T 0813/11 (CONTENT-BASIERTES BILLING IN IP-NETZWERKEN/TOGEWA) of 4.11.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T081311.20141104
Datum der Entscheidung: 04 November 2014
Aktenzeichen: T 0813/11
Anmeldenummer: 04766011.3
IPC-Klasse: H04L 12/14
H04L 12/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND SYSTEM FÜR CONTENT-BASIERTES BILLING IN IP-NETZWERKEN
Name des Anmelders: Togewa Holding AG
Name des Einsprechenden: Swisscom (Schweiz) AG
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 10. März 2011, mit der das Europäische Patent EP 1 749 367 auf Grund mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83, 100b EPÜ), mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56, 100a EPÜ) sowie Erweiterung des Schutzbereichs (Artikel 123(3) EPÜ) widerrufen wurde.

Dabei wurde die Entscheidung im wesentlichen auf die folgenden Entgegenhaltungen gestützt:

D1: WO 2004/017565 A1 und

D9: WO 03/047164 A2.

II. Die Beschwerdeschrift der Beschwerdeführerin/Patentinhaberin - TOGEWA Holding AG ging am 6. April 2011 ein. Die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 20. Juli 2011 eingereicht. Es wurde beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags oder einem der Hilfsanträge 1 bis 5, wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt, aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdegegnerin/Einsprechende - Swisscom (Schweiz) AG beantragte die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

III. Mit Schreiben vom 13. Mai 2013 beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent in unverändertem Umfang aufrechtzuerhalten (Hauptantrag). Weiter beantragte die Beschwerdeführerin das Patent auf Basis von einem der geänderten Hilfsanträge 1 bis 6 aufrechtzuerhalten, wobei die Hilfsanträge 1 bis geänderte Anspruchssätze betrafen und Hilfsantrag 6 darauf gerichtet war, höchst hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Außerdem überreichte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen zum Nachweis des allgemeinen Fachwissens im Hinblick auf die Offenbarung der Erfindung des Streitpatents:

StL1: GSM-Spezifikation 09.02 (Mobile Application Part (MAP) Specification: Release 1996),

StL2: GSM-Spezifikation 03.01 (network functions: Release 1998),

StL3: GSM-Spezifikation 02.09 (security aspects: Release 1997),

StL4: GSM-Spezifikation 03.20 (security related network functions: Release 1999; neu ETS 300 534),

StL5: GSM-Spezifikation 04.08 (Release 1998),

StL6: GSM-Spezifikation 05.02 (Release 1996),

StL7: Garg, Vijay K. et al.: "Principles & Applications of GSM" (Prentice Hall Communications Engineering and Emerging Technologies Series, 1997, S. 71-90 und

StL8: Heine, Gunnar: "GSM Networks: Protocols, Terminology, and Implementation" (Artech House Publishers, 1998), S. 153-165 und 228-233.

Darüber hinaus wurden weitere Argumente für eine ausreichende Offenbarung der beanspruchten Lehre des Streitpatents vorgebracht.

IV. Mit einem Bescheid vom 31. Juli 2014 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 5. November 2014 geladen, später einvernehmlich verlegt auf den 4. November 2014. In einem Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung brachte die Kammer ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck. Die Kammer gab eine vorläufige Einschätzung zur Offenbarung und zur erfinderischen Tätigkeit und zu den in der anberaumten mündlichen Verhandlung diesbezüglich zu diskutierenden Fragen. Insbesondere äußerte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung, wonach die unabhängigen Ansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 gegenüber D1 kombiniert mit D9 aus den in der Entscheidung genannten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

V. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 überreichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Hauptantrag sowie geänderte Hilfsanträge 1 bis 3 zusammen mit Argumenten im Hinblick auf deren Gewährbarkeit. Die bisherigen Anträge wurden nicht weiter aufrechterhalten.

VI. Mit Schreiben vom 3. Oktober 2014 brachte die Beschwerdegegnerin weitere Argumente gegen die Anträge der Beschwerdeführerin vom 13. Mai 2013 vor.

VII. Am 4. November 2014 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin die geltenden Hilfsanträge 2 und 3 zurücknahm.

VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Computergestütztes Verfahren für content-basiertes Billing in IP-Netzwerken, wobei ein IP-Node (20) über einen Internet Service Provider auf kostenpflichtige Inhalte von einem oder mehreren Content Providern eines Netzwerkes zugreift, wobei der IP-Node (20) auf einen Request eine auf einer SIM-Karte (201) des IP-Nodes (20) gespeicherte IMSI übermittelt und wobei die übermittelte IMSI des IP-Nodes (20) in einer Datenbank eines SIM-RADIUS-Moduls (30) gespeichert wird, dadurch gekennzeichnet,

dass mittels des SIM-Radius-Moduls (30) eine Authentifizierung und/oder Service Autorisierung des IP-Nodes (20) basierend auf der IMSI der SIM-Karte (201) des IP-Nodes (20) bei einem HLR (37) und/oder VLR (37) eines GSM-Netzwerkes durchgeführt wird und die Authentifizierung und/oder Service Autorisierung an ein Control-Gateway-Modul (22) übermittelt wird,

dass ein Zugriff des IP-Nodes (20) auf Inhalte eines Content Providers des Netzwerkes über das Control-Gateway-Modul (22) geleitet wird, und mittels des Control-Gateway-Moduls (22) basierend auf der Zieladresse des Zugriffes auf seine Kostenpflichtigkeit überprüft wird, wobei das Control-Gateway-Modul (22) basierend auf Authentifizierung des Benutzers mittels IMSI und der Kostenpflichtigkeit den Zugriff verweigert oder gewährt,

dass ein Core-Engine-Modul (59) beim Zugriff auf das Control-Gateway-Modul (22) entsprechend der vom IP-Node (20) bezogenen Leistung Call Detail Records erfasst, wobei die Call Detail Records mindestens Identität des IP-Nodes (20) und/oder Zeitdauer und/oder Anbieter der beanspruchten Leistung erfasst und an ein Billing-Modul weitergibt, und

dass die Call Detail Records und/oder auf den Call Detail Records (CDR) basierende Clearingdaten und/oder TAP-Files über ein Billingsystem (55) eines Service Providers oder eines Geldinstitutes verrechnet wird."

Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 weist zusätzlich zu den Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrages das folgende weitere Teilmerkmal auf:

"dass das Core-Engine-Moudle [sic] (59) eine Core-Engine-Datenbank mit einer Liste mit Leistungen und zugehörigen Preisen umfasst, wobei mittels des Core-Engine-Moduls (59) basierend auf der Authentifizierung des Benutzers mittels der IMSI dem Benutzer Preisinformationen zu angeforderten Leistungen angezeigt werden und nach entsprechender Benutzerbestätigung der Zugang zur Leistung gewährt oder gesperrt wird,".

IX. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags, oder hilfsweise auf der Grundlage des Hilfsantrags 1, beide Anträge eingereicht mit Schreiben vom 1. Oktober 2014.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

X. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit der Beschwerde

1. Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung wurden wirksam und fristgerecht eingereicht. Die Beschwerdegebühr wurde ebenfalls fristgerecht entrichtet (siehe Sachverhalt und Anträge, Punkt II). Die Beschwerde ist daher zulässig.

Hauptantrag

Zulässigkeit des Hauptantrags

2. Die Kammer folgt dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf Nichtzulassung dieses Antrags nicht. Die Änderungen in den unabhängigen Ansprüchen 1 und 10 stellen einen ernsthaften Versuch dar, die von der Kammer im Anhang zum Ladungsbescheid aufgezeigten Einwände unter Artikel 83 EPÜ zu überwinden, und die Änderungen stehen in enger Anlehnung an den bereits im Verfahren befindlichen bisherigen Hilfsantrag 1. Damit können die geänderten Ansprüche entgegen den Argumenten der Beschwerdegegnerin weder als überraschend noch als prima facie erfolglos angesehen werden.

Dieser Antrag wird daher gemäß Artikel 13(1) VOBK in das Verfahren zugelassen.

Zulässigkeit der Änderungen des unabhängigen Anspruchs 1 - Artikel 123(2) EPÜ

3. Die Kammer sieht die Änderungen in den Ansprüchen 1 und 10 dieses Antrags als ursprünglich offenbart an gemäß Artikel 123(2) EPÜ (siehe Seite 23, letzter Absatz und Seite 24, erster Absatz der Beschreibung wie eingereicht).

