T 1045/11 () of 19.1.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T104511.20180119
Datum der Entscheidung: 19 Januar 2018
Aktenzeichen: T 1045/11
Anmeldenummer: 06110076.4
IPC-Klasse: A61M 1/34
A61M 1/16
A61M 1/36
A61M 1/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Blutbehandlungsgerät mit Alarmvorrichtung
Name des Anmelders: B. Braun Avitum AG
Name des Einsprechenden: Fresenius Medical Care Deutschland GmbH
Gambro Lundia AB
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Einsprechenden I und II richten sich gegen die am 17. März 2011 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, wonach unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

II. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Einsprechende II zwei offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht, wobei zwei Zeugen angeboten wurden. Einer der Zeugen (Herr Björn Ericson) wurde im Einspruchsverfahren bezüglich einer der Vorbenutzungen vernommen. Ein Antrag der Einsprechenden II auf erneutes Vernehmen des Zeugen angesichts eines in den unabhängigen Anspruch (des gewährbaren Hilfsantrags) zusätzlich aufgenommenen Merkmals wurde von der Einspruchsabteilung abgelehnt (siehe Punkt 11 des Protokolls über die mündliche Verhandlung und Punkt 16 der angefochtenen Entscheidung).

III. Die Beschwerde der Einsprechenden I wurde am 12. Mai 2011 eingereicht und die Beschwerdegebühr am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 15. Juli 2011 eingereicht.

IV. Die Beschwerde der Einsprechenden II wurde am 16. Mai 2011 eingereicht und die Beschwerdegebühr am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 25. Juli 2011 eingereicht.

Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin II (Einsprechende II), die Dokumente D24/2 bis D30/2 eingereicht. Diese sollten beweisen, dass das in Anspruch 1 zusätzlich aufgenommene Merkmal auch aus der im Einspruchsverfahren erörterten offenkundigen Vorbenutzung bekannt war, bzw. nicht erfinderisch war (D30/2). Diese Aussage wurde in der Beschwerdebegründung begründet.

V. Die Patentinhaberin hat keine Beschwerde eingereicht.

In ihrer Erwiderung vom 22. November 2011 nahm sie zu den von der Beschwerdeführerin I (Einsprechende I) in ihrer Beschwerdebegründung angeführten Dokumenten Stellung, und formulierte lediglich den Antrag die von den Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechenden I und II) mit deren Beschwerdebegründungen neu eingereichten Dokumente nicht zu berücksichtigen. Zu den Argumenten der Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) wurde nicht Stellung genommen.

VI. Am 19. Januar 2018 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1704882. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende I) beantragte weiter, dass der Hilfsantrag datiert vom 13. September 2017 nicht in das Verfahren zuzulassen sei.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hilfsantrags datiert vom 13. September 2017. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte weiter, die Dokumente D11/1 bis D13/1 sowie die Dokumente D24/2 bis D30/2 nicht in das Verfahren zuzulassen.

VII. Folgende Dokumente werden in der Entscheidung erwähnt:

Annex 2 zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren - Protokoll der Vernehmung von Herrn Björn Ericson vor der Einspruchsabteilung am 11.01.2011.

Dl/2: Auszüge aus dem technischen Bericht no. 043-10063663, Rev. 3 von der TÜV Product Service GmbH vom 12.07.2001;

D2/2: Affidavit unterschrieben von Björn Ericson vom 19.05.2009;

D3/2: Rechnung no. 4400106511 gestellt von Gambro Lundia AB am 13.12.2002 an das Boras Lasarett, zusammen mit zwei Seiten des Installationsberichts und einer Aussage von Bengt Andersson vom 19.05.2009;

D24/2: Affidavit unterschrieben von Björn Ericson vom 15.07.2011;

D25/2: Affidavit unterschrieben von Hakan Ohlsson vom 15.07.2011;

D26/2: Testbericht über Tests, die auf dem Dialysegerät Gambro AK 200 ULTRA S Serial No. 11204 am 7.7.2011 im Boras Lasarett durchgeführt wurden;

D27/2: "Production Summary" bezüglich Dialysegerät Gambro AK 200 ULTRA S Serial No. 11204;

D28/2: Boras Lasarett-Kopie des Dokuments "Production Summary" bezüglich Dialysegerät Gambro AK 200 ULTRA S Serial No. 11204;

D29/2: "Alarm Functionality" Gambro AK 200 S / AK 200 ULTRA S;

D30/2: WO 03/017224 (27.02.2003).

