European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2017:T098811.20170308 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 08 März 2017 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0988/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01810394.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65H 31/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Einrichtung zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung zugeführten Druckerzeugnissen | ||||||||
Name des Anmelders: | Grapha-Holding AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Ferag AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein) Änderungen - Erweiterung des Schutzbereichs Änderungen - Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 (ja) Spät am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerde- kammer eingereichter Hilfsantrag 2 - zugelassen (nein) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent Nr. 1 253 098 in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 1 den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens genüge.
II. Der Einspruch stützte sich auf die in Artikel 100 a) EPÜ 1973 genannten Einspruchsgründe der fehlenden Neuheit, Artikel 54 EPÜ 1973 und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ 1973.
III. Am 8. März 2017 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
V. Die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage der mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 als Anlagen 1 oder 3 bis 13 eingereichten Hilfsanträge oder dem während der mündlichen Verhandlung als Anlage 2 eingereichten Hilfsantrag, die Hilfsanträge jeweils mit der angepassten Beschreibung gemäß Anlage 14 aufrechtzuerhalten.
[Anmerkung der Kammer: Die als Anlagen 1 bis 13 eingereichten Hilfsanträge, jeweils mit der angepassten Beschreibung gemäß Anlage 14, werden nachfolgend als Hilfsanträge 1 bis 13 bezeichnet.]
VI. Der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) lautet wie folgt:
"Einrichtung (1) zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2), die an einer Auslage einer Druckmaschine oder einer Druckverarbeitungsmaschine von einer Fördervorrichtung (3) zum hängenden Weitertransport erfasst und über einen Förderpfad einer der Stapelvorrichtung (9) vorgeschalteten Ueberführungsvorrichtung (5) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Stapelvorrichtung (9) als von der Ueberführungsvorrichtung (5) lösbare Einheit ausgebildet ist und wahlweise an die mit der Druckmaschine oder der Druckverarbeitungsmaschine förderwirksam verbundene Ueberführungsvorrichtung (5) anschliessbar ist."
VII. In Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 wurde das Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags
"Einrichtung (1) zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2)"
durch folgenden Text ersetzt:
"Einrichtung (1) zur Verarbeitung von Druckerzeugnissen (2), die einer Stapelvorrichtung (9) zur Bildung von Stapeln zugeführt werden".
VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt (der gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingefügte bzw. geänderte Text wurde durch die Kammer unterstrichen):
"Einrichtung (1) zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2), die an einer Auslage einer Druckmaschine oder einer Druckverarbeitungsmaschine von einer Fördervorrichtung (3) zum hängenden Weitertransport erfasst und über einen Förderpfad einer der Stapelvorrichtung (9) der Einrichtung (1) vorgeschalteten Überführungsvorrichtung (5) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet, daß die Stapelvorrichtung (9) als von der Überführungsvorrichtung (5) lösbare Einheit ausgebildet ist und wahlweise an die mit der Druckmaschine förderwirksam verbundene Überführungsvorrichtung, der die Druckerzeugnisse als Schuppenstrom zugeführt werden, oder mit der Druckverarbeitungsmaschine förderwirksam verbundene Überführungsvorrichtung, der die Druckerzeugnisse in vereinzelter Anordnungsweise zugeführt werden, anschließbar ist."
IX. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende) hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Hauptantrag
Das erste Merkmal
"Einrichtung (1) zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2)"
des erteilten Anspruchs 1 betreffe eine Einrichtung 1 zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung 9 zugeführten Druckerzeugnissen 2. Nach dem Wortlaut dieses Merkmals verarbeite die erfindungsgemäße Einrichtung Druckerzeugnisse, die einer Stapelvorrichtung bereits zugeführt seien. Dieser ansonsten nicht weiter einschränkenden Zweckangabe könne nur entnommen werden, dass die Einrichtung der Stapelvorrichtung nachgeschaltet sei, da sie sonst nicht dazu dienen könne "einer Stapelvorrichtung (9) zugeführte Druckerzeugnisse" zu verarbeiten.
