T 0815/11 (Maschinelles Geschirrspülmittel/HENKEL) of 13.8.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T081511.20130813
Datum der Entscheidung: 13 August 2013
Aktenzeichen: T 0815/11
Anmeldenummer: 04764845.6
IPC-Klasse: C11D 3/37
C11D 3/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Maschinelle Geschirrspülmittel mit spezieller Polymermischung
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: Dalli-Werke GmbH & Co. KG
Rhodia Opérations
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Unzulässige Änderung der Patentansprüche (Hauptantrag und Hilfsantrag 2): ja
Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag 1): nein - naheliegende Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 664 257 in geändertem Umfang.

II. Im Einspruchsverfahren hatten die Einsprechenden 01 und 02 unter Bezugnahme auf Artikel 100(a), (b) und (c) EPÜ 1973 den Widerruf des Patents beantragt.

Die von den Einsprechenden vorgebrachten Einwände der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands wurden unter anderem auf folgende Dokumente gestützt:

D1: WO 02/04588 A1;

D3: WO 02/04583 A1; und

D5: US 2003/0083223 A1.

III. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem, dass die Patentansprüche nach dem damaligen Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 24. November 2009, allen Erfordernissen des EPÜ entsprächen.

Anspruch 1 in seiner von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt:

"1. Maschinelles Geschirrspülmittel, umfassend

a) mindestens ein amphoteres Polymer, welches kationische Monomereinheiten aufweist, sowie

b) mindestens ein anionisches Polymer, welches mit schwefelhaltigen Gruppen modifiziert ist, dadurch gekennzeichnet, dass das mit schwefelhaltigen Gruppen modifizierte Polymer als Monomereinheiten

i) ungesättigten Carbonsäuren

ii) Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomere

iii) gegebenenfalls weitere ionische oder nichtionogene Monomere umfasst,

wobei das molare Verhältnis der Monomere i) zu ii) 1:1 bis 100:1 beträgt und der pH-Wert einer 1 Gew.-%-igen Lösung des anionischen Polymers in destilliertem Wasser bei 20ºC weniger als pH 6 beträgt; sowie

c) 0,01 bis unterhalb 5 Gew.-% nichtionisches Tensid."

IV. Die Beschwerdeführerinnen 01 und 02 (Einsprechende 01 und 02) hielten in ihrer Beschwerdebegründungen Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ und den Artikeln 83, 84, 54 und 56 EPÜ 1973 aufrecht.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) reichte mit ihrer Erwiderung zu den Beschwerdebegründungen zwei geänderte Anspruchsätze als Hilfsanträge ein.

VI. Beide Beschwerdeführerinnen reichten im schriftlichen Verfahren keine Stellungnahme zu diesen Hilfsanträgen ein.

VII. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, an der die Beschwerdeführerin 01 wie zuvor angekündigt nicht teilnahm, reichte die Beschwerdegegnerin geänderte Hilfsanträge 1 und 2 ein.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hauptantrag lediglich dadurch, dass die Monomereinheiten ii) als "Schwefel-haltige Monomere" definiert sind.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hauptantrag lediglich dadurch, dass der Anspruch mit dem folgenden zusätzlichen Wortlaut endet:

"wobei mit Schwefel-haltigen Gruppen modifizierte(s) Polymer(e) in Mengen von 0,1 bis 20 Gew.-% enthalten sind."

VIII. Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerden zurückzuweisen oder, hilfsweise, das Patent auf der Grundlage eines der beiden in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge aufrechtzuerhalten.

IX. Die Beschwerdeführerinnen führten bezüglich der Patentansprüche gemäß Hauptantrag unter anderem Folgendes aus:

- die Merkmalskombination des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei weder von der ursprünglichen Beschreibung noch von der ursprünglichen Ansprüchen gestützt; daher erfülle Anspruch 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ;

- der im Dokument D1 offenbarte Gegenstand unterscheide sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 lediglich insoweit als kein amphoteres, kationische Monomereinheiten aufweisendes Polymer oder kein Sulfonsäuregruppen-haltige Monomereinheiten enthaltendes, anionisches Polymer, das in 1 Gew.-%-iger Lösung in destilliertem Wasser bei 20ºC einen pH-Wert kleiner als 6 aufweist, ausdrücklich erwähnt werde;

