T 1082/11 () of 7.6.2016

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2016:T108211.20160607
Datum der Entscheidung: 07 Juni 2016
Aktenzeichen: T 1082/11
Anmeldenummer: 04701299.2
IPC-Klasse: H04N 7/18
H04N 5/76
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR AUFZEICHNUNG VON VIDEO-/AUDIODATEN IN EINEM NETZWERK
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (nein)
Spät eingereichte Tatsachen - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 04 701 299.2.

II. Die Zurückweisungsgründe für den Hauptantrag waren mangelnde Klarheit (Artikel 84 EPÜ) der Ansprüche 1 und 27 aufgrund des Begriffs "logisch gekoppelt" und mangelnde Neuheit (Artikel 54(1) und (2) EPÜ) des Gegenstands dieser Ansprüche gegenüber dem Stand der Technik in

D1: MOBOTIX AG: 'Network-CCTV & WebCam Part 1:

Introduction', MOBOTIX-CONCEPT, Mai 2002,

XP 002279453.

III. Der Zurückweisungsgrund für den ersten Hilfsantrag war mangelnde Neuheit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 27 gegenüber D1, und der für den zweiten Hilfsantrag war mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) des Gegenstands der Ansprüche 1 und 23 im Hinblick auf D1 und

D6: OAKLEY, M.: 'Introduction to TCP/IP'

Proceedings of Share Europe Spring Conference, 18 April 1994, Seiten 481 - 507,

XP 00562101.

IV. Die Zurückweisungsgründe für den dritten Hilfsantrag waren mangelnde Klarheit (Artikel 84 EPÜ) der Ansprüche 1 und 27 aufgrund des Begriffs "eine maximal erwartete Zeitdauer" und mangelnde erfinderische Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 27 im Hinblick auf D1.

V. Die Anmelderin legte Beschwerde ein und beantragte die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und das Patent zu erteilen. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin/Anmelderin Ansprüche gemäß geändertem Hauptantrag und erstem bis viertem Hilfsantrag sowie eine geänderte Beschreibungsseite 1a ein.

VI. In einer Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) äußerte die Kammer Zweifel am Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags. Die Kammer äußerte auch Zweifel, ob der zweite, dritte und vierte Hilfsantrag ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden sollten.

VII. Mit Schreiben vom 4. Mai 2016 reichte die Beschwerdeführerin Ansprüche gemäß fünftem und sechstem Hilfsantrag sowie die geänderte Beschreibungsseite 1a ein.

VIII. Am 7. Juni 2016 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags oder der Hilfsanträge 1 bis 4, alle eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder der Hilfsanträge 5 und 6, eingereicht mit Schreiben vom 4. Mai 2016, zu erteilen. Vor dem Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

IX. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Aufzeichnung von Video-/Audiodaten, bei dem die Daten von einer Aufnahmevorrichtung (12, 14), wobei die Aufnahmevorrichtung (12, 14) Kameras und/oder Mikrofone umfasst, mit einem Datenspeicher (26, 28) erzeugt werden, wobei der Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) mit mindestens einer Aufzeichnungsvorrichtung (18) verbunden ist, die eine größere Speicherkapazität aufweist als der Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14), und dass Daten zwischen dem Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) und der mindestens einen Aufzeichnungsvorrichtung (18) ausgetauscht werden, so dass mittels der Aufzeichnungsvorrichtung (18) ein virtueller Datenspeicher für die Aufnahmevorrichtung (12, 14) gebildet wird

dadurch gekennzeichnet, dass

die Daten aus dem Datenspeicher (26, 28) zur Übertragung an die Aufzeichnungsvorrichtung (18) kopiert werden;

die Aufzeichnungsvorrichtung (18), welche die übertragenden Daten empfängt, diese Daten auf Intaktheit prüft, wobei die Daten von der Aufnahmevorrichtung (12, 14) in einer zeitlichen Reihenfolge aufgenommen sind, so dass diese in einer zeitlichen Datenfolge vorliegen, und wobei die Daten mit Zeitmarken versehen sind, welche ihre zeitliche Einordnung in die zeitliche Datenfolge charakterisieren;

die Aufzeichnungsvorrichtung (18) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) die Intaktheit mitteilt, und

auf eine Mitteilung der Intaktheit die entsprechenden Daten aus dem Datenspeicher in der Aufnahmevorrichtung (12, 14) gelöscht werden."

X. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags lautet wie Anspruch 1 des Hauptantrags, aber mit der folgenden Formulierung des letzten Merkmals des Oberbegriffs:

"und dass Daten zwischen dem Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) und der mindestens einen Aufzeichnungsvorrichtung (18) über ein digitales Netz (1) gemäß dem TCP/IP-Protokoll ausgetauscht werden, so dass mittels der Aufzeichnungsvorrichtung (18) ein virtueller Datenspeicher für die Aufnahmevorrichtung (12, 14) gebildet wird".

(Die Änderung gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags ist kursiv.)

