T 0966/11 () of 13.11.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T096611.20131113
Datum der Entscheidung: 13 November 2013
Aktenzeichen: T 0966/11
Anmeldenummer: 06005929.2
IPC-Klasse: F04B 49/03
F04B 27/053
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 288 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kältemittelverdichter
Name des Anmelders: Bitzer Kühlmaschinenbau GmbH
Name des Einsprechenden: Emerson Climate Technologies, Inc.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 111(1)
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: "Hifsanträge Va, VIa - Zulässigkeit in das Verfahren (ja)",
"Hifsanträge Va, VIa - unzulässig Erweitert (nein)- Klarheit (gegeben)"
Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)"
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0153/85
T 0951/91
T 1634/06
T 1743/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 3. Mai 2011 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 3. März 2011, das Patent zu widerrufen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 5. Juli 2011 die Beschwerdebegründung eingereicht.

Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) und b) EPÜ gestützt.

II. Am 13. November 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Anträge:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang eines der Hilfsanträge Va oder VIa eingereicht mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2013 aufrechtzuerhalten. Alle höher gestuften Anträge sind zurückgezogen worden.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags Va lautet wie folgt:

"Kältemittelverdichter für Kälteanlagen umfassend mindestens eine Zylindereinheit (44), die ein Zylindergehäuse (46) und ein in dem Zylindergehäuse (46) oszillierend bewegbaren Kolben (48) aufweist, einen Zylinderkopf (58), mit einer von einem Einlassstrom (74) der mindestens einen Zylindereinheit (44) durchströmten Einlasskammer (72) und mit einer von einem Auslassstrom (86) der mindestens einen Zylindereinheit (44) durchsetzten Auslasskammer (88), ein Schaltventil (70) zum Unterbrechen des Einlassstroms (74), und eine Steuerung (130) zum Ansteuern des Schaltventils (70), welche zum Betrieb des Kältemittelverdichters (12) in einem unteren Teillastbereich das Schaltventil (70) in aufeinanderfolgenden jeweils ein Öffnungsintervall (O) und ein Schließintervall (S) des Schaltventils (70) umfassenden Schaltintervallen (SI) betreibt, die kürzer sind als ungefähr 10 Sekunden und länger sind als ungefähr 0,1 Sekunden,

dadurch gekennzeichnet, dass der Kältemittelverdichter (12) ein Verdichtergehäuse (40) umfasst, in welchem zwei V-förmig zueinander angeordnete Zylinderbänke (42) vorgesehen sind, von denen jede mindestens eine Zylindereinheit (44) umfasst, dass jeder Zylinderbank (42) ein Schaltventil (70) zugeordnet ist, welches dazu dient, den von einen vom Verdichtergehäuse (40) umfassten und mit einem Niederdruckanschluss (36) in Verbindung stehenden Einlasskanal (60) in eine Einlasskammer (72) in einen jeweiligen, sämtliche Zylindergehäuse (46) der jeweiligen Zylinderbank (40) übergreifenden Zylinderkopf (58) durch eine sämtliche Zylindergehäuse (46) der jeweiligen Zylinderbank (42) übergreifenden Ventilplatte (56) hindurchtretenden Einlassstrom (74) von Kältemittel zu unterbrechen, und dass die Steuerung (130) in dem unteren Teillastbereich einen Teil der Zylindereinheiten (44) abschaltet und nur einen Teil der Zylindereinheiten (44) in den Schaltintervallen (SI) betreibt."

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Anspruch 1 des Hilfsantrags Va sei auf die in der Abschnitten [0042] bis [0047] der Patentschrift beschriebene Ausführungsform gerichtet, und beinhalte alle für diese Ausführungsform wesentliche Merkmale. Es sei auch für den Fachmann klar, dass, obwohl im Oberbegriff des Anspruch 1 lediglich von mindestens einer Zylindereinheit und einem Schaltventil ausgegangen werde, der im Kennzeichen definierte Kältemittelverdichter, wie angegeben, mehrere Zylindereinheiten und zwei Schaltventile umfasse. Diese Angaben würde der Fachmann ganz eindeutig als eine Präzisierung des Oberbegriffs und nicht als zusätzliche Zylindereinheiten und Schaltventile zu den bereits im Oberbegriff eingeführten Zylindereinheiten und Schaltventile verstehen.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat dem widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Anspruch 1 des Hilfsantrags Va beinhalte alle für die beanspruchte Ausführungsform wesentlichen Merkmale und werde daher nicht mehr als unzulässig erweitert betrachtet.

