T 0973/11 () of 24.1.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T097311.20130124
Datum der Entscheidung: 24 Januar 2013
Aktenzeichen: T 0973/11
Anmeldenummer: 04019976.2
IPC-Klasse: F16C 13/00
D21G 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Biegeausgleichswalze
Name des Anmelders: Voith Patent GmbH
Name des Einsprechenden: Metso Paper, Inc.
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Verspätetes Vorbringen (nicht zugelassen)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 22. Februar 2011 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 1 593 864 zurückgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 26. April 2011, unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr, Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 22. Juni 2011 eingereicht.

III. Am 24. Januar 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, bei der die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) wie mit Schreiben vom 30. November 2012 angekündigt nicht vertreten war.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin hatte im schriftlichen Verfahren beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, oder hilfsweise das Streitpatent mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass der erteilte Anspruch 1 durch den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 oder gemäß Hilfsantrag 2, beide vom 13. Juli 2009, ersetzt wird.

IV. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:

"Biegeausgleichswalze (10) mit einem umlaufenden Walzenmantel (12), einem den Walzenmantel (12) axial durchsetzenden drehfesten Joch (14) und wenigstens einer zwischen dem Joch (14) und dem Walzenmantel (12) angeordneten Stützquelle (16), die zumindest teilweise mit einem Elektrorheologischen Fluid (ERF) und/oder Ferrofluid betrieben ist, dessen Viskosität über ein elektrisches bzw. magnetisches Feld variierbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Stützquelle (16) in einem Zweikreissystem betrieben ist, in dem das Elektrorheologische Fluid (ERF) bzw. Ferrofluid nur der Druckregelung dient und die Schmierung der Stützquelle (16) mit herkömmlichem Öl erfolgt."

V. In der Beschwerdebegründung wurden folgende Entgegenhaltungen erwähnt:

D1: FI -B- 79571 (sowie englische Übersetzung D1A); und

D2: EP -A- 1 281 879.

Während der mündlichen Verhandlung wurde außerdem folgende Entgegenhaltung genannt:

D3: WO -A- 98/17862.

VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Einführung der D3 in das Beschwerdeverfahren

D3 sei schon im Einspruchsverfahren zitiert worden, als ein Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit angesichts der Kombination von D1 und D3 erhoben wurde. Da in der Beschwerdebegründung auf Seite 2, dritter Absatz darauf hingewiesen wurde, dass auch die vor der ersten Instanz vorgebrachten Argumente die erfinderische Tätigkeit des patentierten Gegenstands in Frage stellten, sei D3 auch im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.

Erfinderische Tätigkeit

D1 offenbare eine Biegeausgleichswalze mit allen Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Ausgehend davon könne die der beanspruchten Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin gesehen werden, den Verbrauch des teuren Elektrorheologischen Fluids (ERF) zu reduzieren.

Angesichts dieser Aufgabe und der Lehre der D2 würde der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. D2 offenbare nämlich eine Biegeausgleichswalze mit einer Stützquelle, die, wie üblich, mit einem Zweikreissystem betrieben werde. Die Regelung der Stützquelle erfolge unabhängig von der Schmierung. Deshalb es sei naheliegend, das teure ERF nur dort anzuwenden, wo es wirklich benötigt werde, nämlich zur Druckregelung der Stützquelle.

Es sei zwar richtig, dass die Stützquelle gemäß D2 nicht mit ERF betrieben werden könne, denn dazu sei ein Kreislauf mit fließenden Fluid notwendig. Dies stelle jedoch kein Hindernis für den Fachmann dar, denn in D1 werde ausführlich erklärt, wie die Druckregelung einer Stützquelle mittels eines ERF erfolgen könne. Folglich beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die schriftlich vorgebrachte Argumente der Beschwerdegegnerin, die für die Entscheidung eine Rolle spielen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ausgehend von D1 sei die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, eine Biegeausgleichswalze zu schaffen, bei der trotz des Einsatzes eines ERF die Betriebskosten möglichst gering gehalten werden können.

Für den Fachmann bestehe keinerlei Veranlassung, D2 bei der Suche nach einer Lösung dieser Aufgabe heranzuziehen.

