T 1244/11 (Imprägnat mit körnigen Zellulosepartikeln/KRONOTEC) of 13.2.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T124411.20130213
Datum der Entscheidung: 13 Februar 2013
Aktenzeichen: T 1244/11
Anmeldenummer: 05019549.4
IPC-Klasse: D21H 27/26
D21H 27/28
B44C 5/04
D21H 23/50
D21H 23/56
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 116 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Imprägnat und Verfahren zur Herstellung des Imprägnates
Name des Anmelders: Kronotec AG
Name des Einsprechenden: Fritz Egger GmbH & Co. OG
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Rückbezug auf Produktanspruch eingefügt - Art. 123(2) EPÜ erfüllt
Klarheit eines erteilten Merkmals - nicht im Widerspruch zu den Erfordernissen des Art.84 EPÜ 1973
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenent-scheidung der Einspruchsabteilung das europäische Patent 1 634 995 in geänderter Fassung aufrecht zu erhalten.

II. Die Beschwerdeführerin/Einsprechende legte am 08. Juni 2011 gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und zahlte die Beschwerdegebühr am selben Tag. Die Einspruchsbe-gründung folgte am 29. August 2011. Im Laufe des Verfahrens wurden inter alia folgende Dokumente zitiert:

D11 = DE-A-29 23 608

D12 = DE-A-197 25 829

D14 = Analyst 124, 33-36, 1999

Zu den Anträgen der Parteien siehe nachfolgend Ziffer V.

III. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin, der mit der durch die Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Fassung identisch ist, umfasst die folgenden Ansprüche:

"1. Imprägnat(1), bestehend aus einem mit Aminoplast-harz gefüllten Dekorpapier (2), einer auf der Oberseite des Dekorpapieres (2) aufgebrachten abriebfesten Schicht (3) aus Korundpartikeln (6) und einem Aminoplastharz, sowie einer darüber angeordneten Abdeckschicht (4) aus einem Aminoplastharz, dadurch gekennzeichnet, dass in der abriebfesten Schicht (3) und in dem Aminoplastharz der Abdeckschicht (4) Zellulosepartikel (7, 8) eingelagert sind, wobei in der abriebfesten Schicht (3) grobkörnige Zellulosepartikel (7) eingelagert sind, und wobei der Durchmesser der Zellulosepartikel (7) in der abriebfesten Schicht (3) 70 bis 150 mym beträgt."

"16. Verfahren zur Herstellung eines Imprägnats (l) nach Anspruch 1 aus einem mit Aminoplastharz gefüllten Dekorpapier (2) und einer auf der Oberseite aufgebrachten abriebfesten Schicht (3) aus einer Mischung aus Korundpartikeln (6) und einem Aminoplastharz und einer darüber angeordneten Abdeckschicht (4) aus einem Aminoplastharz, dadurch gekennzeichnet, dass der Mischung der abriebfesten Schicht (3) Zellulosepartikel (7) zugegeben werden und die Mischung mit einem Walzenauftragswerk auf das Dekorpapier (2) aufgebracht wird und dass nach dem Auftrag der abriebfesten Schicht (3) eine Zwischentrocknung erfolgt."

"18. Verfahren zur Herstellung eines Imprägnats (1) nach Anspruch 1 aus einem mit Aminoplastharz gefüllten Dekorpapier (2) und einer auf der Oberseite aufgebrachten abriebfesten Schicht (3) aus einer Mischung aus Korundpartikeln (6) und einem Aminoplastharz und einer darüber angeordneten Abdeckschicht (4) aus einem Aminoplastharz, dadurch gekennzeichnet, dass der Mischung der abriebfesten Schicht (3) Zellulosepartikel (7) zugegeben werden und der Auftrag der Schicht mit einem Düsenauftragswerk erfolgt und dass nach dem Auftrag der abriebfesten Schicht (3) eine Zwischentrocknung erfolgt."

"20. Verfahren zur Herstellung eines Imprägnats nach Anspruch 1 aus einem mit Aminoplastharz gefüllten Dekorpapier (2) und einer auf der Oberseite aufgebrachten abriebfesten Schicht (3) aus einer Mischung aus Korundpartikeln (6) und einem Aminoplastharz und einer darüber angeordneten Abdeckschicht(4) aus einem Aminoplastharz, dadurch gekennzeichnet, dass dem Aminoplastharz der Abdeckschicht (4) Zellulosepartikel (8) zugegeben werden und die Mischung mit einem Rasterauftragswerk aufgebracht wird."

Die Ansprüche 2-15,17,19 und 21 sind von den jeweils vorhergehenden Ansprüchen abhängig.

IV. Die Beschwerdeführerin begründet ihren Antrag wie folgt:

Artikel 123(2) EPÜ

- Der Bereich "70-150 mym" sei ursprünglich nur im Zusammenhang mit dem Produkt, nicht aber mit den Verfahrensansprüchen offenbart gewesen. Deshalb gingen diese durch die Einführung eines Rückbezugs auf die Produktansprüche über die ursprünglich eingereichte Fassung hinaus.

Artikel 84 EPÜ 1973

- Es sei nicht klar, wie der im Anspruch 1 offenbarte Bereich "70-150 mym" auszulegen sei. Daher liege ein Mangel an Klarheit vor.

Neuheit

- Ansprüche 23-27 und die Beispiele 1,2 der D11 offenbarten Imprägnate wie im Streitpatent beschrieben. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu.

Erfinderische Tätigkeit

- D11 in Kombination mit D12 führe in naheliegender Weise zum Gegenstand des Streitpatents. Das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ 1973 sei nicht erfüllt.

Die Beschwerdegegnerin begründet ihre Anträge wie folgt:

Artikel 123(2) EPÜ

- Die beanspruchen Verfahren dienten zur Herstellung des Produkts nach Anspruch 1, deshalb sei der Bereich "70-150 mym" auch im Zusammenhang mit den Verfahren ursprünglich offenbart.

Artikel 84 EPÜ 1973

- Das Merkmal "70-150 mym" entspreche dem erteilten Anspruch 4. Deshalb sei es nicht die Aufgabe der Kammer die Klarheit dieses Merkmals zu überprüfen.

Neuheit

- Der Größenbereich der Zellulosepartikeln von "70-150 mym" sei in D11 nicht offenbart. Daher sei der beanspruchte Gegenstand neu.

Erfinderische Tätigkeit

- Die beanspruchte Merkmalskombination sei nicht von D11 oder dessen Kombination mit D12 nahegelegt. Der beanspruchte Gegenstand sei erfinderisch.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent aufrechtzu- erhalten auf der Grundlage der Hilfsanträge I-III, eingereicht mit dem Schreiben vom 25. Januar 2013, oder der Hilfsanträge IV-VI, eingereicht mit dem Schreiben vom 04. Januar 2012.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag

1. Artikel 123(2) EPÜ

1.1 Obwohl der von der Beschwerdeführerin beanstandete Durchmesser der Zellulosepartikel ursprünglich explizit nur im Anspruch 4 im Zusammenhang mit dem Imprägnat offenbart wurde, ist es für den Fachmann unzweifelhaft, dass die Verfahrensansprüche sich auf die Herstellung aller erfindungsgemäßen Produkte beziehen. Dies ist aus der gesamten Offenbarung des Streitpatents, insbesondere aus den Bezugszeichen aller unanhängigen Ansprüche, welche auf das einzige Ausführungsbeispiel und die einzige Zeichnung der ursprünglichen Anmeldung hinweisen, ersichtlich (siehe Seite 8, erster Absatz der ursprünglich eingereichten Fassung). In dem Beispiel werden alle in den Verfahrensansprüchen offenbarten Merkmale, wie der Auftrag der abriebfesten Schicht durch ein Walzenauftragswerk oder durch ein Düsenauftragswerk sowie der Auftrag der Abdeckschicht durch ein Rasterauftragswerk, genannt.

1.2 Deshalb ist das Merkmal "70-150 mym" im Zusammenhang mit den beschriebenen Verfahren ursprünglich offenbart.

1.3 Weitere Einwände im Hinblick auf eine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen wurden von der Beschwerde-führerin nicht erhoben.

