European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T121411.20131029 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 29 October 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1214/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01890158.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C22C 33/02 B22F 3/15 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur pulvermetallurgischen Herstellung von Gegenständen aus Werkzeugstahl | ||||||||
Name des Anmelders: | BÖHLER Edelstahl GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Erasteel Kloster Aktiebolag | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Reinheitsgrad | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. In der am 6. April 2011 zur Post gegebenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu der Auffassung, dass das europäische Patent Nr. 1 249 510 in der Fassung gemäß dem damals geltenden Hilfsantrag 3 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
Nach Ansicht der Einspruchsabteilung erfüllte allein das mit diesem Hilfsantrag beanspruchte Verfahren zur Herstellung eines Produkts die Erfordernisse der Patentierbarkeit, jedoch nicht das in den vorangegangen Anträgen zusätzlich beanspruchte Produkt als solches, unabhängig davon, ob dieses nach dem beanspruchten Verfahren hergestellt wurde oder nicht.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr am 31. Mai 2011 Beschwerde eingereicht. Die Beschwerdebegründung ist am 8. August 2011 eingegangen.
III. Für die vorliegende Entscheidung haben die folgende Entgegenhaltung und Norm eine Rolle gespielt:
D10: T. A. Tingskog: "Production of Ultra-Clean Gas Atomized Powder by Plasma Heated Tundish Refinement", Advances in Powder Metallurgy and Particulate Materials, 1998, Band 3, Seiten 10-57 bis 10-68;
A1: DIN 50 602, September 1985; 12 Seiten, eingereicht von der Beschwerdeführerin.
IV. Am 29. Oktober 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht am 8. August 2011
oder
des Hilfsantrags 4, eingereicht am 27. September 2013 oder
des Hilfsantrags 5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 9 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Pulvermetallurgisch hergestellter Gegenstand aus Werkzeugstahl mit verbesserten Werkstoffeigenschaften, bestehend aus einer Eisenbasislegierung enthaltend in Gew.%:
Kohlenstoff (C) 0,52 bis 3,74
Mangan (Mn) bis 2,9
Chrom (Cr) bis 21,0
Molybdän (Mo) bis 10,0
Nickel (Ni) gegebenenfalls bis 1,0
Kobalt (Co) bis 20,8
Vanadin (V) bis 14,9
Niob (Nb)/Tantal (Ta) bis 2,0
einzeln oder in Summe
Wolfram (W) bis 20,0
Schwefel (S) bis 0,5
sowie Begleitelemente bis einer Summenkonzentration von 4,8 und Verunreinigungen und Eisen als Rest, welcher hochreine Werkstoff nach DIN 50 602 einen K0-Wert von höchstens 3 oder nach ASTM E 45/85 Meth. D einen ASTM-Wert von höchstens 1,5 aufweist, wobei der Gegenstand warm umgeformt ist."
Anspruch 9 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich hiervon durch den folgenden Wortlaut (alle Änderungen sind im Folgenden entweder fett gedruckt oder durchgestrichen):
"Pulvermetallurgisch hergestellter Gegenstand aus Werkzeugstahl mit verbesserten Werkstoffeigenschaften, hergestellt nach einem Verfahren gemäß den vorgeordneten Ansprüchen, bestehend aus...aufweist, wobei der Presskörper warm umgeformt ist."
Anspruch 9 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch folgenden Wortlaut:
"Pulvermetallurgisch hergestellter Gegenstand aus Werkzeugstahl mit verbesserten Werkstoffeigenschaften, hergestellt nach einem Verfahren gemäß den vorgeordneten Ansprüchen, wobei der Presskörper warm umgeformt wird, bestehend aus...aufweist."
Anspruch 9 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich in folgender Weise von Anspruch 9 des Hauptantrags:
"Pulvermetallurgisch hergestellter Gegenstand aus Werkzeugstahl mit verbesserten Werkstoffeigenschaften, hergestellt nach einem Verfahren zur pulvermetallurgischen Herstellung von dichten, verformten oder unverformten Gegenständen aus hochreinem Werkzeugstahl mit einem gemäß DIN 50 602- K0-Wert von im Wesentlichen höchstens 3, wobei eine Schmelze in ein metallurgisches Gefäß eingebracht und in diesem konditioniert wird, das ist ein Verbessern des oxidischen Reinheitsgrades derselben und ein Einstellen der Temperatur auf einen Wert über der Bildungstemperatur von Primärausscheidungen in der Legierung, wonach bei im Wesentlichen konstant gehaltener Temperatur aus dieser Schmelze durch Verdüsung mittels mindestens drei aufeinanderfolgenden Gasstrahlen mit Stickstoff mit einem Reinheitsgrad 99,999% N in einer Verdüsungskammer ein Pulver mit einem mittleren Korndurchmesser von 50 bis 70 mym hergestellt wird, wobei die konditionierte Schmelze durch einen Düsenkörper im metallurgischen Gefäß mit einem Schmelzenstromdurchmesser von 4,0 bis 10,0 mm in eine Verdüsungskammer eingebracht und in dieser mit mindestens drei aufeinander folgenden aus Stickstoff gebildeten Gasstrahlen mit der Maßgabe beaufschlagt wird, dass die letzte Beaufschlagung des Schmelzenstromes durch einen Gasstrahl erfolgt, der zumindest stellenweise eine Geschwindigkeit aufweist, die größer als die Schallgeschwindigkeit ist und wobei das Pulver im Stickstoffstrom desintegriert und unter Aufrechterhaltung der Stickstoffatmosphäre das Pulver mit einem maximalen Korndurchmesser von 500 mym klassiert, gesammelt, gemischt, in einen Behälter mit einem Durchmesser oder einer Dicke von größer als 300 mm und einer Länge von größer als 1000 mm eingebracht, durch mechanische Stöße in diesem verdichtet und der Behälter gasdicht verschlossen wird, worauf der pulvergefüllte Behälter bzw. die Kapsel im kaltem Zustand in die HIP-Einrichtung eingebracht und in einem heißisostatischen Presszyklus für diesen bzw. diese die Parameter derart eingestellt werden, dass im Aufwärmvorgang die Temperatur und der Druck erhöht werden, wobei im Pulverkörper des Behältnisses bzw. der Kapsel ein allseitiger Druck von mindestens 1 bis 40 MPa wirksam ist, und danach ein isostatischer Pressvorgang bei einer Temperatur von mindestens 1100ºC, höchstens jedoch 1180ºC, bei einem isostatischen Druck von mindestens 90 MPa während einer Zeitdauer von mindestens drei Stunden erfolgt und anschließend der HIP-Presskörper gekühlt und gegebenenfalls dieser Presskörper nachfolgend warm umgeformt wird, bestehend aus...aufweist."
Anspruch 9 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Hilfsantrag 1 durch folgenden Wortlaut:
"Pulvermetallurgisch hergestellter Gegenstand aus Werkzeugstahl mit verbesserten Werkstoffeigenschaften, vorzugsweise hergestellt nach einem Verfahren gemäß den vorgeordneten Ansprüchen, bestehend aus ... aufweist, wobei der Presskörper warm umgeformt ist und einen Einschlussgehalt nach DIN 50 602 Verfahren K0- für die Summe der Kennwerte 1 und 0 einen Anteil von größer 80% aufweist."
Anspruch 9 des Hilfsantrags 5 unterscheidet sich vom Hauptantrag durch den Wortlaut:
"Pulvermetallurgisch hergestellter Gegenstand aus Werkzeugstahl... Rest, welcher hochreine Werkstoff [deleted: nach DIN 50602 einen K0-Wert von höchstens 3 oder ]nach ASTM E 45/85 Meth. D einen ASTM-Wert von höchstens 1,5 aufweist, wobei der Gegenstand war umgeformt ist."
VI. Die für die Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die in den Tabellen 2 und 3 der Patentschrift genannten Einschlussgehalte eines konventionell pulvermetallurgisch hergestellten (PM) Werkzeugstahls hätten eindeutig einen schlechteren Reinheitsgrad (K0-Werte bis 7) als die mit dem patentgemäßen Verfahren erzeugten PM-Werkzeugstähle, die einen K0-Wert von 3 oder weniger aufwiesen und die nun in Anspruch 10 des Hauptantrags bzw. jeweils in Anspruch 9 der Hilfsanträge 1 bis 5 beansprucht würden. Der Reinheitsgrad des warm umgeformten Presskörpers aus Werkzeugstahl sei somit ein unterscheidendes technisches Merkmal, das der mit dem bekannten Verfahren erzeugte PM-Stahl nicht aufweise.
Von entscheidender Bedeutung sei, dass der Reinheitsgrad nach einer Warmumformung des Presskörpers an mindestens 6 Proben unterschiedlicher Lagen ermittelt werde, wie es die DIN 50 602 und die ASTM E 45/85 Methode D vorschrieben. Durch die Verformung ändere sich die Gestalt der Einschlüsse, wobei insbesondere die weichen nichtmetallischen Einschlüsse (NME) durch Schmieden oder Walzen lang gestreckt würden. An unverformten PM-Stählen den Reinheitsgrad zu bestimmen sei nach den genannten Normen nicht zulässig und führe zu falschen Ergebnissen. Anders als die allgemein gehaltene DIN 50 602 schreibe die ASTM E45/85 Methode D, auf die Anspruch 9 des Hilfsantrags 5 beschränkt werde, einen bestimmten Mindestumformgrad vor.
Druckschrift D10 zeige in Tabelle 1 zwar einen PM-Werkzeugstahl M4, der nach DIN 50 602 K0-Werte zwischen 0.1 bis 1.4 aufweise. Wie man allerdings der Überschrift von Tabelle 2 zweifelsfrei entnehmen könne, sei der K0-Wert an dem unverformten Presskörper (K values of as HIPed M-4 high speed steel) ermittelt worden. Bei Befolgung der DIN 50 602 sei dies nicht zulässig. Aus diesem Grund könne man die K0-Werte von Stahl M-4 aus D10 nicht mit den K0-Werten des warm umgeformten beanspruchten Werkzeugstahls vergleichen. Auch werde eine Warmverformung nach der Erzeugung der PM-Rohlinge in Druckschrift D10 weder erwähnt noch durchgeführt. Der Gegenstand von Anspruch 9 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1 bis 5 unterscheide sich deshalb in eindeutiger Weise sowohl vom Stand der Technik D10 als auch von den im Patent genannten Vergleichsstählen.
Durch den Rückbezug auf das patentgemäße Verfahren in Anspruch 9 der Hilfsanträge 1 bis 4 werde in Form eines "Product-by-Process"-Anspruchs das nach diesem Verfahren hergestellte Produkt beansprucht. Dieses Produkt weise stets den beanspruchten Reinheitsgrad K0 von 3 oder niedriger bzw. ASTM von 1,5 oder niedriger auf. Ein solches Produkt auf diese Weise herzustellen habe für den Fachmann weder bei der Kenntnis von D10 noch unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens nahe gelegen.
Die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Produkts gemäß Anspruch 9 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1 bis 5 sei deshalb gegeben.
VII. Die für die Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand von Produktanspruch 9 des Hauptantrags bzw. Anspruch 9 der Hilfsanträge 1 bis 5 sei sehr breit angelegt, denn er richte sich auf warm umgeformte PM- Presskörper aus einer Stahllegierung mit 0.52 bis 3.74% Kohlenstoff und mit einem definierten Reinheitsgrad, der entsprechend der genannten DIN Norm oder ASTM-Richtlinie bestimmt wird. Wie Absatz [0034] und die Tabellen 1 und 2 der Patentschrift darlegten, seien solche Werkstoffe, die nach dem Stand der Technik hergestellt wurden und die einen sehr hohen Reinheitsgrad aufweisen, bereits bekannt.
Was den beanspruchten Reinheitsgrad betreffe, so drücke dieses Merkmal in Anspruch 9 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1 bis 5 lediglich den Wunsch bzw. das Ziel aller Stahlerzeuger aus, einen möglichst reinen Werkstoff herzustellen, dessen Anteile an unerwünschten NME so gering wie möglich sind. Die Formulierung eines solchen Ziels in einem Patentanspruch sei jedoch kein unterscheidendes technisches Merkmal, das eine erfinderische Tätigkeit begründen könne. Im Übrigen zeige Druckschrift D10 in den Tabellen 1 und 2 ein konventionell hergestelltes PM-Stahlprodukt M4 des beanspruchten Werkstoffs mit einem Reinheitsgrad K0 von 0,1 bis 1,4 nach DIN 50 602, auch wenn der Reinheitsgrad an diesem Produkt nach dem heißisotstatischen Pressen (HIPpen) ohne ein Warmumformen bestimmt wurde. Durch ein Warmumformen würden die K0-Werte in der Regel noch weiter verbessert.
"Product-by-process" Merkmale in den vorliegenden Produktansprüchen bedeuteten nur, dass die beanspruchten Produkte nach dem genannten Verfahren oder irgendeinem anderen Verfahren herstellbar seien. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin spiele in den vorliegenden Ansprüchen der Rückbezug auf ein bestimmtes Verfahren patentrechtlich keine Rolle und bedeute deshalb auch keine Einschränkung des Schutzumfangs.
Der Gegenstand von Anspruch 9 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1 bis 5 beruhe damit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Erfinderische Tätigkeit; Artikel 56 EPÜ
2.1 Anspruch 9 des Hauptantrags richtet sich auf einen pulvermetallurgisch hergestellten, warm umgeformten Gegenstand aus einem Werkzeugstahl mit 0,52 bis 3,74% Kohlenstoff, Rest Eisen. Alle übrigen in Anspruch 10 genannten Legierungselemente sind Wahlkomponenten, die patentrechtlich keine Beschränkung darstellen. Der beanspruchte Werkzeugstahl muss einen Reinheitsgrad K0 von höchstens 3 nach DIN 50 602 oder höchstens 1,5 nach ASTM E-45/85 Methode D aufweisen.
In Absatz [0034] und den Tabellen 2 und 3 der Patentschrift wird der beanspruchte Werkzeugstahl mit einem bekannten warm umgeformten PM-Stahl, der zwar die anspruchsgemäß genannte Zusammensetzung aufweist, jedoch mit einem Verfahren nach dem Stand der Technik hergestellt wurde, verglichen. Aus den Tabellen 2 und 3 geht hervor, dass 80,4% der untersuchten Proben des bekannten Stahls einen K0 Wert von höchstens 3 und 88% der Proben einen ASTM-Wert von höchstens 1,5 aufweisen.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruch 1 somit vom bekannten PM-Stahl dadurch, dass er einen noch höheren Reinheitsgrad, d.h. eine noch geringere Zahl von NME aufweist.
2.2 Das Erreichen eines besonders hohen Reinheitsgrades einer bekannten Verbindung, in vorliegenden Fall einer Stahllegierung, stellt jedoch kein technisches Merkmal dar, welches ein solches Erzeugnis vom Stand der Technik unterscheidet.
Damit diese Bewertung zutrifft ist zu ermitteln,
(i) ob die Erzielung des beanspruchten Reinheitsgrades im einschlägigen Stand der Technik als wünschenswert angesehen wird, und dann ist zu prüfen,
(ii) ob es auch mit den im Stand der Technik beschriebenen Reinigungsverfahren gelingen würde, den erforderlichen Reinheitsgrad zu erzielen.
Sollte jedoch nachgewiesen werden können, dass aller Wahrscheinlichkeit nach alle früheren Versuche, mittels herkömmlicher Reinigungsverfahren einen bestimmten Reinheitsgrad zu erzielen, fehlgeschlagen seien, so deute dies darauf hin, dass das Merkmal eines definierten Reinheitsgrades ein neues Element beinhaltet (siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7. Auflage 2013, I.C.5.1.4).
2.3 Es ist in der Metallurgie allgemein bekannt, dass dem Reinheitsgrad, welcher die weitgehende Freiheit von NME und unerwünschten Beimengungen ausdrückt, bei Stählen eine überragende Bedeutung zukommt. Die unerwünschten Verunreinigungen bilden im Stahl Einschlüsse, die in der Hauptsache oxidischer Natur sind, doch können auch Sulfide und Nitride oder Carbide sich ungünstig auf die Stahleigenschaften und damit auf die Eigenschaften des daraus gefertigten Endprodukts auswirken. Weiterhin ist nach dem allgemeinen Fachwissen für die zahlenmäßige Bestimmung des Reinheitsgrades von Bedeutung, welche Verformung der Rohblock erhalten hat. Je größer der Grad der Umformung z.B. durch Schmieden oder Walzen ist, desto mehr werden je nach ihrer Härte die Einschlüsse zertrümmert oder gestreckt, so dass sie günstiger bewertet werden.
Es ist somit unstrittig, dass bei der Erzeugung hochreiner und höchstreiner Stähle (ultra-clean steels) die Verbesserung des Reinheitsgrades und damit der mechanischen Eigenschaften eines Stahls - unabhängig davon, ob er mit einem schmelzmetallurgischen Verfahren oder pulvermetallurgisch hergestellt wurde - stets das Ziel eines jeden Stahlerzeugers ist. Diese Aufgabenstellung wird auch in Druckschrift D10, Seite 10-57, Titel und Abstract sowie Seite 10-59, Absatz: "Cleanliness" zum Ausdruck gebracht. Damit ist die oben genannte Voraussetzung (i) zweifelsfrei erfüllt.
Was Bedingung (ii) betrifft, so zeigen die Tabellen 1 und 2 der Patentschrift, dass 80% der entnommenen Proben bei einem Werkzeugstahl nach dem Stand der Technik bereits nach DIN 50 502 einen K0-Wert von 3 oder weniger aufweisen. Wird der Reinheitsgrad nach ASTM E 45/85 Methode D bestimmt, so haben sogar 88% der Proben einen Wert von 1,5 oder weniger. Dass der anspruchsgemäß geforderte Reinheitsgrad von K0 <= 3 an PM-erzeugten Werkzeugstählen mit bekannten Verfahren sicher erreicht wird, ergibt sich aus Druckschrift D10, Tabelle 2, wo insgesamt 7 Proben bei dem heißisostatisch gepressten (HIPed) Werkzeugstahl M-4 (1,4%C, 4% Cr, 4.5% Mo, 3.9% V, 5.5% W, Rest Eisen) einen K0-Wert zwischen 0.1 und 1.4 nach DIN 50 602 aufweisen (D10, Seite 10-64, Methods of Evaluation; Tabelle 1, alloy M4; Tabelle 2, K-0). Damit ist nachgewiesen, dass der anspruchsgemäß genannte Reinheitsgrad bei Stählen gleicher Zusammensetzung, die mit bekannten Verfahren hergestellt wurden, ebenfalls erreicht wird. Somit ist auch Bedingung (ii) erfüllt. Die Forderung eines Reinheitsgrades von K0 <= 3 bzw. ASTM <= 1.5 in Anspruch 9 des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1 bis 5 stellt somit kein technisches Merkmal dar, welches die Erteilung eines Patent begründen kann.
2.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, D10 zeige die Bestimmung des Reinheitsgrades an einem heißisostatisch gepressten unverformten Produkt und sei damit nicht vergleichbar mit dem beanspruchten warmverformten Produkt, ist aus den folgenden Gründen nicht überzeugend.
Zum einen ist aus Anspruch 9 nicht erkennbar, welchem Grad an Warmverformung das beanspruchte Produkt unterworfen wurde, so dass ein eindeutiger Unterschied zu dem unverformten, aus D10 bekannten Produkt feststellbar wäre. Zum anderen ist es dem Fachmann bekannt, wie auch die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung zutreffend erklärte, dass die Reinheitsgradwerte (nach DIN 50 602 bzw. ASTM) nach einer Warmumformung besser werden, da die harten NME zumeist unverändert bleiben oder zertrümmert werden und die weichen NME durch die Umformung lang gestreckt werden. Es ist deshalb mehr als unwahrscheinlich, dass der PM-Stahl M4 von D10 mit dem schlechtesten Wert K0 von 1,4 (siehe Tabelle 2, Probe X66) nach der Warmumformung einen K0-Wert von mehr als 3 aufweist.
Der Gegenstand von Anspruch 9 des Hauptantrags enthält damit keine technischen Merkmale, die eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.
2.5 Die gleichen Gründe treffen auch auf Anspruch 9 des Hilfsantrags 5 zu, wonach der Reinheitsgrad des beanspruchten Werkzeugstahls ausschließlich nach der ASTM Norm E45/85 Methode D bestimmt werden muss.
Anspruch 9 des Hauptantrags als auch Anspruch 9 des Hilfsantrags 5 sind somit nicht gewährbar.
2.6 Anspruch 9 der Hilfsanträge 1 bis 4 richtet sich auf Erzeugnisse, die durch ihr Herstellungsverfahren gekennzeichnet sind, d.h. sogenannte "Product-by-Process"-Ansprüche.
Solche Ansprüche jedoch nur dann zulässig, wenn die Erzeugnisse als solche die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit erfüllen und die Anmeldung keine anderen Angaben enthält, die es dem Anmelder ermöglichen würden, das Erzeugnis durch seine Zusammensetzung, Struktur oder sonstige nachprüfbare Parameter hinreichend zu kennzeichnen (siehe dazu auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7. Auflage 2013, I.A.7). Diese Sachlage ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn wie bereits oben gezeigt, erfüllen die beanspruchten Erzeugnisse als solche nicht die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit.
Im Übrigen würde auch im Falle eines zulässigen "Product-by-Process"-Anspruchs der Grundsatz gelten, dass ein Reinheitsgrad, der sich unausweichlich aus dem im Anspruch genannten Herstellungsverfahren ergibt, kein unterscheidendes Merkmal darstellt (siehe dazu Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7. Auflage 2013, I.A.7.2, Seite 316, T0728/98).
Anspruch 9 der Hilfsanträge 1 bis 4 ist damit ebenfalls nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.