druckdicht verbunden ist,

das hülsenförmige Bauteil in seiner Mantelfläche jeweils wenigstens eine Nut zur Aufnahme von Dichtelementen und Mittel zur axialen Sicherung übergeschobener Bauteile hat,

ein äußeres Bauteil (11) eine zur Mantelfläche des hülsenförmigen Bauteils kompatible Bohrung, in derselben Mittel zur axialen Sicherung gegenüber dem hülsenförmigen Bauteil und an seiner Stirnseite anschlusskompatible Elemente hat,

wobei

das hülsenförmige Bauteil nach Herstellung eines Leitungsanschlusses drehbar ist,

dergestalt, dass

das Wellrohr (1) mit seiner endseitigen Stirnseite (2) zur Stirnseite (3) einer inneren Hülse (4) und (26) koaxial ausgerichtet ist,

Wellrohr (1); (33) und innere Hülse (4); (26); (34) fest miteinander verbunden sind,

die Verbindungsstelle zwischen Wellrohr (1) und innerer Hülse (4) und (26) durch eine Manschette (6) überdeckt ist,

die innere Hülse (4); (26) an ihrer Außenseite (8) eine Nut (9) zur Aufnahme eines Sprengringes (10) hat,

die innere Hülse (4) und (26) an ihrer Außenseite (8) eine Nut (13) zur Aufnahme eines Dichtringes (14) hat, ein äußeres Bauteil (11) an der Innenseite (15) seiner Bohrung (16) eine Nut (12) hat, die den Sprengring (10) aufnimmt,

innere Hülse (4) und (26) sowie äußeres Bauteil (11) durch die Nuten (9) und (12) und den Sprengring (10) in axialer Richtung fixiert sind

und die innere Hülse (4); (26) im äußeren Bauteil (11) nach Herstellung eines Leitungsanschlusses drehbar ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

die innere Hülse (4) und (26) an ihrer Außenseite (8) eine Nut (18) zur Aufnahme eines intumeszierenden Bauteils (17) hat und darin ein intumeszierendes Bauteil (17) angeordnet ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch seinen kennzeichnenden Teil, der wie folgt lautet:

"dadurch gekennzeichnet, dass

die innere Hülse (4) und (26) an ihrer Außenseite (8) eine Nut (18) zur Aufnahme eines intumeszierenden Bauteils (17) hat und darin ein intumeszierendes Bauteil (17), das ein Zuschnitt aus einem Halbzeug oder im Ausgangszustand pastös und nach dem Einbringen in die Nut (18) verfestigt ist, angeordnet ist."

VI. Die vorliegende Entscheidung bezieht sich auf die Dokumente

D1: US-A-2004/0212191,

D2: WO-A-00/15995 und

D8: DE-A-199 48 007.

VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Da europäische Patente auch später noch Gegenstand von Überprüfungsverfahren seien, zum Beispiel vor dem deutschen Bundesgerichtshof, bei denen häufig technische Gutachter zugezogen würden, sei ein Gutachter auch in Beschwerdeverfahren des europäischen Patentamts sinnvoll. Im vorliegenden Fall gehe es um das Einbringen eines intumeszierenden Bauteils ins Innere einer Leitungsverbindung jedweder Art, was den Durchschnittsfachmann überfordere. Deshalb sei es wünschenswert, einen technischen Gutachter zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit beizuziehen.

Bei Wellrohren aus hartem Stahl sei es wichtig, sie torsionsfrei zu gestalten, da bei einer Torsionsbelastung Risse im Stahl entstehen könnten. Damit bei einer Drehung das Wellrohr spannungsfrei bleiben könne, müsse die Leitungsverbindung leicht bewegbar sein. Dokument D1 beschreibe eine drehbare torsionsfreie Leitungsverbindung. Mit den dabei als Abdichtung der Leitungsverbindung eingesetzten elastischen Rundringen ließen sich zwar die normalen Dichtigkeitsvorschriften einhalten. Werde die Leitung aber für eine Gasinstallation verwendet, müsse die Abdichtung der Leitungsverbindung auch feuerfest sein. Mit dem Rundring als Abdichtung sei dies jedoch nicht erreichbar. Übliche hitzebeständige Dichtungsringe aus Fluor-Kohlenstoff seien nur bis ca. 400 ºC brauchbar und behinderten zudem die Drehbarkeit der Leitungsverbindung. Anwendbare Formen intumeszierender Stoffe stünden nicht zur Verfügung. Es könne zwar bei einer feuerfesten Leitungsverbindung hingenommen werden, dass die Drehbarkeit im Brandfall verloren gehe, jedoch bestehe die Gefahr, dass die aufquellende Dichtung die Leitungsverbindung zerstöre, da intumeszierende Stoffe das 1000-fache ihres Ausgangsvolumens annehmen könnten. Die in Dokument D2 vorgeschlagenen Werkstoffe für den zusätzlichen Dichtungsring könne man mit einem Treibmittel versehen, das jedoch beim Spritzgießen verbraucht werde. Weiteres Treibmittel nach dem Spritzgießen auf die Oberfläche des Dichtrings aufzutragen, sei eine untaugliche Maßnahme. Dokument D2 beschreibe somit eine nicht durchführbare Lösung. Der Gedanke, den zusätzlichen Dichtring des Dokuments D2 auf Dokument D1 zu übertragen, sei das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtungsweise. Deshalb beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag zeige die praktisch machbare Ausführung für das intumeszierende Bauteil. Es gehe aber bei diesem Anspruch nicht darum, aus einem Angebot von Materialien auszuwählen. Die Erfindung liege in der intumeszierenden Abdichtung an sich. Intumeszierende Materialien gehörten nicht zum Kenntnisstand eines Entwicklers von Leitungsverbindungen. Wegen der Gefahr der Zerstörung der Leitungsverbindung habe ein großes Hindernis bestanden, solche Stoffe als Dichtungsmaterial zu verwenden.

Entscheidungsgründe

1. Beauftragung eines Gutachters

Im vorliegenden Fall setzt sich die Beschwerdekammer, wie in Artikel 21(3)a) EPÜ 1973 vorgesehen, aus zwei technisch vorgebildeten Mitgliedern und einem rechtskundigen Mitglied zusammen. Dies hat der Gesetzgeber so vorgesehen, damit sowohl technische als auch juristische Fragestellungen in der Regel ohne Hinzuziehen von Sachverständigen, die das Verfahren beträchtlich verteuern und verzögern würden, bearbeitet werden können. Die Begutachtung eines technischen Sachverhalts durch einen Sachverständigen bzw. dessen Vernehmung wird eine Beschwerdekammer gemäß Regel 117 EPÜ nur dann veranlassen, wenn sie dies für erforderlich hält.

Dies ist in dieser Beschwerdesache nicht notwendig gewesen. Die vorliegende Anmeldung betrifft nämlich eine Wellrohrleitung mit einer drehbaren Anschlusseinheit, wie sie beispielsweise aus Dokument D1 bekannt ist. Aus der Anmeldung ergibt sich, dass die Anschlusseinheit auch bei hohen Temperaturen, also z.B. im Falle eines Brandes noch wirksam abgedichtet sein soll. Feuerfeste Abdichtungen von Rohrleitungen sind aus den Dokumenten D2 und D8 bekannt, die den Einsatz intumeszierender Dichtungen lehren.

Aufgrund des in der Kammer vorhandenen technischen Sachverstands, haben deren Mitglieder keine Bedenken, die keineswegs komplexen technischen Sachverhalte und die sich daraus ergebenden patentrechtlichen Konsequenzen zutreffend beurteilen zu können.

Da es somit keines technischen Gutachters bedurfte, hat die Kammer dem entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Dokument D1 offenbart in der Ausführungsform gemäß Figur 7, beschrieben in den Absätzen [0040] bis [0043], eine Wellrohrleitung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Diese Tatsache war im Verfahren unbestritten, so dass sich nähere Ausführungen hierzu erübrigen.

Diese Ausführungsform löst somit bereits den Teil der auf Seite 2, Zeilen 24 bis 26 der PCT-Veröffentlichung der Anmeldung bzw. auf Seite 3, Zeilen 26 bis 28 der am 20. August 2013 eingereichten Ersatzseiten definierten Aufgabe, der sich auf die Drehbarkeit des Anschlussstücks bezieht.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von diesem Stand der Technik dadurch, dass die innere Hülse an ihrer Außenseite eine Nut zur Aufnahme eines intumeszierenden Bauteils hat und darin ein intumeszierendes Bauteil angeordnet ist.

Die Aufgabe, die mit diesem unterschiedlichen Merkmal zu lösen ist, besteht darin, im Falle eines Brandes oder anderweitiger Einwirkung von Übertemperaturen die Dichtheit der Wellrohrleitung zu gewährleisten (siehe Seite 2, Zeilen 26 bis 29 der PCT-Veröffentlichung bzw. Seite 3, Zeilen 28 bis 30 der Ersatzseiten).