- der im Dokument D3 offenbarte Gegenstand unterscheide sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 insoweit als kein amphoteres Polymer enthalten sei und nichtionische Tenside in Mengen von mindestens 5 Gew.-% enthalten seien;

- die Vergleichsversuche der Patentinhaberin vom 24. November 2009 zeigten keine Verbesserung der Klarspülleistung im Vergleich zu den in den Dokumenten D1 und D3 offenbarten Gegenständen; daher sei die dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe nur in der Bereitstellung eines alternativen Geschirrspülmittels mit guter Klarspülleistung zu sehen;

- es sei für den Fachmann naheliegend gewesen, zur Lösung dieser technischen Aufgabe, andere bekannte, kationische Monomereinheiten enthaltende und belagsinhibierende Polymere, wie die aus dem Dokument D5 bekannten amphoteren Polymere, statt der im D1 spezifisch offenbarten kationischen Polymere zu verwenden; es sei auch naheliegend gewesen, solche aus D5 bekannten belagsinhibierenden Polymere in ein aus dem Dokument D3 bekannte Geschirrspülmittel einzusetzen;

- es sei weiter naheliegend gewesen, Sulfonsäuregruppen-haltige anionische Polymere, die in 1 Gew.-%-iger Lösung in destilliertem Wasser bei 20ºC einen pH-Wert kleiner als 6 aufweisen, aus der im D1 oder D3 beschriebenen Klasse von anionischen Polymeren zu wählen, um die obige technische Aufgabe zu lösen;

- außerdem, könne die Wahl einer Menge an nichtionischen Tensiden unterhalb 5 Gew.-% keine erfinderische Tätigkeit begründen;

- der beanspruchte Gegenstand beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerdeführerin 02 hielt die in ihrer Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände auch gegen die Ansprüche gemäß den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträgen 1 und/oder 2 aufrecht.

X. Die Beschwerdegegnerin widersprach allen Einwänden.

Sie führte insbesondere aus, dass die jeweiligen Ansprüche 1 gemäß allen Anträgen auf einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche beruhten; daher entsprächen sie den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.

Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit führte sie aus, dass D3 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei, da Anspruch 1 dieses Dokuments weniger Unterschiede gegenüber dem beanspruchten Gegenstand aufweise als Anspruch 1 des Dokuments D1.

Auf jeden Fall sei es für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, ausgehend von dem im Dokument D3 oder D1 offenbarten Gegenstand, alternative Geschirrspülmittel zu formulieren, die eine Menge an nichtionischen Tensiden unterhalb 5 Gew.-% sowie eine Kombination von amphoteren Polymeren mit den anionischen, in Anspruch 1 definierten Polymeren, enthielten.

Ferner argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass eine Kombination des Dokuments D1 mit Dokument D5 nicht zwangsläufig zu einem Mittel gemäß Anspruch 1 führen würde, insbesondere weil die in den Beispielen 16 bis 18 des D5 offenbarten Klarspülformulierungen einen wesentlich höheren Anteil an nichtionischen Tensiden enthielten.

Daher beruhe der Anspruchsgegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

Änderungen im Vorbringen der Parteien im Beschwerdeverfahren

1. Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin 02 und von der Kammer vorgebrachten Klarheitseinwände gegen den jeweiligen Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bzw. 2 und den Wortlaut des Anspruchs 2 nach Hilfsantrag 1, reichte die Beschwerdegegnerin geänderte Hilfsanträge 1 und 2 ein.

Da die vorgenommenen Änderungen leicht zu verstehen waren und die neu vorgebrachten Einwände prima facie auszuräumen vermochten, entschied die Kammer, die neuen, während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 zuzulassen (Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 13(1) und (3) VOBK).

Hauptantrag und Hilfsantrag 2

2. Zulässigkeit der Änderungen - Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Die jeweiligen Ansprüche 1 nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag 2 enthalten beide die Merkmale "dass das mit schwefelhaltigen Gruppen modifizierte Polymer als Monomereinheiten

i) ungesättigten Carbonsäuren

ii) Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomere

iii) gegebenenfalls weitere ionische oder nichtionogene Monomere umfasst,

...,

wobei das molare Verhältnis der Monomere i) zu ii) 1:1 bis 100:1 beträgt".

2.2 Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass diese Merkmalskombination auf die Ansprüche der zugrunde liegenden Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (als WO 2005/026305 A1 veröffentlicht) gestützt sei. Insbesondere sei der Wortlaut "das molare Verhältnis der Monomere i) zu ii) 1:1 bis 100:1 beträgt" im Anspruch 12 der ursprünglichen Anmeldung zu finden. Dieser Anspruch sei auf die Ansprüche 6 bis 10 rückbezogen, wobei der Wortlaut des Anspruchs 6 "...dass das mit phosphor-und/oder schwefelhaltigen Gruppen modifizierte Polymer als Monomereinheiten

i) ungesättigten Carbonsäuren

ii) Phosphor- und/oder Schwefel-haltige Monomeren

iii) gegebenenfalls weitere ionische oder nichtionogene Monomere umfasst" lautet.

Anspruch 6 sei seinerseits auf die Ansprüche 1, 3, 4 oder 5 rückbezogen, wobei Anspruch 5 das Merkmal "dass das anionische Polymer mindestens anteilsweise mit Sulfonsäuregruppen modifiziert ist" enthalte.

2.3 Die Kammer bemerkt, dass Anspruch 6, in Kombination mit Anspruch 12 gelesen, nicht das molare Verhältnis von ungesättigten Carbonsäurenmonomeren i) zu Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren ii) betrifft, sondern das Verhältnis von Monomeren des Typs i) zu der allgemeineren und teilweise unterschiedlichen Klasse der Phosphor- und/oder Schwefel-haltigen Monomeren.

2.4 Der von der Beschwerdegegnerin zitierte Anspruch 5 enthält seinerseits einen Rückbezug auf die Ansprüche 1 bis 4 und präzisiert, dass das anionische Polymere mindestens anteilweise "mit Sulfonsäuregruppen modifiziert" sein soll. Daher bezieht sich dieses Merkmal auf alle möglichen Alternativen, die von der Definition des anionischen Polymers laut Anspruchs 1 umfasst werden, welches Polymer mit phosphor- und/oder schwefelhaltigen Gruppen modifiziert ist, aber nicht unbedingt aus verschiedenen Monomereinheiten bestehen muss. Daher bezieht sich das Merkmal des Anspruchs 5 auf ein anionisches Polymer, das von noch allgemeinerer Art ist als das in Anspruch 6 definierte Polymer.

2.5 Anspruch 6, der bereits eine breitere Klasse von anionischen Polymeren als der Anspruch 1 nach Hauptantrag betrifft, stellt seinerseits eine Auswahl aus dem noch breiteren Umfang des Anspruchs 5 dar. Daher kann auch die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 6 und 5 nicht als Stütze für die spezifischeren anionischen Polymere laut Anspruch 1 nach Hauptantrag angesehen werden.

2.6 Auch in der ursprünglichen Beschreibung findet die nunmehr beanspruchte Kombination von Merkmalen keine Erwähnung (siehe z.B. Seite 15, letzter Absatz bis Seite 16, vorletzter Absatz), was von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten wurde.

2.7 Daher quantifiziert der ursprünglich Anspruch 12 zwar einen bevorzugten Bereich für das molare Verhältnis der im ursprünglichen Anspruch 6 angesprochenen Monomere i) und ii), jedoch sind bei Bildung dieses Verhältnis alle möglichen "schwefelhaltigen Gruppen" zu berücksichtigen, die in dem anionischen Polymer enthalten sind (bezüglich möglicher schwefelhaltiger Monomere siehe z.B. Seite 10, erster und zweiter Absatz der Beschreibung), und nicht nur die laut ursprünglichem Anspruch 5 vorhandenen, mit Sulfosäuregruppen modifizierten Monomere. Ein anionisches, mit schwefelhaltigen Gruppen modifiziertes Copolymer, dessen schwefelhaltige Gruppen ausschließlich in Form von Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren vorliegen, ist in Verbindung mit dem molaren Verhältnisbereich i) zu ii) von 1:1 zu 100:1 jedenfalls nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung herleitbar.

2.8 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass die jeweiligen Ansprüche 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 2 nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ entsprechen.

3. Folglich ist keiner dieser beiden Anträge gewährbar.

Hilfsantrag 1

4. Änderungen

4.1 Der Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Wortlaut des Anspruchs 1 nach Hauptantrag dadurch, dass die Monomereinheiten ii) nicht mehr als "Sulfonsäuregruppen-haltige Monomere" sondern als "Schwefel-haltige Monomere" bezeichnet sind.