XI. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Aufzeichnung von Video-/Audiodaten, bei dem die Daten von einer Aufnahmevorrichtung (12, 14), wobei die Aufnahmevorrichtung (12, 14) Kameras und/oder Mikrofone umfasst, mit einem Datenspeicher (26, 28) erzeugt werden, wobei der Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) mit mindestens einer Aufzeichnungsvorrichtung (18) verbunden ist, die eine größere Speicherkapazität aufweist als der Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14), und dass Daten zwischen dem Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) und der mindestens einen Aufzeichnungsvorrichtung (18) ausgetauscht werden, so dass mittels der Aufzeichnungsvorrichtung (18) ein virtueller Datenspeicher für die Aufnahmevorrichtung (12, 14) gebildet wird,

wobei die Aufzeichnungsvorrichtung (18) während einer Zeitdauer T einer Störung keine Daten empfängt, so dass eine Datenlücke (48) in der Aufzeichnung des Datenspeichers (30) vorliegt,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Aufnahmevorrichtung (12, 14) dann gleichzeitig aktuelle Daten zur Aufzeichnung an die Aufzeichnungsvorrichtung (18) und gespeicherte Daten zur Auffüllung der Datenlücke (48) an der Aufzeichnungsvorrichtung (18) sendet."

XII. Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags lautet wie Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags, wobei der kennzeichnende Teil wie folgt lautet:

"dadurch gekennzeichnet, dass

die Aufzeichnungsvorrichtung Störungen der Datenübertragung erfasst und Daten von der Aufnahmevorrichtung anfordert,

wobei die Aufnahmevorrichtung (12, 14) dann gleichzeitig aktuelle Daten zur Aufzeichnung an die Aufzeichnungsvorrichtung (18) und gespeicherte Daten zur Auffüllung der Datenlücke (48) an der Aufzeichnungsvorrichtung (18) sendet."

(Die Änderung gegenüber Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags ist kursiv.)

XIII. Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags lautet wie Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags, wobei der kennzeichnende Teil wie folgt lautet:

"dadurch gekennzeichnet, dass

die Aufnahmevorrichtung (12, 14) und die Aufzeichnungsvorrichtung (18) jeweils Detektionseinrichtungen (34, 36), Registrierungseinrichtungen (38, 40) und Steuereinrichtungen (32, 42) aufweisen, wobei die Detektionseinrichtungen über den Austausch von Prüfsignalen die Störung erkennen, so dass die Datenlücke sowohl an der Aufnahmevorrichtung (12, 14) als auch an der Aufzeichnungsvorrichtung (18) zeitlich eingeordnet werden kann, wobei die Registrierungseinrichtungen den Zeitpunkt und die Zeitdauer der Störung registrieren, so dass von der Aufnahmevorrichtung (12, 14) Informationen generiert werden, welche Video und/oder Audiodaten nicht oder nicht erfolgreich an die Aufzeichnungsvorrichtung (18) übertragen wurden und so dass von der Aufzeichnungsvorrichtung (18) Informationen generiert werden, wann in der Aufzeichnung die Datenlücke aufgrund gestörter Datenübertragung vorhanden ist, wobei durch die Steuerungseinrichtung (32) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) Daten der Datenlücke anhand des Eintrags in der Registrierungseinrichtung der Aufnahmevorrichtung (12, 14) auf dem digitalen Netz übertragen werden und wobei durch die Steuerungseinrichtung der Aufzeichnungsvorrichtung (18) diese Daten in einem Speicherbereich des Datenspeichers platziert werden, welcher der Datenlücke entspricht, wobei die Aufnahmevorrichtung (12, 14) dann gleichzeitig aktuelle Daten zur Aufzeichnung an die Aufzeichnungsvorrichtung (18) und gespeicherte Daten zur Auffüllung der Datenlücke (48) an der Aufzeichnungsvorrichtung (18) sendet."

(Die Änderung gegenüber Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags ist kursiv.)

XIV. Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags lautet wie folgt:

"Verfahren zur Aufzeichnung von Video-/Audiodaten, bei dem die Daten von einer Aufnahmevorrichtung (12, 14) mit einem Datenspeicher (26, 28) erzeugt werden, wobei die Aufnahmevorrichtung (12, 14) Kameras und/oder Mikrofone umfasst, wobei der Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) mit mindestens einer Aufzeichnungsvorrichtung (18) verbunden ist, die eine größere Speicherkapazität aufweist als der Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14), wobei Daten zwischen dem Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) und der mindestens einen Aufzeichnungsvorrichtung (18) ausgetauscht werden, so dass mittels der Aufzeichnungsvorrichtung (18) ein virtueller Datenspeicher für die Aufnahmevorrichtung (12, 14) gebildet wird,

dadurch gekennzeichnet, dass das Auslesen von Daten aus dem Datenspeicher (26, 28) an der Aufnahmevorrichtung (12, 14) zur Übertragung an die mindestens eine Aufzeichnungsvorrichtung (18) an das Einschreiben von neuen Daten in den Datenspeicher (26, 28) derart logisch gekoppelt wird, dass Daten des Datenspeichers (26, 28) rechtszeitig [sic] ausgelagert werden, so dass der Datenspeicher (26, 28) der Aufnahmevorrichtung (12, 14) nicht überläuft,

wobei eine Speicherkapazität des Datenspeichers (26, 28) derart gewählt ist, dass Video-/Audiodaten an der Aufnahmevorrichtung (12, 14) für eine vorgegebene Zeitdauer aufgezeichnet werden, wobei die vorgegebene Zeitdauer an eine maximal erwartete Zeitdauer einer Datenübertragungsstörung angepasst ist."

