European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T141611.20130730 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 30 Juli 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1416/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07006626.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29C 45/46 B29C 45/27 B29C 45/57 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Einrichtung zum Expansionsspritzgiessen | ||||||||
Name des Anmelders: | ENGEL AUSTRIA GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 07 006 626.1 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.
II. Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf folgende Dokumente:
D1: AT-A-500 870,
D3: US-A-3 052 925,
D4: XP 8041577 (Steinbichler, Lampl, Pöttler, "Rekordverdächtig dünn", Kunststoffe 12/2004, Seiten 126 bis 134) und
D5: GB-A-882 574.
III. Die Zurückweisung erfolgte unter Hinweis auf vorangegangene Bescheide nach einem Antrag der Beschwerdeführerin auf Entscheidung nach Aktenlage.
Die Prüfungsabteilung war darin der Auffassung, dass der Anmeldung nicht die beanspruchte Priorität AT 6342006 vom 12. April 2006, sondern nur der europäische Anmeldetag 30. März 2007 zukomme, weil dieselbe Erfindung bereits in der am 2. Dezember 2004 eingereichten und am 15. April 2006 veröffentlichten Anmeldung D1 offenbart worden sei. Darüber hinaus hat sie ausgeführt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
IV. Am 30. Juli 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgelegten Hauptantrags zu erteilen. Die im schriftlichen Verfahren gestellten Anträge wurden zurückgenommen.
VI. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Einrichtung zum Expansionsspritzgießen mit der von einer Hauptdruckquelle unter Druck gesetzte Kunststoffschmelze aus einem Speicherraum mit absperrbarem Ausgang in einen Formhohlraum durch Expansion der unter Druck gespeicherten Kunststoffschmelze, gegebenenfalls unterstützt durch elastische Verformung der Wandung des Speicherraums und/oder der Wandung eines zum Speicherraum führenden Kanals, einspritzbar ist, dadurch gekennzeichnet dass der Speicherraum(4) in einer den Formhohlraum (3) bildenden Form (1) angeordnet ist und ein zusätzlicher Druckspeicher und/oder eine zusätzliche Druckquelle vorgesehen ist (sind), wobei der zusätzliche Druckspeicher und/oder die zusätzliche Druckquelle in der Form (1) angeordnet ist (sind) und wobei der zusätzliche Druckspeicher und/oder die zusätzliche Druckquelle dazu geeignet ist (sind), zusätzlichen Druck beim Einspritzen der Kunststoffschmelze in den Formhohlraum (3) auf die Kunststoffschmelze auszuüben, um den Formhohlraum (3), vorzugsweise vollständig, zu füllen."
VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Nächster Stand der Technik sei Dokument D4, von dem sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Merkmale seines kennzeichnenden Teils unterscheide. In Dokument D4 werde lediglich darauf hingewiesen, dass der Speicherraum möglichst nahe an die Werkzeugkavität heranrücken solle. Einen Hinweis, ihn in der Form anzuordnen, gebe es aber nicht. Auch sei ein zusätzlicher Druckspeicher bzw. eine zusätzliche Druckquelle darin nicht offenbart.
Die Dokumente D3 und D5 eigneten sich nicht zur Kombination mit Dokument D4, da sie sich auf hydraulisch angetriebene Maschinen bezögen, während sich Dokument D4 mit einer elektrisch angetriebenen Maschine befasse. Darüber hinaus sei bei Dokument D3 der zusätzliche Druckspeicher weit außerhalb der Form angebracht. Ihn in die Form zu verlagern, sei dabei nicht möglich und deshalb auch nicht nahegelegt. Bei Dokument D5 sei die zusätzliche Druckquelle entweder an einem eigenen Rahmen außerhalb der Form angebracht oder durch eine abgeteilte Kammer gebildet, wobei die Funktionsweise unklar bleibe. So könne auch Dokument D5 nicht dazu anregen, die zusätzliche Druckquelle in der Form anzubringen.
Damit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Im Prüfungsverfahren wurde festgestellt, dass der Gegenstand des in Frage stehenden Anspruchs 1 nicht neu gegenüber Dokument D1, die Erfindung deshalb schon darin gezeigt und damit die beanspruchte Priorität nicht gültig sei.
Bei der Frage, ob der vorliegenden Anmeldung die Priorität AT 6342006 vom 12. April 2006 zukommt oder ob die Erfindung schon in Dokument D1, veröffentlicht am 15. April 2006, gezeigt und damit diese Priorität nicht gültig ist, geht es jedoch nicht darum, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber Dokument D1 ist, sondern darum, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 unmittelbar und eindeutig aus dem Dokument D1 entnehmbar ist (vgl. G 2/98, ABl. EPA 2001, 413, und die entsprechenden Richtlinien für die Prüfung im europäischen Patentamt F-VI, 2.2, früher C-V, 2.2).