4.2 Gegen diese Änderung erhob die Beschwerdeführerin 02 in der mündlichen Verhandlung keine Einwände unter Artikel 123(2) oder Artikel 84 EPÜ. Da der Hilfsantrag 1 aus folgenden Gründen ohnehin nicht gewährbar ist, erübrigt sich eine Stellungnahme der Kammer zur Frage der Zulässigkeit der Änderungen in Anspruch 1.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1 Die Erfindung betrifft ein maschinelles Geschirrspülmittel, "insbesondere Reinigungs- und Klarspülmittel für das maschinelle Geschirrspülen sowie Angebotsformen, die Reinigungsmittel und Klarspüler in einem Produkt bereit stellen" (siehe Streitpatent, Anspruch 1 und Absatz [0001]). Laut Beschreibung des Streitpatents sollten neue Klarspüler bereitgestellt werden, die sowohl als herkömmliche Klarspülmittel als auch in Form von Kombinationsprodukten einsetzbar sind, und die auch als Zusatzkomponente in herkömmlichen Reinigungsmitteln für das maschinelle Geschirrspülen eingesetzt werden können, und die mindestens gleiche Resultate wie marktgängige Klarspüler liefern und die darüber hinaus weitere Leistungsvorteile erbringen (siehe Absatz [0008]).

5.2 Während die Beschwerdeführerin 02 Dokument D1 als nächstliegenden Stand der Technik ansah, war für die Beschwerdegegnerin bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Dokument D3 auszugehen.

5.2.1 Die Dokumente D1 und D3 betreffen beide ebenfalls die Bereitstellung von Reinigungsmitteln für das maschinelle Geschirrspülen, und zwar insbesondere solche, bei denen unter anderem Reiniger und Klarspüler in einem Produkt integriert sind, und mindestens gleiche Leistungsvorteile wie marktgängige Klarspüler liefern (siehe D1, Seite 2, dritter und letzter Absatz; Seite 3, erster Absatz; Seite 14, dritter Absatz; und D3, Seite 2, vierter und letzter Absatz).

Für die Kammer repräsentiert das im Streitpatent nicht genannte Dokument D1 - und nicht Dokument D3 - aus folgenden Gründen den nächstliegenden Stand der Technik.

5.2.2 D1 offenbart ein maschinelles Geschirrspülmittel bestehend aus zwei Teilen, nämlich einem ersten Teil (im Hauptreinigungsgang wirkende Basiszusammensetzung) und einem zweiten Teil, welcher ein kationisches Homo- oder Copolymer, ein anionisches Copolymer aus ungesättigten Carbonsäuren i), Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren ii) und gegebenenfalls weiteren ionischen oder nichtionogenen Monomeren (iii), sowie 1 bis 50 Gew.-%, vorzugsweise 2,5 bis 45 Gew.-%, und insbesondere 5 bis 40 Gew.-%, nichtionisches Tensid, enthält (siehe Ansprüche 1, 5, 6 und 7). Zu beachten ist, dass diese Niotensid-Mengen nur auf den zweiten Teil des Mittels und nicht auf das gesamte Mittel bezogen sind. Bei den anionischen Copolymeren liegt das Gewichtsverhältnis der Monomere i):ii) im Bereich vom 50:50 bis 90:10 (Seite 13, letzter Absatz) und überschneidet sich damit zwangsläufig mit dem molaren Verhältnis der Monomere i): ii) von 1:1 bis 100:1 laut Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, was auch die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.

5.2.3 D3 offenbart ein maschinelles Geschirrspülmittel, das ein Copolymer aus ungesättigten Carbonsäuren i), Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren ii) und gegebenenfalls weiteren ionischen oder nichtionogenen Monomeren (iii) sowie 5 bis 30 Gew.-% nichtionisches Tensid enthält (siehe Anspruch 1). Das bevorzugte Gewichtsverhältnis der Monomere i):ii) liegt im Bereich von 50:50 bis 90:10 (Seite 16, fünfter Absatz) und überschneidet sich daher zwangsläufig mit dem molaren Verhältnis der Monomere i):ii) von 1:1 bis 100:1 laut Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1.