VIII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (entspricht der aufrechterhaltenen Fassung) lautet wie folgt (und ist eine Kombination der Ansprüche 1 und 3 des Patents wie erteilt):

"Blutbehandlungsgerät mit einem Blutkreislauf (14) und einem Dialysatkreislauf (16), Sensoren zur Überwachung von Parametern und Aktoren zur Durchführung von Veränderungen in den Kreisläufen, einem Controller (40) zur Überwachung der von den Sensoren gelieferten Signale und zur Steuerung der Aktoren, einem von dem Controller (40) gesteuerten ersten Alarmsystem (45), einem den Controller (40) überwachenden Supervisor (41) und einem von dem Supervisor gesteuerten zweiten Alarmsystem (47), wobei der Controller (40) und der Supervisor (41) imstande sind, Alarmzustände zu detektieren, wobei bei Detektion eines Alarmzustandes von Controller (40) und/oder Supervisor (41) das erste Alarmsystem (45) aktiviert wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass eine Funktionsüberwachungsvorrichtung (46) vorgesehen ist, die im Falle des Versagens des ersten Alarmsystems (45) über den Supervisor (41) das zweite Alarmsystem (47) aktiviert, und dass im Controller (40) und im Supervisor (41) jeweils eine Alarmtabelle gebildet wird, die diejenigen Alarmzustände enthält, die mit den Sensoren des Controllers (40) bzw. Supervisors (41) detektiert wurden."

IX. Der Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag entspricht dem Oberbegriff des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und der kennzeichnende Teil lautet wie folgt:

"dadurch gekennzeichnet,

dass eine Funktionsüberwachungsvorrichtung (46) vorgesehen ist, die im Falle des Versagens des ersten Alarmsystems (45) über den Supervisor (41) das zweite Alarmsystem (47) aktiviert,

dass im Controller (40) und im Supervisor (41) jeweils eine Alarmtabelle gebildet wird, die diejenigen Alarmzustände enthält, die mit den Sensoren des Controllers (40) bzw. Supervisors (41) detektiert wurden, und

dass ein Abgleich der beiden Alarmtabellen durchgeführt wird, indem eine Alarmtabelle, die einen Alarmzustand nicht enthält, ergänzt wird, wobei dieser Alarmzustand in der Alarmtabelle hinzugefügt wird."

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Parteien werden mit den jeweiligen Entscheidungsgründen wiedergegeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden sind zulässig.

2. Die Erfindung

Die Erfindung betrifft ein Blutbehandlungsgerät mit einem Blutkreislauf und einem Dialysekreislauf, das mit zwei Überwachungseinheiten (Controller und Supervisor) mit jeweils einem Alarmsystem ausgestattet ist, die das Einhalten der eingegebenen Grenzwerte überwachen, und bei Nicht-Einhalten ein Alarmsignal auslösen können. Die Erfindung besteht darin, dass beim Detektieren eines Alarmzustandes das erste Alarmsystem aktiviert wird, und die Funktionsfähigkeit des ersten Systems vom Supervisor überwacht wird, wobei bei einem Versagen des ersten Systems, das zweite aktiviert wird.

3. Zulassung der Dokumente D24/2 bis D30/2.

Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) seien diese Dokumente nicht in das Verfahren zuzulassen, weil sie als verspätet eingereicht anzusehen seien. Der Anspruch sei schon im Einspruchsverfahren diskutiert worden, und es seien keine neuen Aspekte hinzugekommen. Außerdem sei das dem Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal aus Anspruch 3 des Patents in der erteilten Fassung übernommen worden, so dass es schon im Einspruchsverfahren hätte diskutiert werden können, insbesondere als der Zeuge vernommen worden sei.

Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Im Einspruchsverfahren, bat die Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) die Einspruchsabteilung um ein weiteres Vernehmen des Zeugen bezüglich des dann relevanten Merkmals, nachdem die nun angefochtene Version des Anspruchs 1 relevant wurde, was ihr jedoch verweigert wurde. Die oben erwähnten mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokumente sollen das Vorhandensein des kritischen Merkmals im durch Vorbenutzung vorbekannten Dialysegerät beleuchten bzw. beweisen, oder dieses Merkmal nahelegen. Außerdem wurden diese Dokumente mit der Beschwerdebegründung eingereicht, also so früh wie nur möglich.