Ein zusätzlicher Druckspeicher bzw. eine zusätzliche Druckquelle im Sinne des Anspruchs 1 geht jedoch aus Dokument D1 nicht unmittelbar und eindeutig hervor. Damit handelt es sich bei der Einrichtung zum Expansionsspritzgießen des Dokuments D1 und beim Gegenstand des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung nicht um dieselbe Erfindung, weshalb die beanspruchte Priorität der Anmeldung gültig ist.
Dokument D1 stellt somit aufgrund seines Veröffentlichungsdatums keinen Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ und als österreichisches Dokument auch keinen Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ dar.
2. Im Hinblick auf die im Prüfungsverfahren erhobenen Beanstandungen ist auch festzuhalten, dass Anspruch 1 einen zusätzlichen Druckspeicher bzw. eine zusätzliche Druckquelle beansprucht. Damit kann aber nicht die Verformung der Wandung des Speicherraums und des in diesen führenden Kanals gemeint sein, denn diese Komponenten sind ja schon Bestandteile der Spritzgießmaschine, die zwangsläufig als Druckspeicher bzw. Druckquelle wirken. Sie sind also keine zusätzlichen Druckspeicher bzw. -quellen.
3. Dokument D4 offenbart eine Einrichtung zum Expansionsspritzgießen mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Es wird in diesem Dokument darauf hingewiesen, dass der druckbeaufschlagte Schmelzspeicher möglichst nahe an die Werkzeugkavität heranrücken solle (vgl. Seite 129, mittlere Spalte, vorletzter Absatz). Diese Aussage gibt dem Fachmann die Anregung, diesen Speicher, dann wenn es die Verhältnisse erlauben, auch in der Form selbst unterzubringen. Es handelt sich dabei also um eine Maßnahme, die der Fachmann in Einklang mit den Gegebenheiten trifft.
Ein zusätzlicher Druckspeicher oder eine zusätzliche Druckquelle im Sinne des Anspruchs 1 ist bei der Einrichtung gemäß Dokument D4 nicht vorgesehen. Es findet sich dazu auch keinerlei Hinweis oder Anregung.
Der vorliegenden Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, sicherzustellen, dass nach erfolgtem Druckausgleich ein ausreichender Restdruck vorhanden ist, der eine Nachdruckfunktion für den Schwingungsausgleich der abkühlenden Schmelze übernimmt (vgl. Absatz [0004]). Gelöst wird sie durch den in der Form angeordneten zusätzlichen Druckspeicher und/oder die in der Form angeordnete zusätzliche Druckquelle.
Mit zusätzlichen Druckquellen bzw. Druckspeichern beim Expansionsspritzgießen befassen sich auch die Dokumente D3 und D5. Ein Fachmann wird diese Dokumente nicht deshalb schon außer Acht lassen, weil sie nicht wie Dokument D4 einen elektrischen Antrieb sondern hydraulische Antriebe verwenden, da die Art des Antriebs auch in Einklang mit den Gegebenheiten getroffen wird. Der Fachmann bekommt aber aus diesen Dokumenten keine Anregung, den zusätzlichen Druckspeicher bzw. die zusätzliche Druckquelle in der Form anzuordnen.
Bei Dokument D3 sitzt die zusätzliche Druckquelle in Form einer Feder zwischen der Kolbenstange 85 und dem Einspritzkolben 90 (vgl. Figur 6 und Spalte 4, Zeilen 4 bis 17), was einer Position am oberen Ende der in Figur 1 gezeigten Anordnung entspricht. Eine so gestaltete Druckquelle aus dieser Position in die Form zu verlagern, ist technisch weder möglich noch sinnvoll, sodass Dokument D3 auch nicht dazu anregen kann, in der Form eine zusätzliche Druckquelle vorzusehen.
Ähnlich verhält es sich im Hinblick auf Dokument D5. Dabei wirkt die zusätzliche Druckquelle in einer Ausführungsform mit einer außerhalb der Form an einem Rahmen montierten Druckkammer zusammen (vgl. Seite 2, Zeilen 96 bis 111). In einer anderen Ausführungsform wird die zusätzliche Druckquelle von einer durch eine Membran abgeschlossenen, mit komprimierbarem Fluid gefüllten Kammer gebildet (vgl. Seite 3, Zeilen 99 bis 113). In beiden Fällen wäre es, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand technisch möglich, die Druckquelle in die Form zu verlagern, so dass auch Dokument D5 dazu keine Anregung geben kann.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung Spalten 1 und 2, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung;
Beschreibung Spalten 3 bis 8 der A1-Schrift;
Ansprüche 1 bis 15, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung;
Zeichnungen, Figuren 1 bis 6 der A1-Schrift.