Zudem erfolge gemäß D2 die Versorgung des Druckraums der Stützquelle nicht über einen Kreislauf mit fließendem Fluid, sondern ausschließlich über den Druckkanal 20. Die Druckregelung der Stützquelle gemäß D2 könne daher nicht mit ERF erfolgen, wie es in Anspruch 1 vorausgesetzt werde. Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 sehr wohl auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Einführung der D3 in das Beschwerdeverfahren

D3 wurde im schriftlichen Verfahren nicht erwähnt. Es ist zwar richtig, dass im dritten Absatz auf Seite 2 der Beschwerdebegründung allgemein auf die Argumente in der Einspruchsschrift und im Schreiben vom 28. Oktober 2010 hingewiesen wird. Jedoch wird nicht präzisiert, welche der vor der ersten Instanz vorgebrachten Argumente als Teil der Beschwerdebegründung anzusehen sind und welche Entgegenhaltungen zu berücksichtigen sind. Somit wurden D3 und der darauf basierende Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit in Beschwerdeverfahren erst während der mündlichen Verhandlung vorgebracht. Es steht deshalb gemäß Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) (siehe ABl. EPA 2007, 536) im Ermessen der Kammer sie zuzulassen und zu berücksichtigen oder nicht.

Die Berücksichtigung der D3 hätte die bei der mündlichen Verhandlung abwesende Beschwerdegegnerin überrascht, zumal aus den Bescheid der Beschwerdekammer vom 24. Oktober 2001 klar hervorgeht, dass die einzigen zu berücksichtigenden Entgegenhaltungen D1 und D2 sind. Um D3 und den darauf basierenden Einwand zu berücksichtigen wäre daher eine Verlegung der mündlichen Verhandlung notwendig gewesen. Folglich wurden gemäß Artikel 13(3) VOBK D3 und der darauf basierende Einwand nicht in das Beschwerdeverfahren eingeführt.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 D1 offenbart eine Biegeausgleichswalze (10) mit einem umlaufenden Walzenmantel (12), einem den Walzenmantel axial durchsetzenden drehfesten Joch (11) und wenigstens einer zwischen dem Joch und dem Walzenmantel angeordneten Stützquelle (16), die zumindest teilweise mit einem Elektrorheologischen Fluid (ERF) betrieben ist, dessen Viskosität über ein elektrisches Feld variierbar ist (siehe D1A, Seite 8, Zeilen 15-27)

3.2 Ausgehend von D1 ist die der beanspruchten Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin zu sehen, den Verbrauch des teuren ERF zu reduzieren (siehe Absätze [0018] und [0020] des Streitpatents). Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass die Stützquelle in einem Zwei kreissystem betrieben ist, in dem das Elektro rheologische Fluid (ERF) nur der Druckregelung dient und wobei die Schmierung der Stützquelle mit herkömmlichem Öl erfolgt.

3.3 D2 beschäftigt sich weder mit der Reduzierung des Verbrauchs von ERF noch von einem anderen Fluid. Es ist zwar richtig, dass in der dort gezeigten Biege ausgleichs walze die Schmierung und die Druckregelung der Stützquelle unabhängig voneinander sind. Allerdings erfolgen sie mit demselben Fluid, dessen Verbrauch daher nicht verringert wird. Deshalb hatte der Fachmann keinen Anlass die Lehre der D2 zur Lösung der oben genannten Aufgabe überhaupt in Betracht zu ziehen.

3.4 Darüber hinaus würde der Fachmann, auch wenn er die Lehre der D2 in Betracht gezogen hätte, nicht zu einer Biege ausgleichswalze nach Anspruch 1 gelangen. Die Druckregelung der in D2 gezeigten Stützquelle kann nämlich, wie es die Beschwerdeführerin selbst zugestanden hat, nicht mit ERF betrieben werden, weil dazu eine Zirkulation notwendig ist. D2 zeigt jedoch lediglich einen Fluidkreislauf für die Zuführung des Öls zu den Hydrostatiktaschen 22, während dem Druckraum 18 lediglich über die Leitung 20 Öl zugeführt wird. Daher würde eine Kombination der Lehren der D1 und D2 alleine nicht zum Gegenstand des erteilten Anspruch 1 führen, weil keine dieser Entgegenhaltungen ein Zweikreissystem offenbart, wie es der erteilte Anspruch 1 voraussetzt.

Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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