Dennoch sei dieser Anspruch unklar. Es sei für den Fachmann nicht zu begreifen, was er unter Zylinderbank verstehen solle, falls diese nur eine Zylindereinheit umfasse. Es sei auch unklar, ob das Kennzeichen lediglich die Anzahl der Zylindereinheiten und Schaltventile weiter definieren solle, oder ob die darin angesprochenen Zylindereinheiten und Schaltventile zusätzlich zu den im Oberbegriff eingeführten vorzusehen seien. Letztlich würde der vorliegende Anspruch 1 die in den Abschnitten 20 bis 22 der angefochtenen Entscheidung erhobenen Klarheitseinwände nicht vollständig ausräumen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Hilfsanträge Va und VIa in das Verfahren:

2.1 Die Hilfsanträge Va und VIa sind mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 eingereicht worden. Sie stellen somit eine Änderung des Vorbringens der Patentinhaberin nach Einreichung ihrer Beschwerdebegründung im Sinne von Artikel 13 (1)der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) dar.

2.2 Gemäß diesem Artikel steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen.Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern zum Thema der Zulässigkeit von verspäteten Anträgen müssen gute Gründe vorliegen, um noch so spät neue Anträge in das Verfahren zu bringen, insbesondere werden Änderungen zu einem so späten Zeitpunkt nur zugelassen, wenn die geänderten Ansprüche eindeutig gewährbar sind, keinen taktischen Missbrauch darstellen und keinen neuen Sachverhalt einbringen, zu dem die anderen Beteiligten keine Stellung nehmen können, ohne dass es zu einer unangemessenen Verzögerung des Verfahrens kommt (siehe T 153/85 ABl. EPA 1988, 001; T 951/91 ABl. EPA 1995, 202). Dabei ist mit "eindeutig gewährbar" gemeint, das ohne großen Ermittlungsaufwand sofort ersichtlich ist,dass die vorgenommenen Änderungen den aufgeworfenen Fragen Rechnung tragen, ohne ihrerseits zu neuen Fragen Anlass zu geben(siehe T1634/09, T1743/09 und auch die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7.Auflage 2013, IV.E.4.4.2).

2.3 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass die Hilfsanträge Va und VIa vorgelegt wurden, um die auf unzulässige Erweiterung und Klarheit gestützten Einwände auszuräumen, insbesondere da die Kammer in ihrem Bescheid angekündigt hatte, dass diese Punkte während der mündlichen Verhandlung zur Debatte stehen würden.

2.4 Es ist leicht feststellbar, dass die das Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 2 in Kombination definierenden Merkmale, namentlich:

- zwei V-förmig zueinander angeordnete Zylinderbänke vorgesehen sind, von denen jede mindestens eine Zylindereinheit umfasst,

- ein Zylinderkopf und eine Ventilplatte sämtliche Zylindergehäuse einer jeweiligen Zylinderbank übergreifen,

- jeder Zylinderbank ein Schaltventil zugeordnet ist, welches dazu dient, einen von einem Einlasskanal in den jeweiligen Zylinderkopf in eine Einlasskammer desselben durch eine Ventilplatte hindurchtretenden Einlassstrom von Kältemittel zu unterbrechen

nun im Anspruch 1 der Hilfsanträge Va und VIa wieder aufgenommen sind. Diese Merkmale sind zwar in den Absätzen [0042] bis [0047] genannt, waren aber nicht mit anderen Merkmalen dieser Absätze in den vorherigen Fassungen des Anspruchs 1, mitaufgenommen worden. Daher enthält der in Anspruch 1 der Hilfsanträge Va und VIa beschriebene Kältemittelverdichter nun alle wesentlichen Merkmale des Ausführungsbeispiels der Figur 2, wie diese aus den Absätzen [0042] bis [0047] der Patentschrift hervorgehen. Somit liegt kein Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ mehr vor. Dies wurde auch von der Beschwerdegegnerin anerkannt.

Weiterhin ist im Anspruch 1 der Hilfsanträge Va und VIa nun angegeben, dass zwei V-förmig zueinander angeordnete Zylinderbänke vorhanden sind, von denen jede mindestens eine Zylindereinheit umfasst, und dass jeder Zylinderbank ein Schaltventil zugeordnet ist. Somit ist auch mit geringem Aufwand festzustellen wie der beanspruchte Gegenstand aufgebaut ist. Dies räumt den wichtigsten Klarheitseinwand der angefochtenen Entscheidung, wonach nicht nachvollziehbar sei, wie mit einem einzigen Schaltventil ein Teil der Zylindereinheiten abschaltet und ein anderer Teil der Zylindereinheiten weiter betrieben werden könne, aus.

2.5 Folglich hat die Kammer entschieden, von ihrem Ermessen dahingehend Gebrauch zu machen, die Hilfsanträge Va und VIa in das Verfahren zuzulassen.