Im Übrigen wurden diese Dokumente in der Beschwerdebegründung ausführlich analysiert, so dass die Erfordernisse des Artikels 12(2) VOBK erfüllt sind.

Die Kammer sieht daher keinen Grund, diese Dokumente nach Artikel 12(4) VOBK aus dem Verfahren auszuschließen.

4. Hauptantrag - Neuheit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung des Dialysegeräts AK 200 ULTRA S von Gambro Lundia AB.

4.1 Im Einspruchsverfahren machte die Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) eine offenkundige Vorbenutzung des Gegenstands des Anspruchs 1 wie erteilt geltend. Es handelt sich um ein Dialysegerät AK 200 ULTRA S (mit Seriennummer 11204) von Gambro Lundia AB, die an das Krankenhaus Boras Lasarett ausgeliefert (Rechnung vom 13. Dezember 2002) und dort benutzt wurde. Auf der Basis der Dokumente D1/2, D2/2, und D3/2 und der Vernehmung von Herrn Björn Ericson befand die Einspruchsabteilung die Vorbenutzung als gegeben. Dementsprechend war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegenstand.

4.2 Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat in ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründungen diesen Sachverhalt nicht in Frage gestellt. Somit ist nicht streitig, dass aufgrund des Verkaufs eines Dialysegeräts AK 200 ULTRA S an Boras Lasarett der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents im Stand der Technik vorweggenommen war (siehe angefochtene Entscheidung Punkte 17 bis 21).

4.3 In Anspruch 1 gemäß Hauptantrag wurden die Merkmale aus Anspruch 3 wie erteilt, nämlich "dass im Controller (40) und im Supervisor (41) jeweils eine Alarmtabelle gebildet wird, die diejenigen Alarmzustände enthält, die mit den Sensoren des Controllers (40) bzw. Supervisors (41) detektiert wurden", hinzugefügt.

Streitig und von der Kammer zu entscheiden war, ob dieses Merkmal in dem vorbenutzten Gegenstand ebenfalls vorhanden war.

4.4 Nach Auffassung der Kammer ist das oben erwähnte Merkmal dahingehend zu interpretieren, dass auch kurzeitig gespeicherte Tabellen unter den Wortlaut fallen. Dies ist im Einklang mit der Lehre des Streitpatents. Dort wird nämlich am Ende des Absatzes [0037] folgendes erwähnt:

"Nach Betätigung der Alarmquittierungstaste 33 wird der Alarm ausgesetzt, d.h. der Lautsprecher ausgeschaltet. Dann wird geprüft, ob die Alarmtabelle leer ist. Wenn kein weiterer Alarm ansteht, wird die rote Signalleuchte gelöscht und die grüne Signalleuchte eingeschaltet und das Gerät kehrt zu den Zuständen 1 und 2 in Figur 5a zurück."

Dies bedeutet nichts anderes, als dass beim im Streitpatent beschriebenen Ausführungsbeispiel nur eine kurzeitige Speicherung stattfindet, nämlich nur solange bis alle Fehlzustände (oder Alarmzustände), die zu den gleichzeitig anstehenden Alarmen geführt haben, beseitigt worden sind. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) nicht bestritten.

4.5 Es stellt sich nun die Frage, ob in dem Dialysegerät AK 200 ULTRA S, das vorbenutzt wurde, gleichermaßen eine Speicherung der Alarmzustände stattfand, bzw. ob im Controller und im Supervisor jeweils eine Alarmtabelle gebildet wurde.

In Dokument D2/2, letzter Absatz der zweiten Seite, wird erwähnt, dass wenn das Control System oder das Protective System gleichzeitig mehr als einen Fehlzustand mit unterschiedlicher Wichtigkeit detektiert, der Alarmzustand mit der höchsten Priorität mit einem kontinuierlichen Summton angezeigt wird: ("In case Control or Protective System detects more than one alarm with different levels at the same time, the highest priority is signalled by continuous buzzer sound.")

