European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T075811.20150219 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Februar 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0758/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04009744.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | G06F 1/20 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kühlung eines Computerbauteils | ||||||||
Name des Anmelders: | Fujitsu Technology Solutions Intellectual Property GmbH |
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Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, verkündet in der mündlichen Verhandlung am 25. November 2010 und zugestellt mit Schreiben vom 6. Dezember 2010, mit der die europäische Patentanmeldung 04 009 744.6 zurückgewiesen wurde. Die Entscheidung stützt sich auf das Dokument
D1: US 6 407 916 B1
und kommt zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sowie erstem und zweitem Hilfsantrag gegenüber D1 nicht neu ist, Artikel 54 EPÜ, und dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß dem dritten Hilfsantrag gegenüber D1 im Lichte des allgemeinen Fachwissens nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ.
II. Beschwerde gegen die Entscheidung wurde am 1. Februar 2011 eingelegt und die Beschwerdegebühr wurde am selben Tag entrichtet. Die Beschwerdebegründung ging am 24. März 2011 ein. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis eines der erstinstanzlich zurückgewiesenen Anträge.
III. Mit einer Ladung zur mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung mit. Sie stellte fest, dass sie zwar den Neuheitseinwand gegenüber D1 nicht teile, gleichzeitig aber Zweifel daran habe, ob der beanspruchte Gegenstand gegenüber einem anderen Dokument aus dem Europäischen Recherchenbericht, nämlich:
D3: US 5 959 837
eine erfinderische Tätigkeit aufweise. Darüber hinaus erhob sie Einwände unter Artikel 84 EPÜ 1973 und Artikel 123(2) EPÜ gegen alle Anträge.
IV. Mit Schreiben vom 19. Januar 2015 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche gemäß einem vierten und fünften Hilfsantrag ein.
V. In der mündlichen Verhandlung formulierte die Beschwerdeführerin einen neuen Antrag auf Basis neuer Ansprüche sowie neuer Beschreibungsseiten. Da sie dabei vom anhängigen fünften Hilfsantrags ausging, ist dieser neue Antrag als "5. Hilfsantrag" bezeichnet. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis dieses mit "5. Hilfsantrag" bezeichneten Antrags zu erteilen, also mit den folgenden Unterlagen:
Ansprüche, Nr.
1-5 eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Beschreibung, Seiten
1-5 eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Zeichnungen, Abbildungen
1-4 wie ursprünglich eingereicht
VI. Dieser Antrag weist einen einzigen unabhängigen Anspruch auf, Anspruch 1, der wie folgt lautet:
"Vorrichtung zur Kühlung eines hitzeentwickelnden Bauteils im Gehäuse (7) eines Computers,
- wobei ein erster Kühlkörper (1) auf dem hitzeentwickelnden Bauteil angeordnet ist und
- ein zweiter Kühlkörper (2) mit dem ersten Kühlkörper (1) über mindestens ein Wärmerohr (3) verbunden ist,
dadurch gekennzeichnet, daß
- der zweite Kühlkörper (2) in einem Kühlluftschacht (4) eingebettet ist,
- der innerhalb des Gehäuses (7) an einer Lufteinlaßöffnung und einer Luftauslaßöffnung des Gehäuses (7) angeordnet ist und
- im Kühlluftschacht (4) ein Ventilator (6) vorgesehen ist, durch den die Strömung im Kühlluftschacht (4) angeregt wird,
- der erste Kühlkörper (1) innerhalb des Gehäuses (7) und außerhalb des Kühlluftschachts (4) angeordnet ist, so dass durch den Kühlluftschacht (4) kühlere Außenluft getrennt von der wärmeren Innenluft strömt und somit der zweite Kühlkörper (2) von kühlerer Außenluft umgeben ist."