Das folgende zweite Merkmal des erteilten Anspruchs 1 beschreibe, was mit den Druckerzeugnissen geschehe bevor sie einer Stapelvorrichtung zugeführt werden, um anschließend durch die Einrichtung verarbeitet zu werden. Dieses Merkmal schränke somit die beanspruchte Einrichtung nicht weiter ein. Somit betreffe der Oberbegriff des Anspruchs 1 eine Einrichtung ohne weitere konstruktive Merkmale, welche die Verarbeitung von Druckerzeugnissen bezwecke, die einer Stapelvorrichtung zugeführt seien. Auch der kennzeichnende Teil des erteilten Anspruchs 1 trage nicht dazu bei, zu verdeutlichen was der beanspruchte Gegenstand tatsächlich sein solle. Der Anspruch sei somit hinsichtlich der Merkmale der Einrichtung unbestimmt.
Eine nicht weiter gekennzeichnete Einrichtung zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung zugeführten Druckerzeugnissen sei für den Fachmann nicht erfinderisch. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge 1 und 3 bis 13
Die verspätet vorgelegten Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 seien nicht in das Verfahren zuzulassen, weil die oben genannten Beanstandungen des Wortlauts des erteilten Anspruchs 1 bereits in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden (im Punkt III.A) vorgetragen worden seien. Somit gäbe es keine überzeugenden Gründe für die späte Vorlage dieser Hilfsanträge und die Anspruchsfassungen seien keine unmittelbare Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer. Zudem erweiterten Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 den durch die Beschwerdebegründung festgelegten Diskussionsrahmen und seien nicht prima facie eindeutig gewährbar. Es sei nicht begründet worden, warum diese neuen Hilfsanträge die geltend gemachten Einwände beheben sollten.
Diese Hilfsanträge seien wegen Änderungen, welche unter anderem den Schutzbereich erweiterten, als nicht gewährbar zurückzuweisen. Der erteilte Anspruch 1 beanspruche eine Einrichtung zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung zugeführten Druckerzeugnissen. Diese Einrichtung sei der Stapelvorrichtung nachgeschaltet. Gemäß dem geänderten ersten Merkmal des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß der Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 würden andere Einrichtungen beansprucht, nämlich solche, die der Stapelvorrichtung vorgeschaltet seien. Dies stelle eine Erweiterung des Schutzbereichs dar, welcher gegen die Anforderungen des Artikel 123(3) EPÜ verstoße.
Hilfsantrag 2
Der sehr verspätet vorgelegte Hilfsantrag 2 sei nicht in das Verfahren zuzulassen, weil:
- die vorgenommenen Änderungen eine erheblich Änderung des Gegenstandes darstellen, für den Schutz begehrt werde, so dass sich eine völlig neue Situation für die Einsprechende ergebe; und
- ein solcher Hilfsantrag bereits viel früher im Verfahren hätte gestellt werden können, so dass es gegen Ende der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zu spät sei.
X. Die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Hauptantrag
Die Auslegung des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag) sei wie folgt: die gemäß dem ersten Merkmal einer Stapelvorrichtung zugeführten Druckerzeugnisse würden gemäß dem folgenden zweiten Merkmal an einer Auslage einer Druckmaschine oder einer Druckverarbeitungsmaschine von einer Fördervorrichtung zum hängenden Weitertransport erfasst und über einen Förderpfad einer der Stapelvorrichtung vorgeschalteten Überführungsvorrichtung zugeführt. Da diese Erfassung und Zuführung gemäß dem zweiten Merkmal die Druckerzeugnisse auf ihrem Weg zwischen der Auslage der Druckmaschine und der der Stapelvorrichtung vorgeschalteten Überführungsvorrichtung betreffe, sei es wegen des Sinnzusammenhangs des ersten und zweiten Merkmals ausgeschlossen, die in dem ersten Merkmal genannten "zugeführten Druckerzeugnisse" so zu verstehen, dass sie der Stapelvorrichtung bereits zugeführt seien.
Damit stehe es auch in Einklang, dass in der A1-Schrift Spalte 3, Zeile 50 bis 57 der den Direktdruck betreffende Teil der erfindungsgemäßen Einrichtung als Einrichtung zur Verarbeitung von einer Auslage einer Druckmaschine entnommenen Druckerzeugnissen und der den Einsteckdruck betreffende Teil der erfindungsgemäßen Einrichtung als eine Ausführung zur Verarbeitung von einer Druckverarbeitungsmaschine (Einsteckmaschine) abgenommener Druckerzeugnisse bezeichnet sei.
Aus diesen Offenbarungsstellen folge somit, dass unter den "zugeführten Druckerzeugnissen" des ersten Merkmals des erteilten Anspruchs 1 die zuzuführenden zu verstehen seien und die in diesem Merkmal genannte "Verarbeitung" die Behandlung der zuzuführenden Druckerzeugnisse auf ihrem Weg zur Stapelvorrichtung bezeichne.
