European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2016:T083711.20160727 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 Juli 2016 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0837/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02026775.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01R 31/00 H04L 12/40 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Anordnung bestehend aus einem ersten Halbleiter-Baustein und einem mit diesem verbundenen zweiten Halbleiter-Baustein | ||||||||
Name des Anmelders: | Infineon Technologies AG ROBERT BOSCH GMBH |
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Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Neuheit - nach Änderung Erfinderische Tätigkeit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung mit der Anmeldenummer 02 026 775.3 zurückzuweisen.
Die Prüfungsabteilung wies die Anmeldung aufgrund fehlender Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrag und Hilfsantrag zurück.
II. Mit der Beschwerdeschrift beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der Patentansprüche gemäß Hauptantrag vom 27. Oktober 2010 zu erteilen.
Es wurde hilfsweise ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
III. In einer Mitteilung vom 21. Januar 2016 zur Vorbereitung einer am 11. März 2016 stattzufindenden mündlichen Verhandlung hob die Kammer die Relevanz der Entgegenhaltung D5 (DE-A-197 33 748) für die Frage der Neuheit hervor.
IV. In Reaktion auf die Mitteilung der Kammer nahm die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Februar 2016 zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des unabhängigen Anspruchs des aufrechterhaltenen Hauptantrags Stellung. Ferner reichte die Beschwerdeführerin neue Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3 ein.
V. Mit Schreiben vom 9. März 2016 wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung wegen Verhinderung eines Kammermitglieds aufgehoben.
VI. In einer telefonischen Rücksprache vom 10. März 2016 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin mit, dass sie ihrer Interpretation der Entgegenhaltung D5 folgte. Zudem wurden einige Änderungen, die die Kammer für notwendig hielte, erläutert.
VII. Daraufhin reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. März 2016 einen Satz von Ansprüchen 1 bis 22 gemäß einem neuen Hauptantrag ein.
VIII. Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Hauptantrag vom 11. März 2016 oder der Patentansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 3 vom 12. Februar 2016 zu erteilen.
IX. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Anordnung bestehend aus einem ersten Halbleiter-Baustein und einem mit diesem verbundenen zweiten Halbleiter-Baustein,
- wobei der zweite Halbleiter-Baustein zusätzlich mit elektrischen Verbrauchern verbunden ist und diese elektrischen Verbraucher entsprechend einem ihm durch Verbrauchersteuerdaten vorgegebenen Timing ansteuert,
- wobei der erste Halbleiter-Baustein zum zweiten Halbleiter-Baustein die erwähnten Verbrauchersteuer-daten sowie Kontrolldaten zum Konfigurieren des zweiten Halbleiter-Bausteins überträgt, und
- wobei der zweite Halbleiter-Baustein zum ersten Halbleiter-Baustein Diagnosedaten überträgt, durch welche im zweiten Halbleiter-Baustein herrschende Zustände oder auftretende Ereignisse repräsentiert werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Übertragung der Diagnosedaten über einen ersten Übertragungskanal erfolgt, und die Übertragung der Verbrauchersteuerdaten und der Kontrolldaten über einen zweiten Übertragungskanal erfolgt."
Ansprüche 2 bis 22 sind abhängige Ansprüche.
Der Wortlaut des Anspruchs 1 der Hilfsanträge spielt für die vorliegende Entscheidung keine Rolle und wird deshalb hier nicht wiedergegeben.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Stand der Technik
Folgende Dokumente werden in der vorliegenden Entscheidung genannt:
D1: US-A-5 558 178;
D5: DE-A-197 33 748;
D6: KALINSKY D. et al.; "Introduction to Serial Peripheral Interface"; [Online] 1. February 2002; XP002369244; URL:
http://embedded.com/columns/showArticle.jhtml? articleID=9900483.
3. Hauptantrag vom 11. März 2016
3.1 Die Erfindung
Patentanspruch 1 bezieht sich auf eine Anordnung bestehend aus einem ersten Halbleiter-Baustein und einem zweiten Halbleiter-Baustein, wobei der zweite Halbleiter-Baustein mit elektrischen Verbrauchern verbunden ist. Zwischen diesen Bausteinen werden Daten auf verschiedenen Kanälen übertragen. Insbesondere werden Verbrauchersteuerdaten, die ein Timing zur Steuerung der mit dem zweiten Baustein verbundenen elektrischen Verbraucher enthalten, vom ersten Baustein zum zweiten Baustein übertragen. Kontrolldaten, die dem Konfigurieren des zweiten Bausteins dienen, werden ebenso vom ersten Baustein zum zweiten Baustein übertragen. Diagnosedaten, die herrschende Zustände und auftretende Ereignisse im zweiten Baustein repräsentieren, werden vom zweiten Baustein zum ersten Baustein übertragen. Die Anordnung zeichnet sich dadurch aus, dass die Übertragung der Diagnosedaten über einen ersten Übertragungskanal und die Übertragung der Verbrauchersteuerdaten und der Kontrolldaten über einen zweiten Übertragungskanal erfolgt.