Wenn der aktive Alarmzustand mit der höchsten Priorität zuerst angezeigt werden soll, müssen die aktiven Alarmzustände auf irgendeine Weise gespeichert worden sein, damit es überhaupt möglich ist, denjenigen mit der höchsten Priorität zu erkennen. Diese Aussage in D2/2 bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass zwei Speichereinheiten, eine im Controller und eine im Supervisor, vorhanden sein müssen, da die aktiven Alarmzustände (entsprechend gekennzeichnet) auch in einer einzigen Speichereinheit gespeichert werden könnten.

Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) war der Auffassung, dass die auf Seite 21/22 des Protokolls der Zeugenvernehmung festgehaltene Aussage, wonach, wenn eine neue Funktion in das Dialysegerät eingebaut werde, die auch einen Alarmzustand hervorbringen könne, dieser Alarmzustand dann auch in den Tabellen aufgenommen werde, genüge, um das Vorhandensein von Alarmtabellen nach Anspruch 1 zu bestätigen.

Nach Auffassung der Kammer handelt es sich hierbei um eine Anpassung des Dialysegeräts, insbesondere Software-Anpassung, an die neue Funktion, bzw. an die neuen möglichen Fehlerquellen, die mit dieser verbunden sind, nicht jedoch um die Auflistung oder Speicherung eines soeben detektierten Fehlzustands bzw. Alarmzustands. In der Tat muss das Dialysegerät in der Lage sein, einen derartigen neuen Alarmzustand zu erkennen, das Gerät muss wissen welche Priorität derselbe haben soll und welche Maßnahme eventuell zu ergreifen ist. Dieses stellt jedoch eine andere Frage dar als die zu wissen, ob ein neuer Alarmzustand aktiv ist, also momentan vorliegt, und ob die entsprechende Information gespeichert wird.

4.6 Das Vorhandensein von zwei Tabellen wird nach Auffassung der Kammer von Dokument D26/2 bestätigt. Dieses Dokument ist ein Testbericht über Tests, die auf dem vorbenutzten Dialysegerät AK 200 ULTRA S durchgeführt wurden. Dasselbe Dialysegerät, das mit Rechnung vom 13. Dezember 2002 an das Krankenhaus geliefert wurde, wurde am 7. Juli 2011 getestet, um den Beweis zu erbringen, dass der Controller und der Supervisor die von ihnen jeweils detektierten Alarmzustände in einem eigenen Speicher aufnehmen. Um diese Tests durchzuführen, wurde die Softwareversion 4.10, die bei der Auslieferung des Dialysegeräts 2002 geladen war (siehe D27/2 vom 28 November 2002 und D28/2, jeweils linkes Feld unter "product information", sowie D26/2, Punkte 3.1 bis 3.4, Seiten 5 bis 7, sowie Punkt 3.5, Test A.1, Seite 11), wieder installiert. Die Tests wurden von einem Service-Ingenieur der Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) durchgeführt, wobei ein Projektingenieur einer Drittfirma die Durchführung begleitet und die Ergebnisse beobachtet hat.

Während dieser Tests wurden verschiedene Alarmzustände und Kombinationen von Alarmzuständen, die vom Controller oder vom Supervisor oder von beiden überwacht werden, künstlich aktiviert. Drei Alarmzustände befinden sich in der Alarmtabelle B des Supervisors und acht Alarmzustände in der Alarmtabelle A des Controllers (siehe die Tabellen unter Punkt 3., Seite 4, des Berichts). Nach dem künstlichen Herbeiführen der Fehlerzustände wurde kontrolliert, welche Alarmzustände in den jeweiligen Tabellen als aktiv gekennzeichnet waren (siehe Punkt 3., Seite 3, dritter Absatz). Zum Beispiel wurde im Test B.10 als Folge der Detektion von Luft festgestellt, dass die entsprechenden Positionen in den Alarmtabellen A und B aktiv waren, während im Test B.13 die entsprechenden Positionen in den Tabellen als inaktiv zu erkennen waren, als keine Luft mehr detektiert wurde (D26/2, Punkt 3.4, Test B.10 und B.13, Seite 7, sowie Punkt 3.5, Test B.10 und B.13, Seiten 12 und 13). Entsprechende Tests wurden mit anderen Fehlerzuständen (Leitfähigkeit zu niedrig, Blutdruck zu hoch oder zu niedrig, etc.) gemacht und die aktiven Positionen in den Tabellen kontrolliert. Das gleiche Ergebnis war zu beobachten, nämlich dass der Alarmzustand, der dem Fehlerzustand entsprach, in der oder den Tabellen A und B als aktiv erkennbar war, solange der Fehlerzustand vorlag. Dabei konnten auch mehrere Alarmzustände in derselben Tabelle als aktiv erkennbar sein, wenn mehrere Fehlerzustände gleichzeitig vorlagen (siehe z.B. D26/2, Punkt 3.4, Test B.36, Seite 9, sowie Punkt 3.5, Test B.36, Seite 19).