Die Stapelvorrichtung sei hierbei Teil des Anspruchsgegenstandes, welcher wahlweise an die mit der Druckmaschine oder der Druckverarbeitungsmaschine förderwirksam verbundene Überführungsvorrichtung anschließbar sei. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge 1 und 3 bis 13
Die Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 seien eine Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer und seien bestrebt, die darin enthaltenen Einwände zu beheben. Die vorgenommenen Änderungen seien überschaubar und ergänzten den Gegenstand der Ansprüche nur durch Merkmale der erteilten abhängigen Ansprüche. Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 seien somit ins Verfahren zuzulassen.
Der jeweilige Anspruch 1 gemäß der Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 sei gegenüber der erteilten Fassung dadurch geändert, dass im ersten Merkmal des erteilten Anspruchs 1 der Wortlaut
"einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2)"
im Einklang mit dem Abschnitt [0002] der A1-Schrift wie folgt geändert sei
"Druckerzeugnissen (2), die einer Stapelvorrichtung (9) zur Bildung von Stapeln zugeführt werden".
Diese Änderung ergebe sich aus der bereits vorgetragenen Auslegung des erteilten Anspruchs 1 und stelle keine Erweiterung des Schutzbereichs dar. Im erteilten Anspruch 1 seien diese Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 1 - insbesondere im zweiten Anspruchsmerkmal - lediglich funktional definiert gewesen.
Hilfsantrag 2
Anspruch 1 gemäß dem neuen Hilfsantrag 2 stelle klar, dass die Stapelvorrichtung zwingend Teil des beanspruchten Gegenstands sei. Der neue Hilfsantrag 2 sei ins Verfahren zuzulassen, weil er die Probleme bezüglich der Auslegung des Anspruchsgegenstandes ausräume.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag
1.1 Gegenstand des erteilten Anspruchs 1
1.1.1 Bei dem beanspruchten Gegenstand handelt es sich um eine "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen (2)" und insbesondere um eine "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2)" [erstes Merkmal].
Da die Druckerzeugnisse der Stapelvorrichtung bereits zugeführt sind (der Wortlaut des Anspruchs ist "zugeführt" und nicht "zuzuführenden"), ist die beanspruchte "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen (2)" der Stapelvorrichtung in Förderrichtung der Druckerzeugnisse nachgelagert, d.h. stromabwärts.
Das erste Merkmal lässt hierbei offen, ob die Stapelvorrichtung zum Anspruchsgegenstand zählt oder nicht. Die Einrichtung muss lediglich geeignet sein, von einer Stapelvorrichtung zugeführte Druckerzeugnisse (2) zu verarbeiten.
1.1.2 Das zweite Merkmal des erteilten Anspruchs 1 ("die an einer Auslage einer Druckmaschine oder einer Druckverarbeitungsmaschine von einer Fördervorrichtung (3) zum hängenden Weitertransport erfasst und über einen Förderpfad einer der Stapelvorrichtung (9) vorgeschalteten Ueberführungsvorrichtung (5) zugeführt werden") beschreibt, wie die Druckerzeugnisse von der Auslage einer Druckmaschine oder einer Druckverarbeitungsmaschine bis zur Stapelvorrichtung gelangen. Weil diese Förderung der Druckerzeugnisse stromaufwärts der Stapelvorrichtung stattfindet, kann das zweite Merkmal nichts zur Kennzeichnung der sich stromabwärts befindlichen beanspruchten "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen (2)" beitragen.
1.1.3 Das dritte Merkmal des erteilten Anspruchs 1 ("dass die Stapelvorrichtung (9) als von der Ueberführungsvorrichtung (5) lösbare Einheit ausgebildet ist") beschreibt eine Eigenschaft der Stapelvorrichtung, wobei, wie bereits weiter oben erörtert, die Stapelvorrichtung nicht zwingend zum Anspruchsgegenstand gehört. Somit kann das dritte Merkmal nichts zur Kennzeichnung der beanspruchten "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen (2)" beitragen.
1.1.4 Das vierte und letzte Merkmal des erteilten Anspruchs 1 beschreibt weiter, dass die Stapelvorrichtung zu bestimmten Verwendungen stromaufwärts geeignet zu sein hat ("wahlweise an die mit der Druckmaschine oder der Druckverarbeitungsmaschine förderwirksam verbundene Ueberführungsvorrichtung (5) anschliessbar"). Somit kann auch das vierte Merkmal nichts zur Kennzeichnung der beanspruchten "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen (2)" beitragen.