Darin wird offenbart:

"Das Control-Gateway-Modul 22 erkennt jeden Zugriff eines Benutzers auf Premium Content, also auf eine kostenpflichtige Leistung eines Content Providers. Das Control-Gateway-Modul 22 arbeitet wie eine Gatway oder Kontrollinstanz für den Zugriff auf den Premium Content und verweigert oder gewährt Zugriff auf die Leistungen der Content Provider. Die Web- Anfragen eines Benutzers bzw. eines IP-Nodes 20 werden hierfür an das Control-Gateway-Modul 22 geleitet, anstatt sie direkt zum Content Provider zu richten. Eingehende Anfragen werden vom Control-Gateway-Modul 22 anhand der Zieladresse (URL) auf ihre "Kostenpflichtigkeit" überprüft. Bevor der Zugriff erlaubt wird, stellt das Control-Gateway-Modul 22 die Identität des Benutzers wie oben beschreiben mittels IMSI und RADIUS-Server fest." (Hervorhebungen hinzugefügt).

Damit ist das hinzugefügte Teilmerkmal "wobei das Control-Gateway-Modul (22) basierend auf Authentifizierung des Benutzers mittels IMSI und der Kostenpflichtigkeit den Zugriff verweigert oder gewährt" gestützt.

Neuheit und erfinderische Tätigkeit - Artikel 100a mit 54(2) und 56 EPÜ

4. Die Beschwerdeführerin argumentierte im wesentlichen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auf IMSI-basiertes Billing gerichtet sei (vgl. Abschnitt B in der Eingabe vom 13. Mai 2013, v.a. letzter Absatz). Bereits die erteilten unabhängigen Ansprüche seien derart auszulegen. Dabei sei das Merkmal, wonach zu Zugriffskontrolle und Billing eine zuvor authentisierte IMSI verwendet wird und diese damit auf der IMSI beruhen, in keinem der angezogenen Dokumente zum Stand der Technik offenbart oder nahegelegt, ebenso wenig wie eine dateninhaltsbasierte Zugriffskontrolle.

5. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im wesentlichen, dass die Unterscheidungsmerkmale von Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung von D1 lediglich auf nicht-technischem Gebiet lägen und daher für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unbeachtlich seien.

6. Die Kammer stimmt der angefochtenen Entscheidung zu, dass D1 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden kann, und alle technischen Merkmale von Anspruch 1 mit Ausnahme des Teilmerkmals, wonach auf Inhalte mittels des Control-Gateway-Moduls basierend auf der Zieladresse des Zugriffs auf Kostenpflichtigkeit überprüft wird, offenbart (vgl. Punkte 19.1 und 19.2 der angefochtenen Entscheidung).

So offenbart D1 ein computergestütztes Verfahren für content basiertes (siehe D1, Seite 11, Zeile 9) Billing (siehe D1, Anspruch 1, Seite 30, Zeilen 3-4) in IP-Netzwerken (siehe D1, Anspruch 1, Seite 30, Zeile 4), wobei ein IP-Node über einen Internet Service Provider auf kostenpflichtige Inhalte von einem oder mehreren Content Providern eines Netzwerkes zugreift (siehe D1, Anspruch 1, Seite 30, Zeilen 5-7), wobei der IP-Node auf einen Request eine auf einer SIM-Karte des IP-Nodes gespeicherte IMSI übermittelt (siehe D1, Anspruch 1, Seite 30, Zeilen 9-11) und wobei die übermittelte IMSI des IP-Nodes in einer Datenbank eines SIM-RADIUS-Moduls gespeichert wird (siehe D1, Anspruch 1, Seite 30, Zeilen 11-13), das dadurch gekennzeichnet ist,

dass mittels des SIM-Radius-Moduls eine Authentifizierung und/oder Service Autorisierung des IP-Nodes basierend auf der IMSI der SIM-Karte des IP-Nodes bei einem HLR und/oder VLR eines GSM-Netzwerkes durchgeführt wird (siehe D1, Anspruch 1, Seite 30, Zeilen 17-20)und an ein Control-Gateway-Modul übermittelt wird (siehe D1, Seite 23, Zeilen 15-19; das Gontrol-Gateway-Modul ist eine Funktionalität im Access Server),

dass ein Zugriff des IP-Nodes auf Inhalte eines Content Providers des Netzwerkes über das Control-Gateway-Modul geleitet wird (siehe D1, Seite 24, Zeilen 4-19),

dass ein Core-Engine-Modul beim Zugriff auf das Control-Gateway-Modul entsprechend der vom IP-Node bezogenen Leistung Call Detail Records erfasst (siehe D1, Anspruch 1, Seite 30, Zeilen 27-31), wobei die Call Detail Records mindestens Identität des IP-Nodes (siehe D1, Seite 27, Zeilen 13-14)und/oder Zeitdauer und/oder Anbieter der beanspruchten Leistung erfasst (siehe D1, Seite 28, Zeilen 18-21) und an ein Billing-Modul weitergibt (siehe D1, Seite 28, Zeilen 21-22), und

dass die Call Detail Records und/oder auf den Call Detail Records basierende Clearingdaten und/oder TAP-Files über ein Billingsystem eines Service Providers oder eines Geldinstitutes verrechnet wird (siehe D1, Anspruch 1, Seite 31, Zeilen 1-10).