Diese Testreihe zeigt, dass im vorbenutzten Dialysegerät zwei Alarmtabellen A und B vorhanden waren, eine im Controller und eine im Supervisor, die diejenigen Alarmzustände enthielten, die mit den Sensoren des Controllers bzw. Supervisors detektiert wurden. Somit offenbart D26/2, dass auch das Merkmal, das im Einspruchsverfahren dem Anspruch 1 wie erteilt hinzugefügt wurde, durch Vorbenutzung des vorbekannten Dialysegeräts offenbart wurde.

4.7 Nach Meinung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) läge kein Beweis dafür vor, dass auf dem im Nachhinein getesteten Dialysegerät nur die ursprüngliche Software installiert war. Es wäre zumindest theoretisch möglich, dass die Testergebnisse nicht von der ursprünglichen Software stammten, sondern von einer anderen installierten Software. Es sei auch nicht eindeutig, dass das Dialysegerät, das während der Tests benutzt wurde, dem vorbenutzten Gerät entsprach. Die Tests könnten daher keine Merkmale des vorbenutzten Geräts beweisen.

Die Kammer sieht in der gegebenen Sachlage keinen Anhaltspunkt, der Anlass zu begründetem Zweifel geben würde.

Der Lieferschein (D27/2) des vorbenutzten Dialysegeräts erwähnt die Softwareversion 4.10 und die Seriennummer 11204, so dass davon auszugehen ist, dass bei der Lieferung diese Softwareversion tatsächlich auf dem Dialysegerät mit der erwähnten Seriennummer installiert war. Die Testreihe, die im Testbericht (D26/2) vorgestellt wird und die von einem qualifizierten Dritten (Herrn A.Graufelds) begleitet und überwacht wurde, beginnt mit der Überprüfung (Test A.1), welche Softwareversion in dem Dialysegerät mit Seriennummer 11204 installiert ist. Der testende Ingenieur H. Ohlson und der Zeuge B. Ericson bestätigen in ihren Affidavits (D24/2 und D25/2) ebenfalls, dass während der Tests, die am 7. Juli 2011 durchgeführt wurden, die Softwareversion 4.10 auf der Dialysegerät mit Seriennummer 11204 installiert war.

Außer der theoretischen Möglichkeit, dass etwaige andere Änderungen am Gerät vorgenommen worden sein könnten, hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) keine konkreten Angaben bezüglich Änderungen, die einen Einfluss auf die zu untersuchenden Merkmalen hätten haben können, gemacht. In Abwesenheit solcher konkreten Angaben sieht die Kammer keine Veranlassung daran zu zweifeln, dass das Gerät mit der ursprünglichen Seriennummer sowie der ursprünglichen Software, abgesehen von gängigen Instandhaltungsmaßnahmen, dem Zustand bei der Auslieferung entsprach.

Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die vorgebrachten Fakten glaubhaft machen, dass keine andere als die erwähnte Softwareversion zum Zeitpunkt der Testreihe auf dem Dialysegerät mit Seriennummer 11204 installiert war, und dass das für die Tests benutzte Dialysegerät dem vorbenutzten Gerät entsprach. Diese Tests bestätigen folglich, dass das vorbenutzte Dialysegerät die strittigen Merkmale aufwies.

4.8 Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) meinte des Weiteren, dass die Angaben Annex I, Annex II, Annex III, Annex IV, die in den Affidavits erwähnt sind, auf keinem der Dokumente D26/2, D27/2, D28/2 und D29/2 erscheinen. Folglich gebe es keine eindeutige Verbindung zwischen den Aussagen in den Affidavits und diesen Dokumenten.