3.2 Artikel 84 EPÜ 1973 und Artikel 123(2) EPÜ
Die Kammer hat keine Einwände unter Artikel 84 EPÜ 1973 und Artikel 123(2) EPÜ gegen die Ansprüche des Hauptantrags.
3.3 Artikel 54(1),(2) EPÜ 1973
3.3.1 Dokument D5 (siehe Figur 1) offenbart eine Vorrichtung zur seriellen Übertragung von Verbrauchersteuerdaten von einer Sendeeinrichtung 10 zu einer Empfangseinrichtung 20. Dabei werden von der Sendeeinrichtung 10 zur Empfangseinrichtung 20 über eine Leitung DS ein Datensignal, über eine Leitung 150 ein Taktsignal CLK und über eine Leitung 140 ein Synchronisierungssignal SYNC übertragen, wobei das Synchronisierungssignal SYNC alternativ über die Leitung DS übertragen werden kann (siehe Seite 4, Zeilen 65-67). Leitung 25 bezeichnet eine zusätzliche getrennte bidirektionale SPI-Schnittstelle für Diagnosezwecke (siehe Seite 4, Zeilen 57-58).
3.3.2 In der angefochtenen Entscheidung (siehe Punkt 11, 4. Absatz) vertrat die Prüfungsabteilung die Meinung, dass das Taktsignal auf Leitung 150 und das Synchronisierungssignal auf Leitung 140 als "den zweiten Halbleiter-Baustein steuernde Kontrolldaten" angesehen werden können.
3.3.3 Die Kammer stellt jedoch fest, dass Anspruch 1 während des Beschwerdeverfahrens dahingehend geändert wurde, dass die Kontrolldaten nunmehr zum Konfigurieren des zweiten Halbleiterbausteins verwendet werden.
In D5 sind Kontrolldaten, die von der Sendeeinrichtung zur Empfangseinrichtung zum Konfigurieren der Empfangseinrichtung übertragen werden, nicht erwähnt. Solche Kontrolldaten gehen auch nicht implizit aus der Lehre der D5 hervor.
Gemäß D5 (siehe Seite 4, Zeilen 50-67, Anspruch 1 und Figur 1) weist die Datenübertragungsvorrichtung eine in der Sendeeinrichtung 10 vorgesehene P/S-Umwandlungseinrichtung, eine in der Empfangseinrichtung 20 vorgesehene S/P-Umwandlungseinrichtung und eine in der Sendeeinrichtung 10 vorgesehene Taktsignal-Erzeugungseinrichtung zum Erzeugen des Taktsignals CLK auf, welches auf der Taktleitung 150 übertragen wird. Das Taktsignal CLK dient lediglich der P/S-Wandlung in der Sendeeinrichtung 10 und der S/P-Wandlung in der Empfangseinrichtung 20.
Ferner weist die bekannte Datenübertragungsvorrichtung eine Synchronisierungseinrichtung zum Erzeugen eines Synchronisierungssignals SYNC entsprechend dem Umwandlungsbetrieb der P/S-Umwandlungseinrichtung und zum Zuführen desselben an die S/P-Umwandlungseinrichtung zur Synchronisierung des jeweiligen Umwandlungsbetriebs auf.
Das Taktsignal CLK und das Synchonisierungssignal SYNC sind somit für die Übertragung serieller Daten notwendig. Sie dienen lediglich der korrekten Übertragung der Verbrauchersteuerdaten und können daher nicht als "Kontrolldaten zum Konfigurieren des zweiten Halbleiter-Bausteins" betrachtet werden.
Wie auch von der Beschwerdeführerin vorgetragen, sind auf diese Weise übertragene Signale CLK und SYNC nicht als Teil der übertragenen "Daten" im Sinne des Anspruchs 1 anzusehen. Was das Signal SYNC angeht, besteht ein Synchronisationsrahmen SYNC_WORT aus 11 Databits. Jedoch stellen die übertragenen Synchronisationsrahmen SYNC_WORT nichts anderes dar als periodisch übertragene Steuerzeichen zum Zwecke der Synchronisation der Übertragung. Sie sind eindeutig von den übertragenen "Daten" zu unterscheiden. Eigentlich bezeichnet das SYNC_WORT den Anfang der übertragenen Daten.
Die Empfangseinrichtung 20 gemäß D5 (siehe Seite 6, Zeilen 49-51, Figur 4) beinhaltet ein "Status/Kontrollregister" 240, das das Programmieren der Datenbitbreite und des Paritätsbits sowie die Aussage über den Zustand des Endstufen-IC (z.B. aktiv oder nicht aktiv) bzw. des Fehlerspeichers 250 (z.B. Anzahl der Datenfehlübertragungen) ermöglicht.
Jedoch ist nicht ersichtlich, wie dieses Register mit der Sendeeinrichtung 10 bzw. Datenleitung DS, Taktleitung 150 und Synchronisierungsleitung 140 verbunden ist. Abgesehen davon, ändert das Vorhandensein des Status/Kontrollregisters nichts daran, dass die übertragene Signale CLK und SYNC nicht als Teil der übertragenen "Daten" anzusehen sind.