XV. Anspruch 1 des sechsten Hilfsantrags lautet wie Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags, wobei das folgende Merkmal am Ende, vor dem Punkt, angehängt ist:

", wobei die Aufzeichnungsvorrichtung (18) während einer Zeitdauer T der Datenübertragungsstörung keine Daten empfängt, so dass eine Datenlücke (48) in der Aufzeichnung des Datenspeichers (30) vorliegt,

wobei die Aufnahmevorrichtung (12, 14) dann gleichzeitig aktuelle Daten zur Aufzeichnung an die Aufzeichnungsvorrichtung (18) und gespeicherte Daten zur Auffüllung der Datenlücke an der Aufzeichnungsvorrichtung (18) sendet".

XVI. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung zum damaligen zweiten Hilfsantrag, der dem vorliegenden Hauptantrag weitgehend entspricht, lässt sich wie folgt zusammenfassen, soweit sie für die geänderten Ansprüche relevant ist:

Dokument D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Es offenbare die Merkmale des Anspruchs 1 mit Ausnahme folgender Merkmale:

a) die Daten würden aus dem Datenspeicher der Aufnahmevorrichtung zur Übertragung kopiert,

b) die Aufzeichnungsvorrichtung, welche übertragene Daten empfange, prüfe diese Daten auf Intaktheit,

c) die Aufzeichnungsvorrichtung teile der Aufnahmevorrichtung die Intaktheit mit,

d) auf die Mitteilung der Intaktheit würden die entsprechenden Daten aus dem Datenspeicher der Aufnahmevorrichtung gelöscht.

Die Merkmale a) bis d) lösten die Aufgabe, die Daten fehlerfrei zwischen Aufzeichnungsvorrichtung und Aufnahmevorrichtung zu übertragen. Die Aufgabe, Daten zuverlässig zu übertragen, sei in D1 behandelt.

Die Kamera gemäß D1 verwende das Dateisystem NFS, das auf dem TCP/IP Protokoll beruhe. Dieses Protokoll werde in D6 näher erläutert. Der Fehlerschutzmechanismus von TCP/IP sei auf Seite 497 der D6 so erläutert, dass der Empfänger bei einer TCP/IP-Verbindung bestätigen müsse, dass die Daten fehlerfrei empfangen worden seien. TCP/IP implementiere auch eine Flusskontrolle, die einen Puffer beim Sender und beim Empfänger impliziere. Die Daten blieben so lange im Senderpuffer, bis der Empfänger den Erhalt der Daten bestätigt habe. Danach würden sie gelöscht.

Somit gelange ein Fachmann durch Kombination der Inhalte von D1 und D6 ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Hinsichtlich des Anspruchs 1 des dritten Hilfsantrags bemängelte die Prüfungsabteilung u.a., dass der Begriff "eine maximal erwartete Zeitdauer" nicht klar sei. Er werde für die Analyse von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit als "vorgegebene Zeitdauer" interpretiert.

XVII. Die Argumente der Beschwerdeführerin zum Hauptantrag und zum ersten Hilfsantrag lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Dokument D1 könne als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden, obwohl es nicht die Aufnahme, Übertragung und Aufzeichnung von Videodaten offenbare, sondern von (Einzel-)Bilddaten. Audio-Daten könnten nur in einer Beta-Version der Kamera gemäß D1 übertragen werden. D1 enthalte auch keinen Hinweis, statt Bilddaten Videodaten aufzuzeichnen. Die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 bewirkten einen Fehlerschutz, der einen weiteren Unterschied zur Offenbarung der D1 bilde. Zusätzlich würden durch die Datenlöschung im Rahmen des Fehlerschutzmechanismus auch die Anforderungen an die notwendige Speicherkapazität gesenkt.

Der Hinweis auf das Dateisystem NFS in D1 gebe keinen Hinweis auf das TCP/IP-Protokoll, da NFS und TCP/IP unterschiedliche Schichten des OSI-Modells beträfen und unabhängig voneinander seien. Bei einer Kombination von D1 und D6 würde der Fachmann den Fehlerschutzmechanismus von TCP/IP verwenden. Dabei würde nur überprüft, ob alle Datenpakete von Datensegmenten empfangen worden seien. Es werde aber nicht überprüft, ob die aus den Segmenten zusammengesetzte Datei intakt sei. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren werde die zusammengesetzte Datei als Datum mit Zeitmarken geprüft, also überprüft, dass die Videodaten komplett und in der richtigen zeitlichen Reihenfolge vorlägen. Der Fehlerschutzmechanismus spiele sich auf der Anwendungs-Ebene, nicht auf der TCP/IP-Ebene ab, insbesondere seien die Zeitmarken der Daten nicht die TCP-Sequenznummern. Deshalb führe die Zusammenschau von D1 und D6 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Die unterschiedlichen Ebenen der Fehlerschutzmechanismen der Erfindung und der D6 seien im Hilfsantrag 1 nochmals betont.

XVIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin zum zweiten, dritten und vierten Hilfsantrag lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Zulassung dieser Hilfsanträge liege im Ermessen der Kammer. Da keine weitere Partei involviert und der Sinn des EPÜ die Erteilung von Patenten sei, sollte dieses Ermessen eher zugunsten der Beschwerdeführerin ausgeübt werden. Diese Hilfsanträge seien bereits mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Sowohl im Hauptantrag und ersten Hilfsantrag als auch in den zweiten bis vierten Hilfsanträgen würde der Datenaustausch zwischen der Aufnahmevorrichtung und der Aufzeichnungsvorrichtung, also das Konzept eines virtuellen Speichers, weiter ausgebildet. Es sei davon auszugehen, dass die Merkmale der unabhängigen Ansprüche des zweiten bis vierten Hilfsantrags wegen ihrer Bedeutung in der Beschreibung recherchiert worden seien.

XIX. Die Argumente der Beschwerdeführerin zum fünften und sechsten Hilfsantrag lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die logische Kopplung zwischen dem Ein- und Ausschreiben von Daten in bzw. aus dem Datenspeicher der Aufnahmevorrichtung werde durch ein klares funktionelles Merkmal dargestellt, nämlich dass der Datenspeicher nicht überlaufe. Die Speicherkapazität des Datenspeichers sei angepasst an die Datenmenge, die während einer vorgegebenen Zeitdauer aufgezeichnet werde. Diese Zeitdauer sei eine objektiv empirisch feststellbare Größe, nämlich die (abhängig vom übertragenden Netzwerk) maximale erwartete Dauer einer Übertragungsstörung. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 mache zusätzlich deutlich, wie die Netzkapazität genutzt werde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag: erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

2.1 Es ist unbestritten, dass D1 als nächstliegender Stand der Technik für das Aufzeichnungsverfahren nach Anspruch 1 angesehen werden kann und die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart, mit Ausnahme der Aufzeichnung von Videodaten.

2.1.1 D1 offenbart insbesondere, dass die für die Aufzeichnung genutzte Überwachungskamera ein Mikrophon aufweist (D1, Punkt 1.1), und dass Audiodaten gespeichert und übertragen werden können (D1, Punkt 1.3). Dass nicht alle Varianten der Überwachungskamera die volle Audio-Funktionalität aufweisen bzw. gewisse Funktionalitäten sich noch in der Beta-Phase befanden (D1, Punkt 1.3.5) ist für den Zweck der Offenbarung der Audio-Funktionalität im Stand der Technik unerheblich, da sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch im gesamten Beschwerdeverfahren das Dokument D1, nicht eine konkrete vorbenutzte Kamera, als der relevante Stand der Technik betrachtet wurde.

2.1.2 D1 gibt explizit an, dass die Überwachungskamera gemäß D1 keine Videodaten, sondern Einzelbilder im JPEG-Format aufzeichnet. (Erste Seite, dritter Absatz: "As JPEG is the de-facto standard image format on the web, we used this format to avoid the costly development of plug-ins and achieve the highest degree of compatibility. However, since the MOBOTIX camera does not use video signals, digitizers or hardware compression, the camera is open for future image and compression standards.")

2.1.3 Andererseits offenbart D1 (Punkt 1.4.1), dass kontinuierlich bis zu 12 Bilder/Sekunde aufgezeichnet werden und dass Bewegung in frei definierbaren Bildbereichen detektiert werden kann ("video motion detector"). Die Software für die Überwachungskamera nach D1 enthält auch ein Abspielprogramm (Punkt 1.2.4: "Using the integrated player, you can display the events frame by frame, in fast-forward mode or by using the search function (time of the event)"). Ein Betrachter würde daher eine gemäß D1 aufgenommene Bilderfolge als Videobildfolge wahrnehmen, auch wenn die Daten nicht in einem Videoformat wie bspw. M-JPEG oder nach einem MPEG-Standard aufgezeichnet worden sind.

2.1.4 Der Fachmann hatte deshalb einen Grund, die Überwachungskamera nach D1 dahingehend weiter zu entwickeln, dass sie auch Videodaten (bspw. in einem MPEG Format) aufzeichnen kann. Die dafür notwendigen Maßnahmen (andere Software, eventuell mehr Speicherplatz etc.) liegen im Rahmen des allgemeinen Fachwissens.

2.1.5 Deshalb hat das Argument der Beschwerdeführerin, die Überwachungskamera nach D1 zeichne keine Videodaten auf und enthalte auch keinen Hinweis, Videodaten aufzuzeichnen, die Kammer nicht überzeugt, dass dieser Unterschied eine erfinderische Tätigkeit begründen könnte.