Zwar stimmt es, dass die erwähnte Nummerierung nicht auf den besagten Dokumenten erscheint. Nach Auffassung der Kammer reichen jedoch andere Daten, um eine eindeutige Verbindung zwischen den Affidavits und den Dokumenten herzustellen. Zum Beispiel, bezüglich der Verbindung zu Dokument D26/2 ist in den Affidavits erwähnt, dass am 7. Juli 2011 das Dialysegerät Gambro AK 200 ULTRA S mit Seriennummer 11204 und Softwareversion 4.10 getestet wurde, und dass eine Kopie vom "Test Report" als Annex I zu finden ist. Genau dieselben Daten finden sich auch in D26/2: der Name des Dialysegeräts, die Seriennummer, die Softwareversion, das Datum und der Titel des Dokumentes. Die Kammer sieht daher keinen Anlass zu zweifeln, dass D26/2 Annex I entspricht. Dasselbe gilt für die anderen Dokumente, die sich gleichermaßen zweifelsfrei wie folgt zuordnen lassen: Annex II ist D27/2, Annex III ist D28/2 und Annex IV ist D29/2.

4.9 Aus den oben erörterten Gründen ist daher der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung des Dialysegeräts Gambro AK 200 ULTRA S. Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind somit nicht erfüllt.

5. Hilfsantrag - Zulässigkeit

Dieser Antrag wurde am 13. September 2017 eingereicht. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist gegenüber von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch folgendes Merkmal ergänzt worden:

"dass ein Abgleich der beiden Alarmtabellen durchgeführt wird, indem eine Alarmtabelle, die einen Alarmzustand nicht enthält, ergänzt wird, wobei dieser Alarmzustand in der Alarmtabelle hinzugefügt wird."

Dieses Merkmal stammt nicht aus den erteilten abhängigen Ansprüchen, sondern aus der Beschreibung.

Dieser Hilfsantrag soll nach Auffassung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) in das Verfahren zugelassen werden, weil er schon im schriftlichen Verfahren eingereicht worden sei, weil er eine Reaktion auf die vorläufige Stellungnahme der Kammer und auf die von der Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) eingereichten neuen Dokumente bezüglich der Vorbenutzung sei, weil er keine überraschende Aspekte enthält sondern eine Fortführung des Hauptantrags darstelle, und weil er frühestmöglich eingereicht worden sei.

Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) hat zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung eine Anzahl neuer Dokumente eingereicht, die beweisen sollten, dass das von der Einspruchsabteilung als neu und erfinderisch betrachtete Merkmal schon aus der offenkundigen Vorbenutzung bekannt war.

In ihrer Erwiderung vom 22. November 2011 formulierte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) lediglich den Antrag, die von der Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) neu mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokumente nicht zu berücksichtigen. Zu den Argumenten der Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) nahm sie nicht Stellung. Obwohl die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechende I und II) schon in ihren Beschwerdebegründungen den Widerruf des Patents beantragt hatten, reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) diesen neuen Hilfsantrag erst nach dem Erhalt der vorläufigen Stellungnahme der Kammer ein. Doch hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) auch in diesem Schreiben weder argumentiert, warum die von der Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokumente nicht relevant seien, noch warum das ergänzende Merkmal aus dem Hilfsantrag neu und erfinderisch sei. Erst in der mündlichen Verhandlung wollte sie diese neuen Aspekte erörtern können. Eine solche Vorgehensweise entspricht weder dem Artikel 12(2) VOBK, wonach die Erwiderung den vollständigen Sachverhalt eines Beteiligten enthalten muss, und darin deutlich und knapp angegeben werden muss, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen muss, noch rechtfertigt sie sich im Hinblick auf Artikel 13(3) VOBK, wonach nach dem Anberaumen der mündlichen Verhandlung, Änderungen des Vorbringens nur dann zugelassen werden können, wenn sie keine Frage aufwerfen, deren Behandlung der Kammer und den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zuzumuten ist. Artikel 13(3) VOBK wäre im Fall der Zulassung des Hilfsantrags im vorliegenden Fall schon deswegen verletzt, weil das hinzugefügte Merkmal aus der Beschreibung kommt, so dass weder die Parteien noch die Kammer erwarten konnten, dass der Gegenstand des angefochtenen Patents genau durch dieses Merkmal abgegrenzt werden könnte, und weil die Hauptentgegenhaltung eine Vorbenutzung ist, bei welcher eventuell neue Testreihen notwendig wären, um ein mögliches Vorhandensein des nun streitigen Merkmals zu beweisen, was jede Gegenargumentation erschwert.

Aus diesen Gründen wird der Hilfsantrag nicht in das Verfahren zugelassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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