Insbesondere offenbart D1, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht nur eine Überprüfung auf kostenpflichtige Inhalte, sondern auch den folgenden Schritt der Gewährung eines Zugriffs (vgl. D1, Seite 24, Zeilen 6 bis 10 "Dies erlaubt dem Mobilfunknetzdienstanbieter 38 basierend auf der Authentifizierung mittels der IMSI benutzerspezifische Service Autorisierung zur Benutzung unterschiedlicher Dienste zu erteilen und/oder benutzerspezifisches Billing der beanspruchten Leistung durchzuführen" - Hervorhebung hinzugefügt).

6.1 Dabei stimmt die Kammer der angefochtenen Entscheidung zu, dass die zugrundegelegte Offenbarung in D1 ausführbar ist und nicht dadurch eingeschränkt wird, dass relevante Passagen in D1 in einem anderen Einspruchsverfahren als nicht ausführbar angesehen wurden. Vielmehr wurde die Ausführbarkeit einiger Teilaspekte mit Relevanz für den geltenden Anspruch 1 in den Beschwerdesachen T1544/09 und T1065/10 mittlerweile anerkannt.

6.2 In Anwendung des Grundsatzes der fotographischen Neuheit stimmt die Kammer zu, dass auch nicht-technische Merkmale einen die Neuheit begründenden Unterschied darstellen können. Entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin begründet das oben genannte Unterscheidungsmerkmal für den Gegenstand von Anspruch 1 somit unabhängig von seinem technischen Charakter die Neuheit (Artikel 54(2) EPÜ) gegenüber D1.

6.3 Im übrigen misst die Kammer dem genannten Unterscheidungsmerkmal einen technischen Effekt bei, indem die Zieladresse des Zugriffs als Kriterium herangezogen wird und eine Analyse dieser Zieladresse erfolgen muss.

6.4 Dem Unterscheidungsmerkmal von Anspruch 1 gegenüber D1, wonach auf Inhalte mittels des Control-Gateway-Moduls basierend auf der Zieladresse des Zugriffs auf Kostenpflichtigkeit überprüft wird, liegt ein technischer Effekt zugrunde, nämlich vor dem Zugriff kostenpflichtige Inhalte von kostenlosen zu unterscheiden. Daraus ergibt sich die objektive technische Aufgabe, Inhalte vor dem Zugriff zu unterscheiden. Dies geht, entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin, über eine rein kommerzielle Aufgabenstellung hinaus.

6.5 D1 gibt bereits die Anregung für das Verrechnen von Value Added Services (VAS), wie z. B. das sog. Billing for Content (vgl. D1, Seite 11, Zeilen 8 und 9). Insbesondere verweist D1 auf das aus dem Stand der Technik bekannte TAP3 Verfahren, welches nicht nur für Billing zwischen GSM-Dienstanbietern, sondern auch mit Nicht-GSM-Dienstanbietern verwendet werden kann (siehe D1, Seite 10, Zeile 25 ff.). Darüber hinaus schlägt D1 auch vor, basierend auf der Authentifizierung mittels der IMSI benutzerspezifische Service Autorisierung zur Benutzung unterschiedlicher Dienste zu erteilen und/oder benutzerspezifisches Billing der beanspruchten Leistung durchzuführen (vgl. oben D1, Seite 24, Zeilen 6 bis 10).

6.6 Dabei stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu, dass anders als von der Beschwerdeführerin mehrfach dargestellt (vgl. Seite 9, zweiter Absatz des Schreibens vom 1. Oktober 2014), der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf eine dateninhalts-spezifische Vergebührung beschränkt ist. Vielmehr erfordert der Wortlaut des Anspruch 1 lediglich einen Zugriff auf Inhalte eines Content Providers. Zum Zweck der Vergebührung werden Identität des IP-Nodes (20) und/oder Zeitdauer und/oder Anbieter der beanspruchten Leistung erfasst. Es wird nicht näher spezifiziert, dass einzelne Inhalte unterschieden werden.

