T 1259/11 () of 21.1.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T125911.20160121
Datum der Entscheidung: 21 Januar 2016
Aktenzeichen: T 1259/11
Anmeldenummer: 02014483.8
IPC-Klasse: D21G 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kalander und Verfahren zum Anordnen von Walzen in einem Walzenstapel eines Kalanders
Name des Anmelders: Voith Patent GmbH
Name des Einsprechenden: Metso Paper, Inc.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Nacharbeitbarkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 26. April 2011, mit der der Einspruch gegen das Patent Nr. EP-B- 1 275 776 zurückgewiesen wurde.

Dabei stellte die Einspruchsabteilung insbesondere fest, dass die Vorrichtung nach Anspruch 1 sowie das beanspruchte Verfahren nach Anspruch 5 des erteilten Patents die Erfordernisse des Artikels 100 (b) EPÜ erfüllen.

II. Die Beschwerde wurde von der Einsprechenden (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 3. Juni 2011 eingelegt. Am selben Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet.

Die Beschwerdebegründung ist am 25. August 2011 eingegangen.

III. Mit der die Ladung zur mündlichen Verhandlung begleitenden Mitteilung hat die Kammer ihre vorläufige Meinung dargestellt. Die Kammer hat unter anderem mitgeteilt, dass die von der Beschwerdeführerin zur Frage der mangelnden Offenbarung im Sinne von Artikel 100 (b) EPÜ vorgebrachten Argumente schlüssig erschienen. Darüber hinaus hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Beschreibung des Streitpatents bezüglich der Frage der ausreichenden Offenbarung der beanspruchten Gegenstände zum Teil widersprüchliche Angaben über ein Teil deren wesentlichen Merkmale enthielte, so dass insgesamt die Offenbarung in Frage zu stellen sei.

IV. Antragslage

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 275 776.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 hat die Beschwerdeführerin erklärt, dass sie nicht beabsichtige, an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer teilzunehmen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Sie hat mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 ihren Vortrag durch weitere Bemerkungen/Argumente ergänzt, ihren Antrag auf eine mündliche Verhandlung zurückgenommen und eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt.

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 des Patents wie erteilt haben folgenden Wortlaut:

1. "Kalander mit einem Walzenstapel, der in einer Pressenebene zwei Endwalzen und dazwischen mehrere Mittelwalzen aufweist, von denen mindestens eine eine

weiche Walze mit elastischer Oberfläche ist,

dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine weiche

Walze (5) mit elastischer Oberfläche (9) gegenüber

der Pressenebene (7) einen Versatz (x) aufweist,

dessen Größe eine achtel Wellenlänge einer kritischen Eigenfrequenz innerhalb des Walzenstapels (1)

beträgt."

5. "Verfahren zum Anordnen von Walzen in einem Walzenstapel eines Kalanders, der zwei Endwalzen in einer Pressenebene und dazwischen mehrere Mittelwalzen

aufweist, von denen mindestens eine eine weiche

Walze mit elastischer Oberfläche ist, und der im

Betrieb mit einer Nenngeschwindigkeit läuft,

dadurch gekennzeichnet, dass man die Eigenschwingungen

des Kalanders bei der Nenngeschwindigkeit ermittelt, aus den Eigenschwingungen eine kritische Eigenschwingung auswählt, eine zu der Eigenschwingung

gehörende Wellenlänge ermittelt, deren ganzzahliges

Vielfaches dem Umfang der Walze entspricht, und die

weiche Walze so versetzt, dass ein Weglängenunterschied an der Oberfläche der Walze zwischen zwei Nips von einer viertel Wellenlänge entsteht."

VI. Die Beschwerdeführerin stützt sich im Wesentlichen auf folgende Argumente:

a) Artikel 100 (b) EPÜ

Die im Streitpatent definierte Erfindung sei nicht ausreichend offenbart und daher durch den Fachmann nicht auszuführen (Artikel 100 (b) EPÜ).

Dieser Mangel sei darauf zurückzuführen, dass die Erfindung auf der gleichzeitigen Erfüllung von zwei unter sich widersprüchlichen Merkmalen beruhe, nämlich einem "Versatz X = lambda/8" und einem "Weglängenunterschied WLU = lambda/4", wobei lambda eine zu der Eigenschwingung des Kalanders gehörende Wellenlänge darstelle.

Diese widersprüchliche Lehre des Streitpatents sei durch die mathematische Herleitung anhand der Walzenanordnung gemäß der von der Beschwerdeführerin vorgelegten und als "Figur 2" benannten Berechnungen (im Folgenden: Figur 2) nachgewiesen.

