T 0648/11 () of 30.3.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T064811.20120330
Datum der Entscheidung: 30 März 2012
Aktenzeichen: T 0648/11
Anmeldenummer: 07013337.6
IPC-Klasse: B60D 1/54
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schwenkbare Anhängevorrichtung für Zugfahrzeuge
Name des Anmelders: AL-KO Kober AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen und Klarheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat am 21. Dezember 2010 gegen die am 21. Oktober 2010 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung 07013337.6 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 28. Februar 2011 eingegangen.

II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des im schriftlichen Verfahren geänderten Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ).

III. Folgende Dokumente sind im Recherchebericht als Stand der Technik zitiert:

D1: EP 1 650 059 A

D2: EP 1 541 385 A

D3: WO 2005/110781 A

D4: DE 20 2006 008461 U1

D5: EP 1 380 447 A

IV. Mit der Beschwerdebegründung legte die Beschwerdeführerin Hilfsanträge I bis IV vor, ersetzte diese jedoch in Reaktion auf die in der Mitteilung der Kammer vom 18. Januar 2012 geäußerte vorläufige Auffassung durch Hilfsanträge I bis VI, eingereicht mit Schreiben vom 29. Februar 2012.

V. Am 30. März 2012 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 27 gemäß Hauptantrag eingereicht während der mündlichen Verhandlung, der Seiten 1 bis 20 der Beschreibung eingereicht während der mündlichen Verhandlung sowie der Figuren wie ursprünglich eingereicht. Alle übrigen Anträge, einschließlich des Antrags auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr, wurden zurückgenommen.

VI. Anspruch 1 gemäß dem vorliegenden einzigen Antrag lautet wie folgt:

"Anhängevorrichtung für Zugfahrzeuge, bestehend aus einer Zugstange (11), die nur um zwei rotatorische Achsen (24,40) beweglich an einem Gestell (4) der Anhängevorrichtung (1) gelagert ist und aus einem mechanischen Antrieb (16) zur Bewegung der Zugstange (11) zwischen einer Betriebsstellung (2) und einer Ruhestellung (3), wobei der Antrieb (16) einen Antriebsmotor (17) und eine Einrichtung (19) zur Erzeugung einer zumindest bereichsweise überlagerten Rotationsbewegung der Zugstange (11) um beide Achsen (24,40) aufweist, wobei der Antriebsmotor (17) am Gestell (4) angeordnet und befestigt ist,

wobei die Einrichtung (19) einen Schwenkkörper (22) aufweist, der mit einem Schwenklager (23) schwenkbar am Gestell (4) gelagert ist und in dem die Zugstange (11) drehbar gelagert (39) ist,

wobei die Einrichtung (19) ein die Schwenkachse (24) und die Drehachse (40) koppelndes Getriebe (20) aufweist, wobei die Drehbewegung der Zugstange (11) um die Drehachse (40) von der Schwenkbewegung der Zugstange (11) oder des Schwenkkörpers (22) abgeleitet ist und

wobei der Antriebsmotor (17) auf ein erstes Getriebeteil (21) einwirkt, welches als Schwenkgetriebe ausgebildet ist und ein mit dem Antriebsmotor (17) verbundenes Abtriebselement (18), vorzugsweise ein Ritzel, und ein damit im Eingriff stehendes und mit dem Schwenkkörper (22) drehschlüssig verbundenes Treibelement (30), insbesondere ein Stirnverzahntes Zahnrad, aufweist."

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, insofern es für die vorliegende Entscheidung relevant ist, lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Anspruch 1 des vorliegenden einzigen Antrags beruhe im Wesentlichen auf einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 4, 9 und 11. Weitere Änderungen dienten zur Abgrenzung vom druckschriftlichen Stand der Technik sowie zur Klarstellung des beanspruchten Gegenstandes und seien in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbart.

Anspruch 1 verlange nun, dass die Zugstange nur um zwei rotatorische Achsen beweglich an einem Gestell der Anhängevorrichtung gelagert sei. In D1 hingegen verschiebe ein Antriebsmotor eine am gehäuseseitigen Kugelstangenende 4 angreifende Verstellstange 7 und schwenke dabei das die Kugelstange aufnehmende Gehäuse 5 bereits um mehrere Achsen, je nachdem ob der fest am Gestell befestigte Bolzen 20 oder der Bolzen 21 über eine Steuerscheibe 13a relativ zum Gehäuse 5 blockiert sei. Zwischenzeitlich seien auch beide Bolzen 20, 21 relativ zum Gehäuse 5 fixiert, so dass ein Verschieben der Verstellstange 7 eine zusätzliche Drehbewegung der Kugelstange um eine durch das Kugelstangenende 4 laufende Drehachse bewirke, indem ein Zahnkranz 29a am Kugelstangenende 4 auf einer im Gehäuse 5 angeordneten Zahnstange 30 abwälze. Außerdem werde in D1 das Gehäuse mit Kugelstange beim Übergang in die Ruhestellung noch angehoben. Das Gehäuse 5 könne als Teil zur Überlagerung zweier Bewegungen aufgefasst werden. Die in D1 gezeigte Drehbewegung werde allerdings erzeugt durch eine Schiebebewegung des Kugelstangenendes 4 relativ zum Gehäuse 5 und nicht durch eine Schwenkbewegung, wobei das Kugelstangenende 4 von einer Manschette 8 umschlossen werde und sich ein an der Manschette 8 vorgesehener und in eine Schiebeführung 19 des Gehäuses hineinragender Bolzen 28 relativ zum Gehäuse 5 bewege. Das in D1 gezeigte Getriebe koppele also eine Schiebebewegung relativ zum Gehäuse 5 mit einer die Drehbewegung verursachenden Abwälzbewegung, sei also kein Getriebe, welches wie in Anspruch 1 definiert die Schwenkachse und die Drehachse koppele. Außerdem zeige D1 kein Treibelement, welches drehschlüssig mit dem Schwenkkörper verbunden sei.

Bei der in D2 gezeigten Anhängevorrichtung sei der Antriebsmotor nicht ortsfest am Gestell angebracht, sondern schwenke während der Schwenkbewegung mit. Es sei zudem fraglich, ob D2 eine zumindest bereichsweise überlagerte Rotationsbewegung um beide Achsen zeige. Schließlich zeige die Druckschrift D2 eine Schubbewegung eines Gleitklotzes 3, in dem die Zugstange drehbar gelagert sei und der entlang eines abgewinkelten Bodenbleches 4 geschoben werde, also kein Getriebe, welches die Schwenkachse und die Drehachse koppele.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ) und Klarheit (Artikel 84 EPÜ 1973)

Anspruch 1 kombiniert die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 4, 9 und 11, wobei bei nachfolgendem Bezug auf die "Einrichtung (19) zur Erzeugung einer zumindest bereichsweise überlagerten Rotationsbewegung" (siehe ursprüngliche Ansprüche 2 und 4) zur Vermeidung von Wortwiederholungen auf die Angabe des Verwendungszweckes ("zur Erzeugung einer zumindest bereichsweise überlagerten Rotationsbewegung") verzichtet wurde. Da der vorliegende Anspruch 1 nur eine einzige Einrichtung definiert, ist der spätere Bezug auf die zuvor definierte "eine Einrichtung" unter Verwendung des bestimmten Artikels ("wobei die Einrichtung …") klar und umfasst auch keine nicht ursprünglich offenbarte Merkmalskombination.

Darüber hinaus wurde der vorliegende Anspruch 1 gegenüber den ursprünglich eingereichten Ansprüchen noch dahingehend geändert, dass

i) der Ausdruck "Zugstange (11), die um mindestens zwei rotatorische Achsen (24, 40) beweglich an einem Gestell (4) der Anhängevorrichtung (1) gelagert ist" ersetzt wurde durch "Zugstange (11), die nur um zwei rotatorische Achsen (24, 40) beweglich an einem Gestell (4) der Anhängevorrichtung (1) gelagert ist";

ii) der Ausdruck "Antriebsmotor (17) relativ ortsfest am Gestell (4) angeordnet" ersetzt wurde durch "Antriebsmotor (17) am Gestell (4) angeordnet und befestigt";

iii) das aus dem ursprünglichen Anspruch 2 stammende Merkmal "einen schwenkbar am Gestell (4) gelagerten (23) Schwenkkörper (22) aufweist" ersetzt wurde durch "einen Schwenkkörper (22) aufweist, der mit einem Schwenklager (23) schwenkbar am Gestell (4) gelagert ist".