1.4 Das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ ist demnach erfüllt.

2. Artikel 84 EPÜ 1973

2.1 Das von der Beschwerdeführerin beanstandete Merkmal war bereits im abhängigen Anspruch 4 des erteilten Anspruchssatzes vorhanden. Da es sich bei dem geänderten Anspruch 1 nur um eine Kombination erteilter Ansprüche handelt, welche bereits die entsprechenden Rückbezüge aufwiesen, hat die Kammer nicht die Kompetenz dieses Merkmal hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 zu untersuchen.

3. Artikel 54(1),(2) EPÜ 1973

3.1 Anspruch 23 der D11 offenbart zwei Ausführungsformen der Erfindung:

a) Eine Bindemittelschicht befindet sich zwischen Dekorpapier und abriebfestem Überzug und

b) die Bindemittelschicht befindet sich auf dem abriebfesten Überzug, welcher sich auf dem Dekorpapier befindet.

Nur die Option b) entspricht der Anordnung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Allerdings beziehen sich die von Anspruch 23 abhängigen Ansprüche 24-27, die von der Beschwerdeführerin unter anderem hinsichtlich der Verwendung von Tonerde und mikrokristalliner Zellulose zitiert wurden, auf die Ausführungsform a). Daher stehen die Ansprüche 23-27 der Neuheit des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht entgegen.

3.2 Beispiel 1 der D11 offenbart, dass eine wässrige Aufschlämmung von Avicel, Tonerde und Wasser auf bedruckte Blätter aufgebracht werden, dann eine Avicel Schicht folgt und die Schichten schließlich mit Melaminharz überzogen werden.

3.3 Selbst wenn angenommen wird, dass durch das nachträgliche Aufbringen des Melaminharzes identische Strukturen wie durch die sequentielle Aufbringung von unterschiedlichen Schichten, welche jeweils das Aminoplastharz enthalten, entstehen, was von der Patentinhaberin bestritten wurde, nennt Beispiel 1 nur "Avicel" allgemein, ohne genaue Angabe des Produkts oder der Teilchengröße.

3.4 Die Beschwerdeführerin bezog sich in diesem Zusammenhang auf den die Seiten 31 und 32 überbrückenden Absatz. Darin wird beschrieben, dass Avicel mikrokristalline Zellulose vom Typ RC 581 ein weißes, geruchloses, hygroskopisches Pulver mit etwa 11 Gew.% Natriumcarboxymethylmellulose ist und beim Sieben weniger als 0,1% auf einem 250 mym Sieb hängen bleiben.

3.5 Im Gegensatz dazu, wird im Beispiel 1 der D11 Avicel ohne nähere Angabe verwendet. Somit ist nicht offenbart, dass die beschriebenen Größenangabe für Avicel RC 581 auch für das Avicel Produkt von Beispiel 1 gilt. Beispiel 2 nennt zwar explizit Avicel RC 581, aber die Reihenfolge der Schichten ist unterschiedlich zu jener des Streitpatents.

3.6 Die Schlussfolgerung, dass alle Avicel Produkte eine gleichmäßige Größenverteilung und Durchmesser von bis zu 250 mym aufweisen und somit zweifelsfrei auch Teilchen der Größe 70-150 mym umfasst seien, wurde nicht bewiesen. Da keine eindeutige Angabe in D11 gemacht wurde, kann es sich bei dem im Beispiel 1 der D11 verwendeten Avicel Produkt auch um eine Fraktion des kontinuierlichen Verteilungsspektrums handeln. Dieser Sachverhalt ändert sich auch durch die Beschreibung der Eigenschaften anderer Avicel Produkte (D14) nicht.

3.7 Somit kann aus D11 nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass die Imprägnate nach der D11 eine Struktur wie gegenständlich beansprucht aufweisen, insbesondere nicht, dass grobkörnige Zellulosepartikel der Größe 70-150 mym eingelagert sind.

3.8 Daher kann die Kammer nur zu dem Schluss kommen, dass das Erfordernis der Neuheit erfüllt ist.

4. Artikel 56 EPÜ 1973

4.1 Absatz 13 des Streitpatents beschreibt die Aufgabe der vorliegenden Erfindung als die Bereitstellung eines Imprägnats, welches hohe Transparenz und ausreichende Abriebbeständigkeit aufweist und nur in geringem Maße zur Abnutzung von Maschinen und Werkzeugen beiträgt.

Beide Parteien sind von D11 als dem nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen. In Anbetracht der vorliegenden Dokumente schließt sich die Kammer dieser Betrachtungsweise an.

D11 beschreibt ebenfalls Imprägnate mit hoher Abriebfestigkeit, Transparenz (Seite 16, erster und zweiter Absatz) und geringem Verschleiß der Werkzeuge (Seite 28, letzter Absatz).

4.2 Da D11 dieselbe Aufgabenstellung wie das Streitpatent aufweist, ist die Aufgabe in der Bereitstellung eines zu D11 alternativen Imprägnats mit den beschriebenen Eigenschaften zu sehen.

4.3 Zur Lösung dieses Problems wurde das Imprägnat nach Anspruch 1 des Streitpatents vorgeschlagen.

Die Imprägnate nach Anspruch 1 unterscheiden sich von jenen der D11 in der Verwendung von Zellulosepartikeln mit einem Durchmesser von 70-150 mym.

4.4 Die Beschwerdeführerin bestritt nicht, dass das Problem über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst wurde. Die Kammer schließt sich dieser Meinung an.

4.5 Daher muss geklärt werden, ob, ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik, der beanspruchte Gegenstand nahegelegt war.

D11 erwähnt das Problem der Abnutzung der Werkzeuge, schlägt aber als Lösung die Verwendung ultradünner Schichten von abriebfestem Material vor (Seite 28, letzter Absatz). Die einzige Angabe hinsichtlich der Teilchengröße von Avicel RC 581 ist, dass auf einem Sieb mit 250 mym Maschenweite weniger als 0,1% der Partikel zurückbleiben. Dies sagt nichts darüber aus, welche Fraktion unterhalb dieser Größe verwendet wurde.

Obwohl Anspruch 23 inter alia die Möglichkeit der Beschichtung der abriebfesten Schicht mit einem Bindemittel nennt, wird von dieser Option aber abgeraten (siehe Seite 23, letzter Absatz). In diesem Absatz wird empfohlen, die Bindemittelschicht, zur Glättung der Papieroberfläche, unterhalb der abriebfesten Beschichtung aufzubringen.

Somit kann in D11 kein Hinweis auf die Verwendung der Zellulosepartikeln mit definiertem Durchmesser in einer Anordnung wie beansprucht gefunden werden und das Dokument alleine legt den im Streitpatent beanspruchten Gegenstand nicht nahe.

Als Alternative hatte die Beschwerdeführerin vorgeschlagen, die Lehre von D11 mit jener von D12 zu kombinieren.

D12 betrifft die Oberflächenbeschichtung von widerstandsfähigen Oberflächen, wie beispielsweise Fußböden. Dabei werden Zellulosefasern mit einer Größe von 20-1000 mym zugegeben. Vorzugsweise wird eine Teilchengröße von 30-125 mym genannt (Spalte 1, letzter Absatz).

Da D12 die Verwendung von Zellulosefasern lehrt, D11 aber explizit von nicht faseriger mikrokristalliner Zellulose ausgeht und nicht angenommen werden kann, dass faserige und nicht faserige Zellulosepartikel identische Eigenschaften besitzen, gibt es für den Fachmann keinen Anlass den Teilchengrößenbereich aus der D12 für Fasern zu übernehmen und auf die mikrokristalline Zellulose der D11 anzuwenden.

Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die vorliegenden Entgegenhaltungen den Gegenstand des Streitpatents nicht nahelegen.

Das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ 1973 ist daher für den Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt.

Sinngemäße Überlegungen gelten auch für die Verfahrensansprüche zur Herstellung des Imprägnats (Ansprüche 16,18,20) und die abhängigen Ansprüche.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation