European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T080711.20120622 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Juni 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0807/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07009570.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61P 3/00 A61P 3/10 A23J 3/16 A23J 3/08 A23L 1/305 A61P 3/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verwendung eines Proteinkonzentrates | ||||||||
Name des Anmelders: | Trouillé, André | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.09 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausnahmen von der Patentierbarkeit - medizinische Behandlung (bejaht) Klarheit der Ansprüche (verneint) Ausreichende Offenbarung (verneint) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die von Herrn André Trouillé am 12. Mai 2007 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 07009570.8 wurde mit Entscheidung vom 26. November 2010 zurückgewiesen.
II. Der Entscheidung lagen die mit Schreiben vom 5. Februar 2010 eingereichten Ansprüche 1-3 zugrunde, wobei Anspruch 1 (einziger unabhängiger Anspruch) wie folgt lautete:
"1. Anwendung eines proteinreiches [sic] Nahrungsmittelkonzentrates mit einem auf das Gesamtgewicht bezogenen Eiweißanteil von mindestens 50%, welcher zu mindestens 40% als freie Aminosäuren vorliegt, hergestellt aus einem Gemisch aus Soja mit einem Proteinanteil von 60 bis 95%, und Milch, wobei das Gemisch mit Lecithin in einer auf die Gesamtmenge bezogenen Menge von 2 bis 4%, imprägniert und dann in das so imprägnierte proteinreiche Proteinkonzentrat Honig mit einem auf die Gesamtmenge bezogenen Anteil von 10 bis 40 [sic] eingerührt ist, welcher flüssig ist und in sehr feinem Strahl aus mehreren Düsen zugegeben wird, wobei eine Temperatur von 60ºC nicht überschritten wird und das Proteinkonzentrat nach dem Einrühren mehrere Stunden stehen gelassen wird, bis zum Erreichen eines Feuchtigkeitsgehalts von 1 bis 8%, als diätetisches Lebensmittel zur Behandlung von Stoffwechselstörungen."
III. In der Zurückweisungsentscheidung wurde von der Prüfungsabteilung u. a. folgende Auffassung vertreten:
Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ seien nicht erfüllt, da das essenzielle Merkmal "Nahrungsmittelkonzentrat" nicht ausreichend offenbart sei. So fehlten beispielsweise relevante Informationen zur Qualität und Menge der im Nahrungsmittelkonzentrat enthaltenen Soja- und Milchproteine. Ferner offenbare die Anmeldung nicht, wie der Fachmann zum anspruchsgemäßen Nahrungsmittelkonzentrat gelangen könne. Insbesondere müsse der Fachmann, der eine bestimmte Stoffwechselstörung behandeln möchte, mehrere Parameter, wie beispielsweise die Qualität und Menge an Soja- und Milchprotein, den Wassergehalt, den pH-Wert sowie die Menge an zugesetztem Honig durchprobieren.
Ferner mangele es dem Gegenstand des Anspruchs 1 an Neuheit gegenüber D1 (DE 198 02 675 A1) sowie an erfinderischer Tätigkeit gegenüber D3 (US 2003/0113390 A1).
IV. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer (Anmelder) am 14. Dezember 2010 Beschwerde ein und entrichtete die vorgeschriebene Gebühr am selben Tag. Die Beschwerdebegründung erfolgte am 19. März 2011.
Der Beschwerdebegründung lagen die mit Schreiben vom 5. Februar 2010 eingereichten und von der Prüfungsabteilung für nicht gewährbar erachteten Ansprüche 1-3 zu Grunde (siehe Punkt II).
V. Vom Beschwerdeführer wurden u. a. folgende Argumente vorgebracht:
Die dem Anspruch 1 zu Grunde liegende Erfindung sei ausreichend offenbart. So seien hinsichtlich der Mengen der einzelnen Bestandteile Bereiche von Prozentzahlen im Anspruch genannt, aus denen der Fachmann auswählen könne, um zum gewünschten Nahrungsmittelkonzentrat zu gelangen. Es bereite auch keinen besonderen Aufwand, die exakten Bestandteile des Nahrungsmittelkonzentrates in Übereinstimmung mit diesen Bereichsangaben festzulegen.