Die Grundlage für die Änderung i) ist in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auf Seite 5, Zeilen 18 bis 25 zu finden, wonach auf translatorische oder weitere Zusatzachsen für die Zugstangenbewegung neben den zwei als Dreh- und Schwenkachse ausgebildeten rotatorischen Achsen verzichtet werden kann.

Mit der Änderung ii) wird der unklare und doppeldeutige Ausdruck "relativ ortsfest" klargestellt, basierend auf Seite 7, Zeilen 17 bis 21 der ursprünglich eingereichten Beschreibung. Dort wird gesagt, dass der Antriebsmotor an einer Gestellwand befestigt werden kann. Dies steht auch in Einklang mit der Variante der Anhängevorrichtung gemäß der Figur 15 und Seite 16 der ursprünglich eingereichten Beschreibung.

Die ergänzende Definition der Lagerung des Schwenkkörpers am Gestell gemäß Änderung iii) "mit einem Schwenklager" basiert auf Seite 8, Zeilen 6 bis 10 bzw. auch auf Anspruch 5 wie ursprünglich eingereicht. Zudem wird damit auch der Zuordnung des Bezugszeichens (23) zu einem explizit definierten Vorrichtungsmerkmal klargestellt.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 14 basieren auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 5 bis 8 sowie 12 bis 20. Daran schließt sich ein neu formulierter Anspruch 15 an, der eine Verriegelungsvorrichtung mit einer Drehsicherung für die Verriegelung der Zugstange in der ausgefahrenen Betriebsstellung definiert, wie aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung Seite 2, Zeilen 13 bis 18 sowie Seite 13, Zeilen 29 bis 32 hervorgeht. Die abhängigen Ansprüche 16 und 17 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 24 und 28. Der folgende Anspruch 18 definiert eine mehrteilige Verriegelungsvorrichtung mit einem Kugelanschlag am Gestell, wie auf Seite 7, Zeile 28 bis Seite 8, Zeile 1 der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart. Die abhängigen Ansprüche 19 bis 27 basieren auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 25 bis 27, 29 bis 32, 34 bis 35. Die Rückbezüge der abhängigen Ansprüche auf vorhergehende Ansprüche wurden gegebenenfalls angepasst, falls unter Verwendung des bestimmten Artikels Bezug genommen wurde auf nicht bereits in Anspruch 1 definierte Merkmale. Schließlich wurde in Anspruch 12 ergänzend klargestellt, auf welches der beiden in Anspruch 11 definierten Getriebeelemente Bezug genommen wird (durch Hinzufügen der Angabe "an der Zugstange"), wobei die beanspruchte federnde Abstützung (45) des Getriebeelements (41) an der Zugstange beispielsweise aus Figur 6 hervorgeht.

Die Beschreibung wurde an die neue Anspruchsfassung angepasst, wobei insbesondere (siehe Seiten 2, 6 und 18) die nun beanspruchte rein zweiachsige Bewegung der Zugstange um rotatorische Achsen unter Verzicht auf translatorische Achsen oder auf weitere Zusatzachsen berücksichtigt wurde. Gleichzeitig wurde Dokument D1 als nächstliegender Stand der Technik ausführlich gewürdigt, da Anspruch 1 in der einteiligen Form vorliegt.

Damit ist die europäische Patentanmeldung gemäß Artikel 123 (2) EPÜ nicht in der Weise geändert, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, und erfüllt die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973)

3.1 Anspruch 1 definiert eine Anhängevorrichtung mit einer Zugstange, die nur um zwei rotatorische Achsen beweglich an einem Gestell der Anhängevorrichtung gelagert ist. Damit ist der Gegenstand von Anspruch 1 eingeschränkt auf Anhängevorrichtungen mit Zugstangen, die bezüglich eines Gestells der Anhängevorrichtung durch entsprechende Lagerung nur zwei rotatorische Freiheitsgrade der Bewegung aufweisen.