1.1.5 Dem Argument der Beschwerdeführerin II, dass es sich bei den zweiten bis vierten Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 um funktional definierte Merkmale der beanspruchten Einrichtung handeln soll, kann nicht gefolgt werden, weil Anspruch 1 völlig offen lässt, ob irgendeine der im Anspruch erwähnten Vorrichtungen "Auslage der Druckmaschine", "Auslage der Druckverarbeitungsmaschine", "Fördervorrichtung (3)", "Stapelvorrichtung (9)" oder "Überführungsvorrichtung (5)" auch zum Anspruchsgegenstand gehört oder nicht.
1.1.6 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß seinem Wortlaut auf eine "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen (2)" beschränkt, die dazu geeignet sein muss, dass ihr Druckerzeugnisse von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführt werden.
1.1.7 Beschreibung - Anmeldung (A1-Schrift)
Absatz [0001] der Anmeldung entspricht den ersten beiden Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 und stützt diesen somit.
Absatz [0006] der Anmeldung definiert die Aufgabe der Erfindung, "für den Einsteckdruck eine Ueberführungsvorrichtung zu schaffen, mit der durch eine regelmässige Anordnung der Druckerzeugnisse eine zuverlässige Verarbeitung resp. ein lagegenaues Absetzen der Druckerzeugnisse gewährleistet wird, und die mit einer einheitlichen Stapelvorrichtung förderwirksam verbindbar ist". Im Gegensatz zum Anspruchsgegenstand und zum Absatz [0001] soll die "Ueberführungsvorrichtung" die Erfindung ausmachen, wobei weiterhin offen bleibt, ob die damit verbindbare "Stapelvorrichtung" zur Erfindung gehört oder nicht.
Absatz [0007] offenbart die Lösung dieser Aufgabe darin, dass "die Stapelvorrichtung als von der Ueberführungsvorrichtung lösbare Einheit ausgebildet ist und wahlweise an eine mit der Druckmaschine oder der Druckweiterverarbeitungsmaschine förderwirksam verbundene Ueberführungsvorrichtung anschliessbar ist". Im Gegensatz sowohl zum Anspruchsgegenstand als auch zum Absatz [0006], besteht die Lösung aus einer "Stapelvorrichtung" mit gewissen Eigenschaften.
Figur 1 und Absätze [0023] und [0024] offenbaren eine erste Einrichtung zur Verarbeitung von einer Auslage einer Druckmaschine entnommenen Druckerzeugnissen. Die Druckerzeugnisse werden hierbei auf einer Förderbandanordnung 7 als Schuppenstrom gefördert.
Figuren 2 bis 5 und Absätze [0025] und [0026] offenbaren eine weitere Einrichtung, bei der die einer Druckverarbeitungsmaschine entnommenen Druckerzeugnisse einer Fördertrommel 17 zugeführt werden.
1.1.8 Gemäß der Beschreibung der Anmeldung soll die Erfindung somit aus dem Folgenden bestehen:
- der im Anspruch 1 beanspruchten "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2)" (Absatz [0001]); oder
- einer Überführungsvorrichtung für den Einsteckdruck (Absatz [0006]); oder
- einer Stapelvorrichtung, die als lösbare Einheit ausgebildet ist (Absatz [0007]); oder
- der ersten Einrichtung (Figur 1 und Absätze [0023] und [0024]); oder
- der zweiten Einrichtung (Figuren 2 bis 5 und Absätze [0025] und [0026]).
Somit ist die Erfindung in der Anmeldung nicht konsistent offenbart.
1.1.9 Beschreibung - Streitpatent (B1-Schrift)
Absatz [0001] ist gegenüber der Anmeldung unverändert.
Eine Würdigung des amerikanischen Patents US 4,457,656 A wurde als Absatz [0006] in der Patentschrift aufgenommen, so dass sich alle nachfolgenden Absatznummern um 1 gegenüber dem entsprechenden Absatz der Anmeldung verschieben.
Die Aufgabe der Erfindung wurde dahingehend verändert, "eine einer Druckmaschine direkt nachgeschaltete Einrichtung mit einer Ueberführungsvorrichtung für den Einsteckdruck zu schaffen ..." (Absatz [0007]), so dass einerseits die Erfindung nicht nur aus der "Ueberführungsvorrichtung" besteht (vgl. Absatz [0006] der Anmeldung) und andererseits die Einrichtung einer Druckmaschine direkt nachgeschaltet ist.
