T 1194/11 () of 6.3.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T119411.20140306
Datum der Entscheidung: 06 März 2014
Aktenzeichen: T 1194/11
Anmeldenummer: 05744962.1
IPC-Klasse: B65D 75/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Standbeutel mit optimiertem Aufreißverhalten und Verfahren zu seiner Herstellung
Name des Anmelders: Huhtamaki Ronsberg, Zweigniederlassung der Huhtamaki Deutschland GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein); Lücke in der Offenbarung eines Dokuments - kann im Rahmen fachmännischen Handelns geschlossen werden
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 05 744 962.1 zurückzuweisen, hat die Anmelderin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des mit der gleichzeitig begründeten Beschwerde vom 6. Mai 2011 eingereichten Antrags zu erteilen.

II. Der Anspruch 1 dieses Antrags lautet wie folgt

"1. Standbeutel mit einem Standbeutelkörper und einem Standbeutelboden, insbesondere Stehboden, wobei wenig stens der Standbeutelkörper eine oder mehrere unidirek tional gereckte Folien umfasst, wobei wenigstens der gesamte Standbeutelkörper aus der wenigstens einen solchermaßen gereckten Folie hergestellt ist, wobei die wenigstens eine unidirektional gereckte Folie Teil eines Folienlaminats aus der einen oder mehreren unidirektional gereckten Folien und verbleibenden weiteren Schichten ist, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Folienlaminat die Dicke der einen oder mehreren uni direk tional gereckten Folien größer ist als diejenige der verbleibenden weiteren Schichten des Folienlaminats,

um zu gewährleisten, dass das Aufreißverhalten des Stand beutels maßgeblich durch die eine oder mehreren unidirektional gereckten Folien eindeutig definiert ist".

III. Es wird auf folgenden, in der angefochtenen Entscheidung genannten Stand der Technik eingegangen:

D1 JP-A-2001018989 mit Maschinenübersetzung ins Englische

IV. Nach der angefochtenen Entscheidung beruht der Standbeutel nach dem Anspruch 1, von dem sich der mit der Beschwerde eingereichte Anspruch 1 im Wesentlichen nur bezüglich der Aufteilung der Merkmale in den Oberbegriff und den kennzeichnenden Teil unterscheidet, gegenüber dem Standbeutel nach D1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Gründe, Punkte 7.1 bis 7.5).

V. Die Kammer hat in der Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung (im Folgenden: Ladungsbescheid) u.a. Einwände betreffend die Klarheit des Anspruchs 1 sowie betreffend Widersprüche zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung erhoben.

Weiter wurde auf die Offenbarung der D1 eingegangen und davon ausgehend zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit vorläufig Stellung genommen (vgl. die Punkte 6.1 bis 6.4 des Ladungsbescheids).

Als Ergebnis der vorläufigen Beurteilung erfolgte der Hinweis: "Nach der derzeitigen Auffassung der Kammer scheint eine Berücksichtigung des o.g. Sachverhalts dazu zu führen, dass die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend zu erachten ist" (Punkt 6.4.2).

VI. Die Beschwerdeführerin hat zu der im Ladungsbescheid zum Ausdruck gebrachten vorläufigen Beurteilung der Kammer sachlich nicht Stellung genommen, sondern mit Schriftsatz vom 12. Februar 2014 den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

VII. Die Kammer hat daraufhin mit Verfügung vom 14 Februar 2014 die Ladung für die anberaumte mündliche Verhandlung aufgehoben.

VIII. Das für die vorliegende Entscheidung wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Der geltende, gegenüber D1 abgegrenzte Anspruch 1 sei klar, weil eindeutig zum Ausdruck gebracht werde, dass die Dicke aller unidirektional gereckten Schichten zusammengenommen größer sein soll als die Dicke aller weiteren und somit nicht unidirektional gereckten Schichten zusammengenommen (Beschwerde, Punkt B. I.)

b) Der Standbeutel nach dem Anspruch 1 sei neu und beruhe gegenüber D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Punkte B. III. und IV.).

c) Die angefochtene Entscheidung gehe zutreffend von dem Standbeutel nach D1 als nächstkommenden Stand der Technik aus, von dem sich derjenige nach dem Anspruch 1 durch die kennzeichnenden Merkmale unterscheide.

d) Die gegenüber dem Standbeutel nach D1 gelöste Aufgabe liege darin, den gattungsgemäßen Standbeutel derart weiterzubilden, dass er eine gute Formstabilität und ein eindeutiges Aufreissverhalten aufweist, ohne dass hierfür die Standbeutelhülle schwächende Maßnahmen, wie eine wenigstens teilweise Perforation, vorzusehen sind.

e) Diese Aufgabe werde erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass die Dicke der einen oder mehreren unidirektional gereckten Folien größer ist als die Dicke der verbleibenden weiteren Schichten des Folienlaminats, so dass das Aufreißverhalten des Standbeutels dadurch eindeutig definiert werde.

f) Die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung der Prüfungsabteilung, dass es für den Fachmann vorhersehbar sei, dass, je größer die Dicke der einen oder mehreren unidirektional gereckten Folien sei, desto eindeutiger das Aufreißverhalten sein würde, sei nicht nachvollziehbar.

g) Der D1, wie auch dem übrigen vorliegenden Stand der Technik, sei nämlich kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass es bei einem aus unidirektional gereckten Folien und verbleibenden weiteren, nicht unidirektional gereckten Schichten zusammengesetzten Folienlaminat die zunehmende Dicke der unidirektional gereckten Folie(n) das Aufreißverhalten des gesamten Folienlaminats beeinflusse.

h) Dies gelte, soweit von einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung abgesehen werde und sei darauf zurückzuführen, dass D1 keinerlei Information bezüglich der Dicke für das verwendete Folienlaminat bzw. für die darin enthaltenen einzelnen Folien enthalte.

Entscheidungsgründe

1. Die vorliegende Entscheidung ergeht nach Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung durch die Beschwerdeführerin und darauffolgender Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung, im schriftlichen Verfahren. Es werden dabei die angefochtene Entscheidung, das schriftliche Vorbringen der Beschwerdeführerin und die vorläufige Beurteilung durch den Ladungsbescheid berücksichtigt.

2. Die Beschwerdeführerin ist auf die im Ladungsbescheid geäußerte vorläufige Auffassung der Kammer nicht eingegangen, so dass gegenüber der vorläufigen Auffassung der Kammer nach dem Ladungsbescheid kein neues Vorbringen zu berücksichtigen ist.

Die Kammer sieht keine Veranlassung von ihrer im Ladungsbescheid geäußerten vorläufigen Auffassung, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, bezüglich des Gegenstandes des Anspruchs 1, des Offenbarungsgehalts der D1 und diesen berücksichtigend, bezüglich der Neuheit des Standbeutels nach dem Anspruch 1 gegenüber der aus D1 bekannten Anlage sowie betreffend der erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1, abzuweichen. Sie erachtet folglich ihre im Ladungsbescheid angesprochene vorläufige Auffassung nunmehr auch als ihre endgültige Auffassung.

3. Offenbarung der D1

3.1 Wie im Ladungsbescheid (Punkt 6.3.1) ausgeführt, erachtet die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung der D1 in der angefochtenen Entscheidung als nächstkommenden Stand der Technik als zutreffend.

Die Kammer sieht derzeit keinen Grund von dieser Beurteilung abzuweichen.

Nach der Beschwerde (Seite 4, Abschnitt IV) offenbart die D1 die Merkmale des Oberbegriffs; dabei wurde übereinstimmend mit der angefochtenen Entscheidung (Gründe, Nr. 7.2) auf die Abschnitte [0014], [0017] und [0018], den Anspruch 3 und die Figur 2 der D1 verwiesen.

3.2 Nach Auffassung der Kammer trifft die im Ladungsbescheid (Punkt 6.3.2) als Möglichkeit geäußerte Auffassung zu, nach der bezüglich der im Hinblick auf den Standbeutel nach dem Anspruch 1 relevanten Offenbarung der D1 zusätzlich zu den berücksichtigten Abschnitten der Beschreibung auch der Abschnitt [0020] zu berücksichtigen ist. Danach hat die Verwendung einer unidirektional gereckten Folie aus einem HDPE-Film die Wirkung, dass das Aufreißverhalten bezüglich der Richtungsstabilität des Risses verbessert werden kann. Dabei wird auf eine Längsrichtung in Zugrichtung einer Aufreißhilfe Bezug genommen.

Bezüglich des Einflusses des Reckens der Folie auf das Aufreißverhalten ist weiter angegeben, dass es dann, wenn ein Aufreißen in zwei oder mehr Richtungen erfolgen soll, vorteilhaft sei, einen biaxial-gereckten HDPE-Film einzusetzen.

4. Wird die im Ladungsbescheid u.a. im Hinblick auf D1 als nächstkommenden Stand der Technik erörterte Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit vorrangig vor den im Ladungsbescheid weiter enthaltenen Einwänden bezüglich der Klarheit des Anspruchs 1 sowie möglicher Widersprüche zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung behandelt, ergibt sich die nachstehende Beurteilung (Ladungsbescheid, Punkte 6.4.1 und 6.4.2).

5. Betreffend die Prüfung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit bezüglich des Standbeutels nach dem Anspruch 1 wurde darauf verwiesen, dass die Ergebnisse der Prüfungen hinsichtlich des Standbeutels nach dem Anspruch 1 sowie des Offenbarungsgehaltes der D1 zu berücksichtigen seien.

5.1 Dazu wurde angemerkt, dass, ohne den Ergebnissen dieser Prüfungen vorzugreifen, für den Fall, dass das Merkmal

a) in dem Folienlaminat die Dicke der einen oder mehreren unidirektional gereckten Folien größer ist als diejenige der verbleibenden weiteren Schichten des Folienlaminats,

als Unterscheidungsmerkmal gegenüber D1 angesehen wird, die Wirkung dieser Maßnahme nach dem Merkmal

b) um zu gewährleisten, dass das Aufreißverhalten des Standbeutels maßgeblich durch die eine oder mehreren unidirektional gereckten Folien eindeutig definiert ist,

mit der in D1 angesprochenen Wirkung unidirektional gereckter Folien übereinzustimmen scheine.

5.2 Es ist somit ggfs. zu prüfen, inwieweit es sich bei dem Dickenverhältnis nach dem Merkmal a) im Hinblick auf das einen unidirektional gereckten Film umfassende Laminat nach den Abschnitten [0017] und [0018] um eine Beschreibungslücke betreffend die Offenbarung der D1 handelt.

5.3 Die Kammer geht vorliegend davon aus, dass es sich bei dem Nichterwähnen eines dem Merkmal a) entsprechenden Dickenverhältnisses in D1 tatsächlich um eine Offenbarungslücke handelt und dass, wie im Ladungsbescheid als eine Möglichkeit angesprochen, das Füllen dieser Lücke im Rahmen fachmännischen Handelns liegend zu erachten ist. Nach dem im Ladungsbescheid (Punkt 6.4.1) genannten Grund für eine derartige Beurteilung ist es offensichtlich, dass die in D1 als hinsichtlich des Aufreißverhaltens als vorteilhaft genannte unidirektional gereckte Folie ihre diesbezügliche Wirkung innerhalb des Laminats entfaltet.

Die Kammer geht davon aus, dass die im Ladungsbescheid weiter als Möglichkeit angesprochenen Beurteilung zu trifft, nach der, soweit die Dicke der unidirektional gereckten Folie als maßgebliche Voraussetzung für das Aufreissverhalten in Betracht zu ziehen ist (Merkmale a) und b)) diese Erkenntnis, u.U. in Verbindung mit einer Berücksichtigung der Festigkeitseigenschaften (Riß bildung) sämtlicher Folien des Laminats, offensichtlich ist.

Damit trifft dann auch die im Ladungsbescheid als Möglichkeit angesprochene Folgerung zu, nach der es als naheliegend anzusehen ist, die Dicke der unidirektional gereckten Folie des Laminats entsprechend dem Merkmal a) so festzulegen, dass die in D1 betreffend diese Folie angesprochene, gewünschte Wirkung bezüglich des Aufreißverhaltens auch eintritt.

6. Die im Ladungsbescheid geäußerte vorläufige Auffassung, nach der eine Berücksichtigung des o.g. Sachverhalts dazu führt, dass die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend zu erachten ist, trifft folglich zu.

Damit beruht der Standbeutel nach dem Anspruch 1 gegenüber demjenigen nach der D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Der Vollständigkeit wegen sei angemerkt, dass sich dieses Ergebnis aus der Offenbarung der D1 und der Berücksichtigung des Umstandes, dass eine diesbezüglich festzustellende Offenbarungslücke im Rahmen fachmännischen Handelns geschlossen werden kann (vgl. obigen Punkt 5.3) ergibt. Eine unzulässige, auf der Kenntnis des Gegenstandes des Anspruchs 1 der Streitanmeldung beruhende, rückschauende Betrachtung ist folglich auszuschließen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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