In der Druckschrift D1 ist die als Kugelstange 3 bezeichnete Zugstange in einem das Kupplungsgehäuse 5 einschachtelnden Schutzgehäuse 14 drehbar gelagert. Das Kupplungsgehäuse 5 ist wiederum über Bogenschlitze 22 beweglich gelagert gegenüber einem fahrzeugfesten Antriebsgehäuse 11, an dem als Bewegungsfolgerstifte 20 bzw. 21 bezeichnete Bolzen befestigt sind. Die komplexe Bewegungskinematik der Zugstange D1 wird gesteuert über Steuerscheiben 13a und 13b am Kupplungsgehäuse 5, welche eine Schwenkbewegung des Kupplungsgehäuses relativ zum Fahrzeug um jeweils einen der Bolzen 20 oder 21 freigeben oder blockieren, wobei bei Verriegelung beider Bolzen eine zusätzliche Drehbewegung der Kugelstange 3 eingeleitet wird. Diese Drehbewegung wird hervorgerufen durch eine translatorische Schiebebewegung der Kugelstange 3 relativ zum Kupplungsgehäuse 5, wobei an einer Manschette 8 am Kugelstangenende 4 vorgesehene Bewegungsfolgerstifte 28 sich in Führungsschlitzen 19 des Kupplungsgehäuses 5 bewegen und infolge dieser Schiebebewegung Zahnkranzabschnitte 29a, 29b am Kugelstangenende 4 auf entsprechenden Zahnstangen 30 an der Innenseite des Kupplungsgehäuses abwälzen, was zu einer überlagerten Drehbewegung der Kugelstange führt. Gegenüber der fahrzeugfesten Befestigung besitzt die Kugel- bzw. Zugstange aus D1 also zwei rotatorische Freiheitsgrade durch Schwenken des Kupplungsgehäuses 5 um jeweils einen der beiden Bolzen 20 bzw. 21, einen translatorischen Freiheitsgrad durch Verschiebung der Kugelstange innerhalb des Kupplungsgehäuses sowie einen dritten rotatorischen Freiheitsgrad der innerhalb des Kupplungsgehäuses 5 drehbaren Kugelstange 3. Fasst man die fahrzeugfeste Befestigung aus D1 als Gestell der Anhängevorrichtung auf, so ist die Zugstange aus D1 also mit drei rotatorischen Freiheitsgraden und einem translatorischen Freiheitsgrad gelagert, also nicht wie beansprucht nur um zwei rotatorische Achsen beweglich gelagert. Selbst wenn man als Gestell der Anhängevorrichtung das Kupplungsgehäuse 5 auffassen sollte, so wird die Zugstange aus D1 bei ihrer Drehbewegung innerhalb des Kupplungsgehäuses gleichzeitig translatorisch verschoben, weist also ebenfalls nicht die gemäß Anspruch 1 definierte eingeschränkt bewegliche Lagerung um nur zwei rotatorische Achsen auf.

Die Druckschrift D2 zeigt eine als Kugelarm 1 bezeichnete Zugstange, welche in einem Gleitklotz 3 drehbar um die Achse des Kugelarmendes gelagert ist. Der Gleitklotz 3 wird quer zur Fahrzeuglängsachse auf einem abgewinkelten Bodenblech 4 translatorisch verschoben, wobei beim Übergang vom waagerechten zum schrägen Teil des Bodenbleches 4 der Gleitklotz 3 und damit auch die Zugstange um eine horizontale Drehachse 14 schwenkt. Zusätzlich ist die Vorschubeinheit 15, 16, 17 des Gleitkotzes 3 in einem ortsfesten Schwenklager 18 mit horizontaler Achse gelagert, so dass bei Bewegung entlang des schrägen Teils des Bodenbleches 4 eine zusätzliche Schwenkbewegung bezüglich des Schwenklagers 18 erfolgt, wobei auch der Antriebsmotor 17 mit schwenkt. Damit ist auch der Druckschrift D2 keine auf nur zwei rotatorische Achsen eingeschränkte bewegliche Lagerung der Zugstange am Gestell der Anhängevorrichtung zu entnehmen.