Die restliche Absätze der Patentschrift sind gegenüber der Anmeldung nicht verändert worden (siehe Punkt 1.1.7).
1.1.10 Somit ist die Erfindung im Streitpatent ebenfalls nicht konsistent offenbart (siehe Punkt 1.1.8).
1.1.11 Seitens der Beschwerdeführerin II wurde vorgetragen, dass die beanspruchte Einrichtung die Verarbeitung der Druckprodukte ab der Auslage bis zur Stapelvorrichtung betreffe. Diese Auffassung steht im Widerspruch zum Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 (siehe Punkt 1.1.5).
Die Beschwerdeführerin II sieht ihr Verständnis des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 durch den Absatz [0024] der Beschreibung gestützt. Absatz [0024] des Streitpatents ist ein Teil der Beschreibung einer der Einrichtungen (Figur 1 und Absätze [0024] und [0025]) wobei die im Anspruch 1 beanspruchte "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2)" fehlt, weil die in Figur 1 offenbarte Einrichtung mit der Stapelvorrichtung 9 endet.
Nach Artikel 84 EPÜ 1973, erster Satz sind es die Patentansprüche, die den Gegenstand angeben müssen, für den Schutz begehrt wird. Das Heranziehen der Beschreibung, wie von den Beschwerdeführerin II vorgetragen, kann somit im vorliegenden Fall zu keinem anderen Verständnis des Gegenstandes des Anspruchs 1 führen. Da im vorliegenden Fall zudem die Erfindung in der Anmeldung und im Streitpatent nicht konsistent offenbart ist, ist auch nicht klar, welcher Teil der Beschreibung - abgesehen von Absatz [0001] - hierzu bevorzugt heranzuziehen wäre. Die Beschreibung des Streitpatents kann daher nicht zu einer anderen Auslegung des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 führen.
1.1.12 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit auf eine "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen (2)" beschränkt, die dazu geeignet sein muss, dass ihr Druckerzeugnisse von einer Stapelvorrichtung 9 zugeführt werden.
1.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973)
Es ist dem Fachmann aus seinem allgemeinen Fachwissen bekannt, dass Stapelvorrichtungen nicht endgültige Lagerstätten für Druckerzeugnisse sind, so dass Stapelvorrichtungen dazu geeignet sind, darin gestapelte Druckerzeugnisse wieder freizugeben.
Da die beanspruchte "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen (2)" durch keine weiteren Merkmale gekennzeichnet ist, ist es für den Fachmann offensichtlich, bei Bedarf in einer Stapelvorrichtung gestapelte Druckerzeugnisse mittels einer Einrichtung entsprechend weiter zu verarbeiten.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).
2. Hilfsanträge 1 und 3 bis 13
2.1 Zulässigkeit
2.1.1 Gemäß der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (VOBK, Zusatzpublikation 1 - Amtsblatt EPA 1/2017, 41-51) müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten, Artikel 12(2) VOBK. Ferner steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen, Artikel 13(1) VOBK. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.
2.1.2 Die dem Wortlaut entsprechende Auslegung des erteilten Anspruchs 1 wurde bereits in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I (im Punkt III.A) vorgetragen, aber die Beschwerdeführerin II wurde erst mit der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer auf die unmittelbar daraus folgende Konsequenz bezüglich der mangelnden erfinderischen Tätigkeit explizit hingewiesen.
2.1.3 Die Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 können daher entgegen des Vortrags der Beschwerdeführerin I als unmittelbare Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer gewertet werden, so dass sich daraus die späte Vorlage dieser Hilfsanträge erklärt. Zudem hat die Beschwerdeführerin II dabei Argumente für ihre von der vorläufigen Meinung der Kammer abweichenden Auslegung des Anspruchs 1 vorgetragen. Sie meinte die geltend gemachten Einwände mittels der Hilfsanträge meinte entkräften zu können.
2.1.4 Das von der Beschwerdeführerin I angeführte Kriterium der "prima facie eindeutigen Gewährbarkeit" ist nicht hilfreich, weil es im vorliegenden Fall, bei dem detaillierte Auslegungsfragen zu beachten sind, einer ins Detail gehenden Auseinandersetzung mit dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 bedarf, um zu einer aussagekräftigen Meinung gelangen zu können. Eine solche ins Detail gehenden Auseinandersetzung bedeutet im Grunde genommen auch, dass sich die Hilfsanträge dadurch bereits de facto im Verfahren befinden.