3. Anspruch 1 des Hilfsantrags Va:

3.1 Die Beschwerdegegnerin vertritt die Meinung, dass über die bereits genannten Klarheitsmangel hinaus weitere Klarheitsmängel bestehen:

a. es sei für den Fachmann nicht verständlich, wie er den Begriff "Zylinderbank" verstehen solle, falls die Zylinderbank nur eine einzige Zylindereinheit umfasse,

b. es sei unklar, ob das Kennzeichen lediglich die Anzahl der Zylindereinheiten und Schaltventile weiter definieren solle, oder ob die darin angesprochenen Zylindereinheiten und Schaltventile zusätzlich zu den im Oberbegriff eingeführten vorzusehen seien; insbesondere widerspreche der Ausdruck "[wenigstens] eine Zylindereinheit" (Oberbegriff) dem Ausdruck "Teil der Zylindereinheiten" (Kennzeichen),

c. die Beschreibung stehe nicht in Einklang mit den geänderten Ansprüchen.

3.2 Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Fachmann im technischen Gebiet der Kältemittelverdichter den Ausdruck "zwei … Zylinderbänke (42) vorgesehen sind, von denen jede mindestens eine Zylindereinheit (44) umfasst" so verstehen würde, dass eine Zylinderbank ein gemeinsames Gehäuse, in dem mehr als eine Zylindereinheit aufgenommen werden können, umfasst. Falls nun nur eine Zylindereinheit pro Zylinderbank vorhanden sein sollte, ist die Zylinderbank einfach mit der einzigen Zylindereinheit und deren Gehäuse gleichzusetzen.

3.3 Des Weiteren ist es üblich, im Oberbegriff eines Anspruchs den beanspruchten Gegenstand wie aus dem Stand der Technik bekannt generell zu definieren und dann im kennzeichnenden Teil die Erfindung weiter zu definieren, indem angegeben wird, wie der beanspruchte Gegenstand im Detail aufgebaut ist.

Ein Anspruch wendet sich nicht an einen unbestimmten Leserkreis, sondern an den Fachmann, der ein übliches Fachwissen besitzt. Deshalb wird er Ausdrücke aus dem Oberbegriff wie z.B. "mindestens eine Zylindereinheit" und "ein Schaltventil" als gattungsbestimmend ansehen, aber die spezifischen Details die die Erfindung bestimmen, im Kennzeichen erwarten (wie z.B., dass "zwei … Zylinderbänke (42) vorgesehen sind, von denen jede mindestens eine Zylindereinheit (44) umfasst", dass "jeder Zylinderbank (42) ein Schaltventil (70) zugeordnet ist" und, dass ein "Teil der Zylindereinheiten (44) abschaltet" wird).

Da hier der Fachmann als ein erfahrener Techniker im Gebiet der Kältemittelverdichter gesehen werden kann, weiß er sehr wohl, wie ein Kältemittelverdichter aufgebaut ist. Er würde daher nicht in Erwägung ziehen, die im Oberbegriff angesprochene Zylindereinheit und Schaltventil als zusätzliche bzw. unterschiedliche von der im Kennzeichen definierten Zylindereinheit und Schaltventil zu betrachten.

Der Fachmann würde Anspruch 1 dahingehend verstehen, dass der beanspruchte Kältemittelverdichter zwei Zylinderbänke hat, von denen jede mindestens eine Zylindereinheit umfasst, und jeder Zylinderbank ein Schaltventil zugeordnet ist, das es ermöglicht, einen Teil der Zylindereinheiten (bzw. eine der Zylinderbänke) abzuschalten.

3.4 Die Beschwerdegegnerin hat auch darauf hingewiesen dass die Beschreibung wie sie nun vorliegt, nicht mit Anspruch 1 des Hilfsantrags Va in Einklang stehe. Da der Gegenstand dieses Anspruchs jedoch noch nicht auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit geprüft wurde, ist es verfrüht, bereits jetzt eine Diskussion betreffend die Anpassung der Beschreibung zu eröffnen.

4. Zurückverweisung:

4.1 Da ein Beschwerdeverfahren in erster Linie dazu dient, die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu prüfen, ist eine Zurückverweisung an die erste Instanz gemäß Artikel 111(1) EPÜ in den Fällen in Betracht zu ziehen, in denen die erste Instanz ihre Entscheidung auf der Basis eines Einspruchsgrundes (hier unzulässige Erweiterung und Klarheit) getroffen, jedoch über weitere erhobene Einspruchsgründe (wie Neuheit und erfinderische Tätigkeit) nicht entschieden hat.

4.2 Des weiteren hat die Beschwerdeführerin einer Zurückverweisung der Angelegenheit zugestimmt und die Beschwerdegegnerin eine solche beantragt.

Deshalb hält es die Kammer für geboten, von der Möglichkeit nach Artikel 111(1) Satz 2 EPÜ Gebrauch zu machen und die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen, um über die Einhaltung der anderen Erfordernisse des EPÜ zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

Quick Navigation