Ferner seien auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt. So sei durch die Streichung von Alternativen und fakultativen Merkmalen der Gegenstand des neuen Anspruchs 1 klar herausgearbeitet worden. Ferner sei durch Streichung des Merkmals "Erkrankungen, die mit Stoffwechselstörungen assoziiert sind" mögliche Zweifel bezüglich der Anwendung des in Anspruch 1 definierten Nahrungsmittelkonzentrates ausgeräumt. Das gemäß Anspruch 1 vorgesehene Nahrungsmittelkonzentrat sei durch eine product-by-process Definition beschrieben und bei Befolgung der anspruchsgemäßen Herstellungsvorschrift könne der Fachmann alle für die anspruchsgemäße Behandlung von Stoffwechselstörungen geeigneten Nahrungsmittelkonzentrate erhalten.
Der Anspruchsgegenstand sei neu gegenüber D1, da dieses Dokument zwar ein Nahrungsmittelkonzentrat gemäß der Definition des neuen Anspruchs 1 beschreibe, jedoch nicht dessen Anwendung als diätetisches Lebensmittel zur Behandlung von Stoffwechselstörungen.
Schließlich sei der Anspruchsgegenstand auch erfinderisch gegenüber D3. Diesem Dokument könne bestenfalls entnommen werden, dass ein vom anspruchsgemäßen Nahrungsmittelkonzentrat verschiedenes Nahrungsmittelkonzentrat für die Behandlung von Stoffwechselstörungen zu verwenden sei. Der Fachmann könne hieraus jedoch nicht entnehmen, dass er auch mit der in Anspruch 1 definierten Nahrungsmittelzusammensetzung Stoffwechselstörungen behandeln könne.
VI. Mit der Ladung vom 31. Januar 2012 wurde die vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt. Es wurde ausgeführt, dass Anspruch 1 auf eine therapeutische Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers abstelle und der Anspruchsgegenstand somit gemäß Artikel 53 c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 84 verletzte, da insbesondere nicht deutlich sei, welche Strahlabmessungen durch den Ausdruck "in sehr feinem Strahl" und welche Zahl an Düsen durch die Formulierung "mehrere Düsen" in Anspruch 1 abgedeckt werden sollen. Schließlich wurde ausgeführt, dass die dem Anspruch 1 zu Grunde liegende Erfindung auch die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfülle. So sei anspruchsgemäß die Behandlung jeglicher Stoffwechselstörungen abgedeckt, während die Anmeldung lediglich Hinweise auf die Eignung des anspruchsgemäßen Nahrungsmittelkonzentrates für ganz bestimmte Stoffwechselstörungen, nämlich der Diabetes und der Hyperlipidämie, enthalte. Entsprechend läge ein Offenbarungsmangel hinsichtlich der Behandlung weiterer von diesen Krankheiten verschiedenen Stoffwechselstörungen vor.
VII. Mit Schreiben vom 31. Mai 2012 teilte der Beschwerdeführer mit, dass "der Anmelder die Anmeldung nicht weiterverfolgen möchte" und die mündliche Verhandlung daher nicht wahrnehmen werde. Argumente hinsichtlich der vorläufigen Auffassung der Kammer wurden nicht vorgebracht.
VIII. Am 22. Juni 2012 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Wie angekündigt war der Beschwerdeführer nicht anwesend.
IX. Der Beschwerdeführer beantragte im schriftlichen Verfahren (s. Schreiben vom 18. März 2011), die Zurückweisung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der mit Schreiben vom 5. Februar 2010 eingereichten Patentansprüche 1-3 und der mit demselben Schreiben eingereichten geänderten Beschreibungsseite 2 sowie der mit Schreiben vom 13. Mai 2009 eingereichten geänderten Beschreibungsseiten 1 und 1a zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Erfordernisse des Artikels 53 c) EPÜ
Anspruch 1 enthält die Formulierung "Anwendung eines proteinreiches [sic] Nahrungsmittelkonzentrates...als diätetisches Lebensmittel zur Behandlung von Stoffwechselstörungen."
