T 1099/11 (Bleichmittelteilchen mit PVA-Umhüllung/HENKEL) of 16.1.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T109911.20130116
Datum der Entscheidung: 16 Januar 2013
Aktenzeichen: T 1099/11
Anmeldenummer: 05728973.8
IPC-Klasse: C11D 3/39
C11D 17/00
C11D 3/37
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wasserlöslich umhüllte Bleichmittelteilchen
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: The Procter and Gamble Company
Reckitt Benckiser (UK) Limited
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Beschwerde OP II nicht begründet
Product-by-process"-Anspruch klar (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein), 1. Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - 1. Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegenden Beschwerden beziehen sich auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung die Einsprüche gegen das europäische Patent No. 1 735 422 zurückzuweisen.

II. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende I/ Beschwerdeführerin I am 06. Mai 2011 Beschwerde ein, zahlte die Beschwerdegebühr am 12. Mai 2011, übermittelte die Beschwerdebegründung am 02. August 2011 und zitierte inter alia die folgenden Dokumente:

D1 = EP-A-0 653 485

D3 = 5th World Surfactants Congress CESIO 2000, Proc. vol.2, p.1244-1252, 2000

D5 = WO-A-00/17309

D6 = US-A-3 770 816

D7 = SÖFW-Journal, 120. Jahrg. 7/94, 411-416, 1994

III. Die Einsprechende II/Beschwerdeführerin II legte am 24. Mai 2011 Beschwerde ein und zahlte die Beschwerdegebühr am selben Tag. Eine Beschwerdebegründung wurde nicht eingereicht.

Zu den von den Parteien gestellten Anträgen vgl. nachfolgende Ziffer VIII.

IV. Anspruch 1 des Hauptantrags der Patentinhaberin/ Beschwerdegegnerin ist mit der erteilten Fassung identisch und lautet wie folgt:

"1. Umhülltes Bleichmittelteilchen, bestehend aus einem bleichmittelwirkstoffhaltigen Kern und einer diesen Kern mindestens anteilsweise umgebenden Beschichtung aus wasserlöslichem Material, dadurch gekennzeichnet, daß der Kern Peroxocarbonsäure und das Beschichtungs-material Polyvinylalkohol und zusätzlich eine Säure enthält und wobei die Peroxocarbonsäure 4-Phthalimidoperoxobutansäure, 5-Phthalimidoperoxopentan-säure, 6-Phthalimidoperoxohexansäure, 7-Phthalimido-peroxoheptansäure oder eine Mischung aus diesen ist."

V. Die Ansprüche 1,3,4 und 11 des ersten Hilfsantrags lauten:

"1. Verfahren zur Herstellung von umhüllten B1eichmittelteilchen, bestehend aus einem bleichmittelwirkstoffhaltigen Kern und einer diesen Kern mindestens anteilsweise umgebenden Beschichtung aus wasserlöslichem Material, durch Einbringen einer partikulären Peroxocarbonsäure, die 4-Phthalimido-peroxobutansäure, 5-Phthalimidoperoxopentansäure, 6-Phthalimidoperoxohexansäure, 7-Phthalimidoperoxoheptan-säure oder eine Mischung aus diesen ist, in eine Wirbelschicht, Aufsprühen einer wäßrigen Lösung, die Polyvinylalkohol und zusätzlich eine Säure enthält und Trocknen."

"3. Verfahren zur Herstellung von umhüllten Bleichmittelteilchen, bestehend aus einem bleichmittewirkstoffhaltigen Kern und einer diesen Kern mindestens anteilsweise umgebenden Beschichtung aus wasserlöslichem Material, durch Sprühtrocknen einer wäßrigen Zubereitung, die Peroxocarbonsäure, Polyvinylalkohol und zusätzlich eine Säure enthält und wobei die Peroxocarbonsäure 4-Phthalimidoperoxobutan-säure, 5-Phthalimidoperoxopentansäure, 6-Phthalimido-peroxohexansäure, 7-Phthalimidoperoxoheptansäure oder eine Mischung aus diesen ist."

"4. Umhülltes Bleichmitteleilchen, erhältlich nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 oder 3, bestehend aus einem bleichmittelwirkstoffhaltigen Kern und einer diesen Kern mindestens anteilsweise umgebenden Beschichtung aus wasserlöslichem Material, dadurch gekennzeichnet, dass der Kern Peroxocarbonsäure und das Beschichtungsmaterial Polyvinylalkohol und zusätzlich eine Säure enthält und wobei die Peroxocarbonsäure 4-Phthalimidoperoxobutansäure, 5-Phthalimidoperoxo-pentansäure, 6-Phthalimidoperoxohexansäure, 7— Phthalimidoperoxoheptansäure oder eine Mischung aus diesen ist."

"11. Verwendung von Teilchen gemäß einem der Ansprüche 4 bis 10 oder erhältlich nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3 oder 10 zur Herstellung von Wasch- oder Reinigungsmitteln."

Die Ansprüche 2 und 5-10 sind von den vorhergehenden Ansprüchen abhängig.

VI. Die Beschwerdeführerin I begründet ihre Beschwerde wie folgt:

Hauptantrag - Neuheit

- Die Beispiele 12-14 der D1 seien neuheitsschädlich für den Anspruch 1 des Hauptantrags, da die erfindungsgemäßen Bleichmittelteilchen nicht auf feste Kerne beschränkt seien. Die "halbfesten" Dispersionen der D1 seien deshalb vom Wortlaut des Streitpatents mit umfasst.

Erster Hilfsantrag - Artikel 84 EPÜ 1973

- Die Verwendung eines "product-by-process" Anspruchs im ersten Hilfsantrag sei nicht gerechtfertigt und widerspreche deshalb Artikel 84 EPÜ 1973.

Erster Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

- D3,D5,D6 oder D7 könnten als nächstliegender Stand der Technik herangezogen werden.

- Da kein Effekt nachgewiesen worden sei, führe jedes dieser Dokumente oder deren Kombination in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand.

VII. Die Beschwerdegegnerin begründet ihre Anträge wie folgt:

Hauptantrag - Neuheit

- Der Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatents erfordere "feste" Kerne. Deshalb sei D1 nicht neuheitsschädlich.

Erster Hilfsantrag - Artikel 84 EPÜ 1973

- Das beanspruchte Produkt könne nicht anders identifiziert werden als durch das Verfahren zu seiner Herstellung. Deshalb sei die Verwendung eines "product-by-process"-Anspruchs gerechtfertigt.

Erster Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

- Keines der zitierten Dokumente schlage die Verwendung von Polyvinylaklohol zusammen mit einer Säure für die Beschichtung von Phthalimidoperoxocarbonsäuren vor. Daher sei der beanspruchte Gegenstand erfinderisch.

VIII. Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 735 422.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerden zurückzuweisen, hilfsweise das Patent aufrecht zu erhalten auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1,2 oder 3, eingereicht mit dem Schreiben vom 11. Dezember 2012.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin II

Eine Begründung der Beschwerde wurde von der Beschwerdeführerin II nicht innerhalb der Frist von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht (Artikel 108 EPÜ). Deshalb wird ihre Beschwerde als unzulässig verworfen.

2. Hauptantrag

2.1 Neuheit

2.1.1 D1 beschreibt in den Beispielen 12 bis 14 Phthalimidoperoxocapronsäure (PAP), welche durch einen Überzug aus Polyvinylalkohol und einem eine Säure enthaltenden Polymer (ASE-60) eingekapselt ist.

Die Parteien waren unterschiedlicher Meinung, wie die Tatsache, dass PAP in einer Öl-Komponente dispergiert vorliegt, hinsichtlich der Neuheit des Streitpatents zu interpretieren sei.

Nach der Ansicht der Patentinhaberin muss der im Streitpatent beschriebene Kern der Bleichmittelteilchen fest sein, während gemäß der D1 die Kerne aus einer Dispersion aus PAP und "halbfesten" Ölen bestehen.

2.1.2 Der relative Begriff "halbfest" lässt im vorliegenden Fall jedoch keine klare Unterscheidung gegenüber "festen" Substanzen zu. Um eine Unterscheidung aufgrund objektivierbarer Kriterien treffen zu können, müssen vielmehr messbare Parameter verwendet werden.

2.1.3 Die Zeilen 17-23 der Spalte 3 des Streitpatents beschreiben, dass die Bezugstemperatur für die Bestimmung des Aggregatzustands der verwendeten Komponenten die Raumtemperatur ist. Die Textstelle gibt an, dass, falls die verwendeten Peroxocarbonsäuren bei Raumtemperatur nicht fest sind, sie zusammen mit inerten Trägermaterialien verwendet werden müssen. Somit muss nach der Lehre des Streitpatents die Schmelztemperatur oberhalb der Raumtemperatur liegen, um erfindungsgemäß als "fest" zu gelten.

2.1.4 Die in den Beispielen 13 und 14 der D1 verwendeten Fette "Penreco Snow" und "Tro-Grees" werden in den Zeilen 35-43 der Seite 1 von D1 als einen Schmelzpunkt von 35-70ºC aufweisend beschrieben. Die Angabe der Beschwerdeführerin I, dass "Penreco's Snow" einen Schmelzpunkt von 52-57ºC habe, wurde von der Patentinhaberin nicht bestritten.

2.1.5 Somit liegt zumindest der Schmelzpunkt des Ölanteils der PAP-Dispersion des Beispiels 14 über der Raumtemperatur und die Kerne müssen als "fest" im Sinne des Streitpatents angesehen werden.

2.1.6 Da dieses spezielle Beispiel der D1 unter den breiteren Wortlaut des Anspruchs 1 des Streitpatents fällt, ist für diesen Anspruch das Erfordernis der Neuheit nicht erfüllt.

3. Erster Hilfsantrag

3.1 Artikel 84 EPÜ 1973

3.1.1 Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass der erst mit dem Hilfsantrag eingeführte "product-by-process"- Anspruch 4 im Widerspruch zu den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ 1973 stehe, da keine "Notwendigkeit" für diese Anspruchsart bestehe und das Produkt auch auf andere Art definiert werden könne.

3.1.2 Die Kammer kann diese Auffassung nicht teilen. Die Beschwerdeführerin I hat in der mündlichen Verhandlung die unterschiedlichen Eigenschaften der Bleichmittelteilchen nach Anspruch 4 des ersten Hilfsantrags im Vergleich zu den Bleichmittelteilchen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags anerkannt. Da sich beide Ansprüche nur dadurch unterscheiden, dass nach Anspruch 4 die Teilchen nach einem bestimmten Verfahren hergestellt werden, müssen die Unterschiede durch diese Herstellungsverfahren bedingt sein. Deshalb ist im vorliegenden Fall die Bezugnahme auf die Herstellungsverfahren, d.h. die Verwendung eines "process-by-product"-Anspruchs, gerechtfertigt.

3.1.3 Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 werden als erfüllt angesehen.

3.2 Neuheit

Die Neuheit des Gegenstands aller Ansprüche von Hilfsantrag 1 wurde von der Beschwerdeführerin I nicht beanstandet. Die Kammer teilt diese Auffassung.

3.3 Erfinderische Tätigkeit

Nach dem von den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angewandten Aufgabe-Lösungs-Ansatz ist festzustellen, welche technische Aufgabe durch den Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik im ganzen beanspruchten Bereich gelöst wird, und ob die vorgeschlagene Lösung dieser Aufgabe im Lichte des verfügbaren Standes der Technik naheliegend ist.

3.3.1 Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, lagerstabile Peroxocarbonsäurepartikel mit einer wasserlöslichen Beschichtung herzustellen.

Die Beschwerdeführerin I sieht D3,D5,D6 und D7 als nächstliegenden Stand der Technik an.

D3 betrifft die Verwendung von Phthalimidoperoxocarbon-säuren, wie beispielsweise PAP, als Bleichmittel in Reinigungsmitteln. In flüssigen alkalischen Formulierungen wird dabei eine Feuchtigkeitssperre gegenüber der wässrigen Umgebung durch Wachse oder langkettige Fettsäuren empfohlen.

D5 diskutiert beschichtete Perboratpartikel.

In D6 geht es um eingekapselte Partikel, welche Diperisophthalsäure enthalten.

D7 bezieht sich auf Phthalimidoperoxocarbonsäuren, wie beispielsweise PAP, und deren Verwendung in Waschmitteln. Dabei wird empfohlen die Säureteilchen zu beschichten um die Stabilität zu verbessern. Geeignete Zusätze werden als förderlich für die Auflösungsgeschwindigkeit beschrieben. Als mögliche Beschichtungsmaterialien wurden Polyacrylsäure und ein spezifisches Copolymer genannt.

Sowohl D3 als auch D7 beziehen sich auf die Stabilisierung von Phthalimidoperoxocarbonsäuren, aber nur D7 beschreibt eine wasserlösliche Umhüllung. Deshalb wird D7 als nächstliegender Stand der Technik angesehen.

3.3.2 Da der nächstliegende Stand der Technik und das Streitpatent die selbe Aufgabenstellung haben, aber ein Beweis für einen überraschenden Effekt der Produkte des Streitpatents nicht geführt worden ist, kann die Aufgabe nur in der Bereitstellung von alternativen wasserlöslich beschichteten Phthalimidoperoxocarbon-säurepartikeln liegen.

3.3.3 Als Lösung dieses Problems wurden im Streitpatent die Teilchen nach Anspruch 4 genannt.

Die erfindungsgemäßen Teilchen unterscheiden sich von jenen aus der D7 in der Verwendung von PVA und Säure in der Beschichtung und in den durch die beanspruchten Verfahren verursachten unterschiedlichen Eigenschaften des erhaltenen Produkts.

3.3.4 Die Beschwerdeführerin I hat nicht bestritten, dass die Aufgabe über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst wurde. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an.

3.3.5 Da D7 weder zur Verwendung von PVA, einer zusätzlichen Säure in der Beschichtung, noch zur Verwendung eines spezifischen Herstellungsverfahrens rät, kann von D7 allein ausgehend der mit Anspruch 4 des ersten Hilfsantrags beanspruchte Gegenstand nicht als naheliegend angesehen werden.

Die Beschwerdeführerin I kombinierte die Lehre von D7 mit folgenden Dokumenten:

Kombination mit D3

Da D3 die Verwendung von Feuchtigkeitsbarrieren durch eine wasserunlösliche Beschichtung empfiehlt, kann die Verwendung von PVA nicht nahegelegt sein.

Kombination mit D5

D5 bezieht sich auf Perboratbleichpartikel. Die Beschichtung enthält eine wasserlösliche Borverbindung und eine Säure, welche laut Beispiel C,D Borat-PVA sein kann. Der Fachmann würde die Lehre von D5 aber nicht mit D7 kombinieren, da es sich erstens um spezifische Bleichmittel (Perborat) handelt und zweitens auch die vorgeschlagene wasserlösliche Beschichtung spezifisch ist (Borverbindung) und keinen Hinweis auf die allgemeine Verwendung von PVA gibt.

Kombination mit D6

D6 betrifft ausschließlich Diperisophthalsäure. Eine Kombination der Lehre mit D7 ist deshalb nicht nahegelegt.

3.3.6 Da weder der nächstliegende Stand der Technik noch dessen Kombination mit den weiteren zitierten Dokumenten zum Gegenstand nach Anspruch 4 führt, ist dieser erfinderisch.

3.3.7 Sinngemäß gilt dies auch für die Verfahren zur Herstellung der Bleichmittelteilchen (Ansprüche 1 und 3), die Verwendung dieser Teilchen (Anspruch 11) und die abhängigen Ansprüche des ersten Hilfsantrags.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde der Einsprechenden II wird als unzulässig verworfen.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anweisung das Patent aufrechtzu- erhalten auf der Grundlage des Hilfsantrags 1 eingereicht mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 und einer daran anzupassenden Beschreibung.

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