3.3.6 Ferner stellt die Kammer fest, dass der Übertragungskanal 25 in D5 (siehe Seite 4, Zeilen 57-59, Figur 1) als SPI-Schnittstelle offenbart ist. Eine SPI-Schnittstelle ist eine Master-Slave-Verbindung (siehe D6) und besteht im Fall eines einzigen Slave aus einer Taktleitung, einer Slave-Select-Leitung und zwei Data-Leitungen, eine mit Übertragungsrichtung vom Master zum Slave (Slave-Data-Input-Leitung) und eine zweite mit Übertragungsrichtung vom Slave zum Master (Slave-Data-Output-Leitung). Dokument D6 wurde während des Prüfungsverfahrens herangezogen, um diese Struktur zu belegen. Bei einer solchen Einheit könnten die vom Master zum Slave übertragenen Signale als "Kontrolldaten" betrachtet werden. Jedoch dienen diese "Kontrolldaten" nicht der Konfiguration der Empfangseinrichtung.
Es ist hierbei festzustellen, dass die vom Master kommenden Daten innerhalb der geschlossenen Master-Slave Einheit übertragen werden. Die Übertragung solcher "Kontrolldaten" erfolgt somit nicht auf einem "zweiten Übertragungskanal", der für die Übertragung der Verbrauchersteuerdaten verwendet wird.
3.3.7 Alle weiteren während des Prüfungsverfahrens zitierten Dokumente sind von dem beanspruchten Gegenstand noch weiter entfernt.
Insbesondere offenbart D1 nicht, dass Kontrolldaten zur Konfiguration eines zweiten Halbleiter-Bausteins von einem ersten Halbleiter-Baustein zum zweiten Halbleiter-Baustein übertragen werden. Des Weiteren offenbart D1 auch nicht, dass der zweite Halbleiter-Baustein Diagnosedaten zum ersten Halbleiter-Baustein überträgt, durch welche im zweiten Halbleiter-Baustein herrschende Zustande oder auftretende Ereignisse repräsentiert werden. Stattdessen beziehen sich die Diagnosedaten in D1 auf Zustände, die in einem zu steuernden Kraftfahrzeug auftreten.
3.3.8 Patentanspruch 1 ist somit neu.
3.4 Artikel 56 EPÜ 1973
3.4.1 D5 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar.
3.4.2 Ausgehend von dieser Offenbarung besteht die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin, die Anzahl der Verbindungsleitungen zwischen dem ersten Halbleiter-Baustein und dem zweiten Halbleiter-Baustein zu verringern.
3.4.3 Dies wird durch eine Aufteilung der Datenübertragung erreicht, so dass die Diagnosedaten über einen ersten Kanal und die Kontrolldaten zusammen mit den Verbrauchersteuerdaten über einen zweiten Kanal übertragen werden.
3.4.4 Wie oben erklärt, können die Synchronisierungs- und Taktsignale in D5 nicht als "Kontrolldaten zum Konfigurieren des zweiten Halbleiter-Bausteins" betrachtet werden. Die einzigen Signale, die in D5 als Kontrolldaten angesehen werden können, könnten diejenigen Signale sein, die in der SPI-Schnittstelle 25 vom Master zum Slave übertragen werden.
3.4.5 D5 gibt keinen Hinweis auf die beanspruchte Aufteilung der Datenübertragung. Dasselbe gilt auch für die weiteren während des Prüfungsverfahrens zitierten Dokumente.
3.4.6 Zu den verschiedenen Daten sei auch angemerkt, dass die Verbrauchersteuerdaten zeitkritische Daten zur Steuerung asynchroner Ereignisse mit einer sehr hohen zeitlichen Auflösung sind. Änderungen dieser Daten müssen mit äußerst geringer Verzögerung übertragen werden. Demgegenüber sind Diagnose- und Kontrolldaten weit weniger zeitkritisch. Bei der beanspruchten Aufteilung der Daten würde der Fachmann befürchten müssen, dass diese zu Lasten der Übertragungsgeschwindigkeit für die Verbrauchersteuerdaten geht, da der Kanal, der in D5 nur die Verbrauchersteuerdaten zu übertragen hatte, mit zusätzlichen Daten belastet wird. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, wäre es für den Fachmann naheliegend, eine Aufteilung vorzunehmen, bei der die Übertragung der Verbrauchersteuerdaten über einen sehr schnellen unidirektionalen seriellen Kanal erfolgt während die Übertragung der Diagnosedaten zusammen mit den Kontrolldaten über mindestens einen anderen bidirektionalen Kanal geschieht. Dies entspricht der der Offenbarung gemäß D5 zugrundeliegenden Logik.
3.4.7 Nach Ansicht der Kammer ist eine Aufteilung der Datenübertragung, wie sie in Anspruch 1 definiert ist, deshalb nicht naheliegend. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Hilfsanträge 1 bis 3 vom 12. Februar 2016
Da bereits dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattgegeben werden kann, sind die Hilfsanträge gegenstandslos.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit Ansprüchen 1 bis 22, eingereicht als Hauptantrag mit Schreiben vom 11. März 2016, und einer noch anzupassenden Beschreibung zu erteilen.