Wie D1 offenbart auch D3 keine amphotere Polymerkomponente mit kationischen Monomereinheiten. Auch laut D3 liegt das molare Verhältnis der Monomere i):ii) nicht unbedingt im Bereich von 1:1 bis 100:1 und der pH-Wert einer 1 Gew.-%-igen Lösung des anionischen Copolymers in destilliertem Wasser bei 20ºC ist ebenfalls nicht explizit angesprochen.

5.2.4 Im Gegensatz zu D1 schreibt D3 aber bezüglich des Gehalts an Niotensiden eine Konzentration von mindestens 5 oder mehr Gew.-% und zwar bezogen auf das gesamte Mittel ausdrücklich vor (siehe etwa Anspruch 3 von D3). Insbesondere im Hinblick auf dieses im Vergleich zu D1 zusätzliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Gegenstand von Anspruch 1 ("...unterhalb 5 Gew.-% nichtionisches Tensid) hält die Kammer das Dokument D3 für einen weniger geeigneten Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

In dieser Hinsicht sind die in den jeweiligen Dokumenten offenbarten Gegenständen und nicht nur die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 zu berücksichtigen. Die Kammer kann daher dem Argument der Beschwerdegegnerin, wonach D3 als nächstliegender Stand der Technik auszuwählen sei, da Anspruch 1 dieses Dokuments weniger Unterschiede gegenüber dem beanspruchten Gegenstand als Anspruch 1 des Dokuments D1 aufweise (siehe Punkt X oben), nicht folgen.

5.3 Es ist unbestritten, dass die Vergleichsversuche der Patentinhaberin vom 24. November 2009 keinen Vergleich gegenüber dem im D1 offenbarten Gegenstand enthalten. In Anbetracht der Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin keinerlei Verbesserung gegenüber den in D1 als bevorzugt offenbarten Geschirrspülmitteln dargelegt hat, kann ausgehend von letzteren die technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines weiteren Geschirrspülmittels gesehen werden, das eine zumindest gleich gute Klarspülleistung liefert.

5.4 Zur Lösung dieser Aufgabe stellt das Streitpatent das maschinelle Geschirrspülmittel nach Anspruch 1 vor, welches insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass es folgende Komponenten umfasst:

"a) mindestens ein amphoteres Polymer, welches kationische Monomereinheiten aufweist, sowie

b) mindestens ein anionisches Polymer, welches mit schwefelhaltigen Gruppen modifiziert ist, und als Monomereinheiten

i) ungesättigten Carbonsäuren

ii) Schwefel-haltige Monomere

iii) gegebenenfalls weitere ionische oder nichtionogene Monomere umfasst,

wobei das molare Verhältnis der Monomere i) zu ii) 1:1 bis 100:1 beträgt und der pH-Wert einer 1 Gew.-%-igen Lösung des anionischen Polymers in destilliertem Wasser bei 20ºC weniger als pH 6 beträgt; sowie

c) 0,01 bis unterhalb 5 Gew.-% nichtionisches Tensid."

5.5 Die von der Patentinhaberin mit Schreiben vom 24. November 2009 eingereichten Versuchsergebnisse haben zwar nicht einen Vergleich mit den in D1 offenbarten Geschirrspülmitteln zum Gegenstand, belegen aber dennoch, dass die im Streitpatent beanspruchten Mittel eine gute Klarspülleistung aufweisen. Die Kammer hat daher keinen Grund daran zu zweifeln, dass die Aufgabe laut Punkt 5.3 durch ein Geschirrspülmittel mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst wird.

5.6 Es bleibt demnach zu entscheiden, ob die Lösung gemäß Anspruch 1, ausgehend von den in D1 beschriebenen Geschirrspülmitteln, im Hinblick auf den Stand der Technik unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens naheliegend ist.

5.6.1 Wesentlich für die Erzielung einer guten Klarspülleistung auch bei relativ geringen Mengen von Niotensiden ("unterhalb 5 Gew.-%") ist laut Vortrag der Beschwerdegegnerin die gleichzeitige Anwesenheit des amphoteren und des anionischen Polymers.

