European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T129111.20140402 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 02 April 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1291/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03722033.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B61D 17/20 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Personenübergang für einen Triebwagen | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens Transportation Systems GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Hübner GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Offenkundigkeit der Vorbenutzung (ja) Verletzung des rechtlichen Gehörs (nein) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 513 716 wurde mit der am 11. April 2011 zur Post gegebenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung widerrufen. Dagegen hat die Patentinhaberin am 10. Juni 2011 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 4. August 2011 eingereicht.
II. Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Schienenfahrzeug mit einem Wagenkasten (1) und einem Untergestell (2), wobei an einer Stirnseite des Wagenkastens (1) eine Türöffnung (3) vorgesehen ist, und in einem Abstand von dem Wagenkasten (1) vor der Türöffnung (3) ein zumindest mit dem Wagenkasten (1) verbundener Kuppelrahmen (4) und zwischen dem Kuppelrahmen (4) und dem Wagenkasten (1) ein Wellenbalg (5) angeordnet ist, wobei eine Kuppelvorrichtung (6) zum automatischen Kuppeln von Schienenfahrzeugen mit dem Untergestell (2) verbunden ist, und der Kuppelrahmen (4) in vertikaler Richtung bewegbar an dem Wagenkasten (1) angelenkt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Kuppelrahmen (4) an der Kuppelvorrichtung (6) um eine im Wesentlichen horizontale, parallel zur Türöffnung (3) gelegene physische Achse (A) drehbar gelagert ist."
III. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung fand die Anhörung des von der Einsprechenden angebotenen Zeugen Norbert Melzer statt (siehe Abschrift der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Punkt 6 und 8) und die Einspruchsabteilung kam zu folgendem Ergebnis: "die Einspruchsabteilung ist der Auffassung, dass durch die glaubhaften Aussagen des Zeugen bewiesen worden ist, dass vor dem Prioritätstag ein Personenübergang in Verbindung mit einer automatischen Kupplung gemäß Zeichnungen 2a-2c in einem Schienenfahrzeug in Taipei öffentlich zugänglich gemacht wurde. Damit gehört die offenkundige Vorbenutzung zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ". Weiterhin kam die Einspruchsabteilung auch zu folgendem Ergebnis (siehe Abschrift der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Punkt 10): "in Ergänzung zur offenkundigen Vorbenutzung durch Betrieb eines Schienenfahrzeugs in Taipei sieht die Einspruchsabteilung aufgrund einer gewöhnlichen Kunden-Lieferanten-Beziehung der Firmen Fiat SIG AG und Siemens AG keine Geheimhaltung bezüglich der Lieferung von Personenübergängen an die Firma Siemens gegeben. Mit der Lieferung der Personenübergänge an die Siemens AG wurden diese Bestandteil des Stand der Technik laut Artikel 54 (2) EPÜ" (siehe diesbezüglich auch Punkt 10 der angefochtenen Entscheidung).
IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs beantragt. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Hilfsweise hat sie die Anberaumung eines Termins für eine mündliche Verhandlung für den Fall, dass dem Hauptantrag im schriftlichen Verfahren nicht stattgegeben werden kann, beantragt.
V. Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, dass die angefochtene Entscheidung deswegen aufzuheben sei, weil, entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung, einerseits die Lieferung von Personenübergängen an die Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH (im Folgenden als Siemens SGP bezeichnet) durch die FIAT-SIG Schienenfahrzeuge AG (im Folgenden FIAT-SIG), gestützt durch die Anlagen 2a (Zusammenbauzeichnung Personenübergang Verpackungszustand von FIAT-SIG Verkehrstechnik GmbH vom 02.11.95 mit der Zeichnungsnummer 1 259 514), 2b (Einzelteilzeichnung/Abstützung von FIAT-SIG Verkehrstechnik GmbH vom 17.01.1994 mit der Zeichnungsnummer 1 259 505), 2c (Zeichnung der Firma Dellner Couplers betreffend eine automatische Kupplung M-2/Taipei vom 24.03.1994), 2d (Strukturblatt über die Zeichnungen), 2e (Rechnung vom 30.06.1999), 2f (Übersichtszeichnung E 1 259 500-2), 2g (Einzelteilzeichnung 1 259 075 gemäss Figur 3 aus Anlage 2a) und 2h (Einzelteilzeichnung 1 259 008 gemäss Figur 4 aus Anlage 2a), keine öffentliche Zugänglichkeit der Personenübergänge impliziere. Somit repräsentiere die geltend gemachte Vorbenutzung keinen Stand der Technik nach Art. 54 (2) EPÜ. Andererseits sei der Betrieb eines Schienenfahrzeugs in Taipei erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geltend gemacht worden. Der vorangehende Schriftverkehr biete keinen Hinweis darauf, dass dieser Betrieb während der mündlichen Verhandlung diskutiert werden würde. Die Patentinhaberin habe also keine Gelegenheit gehabt, die diesbezüglichen Angaben des Zeugen zu überprüfen und eine Stellungnahme oder Beweismittel dazu einzureichen. Damit liege ein Verstoß gegen Art. 113 (1) EPÜ vor.