2.2 Es ist unbestritten, dass die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 im Wesentlichen einen Fehlerschutzmechanismus für die Übertragung der Daten von der Aufnahmevorrichtung zur Aufzeichnungsvorrichtung festlegen (siehe Punkt 2.2 der Beschwerdebegründung und Punkt 16.1 der Entscheidungsgründe). Die objektive Aufgabe des Verfahrens nach Anspruch 1 gegenüber dem Verfahren nach D1 kann also darin gesehen werden, im Verfahren nach D1 einen Fehlerschutzmechanismus für die Datenübertragung von Video-/Audiodaten zur Verfügung zu stellen (siehe auch Seite 18, Zeilen 18 - 20 der veröffentlichten Anmeldung.)

2.2.1 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass zusätzlich noch die Anforderungen an die Speicherkapazität des Datenspeichers der Aufnahmevorrichtung gesenkt würden, hat die Kammer nicht überzeugt. Es ist zwar richtig, dass für gelöschte Daten kein Speicherplatz notwendig ist (siehe auch Seite 6, Zeilen 6 - 9 der veröffentlichten Anmeldung). Die benötigte Speicherkapazität des Datenspeichers der Aufnahmevorrichtung hängt aber im Allgemeinen von einer Vielzahl von Faktoren ab. Beispielsweise benötigt die Zwischenspeicherung von längeren Videos mehr Speicherplatz als die von wenigen Einzelbildern, und die von langen Videos mehr Speicherplatz als die von kurzen. Auch der Zeitpunkt der Intaktheitsprüfung bzw. die Datenmenge, die zur Löschung freigegeben werden kann, ist zu berücksichtigen. Insofern tritt der Vorteil der geringeren benötigten Speicherkapazität zwingend nur im Vergleich mit der Situation permanenten Zwischenspeicherns der gleichen zu übertragenden Daten, bspw. in einem Ringspeicher, auf.

2.2.2 Auch die (im Vergleich mit Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag) zusätzlich im kennzeichnenden Teil aufgeführten Merkmale einer zeitlichen Reihenfolge der Daten und von Zeitmarken bewirken keine zusätzlichen technischen Effekte, da diese Merkmale auch in D1 offenbart sind (siehe bspw. Punkt 1.2.3 und den Bezug auf eine Zeitmarke "time stamp" in Punkt 1.4.3).

2.2.3 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass gemäß D1 nur die Intaktheit eines Datensegments und nicht die einer Videodatei überprüft wird, ist nicht überzeugend. Es beruht auf dem Verständnis, dass der Ausdruck "Intaktheit der Daten" bzw. das Löschen der entsprechenden Daten im Kontext des Anspruchs 1 eine Intaktheit einer Datei (und nicht nur eines Datensegments) bzw. das Löschen einer (Video-)Datei impliziert. Für diese enge Auslegung des Begriffes "Daten" gibt es aber weder im Anspruch selbst noch in der Beschreibung eine Grundlage. Insbesondere ergibt sich aus dem Hinweis auf eine Auswertbarkeit der Daten auf Seite 12, Zeilen 14 bis 17 der veröffentlichten Anmeldung nicht, dass ganze Videodateien auf Intaktheit geprüft werden.

2.2.4 Deshalb legt die Kammer die in Punkt 2.2 oben angegebene objektive Aufgabe zugrunde.

2.3 Es ist unbestritten, dass D1 Hinweise enthält, dass eine fehlerfreie Datenübertragung erwünscht ist, siehe D1, Punkt 1.1.7 auf Seite 6 ("reliable data transfer", "Moreover, the MOBOTIX system is very good at saving data permanently on local file servers since the camera saves all images in the internal buffer and thus can bridge even complete network failures for a certain time").

2.4 Dokument D1 enthält keine Angaben, wie bei einer Störung der Datenübertragung von der Aufnahmevorrichtung zur Aufzeichnungsvorrichtung vorzugehen ist. D1 offenbart aber, dass die Datenübertragung über das Internet erfolgen kann und das TCP/IP-Protokoll verwendet wird (siehe Punkt 1.2.3, Documenting events on a remote server, "remote server (Internet)", Punkt 1.1.3, "Communication uses the TCP/IP protocol", Punkt 1.1.6, "TCP/IP connection", oder Punkt 1.2.6 "a specific TCP/IP port"). Insbesondere können die (Einzelbild-)Daten auf einem "standard file server" gespeichert oder archiviert werden (siehe Punkte 1.4.2 und 1.4.4), wobei beispielsweise das Dateisystem Network File System (NFS) verwendet werden kann.

2.5 Das Dokument D6 ist eine Einführung in das TCP/IP- Protokoll. Auf Seite 497 wird das Transmission Control Protocol (TCP) erläutert. Bezüglich der Zuverlässigkeit ("Reliability") wird dargelegt, dass allen übermittelten Daten eine TCP-Sequenznummer zugeordnet wird, und dass der Sender eine Bestätigung ("acknowledgement") vom Empfänger erwartet, wenn die Daten erfolgreich empfangen worden sind. Bei Ausbleiben der Bestätigung (innerhalb eines geeigneten Zeitfensters) werden die Daten erneut gesendet. Es ist implizit, dass die gesendeten Daten nach Erhalt der Bestätigung aus einem Sender-Speicher gelöscht werden.