5.6.2 Aus dem Dokument D5 ist bekannt, amphotere Polymere, die sowohl kationische Monomere, wie Dimethyldiallylammoniumchlorid (DADMAC), als auch anionische Monomere enthalten, als belagsinhibierende Polymere in einem maschinellen Geschirrspülmittel, das relative geringe Mengen von 0,2 bis 10 Gew.-% , vorzugsweise 0,5 bis 5 Gew.-%, Niotenside enthält, einzusetzen (siehe D5: Absatz [0003], letzte 4 Zeilen; Absätze [0022], [0050], [0137] und [0139] und Beispiele 12 bis 15).

Daher konnte der mit der gestellten Aufgabe (Punkt 5.3) befasste Fachmann erwarten, dass ein zumindest teilweises Ersetzen der in Dokument D1 spezifisch erwähnten kationischen belagsinhibierenden Polymere, die insbesondere ebenfalls DADMAC als kationisches Monomer enthalten können (siehe D1, Anspruch 5, Zeile 4), durch die in Dokument D5 vorgeschlagenen amphoteren Polymere, in Verbindung mit einer Niotensidmenge von unterhalb 5 Gew.-%, ein Geschirrspülmittel mit vergleichbarer Klarspülleistung ergeben würde.

5.6.3 Zudem ist aus dem Dokument D1 selbst bekannt, dass Niotenside ebenfalls, auch in Einsatzmengen von weniger als 5 Gew.-%, die Klarspülleistung verbessern (siehe Seite 14, Absätze 3 und 4). Folglich würde der Fachmann auch nicht zu niedrige Mengen wählen, um den Beitrag der Niotenside zur Klarspülleistung nicht zu verlieren. Der Fachmann hat daher guten Grund, bei der Kombination der Lehren von D1 und D5, eine Niotensidmenge in dem laut D5 (siehe Absatz [0139]) bevorzugten Bereich von 0,2 bis 5 Gew.-% einzusetzen. Das vermag auch die von der Beschwerdegegnerin betonte Tatsache, dass die reinen Klarspüler-Formulierungen (die keine Geschirrreiniger mit Klarspülwirkung sind) gemäß den Beispielen 16 bis 18 von D5 besonders hohen Niotensidkonzentrationen aufweisen, nicht zu relativieren.

5.6.4 Was das molare Verhältnis der Monomere i) zu ii) des anionischen Polymers und seinen pH-Wert in einer 1 Gew.-%-igen Lösung in destilliertem Wasser bei 20ºC anbetrifft, hat die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass diese Merkmale mit keinem besonderen technischen Effekt verbunden sind.

Zudem ist es unbestritten, dass die molaren Verhältnisse der Monomere i):ii) der in D1 offenbarten anionischen Polymere sich mit dem Gewichtsverhältnis-Bereich des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 überschneiden. In diesem Zusammenhang bemerkt die Kammer auch, dass die allgemeine und die detaillierte Beschreibung der in D1 offenbarten anionischen, Sulfonsäuregruppen-haltige Monomereinheiten enthaltenden Polymere weitgehend mit der diesbezüglichen Beschreibung des Streitpatents identisch ist (siehe Dokument D1, Seite 9, dritter Absatz bis Seite 14, zweiter Absatz und das Streitpatent, Absätze [0020] bis [0039]). Insbesondere weisen die anionischen Polymere gemäß Streitpatent besonders bevorzugt die gleichen Monomere-Gewichtsverhältnisse i):ii) und die gleichen mittleren Molmassen wie die laut Dokument D1 verwendeten Polymere (vergleiche Absätze [0037] und [0042] des Streitpatents mit Seite 13, letzter Absatz, und Seite 14, zweiter Absatz des Dokuments D1). Es besteht daher kein Zweifel, dass die in D1 offenbarte Klasse von bevorzugten anionischen Polymeren wenn nicht ganz dann doch größtenteils Polymere mit den im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 erwähnten spezifischen Eigenschaften (pH-Wert in wässriger Lösung) umfasst.

5.6.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der mit der technischen Aufgabe befasste Fachmann bei der praktischen Umsetzung einer Kombination der Lehren der Dokumente D1 und D5 unweigerlich ohne erfinderisches Zutun eine Geschirrspülmittel-Formulierung mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 in Betracht ziehen würde und dabei mindestens eine Klarspülleistung erwarten konnte, die vergleichbar ist mit jener der Geschirrspülmittel nach Dokument D1. Derart würde der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.

5.7 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ 1973).

6. Folglich ist auch Hilfsantrag 1 nicht gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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