Eine Anwendung als diätetisches Lebensmittel impliziert eine orale Einnahme durch den Menschen. Dies wird auch durch die Beschreibung der vorliegenden Anmeldung bestätigt. Insbesondere wird hier eine Studie beschrieben, in der Frauen und Männer das Nahrungsmittelkonzentrat "zu sich genommen" haben (Seite 4, Zeile 14) und entsprechend eine "Konzentrat-Gabe" erfolgt ist (Seite 7, Zeile 21).
Anspruch 1 umfasst somit unzweifelhaft die Einnahme des anspruchsgemäßen Nahrungsmittelkonzentrates vom Menschen zur Behandlung von Stoffwechselstörungen. Dies stellt eine therapeutische Behandlung des menschlichen Körpers dar. Eine solche Behandlung ist jedoch gemäß Artikel 53 c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.
3. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Es ist nicht deutlich, welche Strahlabmessungen durch den Ausdruck "in sehr feinem Strahl" in Anspruch 1 abgedeckt werden sollen. Es ist ferner nicht deutlich, welche Zahl an Düsen durch die Formulierung "mehreren Düsen" in Anspruch 1 umfasst sein soll.
Somit erfüllt Anspruch 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
4. Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
Anspruch 1 ist auf die Anwendung eines Nahrungsmittelkonzentrates als diätetisches Lebensmittel zur Behandlung von Stoffwechselstörungen gerichtet. Der Anspruch enthält keinerlei Einschränkung hinsichtlich der Art der Stoffwechselstörungen, so dass anspruchsgemäß die Behandlung aller Stoffwechselstörungen abgedeckt ist.
Die einzigen in der Anmeldung enthaltenen experimentellen Daten beziehen sich jedoch ausschließlich auf die Behandlung von Diabetes mellitus (Seite 4, Zeile 10-27) und Hyperlipidämie (Seite 5, Zeile 1 bis Seite 7, Zeile 20). Es existieren eine Vielzahl weiterer, von Diabetes mellitus oder Hyperlipidämie völlig verschiedener Stoffwechselstörungen, wie beispielsweise die Porphyrie (eine Stoffwechselerkrankung, bei der der Blutfarbstoff Häm nicht in ausreichenden Mengen produziert wird), die Alkaptonurie (eine Störung des Tyrosinstoffwechsels), die Methylmalonazidurie (eine Stoffwechselerkrankung, bei der bestimmte Amino- und Fettsäuren nicht vollständig abgebaut werden), die Cystinurie (eine Stoffwechselerkrankung, bei der Cystein und andere Aminosäuren nicht aus dem Primärharn resorbiert werden können), oder die Sphingolipidose (eine Stoffwechselerkrankung, bei der es zu einer pathologischen intrazellulären Akkumulation von nicht weiter abbaubaren Sphingolipiden kommt).
Aussagen, geschweige denn experimentelle Daten zur Behandlung solcher weiteren Stoffwechselstörungen sind in der Anmeldung nicht enthalten. Diese Stoffwechselstörungen unterscheiden sich jedoch teilweise erheblich von der in der Anmeldung behandelten Diabetes und Hyperlipidämie, beispielsweise hinsichtlich der Art des betroffenen Stoffwechselproduktes oder dem Mechanismus, durch den eine Störung hervorgerufen wird.
Aus der Tatsache, dass das anspruchsgemäße Nahrungsmittelkonzentrat zur Behandlung von Diabetes mellitus und Hyperlipidämie geeignet ist, kann daher nicht geschlossen werden, dass auch eine Eignung hinsichtlich weiterer, von diesen beiden Erkrankungen völlig verschiedenen Stoffwechselstörungen vorliegt. Es ist daher nicht glaubhaft, dass Anspruch 1 hinsichtlich dieser weiteren, vom Anspruch umfassten Stoffwechselstörungen, und damit in seiner gesamten Breite, ausführbar ist. Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ sind daher nicht erfüllt.
5. Bei dieser Sachlage brauchen die übrigen Erfordernisse des EPÜ, insbesondere der Artikel 123(2), 54 und 56 EPÜ nicht geprüft zu werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.