Entscheidungsgründe
Die Erfindung
1. Die Anmeldung geht von der Beobachtung aus, dass im Stand der Technik die mit steigender Rechenleistung ständig zunehmende Abwärme von Computerbauteilen mit mehr Lüftern oder größeren Kühlkörpern begegnet wird, die eine höhere Geräuschentwicklung und/oder Raummangel im Computergehäuse als Folge haben.
1.1 Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, dem gestiegenen Bedarf an Kühlung hitzeentwickelnder Computerbauteile gerecht zu werden, ohne dabei zusätzliche Geräuschentwicklung zu verursachen (S. 2, Abs. 2).
1.2 Als Lösung schlägt die Anmeldung vor, einen ersten Kühlkörper (Abb. 3, Nr. 1), der auf dem hitzeentwickelnden Bauteil angeordnet ist, über ein Wärmerohr (ibid., Nr. 3) mit einem zweiten Kühlkörper (ibid., Nr. 2) zu verbinden und diesen in einen gehäuseinternen "Kühlluftschacht" einzubetten (ibid., Nr. 4). Dieser Kühlluftschacht solle von kühlerer Außenluft durchgeströmt und von der Innenluft des Gehäuses getrennt sein (S. 3, Abs. 2 und S. 5, Abs. 2). Zusätzlich ist ein Ventilator (Abb. 3, Nr. 6) im Kühlluftschacht vorgesehen, um dessen Kühlleistung zu erhöhen (S. 3, Abs. 3 und S. 5, Abs. 2, letzter Satz).
Zulässigkeit des geänderten Vorbringens
2. Der Änderungen des vorliegenden Antrags sind im Bemühen der Beschwerdeführerin begründet, die Einwände der Kammer auszuräumen, die sie im Ladungszusatz und in der mündlichen Verhandlung unter Artikel 84 EPÜ 1973 und 123 (2) EPÜ erhoben hat. Insbesondere sollten sie den Mangel beheben, dass die Ansprüche nicht die wesentlichen strukturellen Eigenschaften des Kühlluftschachts beanspruchen (vgl. Ladung, Punkt 6). Die Änderungen selbst sind nicht komplex und konnten daher von der Kammer ohne unangemessene Verzögerungen im Laufe der mündlichen Verhandlungen behandelt werden. Die Kammer übte daher ihr Ermessen unter Artikel 13 (1) VOBK dahingehend aus, den geänderten Antrag zuzulassen.
Ursprüngliche Offenbarung, Artikel 123(2) EPÜ
3. Im Ladungszusatz erhob die Kammer einen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen das Merkmal, demgemäß "der Kühlluftschacht derart ausgebildet ist, dass nach dem Umströmen des zweiten Kühlkörpers die Außenluft nach Außen abströmt". Die vorliegenden Ansprüche enthalten dieses Merkmal nicht mehr.
4. Der geänderte Anspruch 1 stützt sich auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 5 und 7 in Verbindung mit Abbildung 3 sowie auf die ursprüngliche Beschreibung Seiten 3 (Zeilen 8-15) und 5 (Zeilen 1-3 und 13-18). Die abhängigen Ansprüche 2-5 sind im Wesentlichen wortgleich mit den ursprünglichen Ansprüchen 2-4 und 8. Gegen die vorliegende Fassung der Patentansprüche bestehen daher keine Bedenken im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ.
Klarheit, Artikel 84 EPÜ 1973
5. Im Ladungszusatz bemängelte die Kammer, dass das Merkmal, demgemäß "der zweite Kühlkörper von der Außenluft umströmt ist", unklar sei, da der Anspruch keine strukturellen Merkmale des Kühlschachts aufwiese, denen diese Wirkung zugeschrieben werden müsse. Der vorliegende Anspruch 1 beschreibt den Kühlluftschacht als eigenen Baukörper, der "innerhalb des Gehäuses [...] angeordnet ist" und dessen Innenraum vom übrigen Gehäuse unterschieden werden kann. Darüber hinaus legt der Anspruch fest, dass in dem Kühlluftschacht Außenluft mittels eines Ventilators von einer Lufteinlassöffnung zu einer Luftauslassöffnung des Gehäuses transportiert wird. Aus dem Anspruchswortlaut geht somit klar hervor, wie der Kühlluftschacht sicherstellt, dass der zweite Kühlkörper von kühlerer Außenluft umströmt und dieser von der wärmeren Innenluft getrennt wird. Damit sind die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 erfüllt.