Diese Aufgabe ergibt sich allein aus dem Einsatzzweck der Wellrohrleitung. Erfordert dieser eine sichere Abdichtung auch im Falle eines Brandes, so wird ein Fachmann durch entsprechende Maßnahmen dafür Sorge tragen müssen, diese sichere Abdichtung zu ermöglichen.

Wie Dokument D2 lehrt, kann man für eine hitzebeständige Abdichtung von Rohranschlüssen einen Dichtring aus intumeszierendem Material verwenden, der in eine Nut des Rohranschlussstücks eingesetzt wird (siehe Seite 1, Zeile 4 bis Seite 3, Zeile 24, Seite 9, Zeile 16 bis Seite 10, Zeile 10 und Figur 1). Dabei ist nicht erkennbar, dass es sich um eine untaugliche Ausführung handeln könnte. Hinweise, dass ein Aufblähen des intumeszierenden Dichtungsmaterials nur beim Spritzgießen des Dichtelements auftritt, sind dem Dokument nicht zu entnehmen. Vielmehr wird eindeutig ausgeführt, dass sich das in das Anschlussstück eingesetzte Dichtelement bei Hitzeeinwirkung aufbläht. Andernfalls wäre die beschriebene Abdichtung auch gar nicht erreichbar. Es gibt auch keine Hinweise, dass das sich aufblähende Dichtelement die Rohrleitung zerstören könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Fachmann das intumeszierende Dichtungsmaterial und seinen Einsatzort so auslegen wird, dass eine Zerstörung nicht zu befürchten ist. Es spricht somit nichts dagegen, einen solchen Dichtring auch in einer Rohrverbindung gemäß Dokument D1 einzusetzen, wenn diese einem Einsatzzweck zugeführt werden soll, der einen Brandschutz erfordert. Dabei kann der Fachmann entweder einen der beiden schon vorhandenen Dichtringe durch einen Dichtring aus intumeszierendem Material ersetzen oder zusätzlich einen solchen Dichtring anbringen. In beiden Fällen gelangt er zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Da das Volumen des intumeszierenden Materials im Normalzustand gering ist, ist davon auszugehen, dass die Torsionsfreiheit des Anschlussstücks durch diesen Dichtring nicht beeinträchtigt wird. Der Verlust der Torsionsfreiheit im Brandfall ist hinzunehmen, wie auch die Beschwerdeführerin ausgeführt hat, da aufgrund geltender Vorschriften nach einem Brandfall ohnehin ein Austausch der Rohrleitung bzw. des Anschlussstücks vorzunehmen ist. Deshalb sprechen diese Erwägungen nicht dagegen, auch bei der drehbaren Anschlusseinheit einer Wellrohrleitung ein intumeszierendes Dichtelement einzusetzen, wenn Feuerfestigkeit gefordert wird. Somit ist die Anwendung der Lehre des Dokuments D2 auf die Rohrverbindung des Dokuments D1 naheliegend.

In gleicher Weise lehrt Dokument D8 (siehe die Zusammenfassung und die Abbildung auf der Titelseite) dem Fachmann den Einsatz von Dichtringen aus intumeszierendem Material bei einer feuerfesten Verbindung eines Wellrohres mit einem Anschlussstück. Auch diesem Dokument sind keine Hinweise zu entnehmen, die dem Fachmann derartige Dichtringe bei einer drehbaren Leitungsverbindung als ungeeignet erscheinen lassen könnten. Die aufgrund der Aufgabenstellung naheliegende Anwendung der Lehre des Dokuments D8 auf die Leitungsverbindung des Dokuments D1 führt somit ebenfalls zum Gegenstand des Anspruchs gemäß Hauptantrag.

2.2 Im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist zusätzlich angegeben, dass das intumeszierende Bauteil ein Zuschnitt aus einem Halbzeug oder im Ausgangszustand pastös und nach dem Einbringen in die Nut verfestigt ist. Dieses Merkmal stellt jedoch nur eine Auswahl aus dem handelsüblichen Angebot intumeszierender Stoffe dar. Wie sich aus Spalte 1, Zeilen 54 bis 59 des Dokuments D8 ergibt, werden solche Stoffe als Formteil, also Halbzeug, oder als pastöse Masse angeboten. Der Fachmann wird sich in Einklang mit den Gegebenheiten das geeignete Dichtungsmaterial aus dem Angebot auswählen.

2.3 Zusammenfassend ist festzustellen, dass weder der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag noch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ 1973).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation