European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2014:T122911.20141202 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 Dezember 2014 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1229/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02010352.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08L 23/02 B32B 1/08 B32B 27/34 B32B 27/32 F16L 11/15 F16L 11/11 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Gewellter Mehrschicht-Polymer-Schlauch- oder Rohrleitung mit reduzierter Längenänderung | ||||||||
Name des Anmelders: | EMS-CHEMIE AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Evonik Degussa GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichter Antrag - Zulassung (ja) Änderungen - zulässig (ja) Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechende richtet sich gegen die am 21. März 2011 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP 1 362 890 (Anmeldenummer 02 010 352.9) in geänderter Fassung auf Basis des ersten Hilfsantrags, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 1. März 2011, aufrecht erhalten wurde.
II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Streitpatents auf Grund mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischen Tätigkeit (Art. 100 a) EPÜ), mangelnder Offenbarung (Art. 100 b) EPÜ), sowie unzulässigen Erweiterungen (Art. 100 c) EPÜ) beantragt.
III. Der Hilfsantrag 1, auf Basis dessen das Streitpatent aufrecht erhalten wurde, enthielt 7 Ansprüche. Ansprüche 1 und 7 lauteten wie folgt (die gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 vorgenommenen Hinzufügungen und [deleted: Streichungen] sind durch die Kammer hervorgehoben):
"1. Mehrschicht-Polymer-Schlauch- oder Rohrleitung (1) mit reduzierter Längenänderung aus thermoplastischen, durch Coextrusion verarbeitbaren Polymeren, für den Einsatz als druckbeaufschlagte Fluidleitung, bestehend aus
(a) einer äusseren Schicht (3), aus einer Formmasse auf Basis von (Co)Polyamiden aus Polymerisaten aus aliphatischen C6 bis C12-Laktamen oder omega-Aminocarbonsäuren mit 4 bis 18 Kohlenstoffatomen, wobei Polyamid 12 besonders bevorzugt ist, oder aus der Gruppe aus Homo- oder Copolymeren, erhältlich durch Polykondensation von mindestens einem Diamin aus der Gruppe der aliphathischen Diamine mit 4 bis 12 C-Atomen, der cycloaliphatischen Diamine mit 7 bis 22 C-Atomen und der aromatischen Diamine mit 6 bis 22 C-Atomen in Kombination mit mindestens einer Dicarbonsäure aus der Gruppe aus aliphatischen Dicarbonsäuren mit 4 bis 12 C-Atomen, cycloaliphatischen Dicarbonsäuren mit 8 bis 24 C-Atomen und aromatischen Dicarbonsäuren mit 8 bis 20 C-Atomen, wobei ebenfalls Blends der vorgenannten Polymerisate und/oder Polykondensate geeignet sind und,
(b) einer inneren Schicht (4) die kraft- bzw. stoffschlüssig mit der äusseren Schicht (3) verbunden ist, aus einer Formmasse, die aus thermoplastischen, haftungsmodifizierten Elastomer-Zusammensetzungen (TPE) besteht, aus der Gruppe aus (1) bis (5) [deleted: (8)]:
[deleted: (1) TPE-Materialien des Typs aus Polyolefin-Elastomeren (Santoprene Typ) ...,]
[deleted: (2) TPE-Materialien des Typs aus dynamisch vulkanisierten Kautschuken in einer Polymermatrix, ...]
(1) [deleted: (3)] TPE-Materialien des Typs aus thermoplastischen Polystyrol-Elastomeren (TPE-S) oder modifizierten Styrol-Olefin-Elastomeren oder Styrol-Olefin-Elastomer-Compounds,
(2) [deleted: (4)] TPE-Materialien des Typs aus thermoplastischen Chlor-Elastomeren,
(3) [deleted: (5)] TPE-Materialien des Typs aus thermoplastischen Polyester-Elastomeren,
(4) [deleted: (6)] TPE-Materialien des Typs aus thermoplastischen Polyamid-Elastomeren,
[deleted: (7) TPE-Materialien des Typs aus thermoplastischen Fluor-Elastomeren,]
(5) [deleted: (8)] TPE-Materialien des Typs aus thermoplastischen Polyurethan-Elastomeren,
wobei den TPE-Materialien (1) [deleted: (2)] bis (5) [deleted: (8)] gegebenenfalls weiterhin Verträglichkeitsvermittler zugesetzt sein können[deleted: ,]
[deleted: (c) wobei gegebenenfalls die innere Schicht (4) innen mit einer Kunststoffschicht (5) versehen sein kann, die aus einer thermoplastischen, haftungsmodifizierten Elastomer-Zusammensetzung (TPE) besteht, aus der Gruppe aus ...] ."
(Die für die vorliegende Entscheidung nicht relevant durchgestrichenen Passagen des ursprünglichen Anspruchs 1 sind mit "..." gekennzeichnet.)
"7. [deleted: 12.] Verfahren zur Herstellung der Mehrschicht-Polymer-Schlauch oder Rohrleitung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 6 [deleted: 11] in einer oder mehreren Stufen durch Spritzgießen, Coextrusion, Extrusions-Blasformen, Pressen oder Ummantelungsverfahren oder mittels des Conex-Verfahrens."
Die Ansprüche 2-6 betrafen bevorzugte Ausführungsformen des Anspruchs 1.
IV. Die Entscheidung stützte sich unter anderem auf folgende Dokumente:
E1: DE 101 16 427
E2: Thermoplastic Elastomers, Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, Sixth Ed. , 1998, Electronic Release
E3: Rubber, 3. Synthetic, 7. Thermoplastic Elastomers, Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, Sixth Ed., 1998, Electronic Release
E6: DE 44 28 236
E11: WO 02/33303
Die Einspruchsabteilung befand unter anderem folgendes:
- Die Entgegenhaltung E11 wurde verspätet vorgebracht und sei nicht relevanter als andere, bereits im Verfahren befindliche Dokumente und wurde somit in das Verfahren nicht zugelassen;
- der Hilfsantrag 1 erfülle die Erfordernisse der Art. 123(2), 123(3), 83, 84, 54 und 56 EPÜ. Was Art. 83 EPÜ betrifft, gab es keinen Hinweis darauf, dass es unmöglich sei, zumindest in einem der beanspruchten Ausführungsformen (b)(1) bis (b)(5) für eine ausreichende Haftung zu sorgen. Hinsichtlich der Neuheit wurde kein Einwand erhoben. Was die erfinderische Tätigkeit betrifft, unterscheide sich der beanspruchte Gegenstand von dem nächstliegenden Stand der Technik E1 lediglich durch die Auswahl eines TPE-Materials im Merkmal (b). In E1 seien nur TPE-Polyolefine für die innere Schicht offenbart. Die zu lösende Aufgabe liege in der Bereitstellung eines alternativen Materials für die Innenschicht. Der Fachmann hätte keinen Grund gehabt, diese Aufgabe durch Austausch des Polyolefins der E1 durch ein Material gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(5) zu lösen. Daher könne dem beanspruchten Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden.
V. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.
In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Ferner wurde beantragt, sowohl das Dokument E11 als auch die neu eingereichten Dokumente E13, E13a und E14 ins Verfahren zuzulassen.
Weitere Argumente wurden mit Brief vom 18. Dezember 2012 eingereicht.
VI. Mit Brief vom 10. Februar 2012 beantragte die Beschwerdegegnerin die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. In einem Bescheid vom 20. Juni 2014, der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Beschwerdekammer ihre vorläufige Meinung mit.
VIII. Am 2. Dezember 2014 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Anwesenheit beider Parteien statt. Am Anfang der Verhandlung legte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag (7 Ansprüche) als einzigen Antrag vor.
Dieser Hauptantrag unterschied sich vom Hilfsantrag 1, auf Basis dessen das Streitpatent aufrecht erhalten wurde dadurch, dass das Merkmal (b)(3) gestrichen wurde.
IX. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung des Hauptantrags
a) Der Antrag sei verspätet vorgebracht. Es gebe keinen Grund, warum ein solcher Antrag nicht früher eingereicht wurde. Die Beschwerdeführerin sei überrascht und musste Ihre Argumentation neu überlegen, da bis jetzt davon ausgegangen wurde, dass der einzige Antrag nicht gewährbar sei, weil mindestens eine Ausführungsform des Anspruchs 1 nicht neu sei. Der Antrag rufe neue Einwände bzgl. Art. 123(2) EPÜ hervor, welche bis jetzt nicht besprochen wurden. Die jetzt beanspruchte Merkmalkombination habe nicht vorhergesehen werden können.
Aus diesen Gründen solle der Hauptantrag in das Verfahren nicht zugelassen werden.
Änderungen
b) Der ursprüngliche Anspruch 1 umfasse sowohl Zwei-Schicht- als auch Drei-Schicht-Rohre, in denen die innere Schicht (4) aus einer von acht möglichen TPE-Materialien hergestellt werden könnte. Da sich der geltende Anspruch 1 auf Zwei-Schicht-Rohre, in denen die innere Schicht (4) aus einer von nur noch vier möglichen TPE-Materialien hergestellt werden, beschränke, sei die beanspruchte Merkmalkombination in der ursprünglichen Offenbarung nicht direkt und unmittelbar offenbart. Somit seien die Erfordernisse des Art. 123(2) EPÜ nicht erfüllt.
Ausführbarkeit
c) Anspruch 1 des geltenden Anspruchssatzes forderte in Merkmal (b) eine kraft- bzw. stoffschlüssige Verbindung der inneren Schicht mit der äußeren Schicht. Der Anmeldetext enthalte jedoch keine Information darüber, wie sich die Materialen (b)(1) bis (b)(4) kraftschlüssig mit z.B. dem Polyamid (a) gemäß Anspruch 1 sich verbinden ließen. Die in den Absätzen [0026] und [0041] des Streitpatents angegebenen Informationen seien nicht ausreichend, insbesondere weil sie nicht für alle Materiale (b)(1) bis (b)(4) anwendbar seien. Die Techniker der Beschwerdeführerin seien der Meinung, dass es unklar und sehr fraglich sei, wie TPE-Materialien gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4) gemäß Absatz [0026] des Streitpatents modifiziert sein könnten. Das dort angegebene Pfropfen mit Maleinsäureanhydrid funktioniere mit den Ausführungsformen (b)(3) und (b)(4) nicht. Es sei ferner unklar, wie die dort angegebene Reaktion mit Epoxiden durchgeführt werden solle. Eine gute Haftung zwischen unterschiedlichen Polymermaterialien, insbesondere für ein Material gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4), sei keine Selbstverständlichkeit.
d) Ein Anspruch solle in seiner gesamten Breite ausführbar sei. Es reiche nicht aus, dass das Streitpatent Informationen für eine der beanspruchten Ausführungsform offenbare (Absatz [0061] des Streitpatents: modifizierte Styrol-Olefin-Elastomer TPE gemäß Merkmal (b)(1) des geltenden Anspruch 1).
e) Der Begriff "thermoplastischen Chlor-Elastomeren" des Merkmals (b)(2) sei so unklar, dass der Fachmann diese Alternative des Anspruchs 1 nicht ausführen könne.
f) Viele TPE-Materialien der Alternativen (b)(3) und (b)(4) hafteten von sich aus gut an einer Polyamidschicht gemäß Merkmal (a). Somit sei es unklar, was der Fachmann machen solle, um solche Materialien "haftungsmodifiziert" zu machen.
g) Aus diesen Gründen seien die Erfordernisse des Art. 83 EPÜ nicht erfüllt.
Neuheit
h) Die im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Neuheitseinwände in Bezug auf E11, E13, E13a und E14 seien für den geltenden Hauptantrag nicht mehr relevant.
Erfinderische Tätigkeit
i) Anspruch 10 der E11 offenbare ein Zwei-Schicht-Rohr mit einer Außenschicht aus Nylon und einer Innenschicht aus TPE, welche für ähnliche Anwendungen wie im Streitpatent eingesetzt werden könnten. Während der mündlichen Verhandlung wurde argumentiert, dass E11 somit einen relevanteren nächstliegenden Stand der Technik als E1 darstelle.
Aus diesem Grund sei E11 prima facie hoch relevant und sollte in das Verfahren zugelassen werden.
In der mündlichen Verhandlung wurde argumentiert, dass die gegenüber E11 gelöste Aufgabe in der Bereitstellung von weiteren Zwei-Schicht-Leitungen liege. Was das betrifft, offenbare E11 Santoprene**(®)Produkte oder Polyestern (geänderter Anspruch 28), welche nicht mehr unter den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 fielen. Suche man nach alternativen thermoplastischen Elastomeren für die Innenschicht, so lande man unweigerlich bei E2 und E3, welche TPE gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4) offenbarten.
Das Merkmal "haftungsmodifiziert" des geltenden Anspruchs 1 sei vage, im Streitpatent nicht näher definiert und so wenig offenbart, dass es zur erfinderischen Tätigkeit nicht beitragen könne. Darüber hinaus sei eine solche Modifizierung zur Verbesserung der Haftung üblich in der Art, wie aus E6 oder E1 für TPE-Polyolefine ersichtlich sei.
Somit sei der beanspruchte Gegenstand nicht erfinderisch.
X. Die für diese Entscheidung relevante Argumentation der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung des Hauptantrags
a) Der Hauptantrag diene dazu, die vorgebrachten Neuheitseinwände auszuräumen und führe somit zu einer Vereinfachung des Verfahrens. Die vier übrig gebliebenen Alternativen für das Merkmal (b) seien in der ursprünglichen Offenbarung schon beansprucht gewesen. Somit sei nichts neues beansprucht, sondern lediglich auf manche Ausführungsformen verzichtet worden. Hinsichtlich Art. 123(2) EPÜ führe diese Änderung zu keinem neuen Einwand.
Daher sollte der Hauptantrag in das Verfahren zugelassen werden.
Änderungen
b) Anspruch 1 stelle lediglich eine Beschränkung auf manche Ausführungsformen des ursprünglichen Anspruchs 1 dar. Es gebe keinen Grund von der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass die Erfordernisse des Art. 123(2) EPÜ erfüllt seien, abzuweichen. In der Beschwerdebegründung sei auch kein Einwand bzgl. Art. 123(2) EPÜ vorgebracht worden, und die Lage habe sich durch die Einreichung des geltenden Hauptantrags nicht geändert. Somit seien die Erfordernisse des Art. 123(2) EPÜ erfüllt.
Ausführbarkeit
c) Die Beschreibung des Streitpatents liefere ausreichende Informationen, um den beanspruchten Gegenstand ohne unzumutbaren Aufwand auszuführen (Absätze [0026], [0030]-[0043]). Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die beanspruchten Merkmalskombinationen (b)(1) bis (b)(4) keine gute Haftung mit der Formmasse gemäß Merkmal (a) des Anspruchs 1 zeigten, sei von Fakten nicht belegt. Die Techniker der Beschwerdegegnerin seien der Meinung, dass es durch übliches Experimentieren möglich sei, TPE-Materialien gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4) gemäß Absatz [0026] des Streitpatents z.B. durch Pfropfen, zu modifizieren. Es wurde auch nicht gezeigt, warum die Argumentation der Einspruchsabteilung falsch sei. Dass das Streitpatent kein Beispiel gemäß Anspruch 1 enthalte, ändere an dieser Schlussfolgerung nichts.
Somit seien die Erfordernisse des Art. 83 EPÜ erfüllt.
Erfinderische Tätigkeit
d) Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin sich damit einverstanden erklärt, dass E11, obwohl verspätet, in das Verfahren zugelassen und als nächstliegender Stand der Technik betrachtet wird.
e) Die Aufgabe des Streitpatents gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik E11 liege darin, weitere Zwei-Schicht-Leitungen, welche für die jeweiligen Anwendungen tauglich sind, bereitzustellen. In diesem Zusammenhang offenbare E11, dass entweder Nylon oder Polypropylen für die Außenschicht verwendet werden könne. Für die innere Schicht sei TPE eine bevorzugte Ausführungsform und lediglich Santoprene**(®) wurde als TPE explizit offenbart. Was das "Polyester (TPE)" gemäß Anspruch 28 der E11 betreffe, könne es sich nur um einen Fehler handeln, da "TPE" keine gewöhnliche Abkürzung für Polyester sei und E11, außer im Anspruch 28, Polyester nicht offenbare. E11 beschreibe weder explizit noch implizit eine Haftungsmodifizierung des TPEs gemäß Merkmal (b) des geltenden Anspruchs 1. Um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, sollte man nicht nur eine mehrfache Auswahl in E11 machen (Nylon, TPE) sondern auch ein anderes TPE auswählen und diese noch haftungsmodifizieren.
In diesem Zusammenhang seien die Dokumente E2 oder E3 für Mehr-Schicht-Polymerschläuche im Kraftfahrzeugbereich nicht zutreffend und offenbarten keine Haftungsmodifizierung.
Die Haftungsmodifizierung eines TPEs im Sinne des Streitpatents gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4) des geltenden Anspruchs 1 sei in keinem der zitierten Dokumente offenbart. Die Dokumente E1 und E6 beträfen lediglich TPE-Polyolefine, welche nicht beansprucht werden.
Die Kombination von E11 mit den zitierten Dokumenten sei somit nicht naheliegend und führe nicht zum beanspruchten Gegenstand.
Aus diesen Gründen sei der beanspruchte Gegenstand erfinderisch.
XI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis der Ansprüche des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit des Hauptantrags
2.1 Die Zulassung des erst am Anfang der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hauptantrags im Beschwerdeverfahren, liegt im Ermessen der Kammer (Art. 13(1) VOBK).
2.2 Dieser Hauptantrag unterscheidet sich von dem vorher geltenden Hauptantrag, nämlich dem Hilfsantrag 1, auf dessen Basis das Streitpatent aufrecht erhalten wurde, hauptsächlich dadurch, dass eine der fünf (aus der ursprünglichen acht) übriggebliebenen Alternativen für das Merkmal (b) des Anspruchs 1 gestrichen wurde.
Weder im Erstinstanzverfahren noch in der schriftlichen Phase des Beschwerdeverfahrens wurde ein Einwand bzgl. Art. 123(2) EPÜ gegen den bis dahin geltenden Hauptantrag erhoben. Da die durchgeführte Änderung darin besteht, eine der fünf gebliebenen Alternativen zu streichen, ist es prima facie nicht ersichtlich, wie diese Änderung zu einem Einwand im Hinblick auf Art. 123(2) EPÜ führen soll.
2.3 Des Weiteren dient diese Änderung prima facie dazu, die schriftlich vorgebrachten Neuheitseinwände auf der Basis der Dokumente E11, E13, E13a und E14 durch Streichen der Ausführungsform mit dem Merkmal TPE-Materialien aus thermoplastischen Polyester-Elastomeren, auszuräumen. Somit verstößt diese Änderung nicht gegen die Verfahrensökonomie.
2.4 Aus diesen Gründen wird der während der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2014, und somit zu einem späten Zeitpunkt, eingereichte Hauptantrag, in das Verfahren zugelassen (Art. 13(1) VOBK).
3. Änderungen
3.1 Wie in der Entscheidung G 2/10 (ABl. EPA 2012, 376) dargelegt (siehe insbesondere die Punkte 4.5.1, 4.5.2 und 4.5.4 der Entscheidungsgründe), ist für die Frage, ob eine Änderung ein Verstoß gegen Art. 123(2) EPÜ darstellt, zu prüfen, ob die durchgeführte Änderung dazu führt, dass der Fachmann neue technische Informationen erhält, die er der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen würde. Ob der Fachmann neue Informationen erhält, hängt davon ab, wie er den geänderten Anspruch verstehen würde und ob er unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens diesen Gegenstand als zumindest implizit in der Anmeldung offenbart ansehen würde.
3.2 Durch die geschlossene Formulierung "Mehrschicht-Polymer-Schlauch- oder Rohrleitung (1)... bestehend aus (a) einen äußeren Schicht (3)... und (b) einer inneren Schicht (4)..." ist der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 auf einen Zwei-Schicht-Schlauch oder eine Rohrleitung gerichtet, bei denen die innere Schicht aus einer Liste von vier alternativen Materialien auszuwählen ist.
Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich somit vom ursprünglichen Anspruch 1 dadurch, dass:
- vier von den ursprünglich acht möglichen Alternativen für das TPE-Material der inneren Schicht (4) gestrichen wurden;
- die gegebenenfalls anwesende Kunststoffschicht (5) gestrichen wurde.
Es ist weder ersichtlich noch wurde gezeigt, dass der jetzt beanspruchte Gegenstand im Vergleich zu der ursprünglichen Offenbarung dem Fachmann neue Informationen liefert. Durch die durchgeführten Änderungen hat die Patentinhaberin somit lediglich auf einige der ursprünglich beanspruchten Ausführungsformen verzichtet, ohne jedoch dass der verbleibende Gegenstand den ursprünglichen generischen Charakter der ursprünglichen Offenbarung verändert.
3.3 Somit erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse des Art. 123(2) EPÜ.
4. Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit
4.1 Anspruch 1 des Streitpatents betrifft eine Zwei-Schicht-Polymer-Schlauch- oder Rohrleitung (1) bestehend aus (a) einer äußeren Schicht (3) aus einer Formmasse auf Basis von (Co)Polyamiden und (b) einer inneren Schicht (4) die kraft- bzw. stoffschlüssig mit der äußeren Schicht (3) verbunden ist, aus einer Formmasse, die aus haftungsmodifizierten TPE aus der Gruppe (1) bis (4) gemäß geltendem Anspruch 1 und ggf. einem Verträglichkeitsvermittler besteht.
4.2 Beide Parteien waren sich einig, dass Anspruch 1 verlangt, dass die TPE aus der Gruppe (1) bis (4) per se haftungsmodifiziert sein müssen. Die Kammer sieht keinen Grund Anspruch 1 anders auszulegen. Das weitere Merkmal "wobei den TPE-Materialien (1) bis (4) gegebenenfalls weiterhin Verträglichkeitsvermittler zugesetzt sein können" definiert weiter, dass die vorher angegebenen haftungsmodifizierten TPE wahlweise einen Verträglichkeitsvermittler zugesetzt werden können. Diese Auslegung des Anspruchs steht nicht im Widerspruch mit der Offenbarung des Streitpatents (siehe insbesondere Absatz [0026]).
4.3 Um die so definierte Schlauch- oder Rohrleitung herzustellen, gibt das Streitpatent allgemeine Informationen bzgl.
- der Natur des Polyamids der Formmasse gemäß Merkmal (a) (Absätze [0045] und [0046]);
- der Natur von geeigneten TPE-Materialien (b)(1) bis (b)(4)(Absätze [0033], [0034], [0038]-[0043]);
- der Art einer möglichen "Haftungsmodifizierung" (Absatz [0026]), welche für alle Ausführungsformen (b)(1) bis (b)(4) anwendbar ist;
- der Natur des optionalen Verträglichkeitsvermittlers (Absätze [0025], [0026] und [0028]);
- des Herstellungsverfahrens (Absätze [0072] und [0082]).
Somit beinhaltet das Streitpatent Informationen, wie die Erfindung durchgeführt werden kann. Dass eine solche Modifizierung eine kraft- bzw. stoffschlüssige Verbindung der inneren Schicht (4) mit der äußeren Schicht (3) bewirken kann, erachtet die Kammer für glaubhaft.
4.4 Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann nicht wüsste, wie sich eine kraft- bzw. stoffschlüssige Verbindung der inneren Schicht (4) mit der äußeren Schicht (3) im Hinblick auf die Lehre des Streitpatents, insbesondere Absatz [0026], erzielen lasse, ist von Fakten nicht belegt.
Was die Alternative (b)(2) betrifft, werden in den Absätzen [0034] und [0038] Polychlorprenekautschuke, welche eine allgemein bekannte Klasse von Elastomeren darstellen, und die Handelsprodukte Alcryn® angegeben. Es liegen keine Fakten vor, dass es unmöglich ist, mit solchen Polymeren den beanspruchten Gegenstand auszuführen. Somit ist der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Begriff "thermoplastischen Chlor-Elastomeren" so unklar ist, dass der Fachmann diese Alternative des Anspruchs 1 nicht ausführen kann, nicht überzeugend.
Bezüglich der Alternativen (b)(3) und (b)(4), selbst wenn die im Absatz [0026] des Streitpatents angegebene Reaktion mit Maleinsäureanhydrid zur Modifizierung TPEs nicht funktionieren würde, hat die Beschwerdeführerin ferner nicht gezeigt, dass eine Modifizierung solcher TPE, die bekannterweise reaktive Endgruppen enthalten können, mit einer weiteren Verbindung, die eine epoxide Verbindung aufweist, nicht möglich ist.
Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass es unmöglich ist, eine ausreichende Haftung nach einer chemischen Modifizierung des TPEs z.B. gemäß Seite 4, Zeilen 43-44 (Absatz [0026]) des Streitpatents ggf. mit Zugabe eines Verträglichkeitsvermittlers, welche gemäß Seite 4, Zeile 49 bis Seite 5, Zeile 5 des Streitpatents (Absätze [0026]-[0027]) bekannt sind, zu erzielen.
Obwohl die Einspruchsabteilung auf diese Schlussfolgerung, nämlich dass es keinen Hinweis gibt, dass es unmöglich ist, zumindest in einem der beanspruchten Fälle für eine ausreichende Haftung zu sorgen, bereits gekommen war (siehe letzter Satz des Absatz 20.3.3 der Begründung der angefochtenen Entscheidung) und die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung der gleichen Ansicht war (Absatz 5.3), hat die Beschwerdeführerin keine Beweismittel vorgelegt, um diese Schlussfolgerungen zu entkräften.
Der geltend gemachte Widerrufsgrund der mangelnden Ausführbarkeit ist somit nicht überzeugend.
4.5 Folglich erfüllt der Gegenstand des geltenden Antrags die Erfordernisse des Art. 83 EPÜ.
5. Neuheit
Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass ihre im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Neuheitseinwände für den geltenden Hauptantrag nicht mehr relevant seien und, dass keine der im Verfahren zitierten Dokumente neuheitsschädlich seien.
Die Kammer hat keinen Anlass, eine andere Meinung zu vertreten.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1 Nächstliegender Stand der Technik
6.1.1 Das Streitpatent in seiner vorliegenden Fassung betrifft eine Zwei-Schicht-Polymer-Schlauch- oder Rohrleitung mit reduzierter Längenänderung für den Einsatz als druckbeaufschlagte Fluidleitungen z.B. in Kraftfahrzeugen (Absätze [0001]-[0002], [0020], [0071], [0072] und [0077]). Gemäß den Absätzen [0020] und [0071] sind die beanspruchten Schläuche oder Rohrleitungen einfach herstellbar und können durch die verwendete Kombination der Außen- und Innenschichtmaterialien auf einfache Weise auf angrenzende Formkörper aus Kunststoff oder Metall angeschweißt werden, so dass sie an den Verbindungsstellen dicht und druckfest sind.
6.1.2 Solche Schläuche sind aus der Entgegenhaltung E11 bekannt, welche ein zweiwandiges coextrudiertes gewelltes ("corrugated") Rohr, dessen äußere Schutzschicht mit einer inneren Schicht verbunden ist, betrifft (Anspruch 1). Die äußere Schicht kann aus einem Nylonmaterial hergestellt sein (Anspruch 9), also einem Polyamid wie mit Merkmal (a) im Anspruch 1 des Hauptantrags definiert wird. Die innere Schicht ist aus einem thermoplastischen Elastomer (TPE) hergestellt (Ansprüche 3 und 10), wobei als einziges Beispiel für ein solches thermoplastisches Elastomer, das unter der Marke Santoprene® vertriebene Produkt genannt wird (z.B. Seite 11, Zeile 12 und Seite 14, Zeile 12). Anspruch 10 der E11 offenbart explizit die Kombination einer Außenschicht aus Nylon mit einer Innenschicht aus TPE. Gemäß geändertem Anspruch 28 der E11 kann die innere Schicht aus einem thermoplastischen Polyester (TPE) bestehen. In Anbetracht dessen, dass E11 außer an dieser Stelle der Ansprüche solche Polyester nicht offenbart und, dass "TPE" die gewöhnlich verwendete Abkürzung für "thermoplastic elastomer" darstellt, wie in allen anderen Passagen der E11 gezeigt wird, wird die Verwendung des Wortlauts "Polyester" im Anspruch 28 der E11 als ein offensichtlicher Fehler betrachtet, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert wurde. Der Ausdruck "Polyester" im Anspruch 28 ist daher im Hinblick auf die gesamte Offenbarung der E11 als Elastomer zu verstehen.
Das in E11 beschriebene Rohr ist für Anwendungen konzipiert, bei denen flexible Rohrleitungen erwünscht sind, unter anderem in Automobilen (Seite 2, Zeilen 11 bis 14). Das Rohr ist demnach für den Einsatz als druckbeaufschlagte Fluidleitung gemäß dem geltenden Anspruch 1 geeignet, was sich auch unmittelbar daraus ergibt, dass es über eine hohe Berstfestigkeit verfügt (Seite 5, letzter Absatz). Darüber hinaus liegt die zu lösende Aufgabe der E11 in der Bereitstellung von Röhren, welche an Verbindungsstellen dicht und druckfest sind (E11: Seite 2, letzte Zeilen; Seite 4, erster Satz; die innere Schicht wird auch als "inner sealing layer" bezeichnet), also wie im Streitpatent (Absätze [0020] und [0071] : "... an den Verbindungsstellen dicht und druckfest sind").
Somit stellt E11, insbesondere Anspruch 10, einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik dar.
6.1.3 Die Druckschrift E11, die von der ersten Instanz in das Verfahren nicht zugelassen wurde, ist in der Beschwerdebegründung als geeigneter nächstliegender Stand der Technik angesehen worden.
Insbesondere in der mündlichen Verhandlung wurde E11 von der Beschwerdeführerin als relevanter als E1 angesehen, welche von der Einspruchsabteilung als nächstliegender Stand der Technik betrachtet wurde. Die Beschwerdeführerin hat sowohl in der Beschwerdebegründung (Punkt 4, letzter Absatz) als auch in der mündlichen Verhandlung argumentiert, dass E11 TPE als generischen Begriff offenbart und nicht nur als eine spezifische Art von TPE, nämlich TPE-Polyolefine, wie E1.
Da die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausdrücklich bestätigte, dass die Zulassung der E11 in das Verfahren nicht bestritten werde, sieht die Kammer unter diesen Umständen keinen Grund, E11 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Somit wird E11 als Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit betrachtet.
6.2 Die zu lösende Aufgabe
6.2.1 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer haben sowohl die Beschwerdegegnerin als auch die Beschwerdeführerin die Aufgabe, die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gelöst ist, lediglich als die Bereitstellung von weiteren Zwei-Schicht-Leitungen wie denen gemäß E11 definiert. Die Kammer hat von sich aus keinen Grund zu zweifeln, dass die Aufgabe erfolgreich gelöst ist. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass ein kraft- bzw. stoffschlüssiger Verbund der inneren und äußeren Schicht ein Merkmal des geltenden Anspruchs 1 bildet.
6.2.2 Der Vollständigkeit halber ist angemerkt, dass das unklare Merkmal "mit reduzierter Längenänderung" im ganzen Streitpatent nicht näher definiert ist. Es ist insbesondere nicht angegeben, was im Vergleich dazu die Verbesserung sein sollte. Dabei ist laut Streitpatent davon auszugehen, dass sowohl die Zusammensetzung der Schichten und/oder das Profil des Schlauches einen Einfluss auf die Längenänderung haben können (Absätze [0071] und [0083]). Darüber hinaus gibt es keinen Beweis dafür, dass dieses Merkmal für die jetzt beanspruchten Ausführungsformen (b)(1) bis (b)(4) erfüllt ist. Daher kann dieses Merkmal für die Definition der Aufgabe nicht berücksichtigt werden, wie während der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin akzeptiert wurde.
6.3 Lösung
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent den/die Zwei-Schicht-Schlauch oder Leitung gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 vor, der durch die Verwendung eines TPE-Materials gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4), welches haftungsmodifiziert ist, charakterisiert wird.
6.4 Naheliegen der Lösung
6.4.1 Hier muss entscheiden werden, ob es naheliegend war, die oben definierte Aufgabe durch Änderung der Lehre des nächstliegenden Stands der Technik gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 zu lösen, d.h. durch Verwendung eines haftungsmodifizierten TPE gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4) anstatt mit den in E11 offenbarten TPE-Materialien des Typs aus Polyolefin-Elastomeren.
6.4.2 E11 beschreibt lediglich, dass die innere Schicht aus einer thermoplastischen Elastomer hergestellt wird, wobei keine weitere Lehre über die Natur eines solchen Elastomers in E11 angegeben wird, außer dass es sich um das kommerziell erhältliche Produkt Santoprene handeln kann. Ob alle Klassen an thermoplastischen Elastomeren, insbesondere die, die der Definition der Materialien (b)(1) bis (b)(4) entsprechen, geeignet wären, wird nicht angedeutet. E11 offenbart ebenfalls nicht, dass das TPE gemäß der Lehre der E11 haftungsmodifiziert werden kann. Somit kann E11 an sich auf die beanspruchte Lösung nicht hinweisen.
6.4.3 E2 und E3 sind Auszüge aus einem Standardnachschlagewerk der Chemie (Ullmann's Encyclopedia), welche sich auf thermoplastische Elastomere (TPE) beziehen.
In E2 sind in den folgenden Unterkapiteln die wichtigsten Klassen von thermoplastischen Elastomere abgehandelt:
1. Thermoplastische Polyolefin-Elastomere d.h. gemäß E11;
2. Thermoplastische Polyurethan-Elastomere (Alternative (b)(4) des geltenden Anspruchs 1) mit einem speziellen Hinweis auf die Extrudierbarkeit, die Verwendung als Material für Schläuche und die chemische Beständigkeit in "2.5. Processing and Use";
3. Thermoplastische Polyamid-Elastomere (Alternative (b)(4)) mit einem speziellen Hinweis auf die Verwendung als Material für Schläuche und Automobil-Komponenten in "4.4. Uses".
4. Styrol-Block-Copolymere (Alternative ((b)(1)) mit einem speziellen Hinweis auf die Extrudierbarkeit und die Verwendung als Material für Schläuche in "2.5. Processing and Uses".
Auch in E3 in "1.1. Definition" sind die oben genannten Klassen von thermoplastischen Elastomeren aufgeführt.
Somit hat die Beschwerdeführerin belegt, dass die im Merkmal (b)(1) bis (b)(4) des geltenden Anspruchs 1 aufgelisteten Materialen übliche TPEs sind, welche unter dem in E11 offenbarten Begriff "TPE" fallen. E2 zeigt ferner, dass diese TPEs in ähnlichen Gebieten verwendet werden und ähnliche Eigenschaften wie die in E11 explizit offenbarten TPE aufweisen.
Dennoch, auch wenn der Fachmann auf die Idee kommen sollte, das TPE der inneren Schicht gemäß E11 zu ändern, würde er mit Hilfe von E2-E3 auf andere TPE gelangen, und nicht auf solche, die spezifisch haftungsmodifiziert gemäß dem geltenden Anspruch 1 sind, da weder E2 noch E3 eine solche Haftungsmodifizierung eines TPEs offenbaren.
6.4.4 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass die chemische Modifizierung eines TPE, um die Haftung zu erreichen, üblich sei, wie z.B. in E6 und E1 gezeigt.
Was dieses Argument betrifft, offenbaren sowohl E1 als auch E6 nur TPE auf Basis von Polyolefinen, und kein TPE gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4) des geltenden Anspruchs 1 (siehe z.B. Anspruch 1 der E1 oder der E6).
Anspruch 1 der E6 offenbart insbesondere Mehrschicht-Rohrleitungen für Fluide, mit einer Polyamid-Schicht (1) und einer inneren Kunststoffschicht (2), die ein modifiziertes thermoplastisches Elastomer mit vollvernetzter Kautschukphase enthält, dadurch gekennzeichnet, dass das Elastomer der inneren Kunststoffschicht (2) ein Copolymer eines funktionalisierten Polyolefins als Hauptbestandteil und ein Polyamid enthält. Es geht aus E6 nicht hervor, dass diese Funktionalisierung die Haftung zwischen der Polyamid-Schicht (1) und die Kunststoffschicht (2) verbessern soll. Da die Haftung zwischen den Schichten (1) und (2) durch die Zugabe in der inneren Schicht eines Polyamids, welches als Verträglichkeitsvermittler anzusehen ist, erfolgt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass E6 überhaupt ein "haftungsmodifiziertes" TPE in Sinne des Streitpatents (Absatz [0026]) darstellt.
Ferner wurde kein Dokument vorgelegt, in welchem ein TPE-Material aus der Gruppe (1) bis (4) gemäß Anspruch 1 so modifiziert wurde, dass eine kraft- bzw. stoffschlüssige Haftung mit Nylon gemäß Anspruch 10 der E11 erreicht wird.
Aus diesen Gründen hätte der Fachmann keine Veranlassung gehabt, ein haftungsmodifiziertes TPE-Material gemäß Merkmal (b)(1) bis (b)(4) als TPE für die innere Schicht eines Schlauches gemäß Anspruch 10 der E11 zu verwenden. Dies würde der Fachmann nur bei rückschauender Betrachtungsweise, also in Kenntnis der beanspruchten Erfindung, vorsehen.
6.4.5 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1, ausgehend von E11 als nächstliegendem Stand der Technik, erfinderisch.
Der Gegenstand der Ansprüchen 2-7, welche entweder vom Anspruch 1 abhängig sind (Ansprüche 2-6) oder ein Verfahren zur Herstellung eines Produkts gemäß Anspruch 1 betrifft, ist somit ebenfalls erfinderisch.
6.5 Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer argumentiert, dass E11 als nächstliegender Stand der Technik relevanter als E1 ist. Somit stellt E1 einen ferneren nächstliegenden Stand der Technik dar. Die im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Einwänden der Beschwerdeführerin, welche von E1 ausgingen, können somit nicht gefolgt werden.
6.6 Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass sich der beanspruchte Gegenstand für den Fachmann in naheliegenderweise aus dem Stand der Technik ergibt, kann daher nicht überzeugen.
6.7 Somit erfüllt der einzige Antrag der Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin die Erfordernisse des EPÜ.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Basis der Ansprüche des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.