Zum ersten Punkt sei insbesondere zu bemerken, dass die Lieferung der Personenübergänge einer Geheimhaltungsvereinbarung unterlegen habe, wie es sich aus dem folgenden Punkt 15 der aktuellen Einkaufsbedingungen (aus dem Jahr 2010) der Siemens Gruppe in Österreich ergebe:
"15. Geheimhaltung, Datenschutz
15.1 Der AN (Auftragnehmer) verpflichtet sich zur Geheimhaltung der ihm im Zusammenhang mit dem Auftrag über SIEMENS oder den Gegenstand des Auftrages zur Kenntnis gelangenden Informationen, soweit sie nicht allgemein oder ihm auf andere Weise rechtmäßig bekannt sind. Weiters verpflichtet sich der AN die von ihm in Erfüllung des Auftrages von SIEMENS erarbeiteten Ergebnisse oder Teilergebnisse geheim zu halten und ausschließlich für die Erfüllung dieses Auftrages zu verwenden. Sollte sich der AN zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten eines Dritten bedienen, so hat er diesen Dritten vertraglich zu einer entsprechenden Geheimhaltung zu verpflichten."
Eine solche Absicherung des Know-hows sei wegen der Bedeutung der Technologie für den wirtschaftlichen Erfolg eines Schienenfahrzeugs notwendig. Aus diesem Grund könne eine Lieferung auf Basis einer Kunden-Lieferanten Beziehung an die Patentinhaberin keine offenkundige Vorbenutzung darstellen. Es sei zwar nicht gelungen, entsprechende Bestimmungen aus dem Jahre 1999 zu beschaffen, es könne aber davon ausgegangen werden, dass die damals geltenden Bestimmungen im Wesentlichen gleichlauteten.
Zum zweiten Punkt werde bemerkt, dass weder klar sei, ob tatsächlich und gegebenenfalls wann ein Fahrzeug mit den erfindungswesentlichen Merkmalen in Taipei eingesetzt worden sei, noch könne die öffentliche Zugänglichkeit aller Merkmale überprüft werden. Das Vorliegen dieser konkreten Umstände habe durch die Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht überprüft werden können und damit habe sich die Beschwerdeführerin zu den Argumenten auch nicht auf sachlicher Basis äußern können.
Insgesamt ergebe sich also, dass weder die Lieferung von Personenübergängen noch der Betrieb eines Schienenfahrzeugs den Widerruf des Patents begründen könne.
VI. Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass zwischen Siemens SGP und Fiat SIG ein ganz normales Kunden-Lieferantenverhältnis bestanden habe und sich daraus keine Veranlassung zur Geheimhaltung ergebe. Daran könnten auch die Einkaufsbedingungen von Siemens nichts ändern, wobei diese bereits vom Datum her in keinem Zusammenhang mit der offenkundigen Vorbenutzung aus dem Jahr 1999 stünden. Der explizite Hinweis "Project Metro Taipei" auf den Rechnungen an Siemens (Anlage 2e) sowie auf der Übersichtszeichnung (Anlage 2f) zeige ebenfalls, dass keine Verpflichtung zur Geheimhaltung vorgelegen habe, da beide Vertragsparteien von Beginn an gewusst hätten, dass die von Fiat SIG gelieferten Personenübergänge zum Einsatz bei den Verkehrsbetrieben in Taipei bestimmt gewesen seien. Denn bei dieser Gelegenheit sei spätestens deutlich gewesen, wie die Personenübergänge im Einzelnen ausgebildet seien, da die Züge durch Entkuppeln einzelner Fahrzeuge häufig neu zusammengestellt würden. Hierbei werde der Aufbau der Personenübergänge im Detail deutlich. Der Hinweis auf das Projekt Metro Taipei sei eindeutig als Hinweis auf den Bestimmungsort der Fahrzeuge zu verstehen. Insofern sei die besagte Lieferung im Jahre 1999 an die Firma Siemens gleichzusetzen mit der Lieferung der Fahrzeuge nach Taipei. Dies umso mehr, als der Empfänger der Sendung die Firma Elsbeth GmbH in Hamburg sei, die für den Transport der Personenübergänge zuständig gewesen sei. Folglich sei auch durch den Betrieb der Fahrzeuge in Taipei genau das erkennbar gewesen, was auch Gegenstand der zum Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung eingereichten Zeichnungen sei, wie auch der Zeuge Norbert Melzer ausdrücklich bestätigt habe.