Bei einem Versatz X der mittleren Walze 5 gegenüber der Pressenebene P rückten die obere und untere Walze 4 und 6 entlang der Pressenebene jeweils in Richtung zur mittleren Walze 5 nach, so dass die Pressspalten (Nips) sich ebenfalls weg von der Pressenebene verlagerten (Übergang von den Nips N10,N20 zu den Nips N11,N21). Bei einem Versatz X gleich lambda/8 der mittleren Walze betrage der daraus resultierende Weglängenunterschied WLU, welcher den addierten Längen a1 und a2 und somit dem Versatz X (siehe Figur 2) entspreche, den Wert des Versatzes, also lambda/8, und nicht lambda/4, wie durch das Streitpatent gefordert.

Auch unter Berücksichtigung des nach den Berechnungen

erzeugten minimalen Einflusses von einerseits einer

weichen Oberfläche der mittleren, versetzten Walze 5 und andererseits des der durch den Nip geführten Papierbahndicke entsprechenden Spalts zwischen den Flächen der Walzen seien die Erfordernisse eines Versatzes X = lambda/8 und eines Weglängenunterschieds

WLU = lambda/4 tatsächlich nicht miteinander in Einklang zu bringen.

Die in den Ansprüchen definierten Werte für den Versatz und den Weglängenunterschied stellten für das im Streitpatent dargestellte Erfindungskonzept wesentliche Merkmale dar. Gemeinsam sollten diese Merkmale nämlich für eine Phasenverschiebung bei der Beaufschlagung der Walze in den beiden Nips von pi/2 sorgen, wodurch die beiden Nips nicht mehr direkt miteinander einkoppelten und deswegen eine produktstörende Ausbildung eines Barring-Musters auf der Oberfläche der elastischen Walze eliminiert bzw. wieder beseitigt werden könnte.

b) Artikel 54 (1) und 56 EPÜ

Die Beschwerdeführerin hat zudem unter Darlegung näherer Einzelheiten vorgetragen, dass der Kalander gemäß Anspruch 1 durch den genannten Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen bzw. in naheliegender Weise herleitbar sei. Das Verfahren nach Anspruch 5 beruhe ebenfalls auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

a) Artikel 100 (b) EPÜ

Das Patent offenbare die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne, es erfülle damit die Erfordernisse des Artikels 83 bzw. 100 (b) EPÜ.

Die mathematische Herleitung der Einsprechenden, mit der sie einen Widerspruch zwischen dem Anspruch 1 und dem abhängigen Anspruch 2 des Patents begründe, sei nicht korrekt.

Nach Figur 2 entspreche die Länge l1 dem Wert U/2+a1+a2 und die Länge l2 dem Wert U/2-al-a2 (U: Umfang der mittleren Walze 5). Daraus lasse sich die Gleichung herleiten: l1 = l2 + 2x(a1+a2). Da die Endpunkte der Längen l1 und l2 die Berührungspunkte (Nips) zwischen benachbarten Walzen definierten, betrage der Weglängenunterschied zwischen den Berührungspunkten, der durch den Versatz X bewirkt sei, zweimal den Wert a1+a2, also zweimal den Versatz X.

Die Beschwerdeführerin argumentiere hingegen, dass der Weglängenunterschied lediglich einmal der Wert a1+a2 sei bzw. dem Versatz X gleiche. Dabei verwende die Beschwerdeführerin also lediglich die halbe korrekt berechnete Differenz.

Die zwei Vorgaben eines Versatzes X=lambda/8 und eines Weglängenunterschieds WLU=lambda/4 seien bei korrekter Berechnung also miteinander kompatibel und stellten keinen Widerspruch dar.

Dies lasse sich auch anhand der Figur 2 anschaulich begründen: Bei einem Versatz von X=lambda/8 entstehe auf der einen Hälfte der verlagerten Walze 5 eine Verringerung des Abstands zwischen den beiden Nips um lambda/8, und auf der anderen Hälfte der verlagerten Walze 5 eine Vergrößerung des Abstands von ebenfalls lambda/8.

Folglich entstehe ein Weglängenunterschied mit dem Wert 2 x lambda/8, also lambda/4 und damit im Einklang mit Anspruch 2.

Die einzige Stelle, die in einem möglichen Widerspruch stehe, sei Abschnitt [0033] der Beschreibung. Der Fachmann erkenne jedoch, dass dieser Widerspruch sich spätestens dann auflöse, wenn die Berechnungen korrekt durchgeführt würden, welche dann auch zu dem in Absatz [0034] angegebenen Ergebnis WLU = lambda/4 führten.

Außerdem sei für eine ausreichende Offenbarung lediglich das "wie" zu beschreiben, nicht jedoch sei das "warum" erforderlich.

b) Artikel 100 (a) EPÜ

Die Vorrichtung nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 5 seien gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik neu und beruhten auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie erfüllten damit ebenfalls die Erfordernisse des Artikels 100 (a) bzw. 52(1) EPÜ.

VIII. Am 21. Januar 2016 fand die mündliche Verhandlung in angekündigter Abwesenheit beider Parteien statt.

Am Ende der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdekammer ihre Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 100 (b) / 83 EPÜ

1.1 Allgemeine Lehre des Streitpatents

1.1.1 Das Patent befasst sich mit der Anordnung von Walzen in einem Kalander mit einem Walzenstapel, der in einer Pressenebene zwei Endwalzen und dazwischen mindestens eine weiche Walze mit elastischer Oberfläche umfasst.

1.1.2 Die Anordnung der Walzen soll erfindungsgemäß derart bestimmt werden, dass die Standzeit der mittleren weichen Walze erhöht werden kann (siehe Absatz [0008]).

1.1.3 Aus der den Stand der Technik darstellenden Beschreibungseinleitung des Patents erfährt der fachkundige Leser, dass die elastische Oberfläche der weichen Walze bei der sogenannten Barring-Bildung verändert wird, indem sich dort Welligkeiten formen, die folglich am Material der Papierbahn sichtbare Streifen bzw. über dem Toleranzbereich liegende Dickenänderungen verursachen können.

Um die Papierqualität zu bewahren, muss also die weiche Walze, sobald sie eine Barring-Bildung aufweist, ausgebaut und überschliffen, abgedreht oder ausgetauscht werden. Die Folge ist eine verminderte Standzeit der Walze.

Es wird ferner erklärt, dass die Ursachen der Barring-Bildung, obwohl in der Fachwelt noch nicht restlos geklärt, womöglich auf die Erscheinung bzw. Auswirkung an der elastischen Oberfläche der weichen Walze von Schwingungen zurückzuführen sind; dabei handelt es sich um Schwingungen, die in einem Kalander praktisch unvermeidbar auftreten (siehe Absätze [0003], [0006] und [0007]).

Um die Barring-Bildung zu vermeiden bzw. vermindern, hat der Stand der Technik bislang vorgeschlagen, eine Phasenverschiebung von einer kritischen Eigenfrequenz des Systems durch das Versetzen einer mittleren Walze quer zur Pressenebene, in welcher die Achsen der restlichen Walzen liegen, zu erzeugen (siehe Absätze [0008] bis [0011].

1.1.4 Das im Streitpatent dargelegte, gemeinsam und einheitlich in den abhängigen Ansprüchen 1 (Vorrichtung) und 5 (Verfahren) definierte Lösungskonzept liegt nun darin, eine mittlere weiche Walze um eine achtel Wellenlänge einer kritischen Eigenfrequenz gegenüber der Pressenebene zu versetzen (siehe z.B. Absatz [0013] und Anspruch 1). Für den fachkundigen Leser ist es diesbezüglich klar, dass die restlichen, oberhalb und unterhalb der versetzten Walze angeordneten Walzen des Stapels nachgerückt werden müssen, um den ursprünglichen Pressspalt (Nip) mit der versetzten Walze wieder herzustellen. Ferner ist auch klar, dass dieses Nachrücken der restlichen Walzen, ausgehend von ihrer in Figur 1 des Streitpatents schematisch dargestellten Lage, in Richtung der versetzten Walze und ausschließlich entlang der Pressenebene vorzunehmen ist, da nach der Lehre des Streitpatents eine einzige, mittlere und weiche Walze zu versetzen ist.

Durch den Versatz einer achtel Wellenlänge soll laut Streitpatent dann ein Weglängenunterschied an der elastischen Oberfläche der weichen Walze um eine viertel Wellenlänge entstehen (siehe z.B. Absatz [0017] und Verfahrensanspruch 5).

Ferner lehrt das Streitpatent, dass ein derartiger Versatz bzw. Weglängenunterschied an der weichen Walze eine Phasenverschiebung der Wellen von pi/2 verursacht, wodurch die beiden Nips, an denen die weiche Walze beteiligt ist, nicht mehr direkt miteinander koppeln (siehe Spalte 4, Zeilen 53 bis 58).

1.1.5 Der Fachmann entnimmt also der Gesamtlehre des Streitpatents, dass die Barring-Bildung an der weichen Walze verhindert oder zumindest erheblich verzögert werden kann, wenn die drei Parameter Versatz, Weglängenunterschied und Phasenverschiebung wie beschrieben aufeinander abgestimmt sind, nämlich;

Versatz X = lambda/8

Weglängenunterschied WLU = lambda/4,

wo lambda eine zu der Eigenschwingung des Kalanders gehörende Wellenlänge ist,

Phasenverschiebung der Wellen PV = pi/2.

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass die enge kausale Beziehung zwischen WLU=lambda/4 und PV=pi/2 nochmals im Rahmen der Beschreibung des erfindungsgemäßen Verfahrens im Absatz [0022] des Streitpatents hervorgehoben wird. Die gleichen funktionellen Zusammenhänge zwischen den Größen X, WLU und PV werden durch die Wertangaben für die genannten Größen bei dem einzigen, konkreten, in den Absätzen [0033] bis [0038] detailliert dargestellten Ausführungsbeispiel nochmals bestätigt.

1.2 Widerspruch - Mangelnde Offenbarung

1.2.1 Analyse anhand von Figur 2

Figur 2 stellt die Anordnung eines Walzenstapels bei einer versetzten mittleren Walze im Sinne der in Figur 1 des Streitpatents lediglich schematisch gezeigten Anordnung der drei mittleren Walzen 4 bis 6 dar und dient als Grundlage für mathematische Berechnungen von unterschiedlichen wesentlichen Größen.

Die Kammer sieht sowohl die Darstellung der Figur 2 als auch die darauf beruhenden Berechnungen als korrekt an und gelangt also zu folgenden Schlüssen.

Es ist besonders wesentlich festzuhalten, dass, wie aus der Darstellung der Figur 2 ersichtlich, die mittlere Walze 5 bei dargestelltem Versatz X mit den oberen und unteren Walzen 4 und 6 Nips N11 und N21 definiert, welche gegenüber der Lage der Nips N10 und N20 bei unversetzter mittlerer weicher Walze von der Pressenebene versetzt sind.

Die zum Ergebnis von a1=a2=X/2 führenden Berechnungen, wobei a1 die Verlängerung des Weges am unteren Nip N11 und a2 die Verlängerung des Weges am oberen Nip N12 bezeichnen, sind zutreffend und werden durch die Anordnung des Walzenstapels bei Versatz X der mittleren Walze 5, wie in Figur 2 dargestellt, auch anhand geometrischer Zuordnung bestätigt.

Der durch einen Versatz X erzeugte Weglängenunterschied (WLU) liegt somit bei einem Wert gleich X.

Geht man nun von einem Wert X = lambda/8 für den Versatz aus, beträgt der Weglängenunterschied WLU ebenfalls den Wert lambda/8 und nicht den doppelten Wert, also lambda/4, wie im Streitpatent durchgehend definiert.

Auch unter Berücksichtigung des nach den Berechnungen

erzeugten minimalen Einflusses von einerseits einer

weichen Oberfläche der versetzten Walze 5 und andererseits des der durch den Nip geführten Papierbahndicke entsprechenden Spalts zwischen den Flächen der Walzen 4 und 5 sind die Vorgaben "Versatz X=lambda/8" und "Weglängenunterschied=lambda/4" nicht miteinander kompatibel.

1.2.2 Der Fachmann wird also zum Ergebnis gelangen, dass ausgehend von einem Versetzen der mittleren Walze um einen Wert X = lambda/8 die im Streitpatent zweite wesentliche Vorgabe eines Weglängenunterschieds WLU von lambda/4 nicht zu erreichen ist, so dass auch die daraus folgende technische Wirkung einer Phasenverschiebung der Wellen PV = pi/2 in Frage gestellt wird.

Für den diese Diskrepanz feststellenden Fachmann ist es daher vollkommen unklar, wie die dem Streitpatent entnehmbare Lehre derart ausgeführt werden kann oder soll, dass das in Aussicht gestellte Gesamtergebnis einer Reduzierung der Barring-Wirkung bzw. einer Erhöhung der Standzeit der weichen Walze in der Tat erzielt werden kann.

Zudem kann der Fachmann aus der Gesamtoffenbarung des Streitpatents auch bei Heranziehen seines allgemeinen Wissens nicht ohne weiteres feststellen, dass ein oder mehrere von den angegebenen Werten für den Versatz X, den Weglängeunterschied WLU und die Phasenverschiebung PV ganz offensichtlich falsch ist/sind. Daher kann auch von ihm nicht ohne weiteres die Berichtigung derartig fehlerhafter Angaben durch auf der Basis der Gesamtoffenbarung des Streitpatents ermittelte zutreffende Werte erwartet werden.

1.3 Argumente der Beschwerdegegnerin

1.3.1 Die Beschwerdegegnerin hat in ähnlicher Weise wie die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung, vgl. Absatz 2.1.2 der Begründung, vorgetragen, dass die von der Beschwerdeführerin durchgeführten Berechnungen deshalb falsch seien, weil die Verlängerung des Weges am Umfangsbereich der mittleren Walze 5 sowohl oben als auch unten jeweils zwei Mal den Wert a1=a2 betrage.

Der gesamte Weglängenunterschied WLU sei daher viermal dem Wert a1=a2, also zweimal dem Wert des Versatzes X, gleichzustellen.

Die Erfordernisse X = lambda/8 und WLU = lambda/4 seien daher miteinander kompatibel und gleichzeitig erfüllbar.

1.3.2 Die Kammer kann sich dieser Betrachtungsweise aufgrund folgender Überlegungen nicht anschließen.

Die Berechnungen der Beschwerdegegnerin gehen von der irrtümlichen Vermutung/Annahme aus, dass bei einer versetzten mittleren Walze 5 die Nips N10,N11 am oberen und unteren Teil ihres Umfangs unverändert in der in Figur 1 des Streitpatents dargestellten Pressenebene 7 verbleiben. Dies entspricht nicht der durch den Versatz X zwangsläufig resultierenden versetzten Anordnung der Nips am Umfang der weichen Walze, und zwar die Verlagerung von N10,N11 zu N20,N21 in Figur 2.

Falls die Nips nach Versatz der weichen Walze tatsächlich unverändert in der Pressenebene angeordnet blieben, wäre dies nur unter der Vorraussetzung möglich, dass die angrenzenden Walzen 4 und 6 ebenfalls quer zur Pressenebene, jedoch in entgegengesetzter Richtung, versetzt wären.

Eine derartige Walzenanordnung ist aber nicht Gegenstand des Streitpatents.

Selbst wenn der fachkundige Leser dennoch beabsichtigen würde, die restlichen Walzen ebenfalls quer zur der eingangs vorhandenen Pressenebene in entgegengesetzter Richtung zur der bereits versetzten mittleren weichen Walze zu versetzen, dann würden die Nips an der weichen Walze stets in der eingangs vorhandenen Pressenebene (7 in Figur 1) liegen.

Spätestens dann stellte der Fachmann aber fest, dass bei einem derartigen Szenario die eingangs vorhandene Pressenebene zwangsläufig ebenfalls verlagert werden müsste, weil die Achsen der restlichen Walzen per Definition in der Pressenebene liegen müssen und letztere definieren. Dies würde allerdings wiederum bedeuten, dass der eingangs auf den festgelegten Wert

lambda/8 eingestellte Versatz X der weichen Walze gegenüber der neu entstehenden Pressenebene zu messen wäre.

Als direkte Folge würde dann der resultierende Versatz X der weichen Walze nicht länger den verbindlichen, eingangs vorgegebenen Versatzwert X = lambda/8 betragen können, sondern diesen deutlich übersteigen.

Eine Vorrichtung, die auf der Basis der von der Beschwerdegegnerin dargelegten Berechnungen erzielt wäre, würde also die wesentlichen Kriterien des Versatzes X = lambda/8 und des Weglängenunterschieds

WLU = lambda/4 auch nicht gleichzeitig erfüllen können und somit außerhalb des Gesamtumfangs des Streitpatents liegen.

Die von der Beschwerdegegnerin dargelegte Auslegung/Berechnung führt daher für den Fachmann von dem eigentlichen Erfindungsgegenstand, wie im Patent beschrieben, weg und kann somit nicht als Nachweis für eine ausreichende Offenbarung der beanspruchten Erfindung angesehen werden.

1.4 Zusammenfassend stellt die Kammer fest, dass die im Streitpatent beanspruchte Erfindung nicht ausreichend offenbart ist, um durch den Fachmann ausgeführt zu werden, so dass die Erfordernisse des Artikels 83 bzw. 100 (b) EPÜ nicht erfüllt sind.

2. Da bereits der Mangel ausreichender Offenbarung nach Artikel 100 (b) / 83 EPÜ zum Erfolg der Beschwerde und damit zum Widerruf des Patents führt, erübrigt es sich, über die Einwände mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit der beanspruchten Gegenstände zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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