T 1177/11 () of 24.6.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T117711.20160624
Datum der Entscheidung: 24 Juni 2016
Aktenzeichen: T 1177/11
Anmeldenummer: 06804794.3
IPC-Klasse: G06K 19/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG EINES DATENTRÄGERS
Name des Anmelders: Gemalto AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Änderungen - beanspruchter Bereich aus einer Kombination eines expliziten Bereichs und eines impliziten Teilbereichs herleitbar
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0002/81
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2057/21

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung gemäß Artikel 97(2) EPÜ zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung wies die Anmeldung zurück, weil die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ 1973 nicht erfüllt seien. Der angefochtenen Entscheidung lagen Ansprüche 1-7, eingereicht mit Schreiben vom 5. Oktober 2010, und Ansprüche 8-19, eingereicht mit Schreiben vom 26. Januar 2009, zugrunde.

III. Mit der Beschwerdebegründung vom 15. März 2011 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die weitere Prüfung der Patentanmeldung, d.h. mit den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Ansprüchen.

IV. Mit Ladung vom 21. Januar 2016 wurde die Beschwerdeführerin zu einer am 24. Juni 2016 stattzufindenden mündlichen Verhandlung geladen. In Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung, äußerte die Kammer in einem Bescheid vom 2. Mai 2016 Bedenken bezüglich Artikel 83 und 84 EPÜ 1973.

V. Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 erhielt die Beschwerdeführerin den mit der Beschwerdebegründung genannten Anspruchsatz als Hauptantrag aufrecht. Dazu reichte sie neue Anspruchsätze gemäß Hilfsanträgen 1 bis 4 ein.

Es wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und zu prüfen, ob die vorliegenden Anträge den Erfordernissen der Artikel 83 und 84 EPÜ 1973 genügen und, sollte dies der Fall sein, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

VI. Während der mündlichen Verhandlung wurden alle Anträge zurückgenommen und durch einen neuen einzigen Hauptantrag, bestehend aus Ansprüchen 1 bis 14, ersetzt.

Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und zu überprüfen, ob der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hauptantrag (Ansprüche 1 bis 14) den Erfordernissen der Artikel 83 und 84 EPÜ 1973 genügt und, sollte dies der Fall sein, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

VII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Herstellung eines Datenträgers (1), der ein Substrat (6) aufweist, mit folgenden Schritten:

ein Sicherheitselement (7) wird auf wenigstens eine Seite des Substrats (6) mit einer laseraktiven Druckfarbe gedruckt, die 1 bis 10 Gw.% Ruß enthält,

Daten (2, 4, 5) zur Personalisierung des Datenträgers (1) werden mit einem Laser in das Substrat (6) eingraviert,

wobei das Sicherheitselement (7) sich in den Bereich der eingravierten Daten (2, 4, 5) erstreckt,

wobei bei der Personalisierung die laseraktive Druckfarbe des Sicherheitselementes (7) im Bereich des Eindringens des Lasers in die laseraktive Druckfarbe umgewandelt wird, so dass sie in diesem Bereich bei einem bestimmten Lichteinfallswinkel silbern aufleuchtet und je nach Blickwinkel unterschiedlich sichtbar ist."

Anspruch 9 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Datenträger (1), der ein Substrat (6) aufweist, das auf wenigstens eine Seite mit einem Sicherheitselement (7) versehen ist, das mit einer laseraktiven Druckfarbe gedruckt ist, die 1 bis 10 Gw.% Ruß enthält,

wobei der Datenträger (1) mit einem Laser in das Substrat (6) eingravierte Daten (2, 4, 5) zur Personalisierung aufweist,

wobei das Sicherheitselement (7) sich in den Bereich der eingravierten Daten (2, 4, 5) erstreckt,

wobei die laseraktive Druckfarbe des Sicherheitselementes (7) im Bereich des Eindringens des Lasers in die laseraktive Druckfarbe derart umgewandelt ist, dass sie in diesem Bereich bei einem bestimmten Lichteinfallswinkel silbern aufleuchtet und je nach Blickwinkel unterschiedlich sichtbar ist."

Ansprüche 2-8 und 10-14 des Hauptantrags sind abhängige Ansprüche.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung eines Datenträgers. Basis für dieses Verfahren ist im ursprünglichen Anspruch 1 zu finden.

Aus dem ursprünglichen Anspruch 15 geht hervor, dass das Sicherheitselement auf wenigstens einer Seite des Substrats gedruckt wird. Dass das Sicherheitselement mit einer laseraktiven Druckfarbe gedruckt wird, geht aus dem ursprünglichen Anspruch 2 hervor.

Aus dem ursprünglichen Anspruch 5 und Seite 3, Zeilen 12-14 geht hervor, dass Daten zum Personalisieren des Datenträgers mit einem Laser in das Substrat eingraviert werden. Seite 4, Zeilen 24-24 offenbart, dass sich das Sicherheitselement in den Bereich der eingravierten Daten erstreckt.

Dass das Sicherheitselement in dem Bereich des Eindringens des Lasers in die laseraktive Druckfarbe bei einem bestimmten Lichteinfallswinkel silbern aufleuchtet und je nach Blickwinkel unterschiedlich sichtbar ist, findet eine Basis auf Seite 3, Zeilen 30-31 und 17-18 der ursprünglichen Offenbarung.

2.2 Aus Anspruch 12 der ursprünglichen Anmeldung geht hervor, dass "die Druckfarbe weniger als 10 Gw.% Russ und insbesondere weniger 3 Gw.% Russ, insbesondere 1 bis 3 Gw.% aufweist". Als Bereiche des Russgehalts werden somit 0 bis 10 Gw.%, 0 bis 3 Gw.% und 1 bis 3 Gw.% in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen explizit genannt.

Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der beanspruchte Bereich 1 bis 10 Gw.% Russ im Lichte der Entscheidung T 02/81 (Amtsblatt EPA, 1982, Seite 394) als ursprünglich offenbart anzusehen sei.

Der Leitsatz II dieser Entscheidung lautet wie folgt:

"Die Offenbarung eines quantitativen Wertbereiches (z.B. von Konzentrationen oder Temperaturen) zusammen mit einem eingeschlossenen bevorzugten engeren Bereich offenbart unmittelbar auch die möglichen zwei Teilbereiche, die vor und nach dem engeren Bereich innerhalb des Ganzen liegen. Folglich ist eine einfache Kombination des bevorzugten engeren Bereichs und eines jener Teilbereiche auch eindeutig herleitbar und wird gestützt durch die Offenbarung."

Im vorliegenden Fall stellt die Kammer fest, dass sich der beanspruchte Bereich 1 bis 10 Gw.% aus der Kombination des explizit offenbarten engeren Teilbereichs 1 bis 3 Gw.% und des weiteren Teilbereichs 3 bis 10 Gw.%, der nach dem engeren Bereich liegt, ergibt. Die Entscheidung T 02/81 befolgend, ist die Kombination beider Teilbereiche, die zum beanspruchten Bereich 1 bis 10 Gw.% führt, eindeutig herleitbar und durch die Offenbarung gestützt.

2.3 Alle Merkmale des geänderten Anspruchs 1 sind somit in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart.

2.4 Anspruch 9 bezieht sich auf den entsprechenden Datenträger. Eine Basis dafür ist im ursprünglichen Anspruch 15 zu finden.

Die obengenannten Stellen, die als ursprüngliche Offenbarung für das Verfahren gemäß Anspruch 1 dienen, gelten entsprechend als Basis für den in Anspruch 9 definierten Datenträger.

2.5 Eine Basis für die abhängigen Ansprüche ist in den ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüchen zu finden. Die in Anspruch 11 genannte "rechtwinkelige Draufsicht" ist insbesondere aus Seite 5, letzter Absatz herzuleiten.

2.6 Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ sind daher erfüllt.

3. Die angefochtene Entscheidung

3.1 Die Anmeldung wurde zurückgewiesen, weil die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ 1973 nicht erfüllt seien.

3.2 Die in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Einwände treffen auf die vorliegenden geänderten Ansprüche nicht mehr zu.

4. Artikel 84 EPÜ 1973

4.1 Anspruch 1 definiert ein Verfahren zur Herstellung eines Datenträgers, der ein Substrat aufweist. Ein Sicherheitselement wird auf das Substrat mit einer laseraktiven Druckfarbe gedruckt, die 1 bis 10 Gw.% Russ enthält. Mittels einer Lasergravur werden Daten zur Personalisierung des Datenträgers in das Substrat eingebracht. Das Sicherheitselement erstreckt sich in den Bereich der eingravierten Daten. Somit wandelt bei der Lasergravur die laseraktive Druckfarbe im bestrahlten Bereich um. Aufgrund der vorhandenen Russpartikeln leuchtet die laseraktive Druckfarbe in diesem Bereich silbern auf. Sie ist je nach Blickwinkel unterschiedlich sichtbar.

4.2 In der angefochtenen Entscheidung (siehe Punkt 1.1 der Begründung) vertrat die Prüfungsabteilung die Meinung, dass die laseraktive Druckfarbe "hauptsächlich über ihre gewünschten Eigenschaften und nicht über ihre technischen Merkmale" definiert würde. Die unabhängigen Ansprüche seien deshalb nicht klar.

Nach Auffassung der Kammer ist die Druckfarbe in den vorliegenden Ansprüchen 1 und 9 so definiert, dass sie 1 bis 10 Gw.% Russ enthält. Die Umwandlung der laseraktiven Druckfarbe im bestrahlten Bereich ist der Anwesenheit von Russ zuzuschreiben. Dadurch dass der Russanteil in den geänderten unabhängigen Ansprüchen nun definiert ist, ist der Einwand der Prüfungsabteilung gegenstandslos.

4.3 Ein weiterer Einwand der Prüfungsabteilung bestand darin, dass die auf Seiten 1 und 2 der Anmeldung definierte Aufgabe nicht gelöst sei (s. Entscheidung, Punkt 1.2 der Begründung). Aus Seite 2, Zeilen 16-18 und 22-24 der Anmeldung gehe nämlich hervor, dass es beabsichtigt sei, die Druckfarbe in ein silbergraues Pigment umzuwandeln, das bei üblicher Ansicht vor allem in den helleren Bereichen eines Gesichts nicht erkennbar sei. Die Prüfungsabteilung stellte ferner fest, dass insbesondere in den hellen Bereichen eines Fotos (z.B. das Gesicht) keine oder lediglich eine schwache Bestrahlung des Substrats mit Laserlicht erfolge. In diesen Bereichen würde dann keine Umwandlung der Druckfarbe stattfinden. Nur in den dunklen Bereichen des Fotos (z.B. die Haare) erfolge eine hohe Laserbestrahlung und folglich eine Umwandlung der Druckfarbe. Da die genannte Aufgabe nicht gelöst sei, seien die unabhängige Ansprüche nicht klar.

Die Kammer schließt sich der Ansicht der Prüfungsabteilung an, dass gerade in dem hellen Gesichtsfeld, eine solche Umwandlung nicht stattfinden würde. Diesbezüglich sei die Beschreibung bei einer eventuellen Patenterteilung zu korrigieren. Jedoch haben diese fehlerhaften Darstellungen keinen Einfluss auf die Klarheit der Ansprüche. Durch die Anwesenheit von Russ wird erreicht, dass die Druckfarbe durch die Laserbestrahlung einen Kippeffekt erhält. Der Datenträger kann deshalb beispielsweise ein Foto enthalten, das ästhetisch nicht störende Guilloche-Linien aufweist, welche lediglich bei geneigter Betrachtungsweise in den dunkleren Bereichen des Fotos erkennbar sind.

4.4 Die Kammer kommt deshalb zum Schluss, dass die Ansprüche klar sind.

5. Artikel 83 EPÜ 1973

5.1 In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Prüfungsabteilung die Meinung, dass die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart würde, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Insbesondere seien der ursprünglich eingereichten Anmeldung keinerlei Angaben über die Art bzw. die Zusammensetzung der laseraktiven Druckfarbe zu entnehmen. Es werde lediglich angegeben, dass die Druckfarbe einen "geringen", nicht näher spezifizierten "Schwarzanteil" besitze. Ferner seien keine Angaben zu finden, wie der "dosierte" Schwarzanteil eine "Umwandlung" bewirke. Insbesondere sei der Anmeldung nicht zu entnehmen, ob der Russ hierfür verantwortlich sei, dessen Bedeutung bei der Entstehung des Kippeffekts durch Beispiele nicht belegt sei.

Die Kammer stellt fest, dass das Aufdrucken von Sicherheitselementen (z.B. Guilloche-Muster) als Stand der Technik in der Anmeldung dargestellt wurde und deshalb am Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung bereits bekannt war. Die geeigneten Druckfarben für das Bedrucken von Sicherheitselementen - und folglich auch ihre Zusammensetzung - waren somit auch bekannt. Der Fachmann würde somit die Angaben zur anmeldungsgemäßen Druckfarbe so verstehen, dass man einer an sich bekannten Druckfarbe, die üblicherweise für das Bedrucken von z.B. Guilloche-Mustern verwendet wurde, einen Russanteil von 1 bis 10 Gw.% einfach beigibt. Durch die Zugabe von Russpartikeln wird die an sich bekannte Druckfarbe in eine laseraktive Druckfarbe ungewandelt, die die in Anspruch 1 genannten Eigenschaften aufweist. Somit kann ein Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand die laseraktiven Druckfarbe zusammensetzen.

5.2 Die Beschwerdeführerin hat eine eidesstattliche Erklärung eines der Erfinder vom 9. Juni 2016 eingereicht, in welcher bestätigt wurde, dass die Druckfarbe einen Russanteil aufweisen muss, damit eine Umwandlung stattfindet. Die Beschwerdeführerin hat angegeben, dass der beanspruchte Kippeffekt zufällig entdeckt wurde. Wie es zu diesem Kippeffekt kommt, hat sie nicht erklären können.

Die Kammer stellt jedoch fest, dass es im vorliegenden Fall für die Ausführbarkeit der Erfindung nicht notwendig ist, die chemischen oder physikalischen Mechanismen, die für die Umwandlung verantwortlich sind, in der Anmeldung darzustellen. Es genügt vielmehr zu wissen, dass Russ der Druckfarbe beigemischt werden muss, wodurch die umgewandelte Druckfarbe silbern aufleuchtet und einen Kippeffekt aufweist.

5.3 Ferner war die Prüfungsabteilung der Meinung, dass die fehlenden Angaben zur Art der zu verwendenden Laserbestrahlung dazu führe, dass der Fachmann die Erfindung nicht ausführen könne.

Diesbezüglich schließt sich die Beschwerdekammer der Ansicht der Beschwerdeführerin an, dass das Beschriften von Personalausweisen, Pässen usw. mit einem Laser bereits vor dem Prioritätstag bekannt war. Der Fachmann hätte somit keine Schwierigkeiten, einen geeigneten Laser zu bestimmen und ihn für den gewünschten Zweck einzusetzen.

5.4 Folglich ist die Kammer der Meinung, dass die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ 1973 erfüllt sind.

6. Artikel 111(1) EPÜ

In der angefochtenen Entscheidung hat sich die Prüfungsabteilung lediglich mit den Fragen der Offenbarung und Klarheit befasst.

Die Beschwerdeführerin hat die Zurückverweisung der Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz beantragt.

Die Kammer hat keinen Grund, diesem Antrag nicht stattzugeben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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