2.1.5 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin II zu, dass die in den Hilfsanträgen 1 und 3 bis 13 vorgenommenen Änderungen im Anspruch 1 überschaubar sind.
2.1.6 Die Kammer hat daher ihr Ermessen gemäß Artikel 13(1) VOBK dahingehend ausgeübt, die Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 zum Verfahren zuzulassen.
2.2 Artikel 123(3) EPÜ
2.2.1 In den Hilfsanträgen 1 und 3 bis 13 ist das erteilte erste Merkmal
"Einrichtung (1) zur Verarbeitung von einer Stapelvorrichtung (9) zugeführten Druckerzeugnissen (2)"
durch das folgende neue erste Merkmal ersetzt worden:
"Einrichtung zur Verarbeitung von Druckerzeugnissen (2), die einer Stapelvorrichtung (9) zur Bildung von Stapeln zugeführt werden" (Hervorhebung durch die Kammer).
2.2.2 Die zwei Aussagen des neuen ersten Merkmals "Einrichtung zur Verarbeitung von Druckerzeugnissen" und "[Druckerzeugnisse], die einer Stapelvorrichtung (9) zur Bildung von Stapeln zugeführt werden" machen keine Angaben zur zeitlichen Reihenfolge der in der beanspruchten Einrichtung erfolgenden Verarbeitung in Bezug auf die Bildung der Stapel.
2.2.3 Dies war in dem erteilten ersten Merkmal insofern anders, dass die beanspruchte "Einrichtung (1) zur Verarbeitung von ... Druckerzeugnissen" der Stapelvorrichtung in Förderrichtung der Druckerzeugnisse nachgelagert, d.h. stromabwärts sein musste (Punkt 1.1.1 oben).
2.2.4 Somit fällt in den Schutzbereich des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 auch eine "Einrichtung zur Verarbeitung von Druckerzeugnissen", die nicht zwingend der Stapelvorrichtung in Förderrichtung der Druckerzeugnisse nachgelagert, d.h. stromabwärts sein muss: Der Schutzbereich des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 wurde dahingehend erweitert, dass auch eine "Einrichtung zur Verarbeitung von Druckerzeugnissen", die nur der Stapelvorrichtung in Förderrichtung der Druckerzeugnisse vorgelagert ist, d.h. sich stromaufwärts befindet, erstmals mit beansprucht wird.
2.2.5 Das Argument der Beschwerdeführerin II, dass eine derartige Einrichtung (zumindest an gewissen Stellen) der Beschreibung entspricht, bezieht sich auf die Anforderungen des Artikels 123(2) EPÜ und geht dabei nicht auf die Anforderungen des Artikels 123(3) EPÜ ein.
2.2.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 und 3 bis 13 erfüllt daher nicht die Anforderungen des Artikels 123 (3) EPÜ.
2.3 Zulässigkeit des Hilfsantrags 2
Der Hilfsantrag 2 der Beschwerdeführerin II wurde erst gegen Ende der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgelegt und stellt somit eine weitere Änderung ihres Vorbringens im Sinne des Artikels 13 VOBK dar.
Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wird zum ersten mal klargestellt, dass die Stapelvorrichtung 9 zwingend Teil des Anspruchsgegenstands ist. Damit stellt diese vorgenommene Änderung eine erheblich Änderung des Gegenstandes dar, für den Schutz begehrt wird, so dass sich für die Beschwerdeführerin I und die Kammer gegen Ende der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eine völlig andere Situation ergibt.
Die gegen den Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 gerichteten Beanstandungen wurden bereits in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I vorgetragen (Punkt III.A). Somit gab es eine Veranlassung, einen darauf eingehenden Hilfsantrag bereits viel früher im Verfahren zu stellen. Dies erst gegen Ende der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zu beantragen, ist nicht zu rechtfertigen. Diese Anspruchsfassung ist auch keine unmittelbare Reaktion auf neue, erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer aufgekommene Argumente oder Fakten. Somit gibt es keine Rechtfertigungsgründe für die späte Vorlage dieses Hilfsantrags.
Aus diesen Gründen hat die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 13(1) VOBK dahingehend ausgeübt, den verspäteten Hilfsantrag 2 nicht zum Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.
3. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin II wird zurückgewiesen.