Betreffend die Anhörung des Zeugen Norbert Melzer zur offenkundigen Vorbenutzung in Taipei sei eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht erkennbar, denn die Beschwerdeführerin habe sich zu den Aussagen des Zeugen, sowie zu den entscheidungserheblichen Gründen während der mündlichen Verhandlung äußern können. Es liege in der Natur einer derartigen Beweisaufnahme, dass im Vorhinein nicht bekannt sei, welche relevanten Aussagen sich während der mündlichen Verhandlung ergäben. Aber unabhängig davon habe für die Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer ausreichenden Vorbereitung bestanden. Es sei nämlich während des gesamten Einspruchsverfahrens mehrmals zur Sprache gekommen, dass die Personenübergänge, bzw. die damit ausgerüsteten Fahrzeuge, für Taipei bestimmt gewesen seien. So werde z.B. im Einspruchsschriftsatz vom 16. Februar 2007 bspw. auf Seite 9 auf die Lieferung nach Taipei Bezug genommen. Gleiches gelte für die Eingabe der Einsprechenden vom 7. November 2007, Seite 3. In der Replik vom 4. Oktober 2007 nehme die Patentinhaberin auf Seite 2 ebenfalls Bezug auf die Lieferung nach Taipei. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2010 (Seite 4, 13.1) finde sich auch der Hinweis auf die offenkundige Vorbenutzung, wonach
"die Fiat-SIG Schienenfahrzeuge AG im Jahre 1999 (d.h. am 06.07.1999) Personenübergänge mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 für die Metro Taipei/Taiwan ohne Geheimhaltungsvereinbarung an die Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH geliefert und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht" habe.
Schließlich sei auch aus der Entscheidung über die Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme vom 3. Mai 2010 (Seite 2) Folgendes zu entnehmen:
"Es soll Beweis erhoben werden über die Behauptung der Einsprechenden, vor dem Prioritätstag des angegriffenen Patents (17. Juni 2002), im Jahr 1999 (d.h. am 6. Juli 1999) habe die Fiat SIG Schienenfahrzeuge AG Personenübergänge gemäß den Zeichnungen Anlage 2a, 2b, 2c mit sämtlichen Merkmalen des Anspruches 1 für die Metro Taipei/Taiwan ohne Geheimhaltungsvereinbarung an die Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH geliefert."
Hieraus ergebe sich unmittelbar, dass Gegenstand der Zeugeneinvernahme die Frage der Offenkundigkeit durch die Lieferung der Personenübergänge für die Metro Taipei an Siemens durch Fiat SIG sei. Es sei somit immer klar gewesen, dass es für die Frage der Offenkundigkeit auf die Zweckbestimmung der Lieferung ankomme. Da die Lieferung für die Metro in Taipei bestimmt gewesen sei, habe die Patentinhaberin auch davon ausgehen müssen, dass der Einsatz der Züge in Taipei auch Gegenstand der Verhandlung sein würde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass die durch die Anlage 2e (Rechnung vom 30.06.1999) und die weiteren Anlagen 2a bis 2d, 2f bis 2h, sowie durch die Aussage des Zeugen Norbert Melzers nachgewiesene Lieferung von Personenübergängen von der Firma FIAT-SIG an die Firma Siemens SGP die öffentliche Zugänglichkeit dieser Personenübergänge nicht belegen könne. Dieser Auffassung kann jedoch die Kammer aus folgenden Gründen nicht beitreten.