Stand der Technik
6. D1 offenbart eine Kühlvorrichtung in einem Computergehäuse (Sp. 1, Zn. 5-9), in der eine wärmeleitende Komponente (s. Abb. 1, Nr. 108) mit einem hitzeentwickelnden Bauteil verbunden ist (Sp. 2, Zn. 14-16) und über mindestens ein Wärmerohr ("heat pipe 106") mit einem Kühlkörper ("heat sink 104") in einem Laufwerksschacht (Nr. 101, 102, 103) verbunden ist (Sp. 2, Zn. 10-14). D1 stellt fest (s. Sp. 3, Zn. 45-48), dass die Luft nicht nur nach vorne aus dem Gehäuse ausgeblasen werden kann, sondern alternativ auch ins Gehäuse hinein oder hinten aus dem Gehäuse hinaus: "Although the arrows included in Figs. 1 and 2 indicate that air is forced (or convected) out of the front of the chassis, alternative designs could exhaust air into the chassis, or out the back of the chassis".
7. D3 offenbart eine Kühlungsvorrichtung in einem Computergehäuse (Sp. 2, Zn. 14-16), in der ein erster Kühlkörper ("radiating seat 1") auf einem hitzeentwickelnden Bauteil angeordnet (Sp. 2, Zn. 18-26) und über mindestens ein Wärmerohr ("thermal pipes 22") mit einem zweiten Kühlkörper ("radiating member 2") verbunden ist (Sp. 2, Zn. 26-44). Der zweite Kühlkörper ist in der Nähe von Lüftungsöffnungen ("ventilation openings") im Gehäuse montiert (Sp. 2, Z. 45-48). Durch einen Ventilator ("cooling fan 3") an dem zweiten Kühlkörper kann die Kühlleistung der Vorrichtung verbessert werden (Sp. 2, Z. 54-56 und Sp. 3, Z. 89).
Neuheit, Artikel 54 EPÜ 1973
8. Die angefochtene Entscheidung ging in ihrer Analyse von D1 aus und identifizierte dabei nach dem Verständnis der Kammer den anspruchsgemäßen ersten Kühlkörper mit der wärmeleitenden Komponente ("thermally conductive component") 108 (vgl. Abb. 1 sowie Sp. 2, Zn. 13-18) Laut D1 (Sp. 3, Zn. 11-13) handelt es sich bei dieser Komponente jedoch lediglich um einen Aluminiumblock, den nach der Ansicht der Kammer der Fachmann im Bereich Computerkühlung nicht als einen Kühlkörper ansehen würde. Ein Kühlkörper müsste eine zum Beispiel mittels Rippen oder Lamellen vergrößerte, wärmeabgebende Oberfläche aufweisen.
9. Die Kammer kann ferner der angefochtenen Entscheidung nicht darin zustimmen, dass D1 eine Ausführungsform offenbare, dergemäß die Luft über den Kühlkörper an der Vorderseite des Gehäuses eingezogen und an der Rückseite ausgeblasen werde und dass zu diesem Zweck die Kühlluft nach dem Umströmen des zweiten Kühlkörpers zwangsläufig durch ein Rohr oder einen Schacht zur Rückseite geführt werden müsse (vgl. Entscheidungsgründe 11.4, Punkt (c) und letzter Absatz).
9.1 Die Analyse der Entscheidung stützt sich auf einen einzelnen Satz aus D1 (vgl. Punkt 6 oben), in dem auf alternative Ausführungsformen hingewiesen wird. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass der Fachmann diesem Satz lediglich die alternativen Lehren entnimmt, dass der Ventilator 50, der in den Zeichnungen als ein Auslassventilator dargestellt ist, auch als ein Einlassventilator konfiguriert werden kann, und dass der Kühlkörper 104 inklusive des Ventilators 50 auch an der Gehäuserückseite angebracht sein könnten. In beiden Fällen ist ein Rohr oder Schacht zur Luftführung nicht notwendig, geschweige denn zwangsläufig.
10. Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber D1, Artikel 54 EPÜ 1973.
Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ 1973
11. Angesichts insbesondere des fehlenden ersten Kühlkörpers in D1 betrachtet die Kammer das Dokument D3 als einen besseren Ausgangspunkt für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit.
11.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von D3 insbesondere darin, dass der zweite Kühlkörper in einem Kühlluftschacht eingebettet ist, der innerhalb des Gehäuses als eigene bauliche Komponente ausgeführt ist. Da D3 keinen solchen Kühlluftschacht aufweist, ist Anspruch 1 von D3 auch durch die weiteren strukturellen Merkmale des Kühlluftschachts unterschieden, die nämlich festlegen, dass dieser zwischen einer Lufteinlassöffnung und einer Luftauslassöffnung des Gehäuses angeordnet ist, und dass sich darin ein Ventilator befindet, der die Luftströmung anregt.
11.2 Die Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 haben die Wirkung, dass die geringere Temperatur der Außenluft zur Kühlung des zweiten Kühlkörpers genutzt wird. Die durch Anspruch 1 gegenüber D3 zu lösende objektive Aufgabe besteht demnach darin, die Kühlwirkung der Kühlvorrichtung zu steigern.
11.3 D3 offenbart zur Verbesserung der Kühlleistung die Befestigung eines Ventilators am zweiten Kühlkörper (Sp. 2, Zn. 49-56). Um die Kühlleistung weiter zu erhöhen, läge es beispielsweise nahe, einen größeren und leistungsfähigeren Ventilator zu verwenden. D1 offenbart in einer vergleichbaren Situation, den äußeren ("zweiten") Kühlkörper in einem ventilierten Laufwerksschacht unterzubringen, um die Kühlung zu verbessern. Auch die Anwendung dieser Lehre auf die Kühlvorrichtung aus D3 würde jedoch nach Ansicht der Kammer nicht zu einem Kühlluftschacht führen, der wie beansprucht einen Luftstrom von einer Lufteinlassöffnung zu einer Luftauslassöffnung des Gehäuses zur Kühlung des zweiten Kühlkörpers erzeugt. Auch im oben diskutieren Hinweis auf alternative Ausführungsformen in D1 kann die Kammer keinen Hinweis auf die beanspruchte Ausführung des Kühlluftschachts erkennen, wie auch nicht im übrigen vorliegenden Stand der Technik.
11.4 Die Kammer ist daher der Ansicht, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 nicht in naheliegender Weise aus D3 ergibt, weder im Lichte von D1 noch des übrigen vorliegenden Standes der Technik.
11.5 Es sei angemerkt, dass die Kammer auch nicht zu einem anderen Ergebnis kommt, wenn sie wie die angefochtene Entscheidung von D1 ausgeht, insbesondere da sie der Ansicht ist, dass die beanspruchte Ausformung des Kühlluftschachts in D1 weder offenbart noch durch D1 nahegelegt ist.
11.6 Daher kommt die Kammer zum Ergebnis, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973 beruht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen, mit der Anordnung ein europäisches Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Ansprüche 1-5, Beschreibung Seiten 1-5, jeweils eingereicht mit der Bezeichnung "5. Hilfsantrag" am 19. Februar 2015,
Zeichnungen Fig. 1-4, wie ursprünglich eingereicht.