6.7 Der Fachmann, der von D1 ausgeht, wird auf dieser Grundlage zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe auch die weitere Druckschrift D9 in Betracht ziehen.

D9 offenbart Maßnahmen zur Kontrolle von Diensten in mobilen Packetdaten-Netzwerken (siehe Titel), wobei über einen HTTP-Zugriff Inhalte angefragt werden. Anhand der URL der Zieladresse wird ermittelt, ob diese einem premium content provider zugeordnet ist. In diesem Fall wird ein entsprechender Vergebührungs­mechanismus aufgerufen, auf dessen Grundlage der Zugriff erfolgt (vgl. D9, Seite 11, Zeile 30ff "During a browsing session the GPRS user accesses a known premium content site for example, providing ringtones or graphic images to subscribers. The PN detects a change of context when it recognises that a HTTP operation is invoked on a URL that represents a known premium content site. With the change in context, the PN selects a new charging mechanism appropriate to the new context. A new charging mechanism appropriate for pre-paid subscribers accessing a premium content site requests authorisation for access to the premium content site").

Dies erfolgt nach D9 über einen Packet Node PN, der einen GGSN (Gateway GPRS Support Node) emuliert (vgl. D9, Zusammenfassung) mit der APN (Access Point Name) als Adresse.

Auch D1 offenbart im Zusammenhang mit dem benutzer­spezifischen Billing der beanspruchten Leistung die Verwendung von GGSN über ein GRX-Modul (siehe D1, Seite 24, Zeilen 6 bis 19, insbesondere Zeile 16). Explizit wird in D1 darauf hingewiesen, dass zu Vergebührungszwecken IP-Knoten in einem WLAN mit einem GSM-Netz verbunden werden können, insbesondere GGSN (vgl. D1, Seite 24, Zeilen 14 bis 19). Die Kammer erkennt keine technischen Hürden, welche der Fachmann bei einer diesbezüglichen Kombination der Lehren von D1 und D9 zu überwinden hätte und die eine erfinderische Tätigkeit erfordern würden. Der Fachmann würde daher ohne weiteres eine Kombination der technischen Lehren von D1 und D9 auf der Grundlage von GGSN in Betracht ziehen.

6.8 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher durch eine Kombination der Lehren aus D1 und D9 nahegelegt (Artikel 56 EPÜ).

7. Somit erfüllt der Hauptantrag nicht die Erfordernisse der Artikel 100a und 52(1) EPÜ für den unabhängigen Anspruch 1.

Hilfsantrag 1

8. Anspruch 1 dieses Antrags weist gegenüber dem Hauptantrag das oben unter Punkt VIII genannte weitere Teilmerkmal auf.

Zulässigkeit des Hilfsantrags 1

9. Die Kammer folgt dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf Nichtzulassung dieses Antrags. Die Änderungen im unabhängigen Anspruch 1 betreffen erstmals und in einem sehr späten Stadium des Beschwerdeverfahrens einen Gegenstand, der aus der Beschreibung eingeführt wurde. Dieses hinzugefügte Teilmerkmal war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Beschwerdeverfahrens und auch nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

Auch folgt die Kammer dem Argument der Beschwerdeführerin nicht, wonach die Änderung in Reaktion auf einen Einwand in dem Anhang zur Ladung erfolgt sei (mit Verweis auf Punkt 10.11 auf Seite 14 des Ladungsbescheids). Vielmehr hat die Kammer in dieser Passage lediglich die vorläufige Auffassung geäußert, wonach sie die Einschätzung in Punkt 20.5 der angefochtenen Entscheidung teilt. Damit bestand für die Beschwerdeführerin im Sinne eines vollständigen Sachvortrags gemäß Artikel 12(2) VOBK mit dem Begin des Beschwerdeverfahrens die Notwendigkeit auf diesen Punkt zu reagieren und nicht erst in Antwort auf den Ladungsbescheid und damit nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung. Auch dadurch wird das verspätete Vorbringen mit den geänderten Ansprüchen 1 und 10 dieses Antrags nicht gerechtfertigt.

Dieser Antrag wird daher gemäß Artikel 13(1) und (3) VOBK als verspätet nicht in das Verfahren zugelassen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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