Zunächst ist festzustellen, dass im Hinblick auf das vorgelegte, sich spezifisch auf die Lieferung beziehende Beweismaterial sowie auf die sich aus der Aussage des Zeugen ergebenden Umstände der besagten Lieferung nichts darauf hindeutet, dass zwischen den besagten Firmen etwas anderes als ein ganz gewöhnliches Kunden-Lieferantenverhältnis bestanden hat. Bei einem solchen Verhältnis gibt es folglich keinen Grund zur Annahme, dass bei der Lieferung der besagten Personenübergänge an die Firma Siemens SGP jedwede Geheimhaltungsvereinbarung bestanden habe. Im vorliegenden Fall ergibt sich dies auch aus der Zweckbestimmung der Lieferung. Diese Zweckbestimmung, nämlich für die Metro in Taipei, geht z.B. klar und deutlich aus der Anlage 2e (Rechnung an Siemens SGP) und aus der Anlage 2f (Übersichtszeichnung) hervor. Aus der besonderen Art der Zweckbestimmung lässt sich offensichtlich ableiten, dass die Lieferung und der Verkauf der Personenübergänge keiner Geheimhaltungsvereinbarung unterliegen konnte, da die Struktur der Personenübergänge durch häufiges Entkuppeln der Fahrzeuge, bei der Zusammenstellung der Züge, öffentlich zugänglich wird. Die glaubhafte Aussage des Zeugen Norbert Melzer vor der Einspruchsabteilung hat zudem bestätigt, dass die gelieferten Personenübergänge im öffentlichen Verkehrsbetrieb der Metro in Taipei tatsächlich eingesetzt wurden und dabei im entkuppelten Zustand der Fahrzeuge die in Rede stehende Konstruktion der Personenübergänge, die dem beanspruchten Gegenstand entsprach, sichtbar und öffentlich zugänglich war.
Wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend konstatiert, können die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Einkaufsbedingungen aus dem Jahre 2010 der Siemens Gruppe in Österreich an den vorangehend dargelegten Fakten auch nichts ändern.
Zunächst ist offensichtlich, dass diese Einkaufsbedingungen bereits vom Datum her in keinem Zusammenhang mit der offenkundigen Vorbenutzung aus dem Jahr 1999 stehen. Ein Nachweis dafür, dass entsprechende Bestimmungen auch für das Jahr 1999 gegolten haben, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, wurde nicht vorgelegt. Zudem könnte die von der Beschwerdeführerin spezifisch zitierte Klausel 15.1 der Einkaufsbedingungen (siehe oben Punkt IV), selbst wenn die Klausel auch für das Jahr 1999 gültig gewesen wäre, im vorliegenden spezifischen Fall auch keine Beweiskraft entfalten, weil eine solche Klausel aufgrund der gegebenen Umstände effektiv wirkungslos gewesen wäre. Der Lieferant, hier speziell die Firma FIAT SIG, kann nämlich nicht zur Geheimhaltung eines technischen Gegenstands verpflichtet werden, falls dieser Gegenstand ohnehin durch die gegebenen Umstände der Lieferung nachweislich öffentlich zugänglich ist, d.h. speziell durch den beabsichtigten Einsatz oder die Verwendung der gelieferten Gegenstände, wie vorangehend dargelegt wurde. In der Tat ist auch festzustellen, dass der Wortlaut der Klausel 15.1 (siehe Punkt IV) den Auftragnehmer explizit nicht zur Geheimhaltung von Informationen über den Gegenstand des Auftrags verpflichtet, die ohnehin "allgemein oder ihm auf andere Weise rechtmäßig bekannt sind".
Insgesamt ergibt sich folglich aus den obigen Darlegungen, dass die geltend gemachte Vorbenutzung offenkundig war und somit zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ gehört.
3. Die Beschwerdeführerin ist ebenfalls der Ansicht, dass durch die angeblich unerwartete Anhörung des Zeugen betreffend den Betrieb eines Schienenfahrzeugs in Taipei ihr rechtliches Gehör verletzt wurde und dies einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle. Dieser Ansicht kann seitens der Kammer nicht gefolgt werden.
Wie von der Beschwerdegegnerin richtigerweise konstatiert wurde, ergibt sich bereits aus den Ausführungen der Einsprechenden im Einspruchsschriftsatz, dass es für die Frage der Offenkundigkeit auf die Zweckbestimmung der Lieferung ankommt. Tatsächlich wird z.B. auf Seite 9 des Einspruchsschriftsatzes vorgetragen, dass "Übergänge gemäß den Zeichnungen (Anlage 2a, 2b) tatsächlich für die Metro Teipei geliefert worden sind", wobei als Nachweis die Anlagen 2a, 2d, 2e angegeben werden und als Beweis das "Zeugnis des Herrn Norbert Melzer" angeboten wird. Desweiteren hat die Einsprechende auch im Schreiben vom 7. November 2007 (Seiten 3,4) unmissverständlich klar gestellt, dass die offenkundige Vorbenutzung "auf eine Lieferung der fraglichen Übergänge gestützt wird", wobei durch die eingereichten "Unterlagen tatsächlich nur dargelegt werden" soll, "was Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung durch Vertrieb der fraglichen Übergänge ist". In diesem Zusammenhang hat die Einsprechende im selben Schreiben (Seite 4) z.B. betreffend den Verbau der Kupplung gemäß Anlage 2c in dem gelieferten Personenübergang weiter ausgeführt, dass das Schriftfeld der Anlage 2c "den Hinweis auf Teipei" beinhalte und als Beweis für den besagten Verbau auf "das Zeugnis des Herrn Norbert Melzer" hingewiesen.
Schließlich enthält auch die Entscheidung über die Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme vom 3. Mai 2010 (Seite 2) explizit den Hinweis, dass Beweis erhoben werden soll "über die Behauptung der Einsprechenden, vor dem Prioritätstag des angegriffenen Patents (17. Juni 2002), im Jahr 1999 (d.h. am 6. Juli 1999) habe die FIAT SIG Schienenfahrzeuge AG Personenübergänge gemäß den Zeichnungen Anlage 2a, 2b, 2c mit sämtlichen Merkmalen des Anspruches 1 für die Metro Taipei/Taiwan ohne Geheimhaltungsvereinbarung an die Siemens SGP Verkehrstechnik GmbH geliefert".
Insgesamt ergibt sich aus den obigen Ausführungen auch für die Parteien unmissverständlich und klar, dass der Nachweis der Lieferung der Personenübergänge im Jahre 1999 nach Taipei Gegenstand der Anhörung des Zeugen Norbert Melzer sein würde. Dass der Zeuge selbstverständlich auch über den unmittelbaren Einsatz der Personenübergänge in Taipei befragt wurde, kann für die Parteien keine Überraschung gewesen sein, zumal dies zweifellos der offensichtlich beabsichtigte Zweck der Lieferung war und gleichzeitig auch ein zusätzlicher und direkter Nachweis für die Offenkundigkeit der von der Lieferung implizierten Vorbenutzung darstellt. Denn, wie die Beschwerdegegnerin richtig ausgeführt hat, ist die besagte Lieferung im Jahre 1999 an die Firma Siemens gleichzusetzen und identisch mit der Lieferung der Fahrzeuge nach Taipei. Von einer anderen Lieferung war nie die Rede. In anderen Worten, es war mit beinahe absoluter Sicherheit zu erwarten, dass der Zeuge selbstverständlich auch über den Einsatz der Personenübergänge im öffentlichen Schienenverkehr der Metro in Taipei im Jahre 1999 aussagen würde, wie es sich implizit unmittelbar aus der Entscheidung über die Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme ergibt. Die Entscheidung über die Beweisaufnahme (siehe oben, sowie Punkt V) gibt, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, den Ort, den Zeitraum, die Art und den Gegenstand der behaupteten Lieferung und gleichzeitig behaupteten offenkundigen Vorbenutzung klar und unmissverständlich an. Im Übrigen ist auch zu bedenken, dass die Beschwerdeführerin als Empfängerin der Lieferungen an der Vorbenutzungshandlung wesentlich und maßgeblich beteiligt und damit auch in Kenntnis aller Einzelheiten war. Somit hätte sie es auch in der Hand gehabt, spätestens während des Beschwerdeverfahrens, den Behauptungen der Beschwerdegegnerin hinsichtlich der Vorbenutzung mit konkreten und handfesten Angaben und Argumenten speziell zum Hergang der Vorbenutzungshandlung entgegenzutreten. Sie hat es aber nicht getan. Umso mehr ist daher die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe "sich ... zu den Argumenten auch nicht auf sachlicher Basis äußern können", nicht nachvollziehbar.
Angesichts obiger Fakten ist nicht erkennbar, dass das rechtliche Gehör (Artikel 113 (1) EPÜ) der Beschwerdeführerin verletzt wurde.
4. Dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nicht nachzukommen, da dieser nur hilfsweise für den Fall gestellt wurde, dass sie mit ihrem Hauptantrag nicht durchdringen sollte. Die Beschwerdeführerin hat keine mündliche Verhandlung beantragt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.