2.5.1 D6 offenbart auch, dass das NFS-Protokoll zwar auf einer anderen Ebene des OSI-Modells als TCP/IP liegt (siehe D6, Seite 490) und grundsätzlich vom Transportprotokoll unabhängig ist (siehe D6, Punkt 5.9). Aber NFS ist doch eine Standard Anwendung, die TCP als Transportprotokoll benutzen kann (D6, Punkt 5). Es dient dazu, File Server an Clients anzubinden und den Clients Netzwerkspeicher zur Verfügung zu stellen, so dass der Nutzer auf Dateien über ein Computer-Netzwerk in der gleichen Weise zugreifen kann wie auf lokal gespeicherte Dateien (siehe D6, Punkte 5.9 und 5.9.1).

2.6 Unter diesen Umständen hätte der Fachmann den Fehlerschutzmechanismus von TCP/IP, so wie er in D6 offenbart ist, in naheliegender Weise bei dem Aufzeichnungsverfahren gemäß D1 angewendet und wäre damit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt.

2.7 Die Argumente der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann bei einer Kombination von D1 und D6 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt wäre, haben die Kammer nicht überzeugt. Sie beruhen auf einer engen Auslegung des Begriffs "Daten" (siehe Punkt 2.2.3 oben) und einer Auslegung, bei der der Fehlerschutzmechanismus sich auf der Anwendungs-Ebene des OSI-Modells befindet, nicht auf der Transport-Ebene. Dafür gibt es aber weder in den Ansprüchen noch in der gesamten Anmeldung eine Basis. Insbesondere gibt es keine Offenbarung, ob und allenfalls wie sich die Zeitmarken der Daten von den in D1 diskutierten Zeitmarken unterscheiden (siehe Punkt 2.2.2 oben) und ob die Zeitmarken bei der Prüfung auf Intaktheit der Daten eine Rolle spielen. Die Anmeldung diskutiert weder Ebenen des OSI-Modells noch spezielle Dateiformate, sondern allgemein Daten bzw. Video-/Audiodaten. Auch die Diskussion der Videodaten und Audiodaten auf Seite 12, Zeilen 10 bis 19 geht auf diese Fragen nicht ein. Insbesondere die Prüfung auf Intaktheit der Daten wird in der ganzen Anmeldung nur konzeptionell diskutiert.

2.8 Aufgrund der obigen Erörterungen kommt die Kammer zum Schluss, dass das Verfahren nach Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D1 und D6 beruht.

3. Erster Hilfsantrag: erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags legt zusätzlich fest, dass die Daten über ein digitales Netz gemäß dem TCP/IP Protokoll ausgetauscht werden. Dieses Merkmal ist aber auch im Verfahren nach D1 realisiert (siehe Punkt 2.4 oben). Deshalb gelten die in Abschnitt 2 oben genannten Überlegungen auch für den ersten Hilfsantrag. Somit beruht auch das Verfahren nach Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Zweiter Hilfsantrag: Zulassung (Artikel 12(4) VOBK)

4.1 Artikel 12(4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (VOBK) geht von der Befugnis der Kammer aus, Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

4.2 Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags beruht auf dem ursprünglichen Anspruch 1, ergänzt durch Merkmale aus der Beschreibung (siehe bspw. Seite 16, Zeilen 22 bis 29 und Seite 19, Zeilen 17 bis 23). Er ist also inhaltlich eine Reaktion auf den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung vom 2. Dezember 2005, in dem ein Einwand mangelnder Neuheit des Gegenstands der ursprünglichen Ansprüche gegenüber D1 erhoben wurde. Der zweite Hilfsantrag hätte also bereits im erstinstanzlichen Verfahren, in Beantwortung des ersten Bescheides, vorgebracht werden können. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt war erkennbar, dass der ursprüngliche Anspruchssatz nicht unmittelbar zu einer Erteilung führen würde und womöglich auf Merkmale aus der Beschreibung zurückgegriffen werden müsste.

4.3 Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags stellt zudem eine Alternative zum Anspruch 1 des Hauptantrags dar, da der kennzeichnende Teil der Anspruchs 1 des Hauptantrags ausgetauscht worden ist. Denn während Anspruch 1 des Hauptantrags (und des ersten Hilfsantrags) im kennzeichnenden Teil Merkmale einer Intaktheitsprüfung (Prüfung der Intaktheit der übertragenen Daten) zum Zweck eines Fehlerschutzes für die Datenübertragung angibt, gibt Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags in seinem kennzeichnenden Teil Merkmale einer gleichzeitigen Datenübertragung aktueller und gespeicherter Daten an. Diese Merkmale bezeichnen keine Intaktheitsprüfung, sondern einen Reparaturmechanismus.

4.4 Zu diesem Reparaturmechanismus liegt keine Stellungnahme der Prüfungsabteilung vor. Er kommt in keinem der Anspruchssätze im erstinstanzlichen Verfahren vor, so dass insofern ein neuer Fall vorliegt. Es ist auch fraglich, ob er recherchiert worden ist, da er im Kontext der ursprünglichen Anmeldung keine besondere Bedeutung für die ursprünglich beanspruchte Erfindung spielt. Insbesondere stellt die Beschreibung auf Seite 19, Zeilen 17 bis 23 die gleichzeitige Übertragung aktueller und gespeicherter Daten knapp als nicht weiter erläuterungsbedürftige Maßnahme dar.

4.5 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass bei einem ex parte-Verfahren bei der Ausübung des Ermessens eher zugunsten der Beschwerdeführerin entschieden werden sollte, hat die Kammer im vorliegenden Fall nicht davon überzeugt, konkret den vorliegenden zweiten Hilfsantrag ins Verfahren zuzulassen. Denn es beruht nicht auf einem besonderen Umstand des Einzelfalls, sondern auf einer allgemeinen Überlegung, die für alle ex parte Verfahren gilt und die keine Stütze in der VOBK, insbesondere nicht in deren Artikel 12(4), findet. Die Tatsache, dass es sich im vorliegenden Fall um ein ex parte Verfahren handelt, ist im Übrigen in den Punkten 4.2 bis 4.4 oben berücksichtigt.

4.6 Das Argument, dass der zweite Hilfsantrag bereits mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden sei, vermag die Erörterungen in den Punkten 4.2 bis 4.4 nicht zu entkräften. Es ist zwar sachlich richtig, doch beruhen die Ermessenserwägungen der Kammer nicht auf dem Zeitpunkt der Einreichung des zweiten Hilfsantrags innerhalb des Beschwerdeverfahrens, sondern auf dem Gegenstand diese Hilfsantrags und der Tatsache, dass er unter den gegebenen Umständen nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht wurde.

4.7 Die Beschwerdeführerin hat auch argumentiert, dass im vorliegenden Fall sowohl im Hauptantrag und ersten Hilfsantrag als auch im zweiten Hilfsantrag der Datenaustausch zwischen der Aufnahmevorrichtung und der Aufzeichnungsvorrichtung, also der Erfindungsgedanke eines virtuellen Speichers, weiter ausgebildet werde.

4.7.1 Es ist zutreffend, dass der generelle Erfindungsgedanke eines virtuellen Speichers im ursprünglichen Anspruch 1 im Vordergrund stand. Mit den vorliegenden Anträgen wird aber dieser Erfindungsgedanke in ganz unterschiedliche Richtungen weiter entwickelt, nämlich zum einen hinsichtlich des (prophylaktischen) Fehlerschutzes bei der störungsfreien Übertragung von Daten in den virtuellen Speicher (Hauptantrag, erster Hilfsantrag), und zum andern hinsichtlich der Reparatur von störungsbedingten Übertragungsfehlern (zweiter Hilfsantrag). Die Kammer merkt auch an, dass Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags keine Einschränkung eines geänderten unabhängigen Anspruchs ist, der der Prüfungsabteilung vorgelegen hätte. Denn im erstinstanzlichen Verfahren enthielten die geänderten unabhängigen Ansprüche ein Merkmal der logischen Kopplung des Aus- und Einlesens von Daten aus dem bzw. in den Datenspeicher der Aufnahmevorrichtung.

4.8 Die Frage, ob der Reparaturmechanismus gemäß dem Kennzeichen des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags recherchiert worden ist, lässt sich aus der Akte nicht klären. Ihre Beantwortung ist aber - wie sich aus vorstehenden Erwägungen ergibt - für das Ausüben des Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK nicht ausschlaggebend.

4.9 Aufgrund der obigen Erwägungen lässt die Kammer den zweiten Hilfsantrag nicht ins Verfahren zu.

5. Dritter Hilfsantrag: Zulassung (Artikel 12(4) VOBK)

5.1 Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags stellt eine Einschränkung von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags dar. Das einschränkende Merkmal betrifft die Erfassung von "Störungen der Datenübertragung". Diese Erfassung ist aber keine Umschreibung einer Intaktheitsprüfung der übertragenen Daten, sondern des Austausches von Prüfsignalen (life check-Signalen), wie er beispielsweise auf Seite 14, Zeile 6 bis Seite 15, Zeile 5 beschrieben ist. Auch dieses Merkmal war in keinem der Ansprüche vorhanden, die der Prüfungsabteilung vorgelegen haben.

5.2 Die Beschwerdeführerin hat zur Frage des Zulassens des dritten Hilfsantrags nur auf ihre Argumente zum zweiten Hilfsantrag verwiesen.

5.3 Vor diesem Hintergrund gelten die Ermessenserwägungen zum zweiten Hilfsantrag auch für den dritten Hilfsantrag, und die Kammer lässt aus den gleichen Erwägungen auch den dritten Hilfsantrag nicht ins Verfahren zu.

6. Vierter Hilfsantrag: Zulassung (Artikel 12(4) VOBK)

6.1 Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags ist erklärtermaßen eine eingeschränkte Version von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags (siehe Punkt 6 der Beschwerdebegründung). Die weiteren Einschränkungen sind ebenfalls nur in der ursprünglichen Beschreibung (insbesondere den Seiten 17 und 18) enthalten und bilden das Merkmal des Austauschs von Prüfsignalen weiter aus. Die Beschwerdeführerin hat auch zur Frage des Zulassens des vierten Hilfsantrags nur auf ihre Argumente zum zweiten Hilfsantrag verwiesen.

6.2 Nach alledem gelten die Ermessenserwägungen zum zweiten Hilfsantrag auch für den vierten Hilfsantrag, und die Kammer lässt ihn aus den gleichen Erwägungen nicht ins Verfahren zu.

7. Fünfter und sechster Hilfsantrag: Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973)

7.1 Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags und Anspruch 1 des sechsten Hilfsantrags enthalten das Merkmal, dass eine Speicherkapazität des Datenspeichers der Aufnahmevorrichtung derart gewählt ist, dass Video-/Audiodaten an der Aufnahmevorrichtung (12, 14) für eine vorgegebene Zeitdauer aufgezeichnet werden, wobei die vorgegebene Zeitdauer an eine maximal erwartete Zeitdauer einer Datenübertragungsstörung angepasst ist.

7.2 Die Speicherkapazität ist somit in indirekter Abhängigkeit von der maximal erwarteten Zeitdauer einer Datenübertragungsstörung gewählt. Implizit muss zunächst eine maximal erwartete Zeitdauer einer Datenübertragungsstörung bestimmt werden, dann eine nicht näher angegebene Anpassung vorgenommen werden, um zu einer gewissen Aufzeichnungs-Zeitdauer zu gelangen, und schließlich eine Speicherkapazität gewählt werden, so dass die Daten, die während der gewissen Aufzeichnungs-Zeitdauer anfallen, gespeichert werden können. Gemäß der Beschreibung fließt in die Wahl der Speicherkapazität zusätzlich die Datenübertragungsrate an das und auf dem Netz ein (siehe Seite 16, Zeilen 3 bis 15, oder Seite 23, Zeile 23 bis Seite 24, Zeile 4).

7.3 Insgesamt ist die Speicherkapazität des Datenspeichers somit abhängig von den subjektiven Erwägungen, welche Dauer einer Datenübertragungsstörung erwartet wird und welche zusätzliche "Anpassung" vorgenommen werden sollte (also bspw. welcher Sicherheitszuschlag berücksichtigt werden sollte, siehe Seite 16, Zeile 15). Diese subjektiven Erwägungen spiegeln die Gründe wider, aus denen die Speicherkapazität des Datenspeichers auf eine gewisse Größe festgelegt wird. Diese subjektiven Gründe lassen sich bei einem gegebenen Verfahren aber nicht objektiv an den einzelnen Verfahrensschritten feststellen, die zur gewählten Speicherkapazität führen. Beispielsweise lässt sich nicht objektivieren, ob eine gewisse Speicherkapazität aufgrund einer optimistischen Erwartungshaltung wie "Maximal erwartete Störungsdauer = maximale Störungsdauer im letzten Jahr" oder aufgrund einer pessimistischen Erwartungshaltung wie "Maximal erwartete Störungsdauer = Das Doppelte der maximalen Störungsdauer im letzten Jahr" gewählt wurde. Denn durch die unbestimmte zusätzliche Anpassung kann in beiden Fällen zur gleichen Aufzeichnungsdauer (und Speicherkapazität) gelangt werden (im ersten Fall mit einer Anpassung "Aufzeichnungsdauer = maximal erwartete Störungsdauer plus Sicherheitszuschlag von 100%", im zweiten Fall mit einer Anpassungsregel "Aufzeichnungsdauer = maximal erwartete Störungsdauer").

7.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, die maximal erwartete Zeitdauer einer Datenübertragungsstörung sei eine objektive Größe, hat die Kammer nicht von der Klarheit des Anspruchs überzeugt. Es ist zwar richtig, dass es objektive Erfahrungswerte geben kann, wie lange eine Datenübertragungsstörung für ein gegebenes Netzwerk üblicherweise oder höchstens dauert. Der Anspruch legt aber zum einen nicht fest, dass die "maximal erwartete Zeitdauer einer Datenübertragungsstörung" ein solcher objektiver Erfahrungswert ist. (Auch die Beschreibung erklärt nicht, aus welchem Grund "eine maximale Störungszeit von 8 Stunden erwartet" wird, siehe Seite 16, Zeile 14). Und zum anderen ist im Regelfall subjektiv bestimmt, welche Erwartungshaltung sich aus Erfahrungswerten ergibt. Bspw. ist eine Erwartung, dass in Zukunft die Dauer von Datenübertragungsstörungen abnehmen wird, denkbar. Genauso aber auch das Gegenteil.

7.5 Deshalb kommt die Kammer zum Schluss, dass Anspruch 1 des fünften und sechsten Hilfsantrags nicht klar sind.

8. Somit kann keiner der Anträge der Beschwerdeführerin gewährt werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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