3.2 Anspruch 1 setzt zudem eine Einrichtung zur Erzeugung einer zumindest bereichsweise überlagerten Rotationsbewegung der Zugstange um beide Achsen voraus, wobei neben dieser Zweckbestimmung die Einrichtung noch weiter definiert ist dadurch, dass "die Einrichtung ein die Schwenkachse und die Drehachse koppelndes Getriebe aufweist, wobei die Drehbewegung der Zugstange um die Drehachse von der Schwenkbewegung der Zugstange oder des Schwenkkörpers abgeleitet ist". Wie bereits im vorigen Abschnitt ausgeführt, wird in D1 die Drehbewegung der Zugstange über ein Getriebe aus einer Schiebebewegung und gerade nicht aus einer Schwenkbewegung der Zugstange abgeleitet, und D2 zeigt eine aus der Verschiebung eines Gleitklotzes abgeleitete Drehbewegung der Zugstange und kein Getriebe im beanspruchten Sinne.

3.3 Der übrige im Recherchenbericht zitierte Stand der Technik D3 bis D5 kommt dem Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 nicht näher als der vorstehend abgehandelte. Es erübrigt sich daher, näher hierauf einzugehen.

3.4 Der Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass der von der Anmelderin in der Beschreibungseinleitung zitierte Stand der Technik einen Antriebsmotor zeigt, der bei der Schwenkbewegung der Zugstange mitbewegt wird, also nicht wie beansprucht am Gestell der Anhängevorrichtung befestigt ist. Dies gilt im Übrigen auch für den Antriebsmotor aus D2, der um das Schwenklager 18 schwenkt.

3.5 Da wie vorstehend ausgeführt aus dem bekannten Stand der Technik keine Anhängevorrichtung für Zugfahrzeuge mit allen Merkmalen von Anspruch 1 hervorgeht, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu (Artikel 54 EPÜ 1973).

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

4.1 Das Dokument D1 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar und offenbart eine Anhängevorrichtung für Zugfahrzeuge, bestehend aus einer Zugstange (3), die beweglich an einem Gestell (11) der Anhängevorrichtung gelagert ist und aus einem mechanischen Antrieb (6, 7) zur Bewegung der Zugstange (3) zwischen einer Betriebsstellung (Figuren 1 bis 3) und einer Ruhestellung (Figuren 4 und 5), wobei der Antrieb (6, 7) einen Antriebsmotor (6) und eine Einrichtung (5, 13a, 13b, 20, 21, 22, 7, 8, 29a, 29b, 30) zur Erzeugung einer Rotationsbewegung der Zugstange (3)aufweist, wobei der Antriebsmotor (6) am Gestell (11) angeordnet und befestigt ist, wobei die Einrichtung einen Schwenkkörper (5) aufweist, der mit einem Schwenklager (20, 21) schwenkbar am Gestell (11) gelagert ist und in dem die Zugstange (3) drehbar gelagert (36) ist, wobei die Einrichtung ein Getriebe (29a, 29b, 30) aufweist.

4.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Gegenstand des Dokuments D1 schon allein dadurch, dass

- die Zugstange nur um zwei rotatorische Achsen beweglich am Gestell der Anhängevorrichtung gelagert ist,

- die Einrichtung geeignet ist zur Erzeugung einer zumindest bereichsweise überlagerten Rotationsbewegung um beide Achsen und das Getriebe die Schwenkachse und die Drehachse koppelt, wobei die Drehbewegung der Zugstange um die Drehachse von der Schwenkbewegung der Zugstange oder des Schwenkkörpers abgeleitet ist.

4.3 Die beanspruchte Lagerung der Zugstange am Gestell "nur um zwei rotatorische Achsen beweglich" schließt eine translatorische Verschiebung wie in D1 oder D2 gezeigt aus, welche in diesem druckschriftlichen Stand der Technik eine Drehbewegung der Zugstange um die durch das Zugstangenende gehende Achse hervorruft. Anspruchsgemäß wird diese Drehbewegung erzielt durch eine bereichsweise überlagerte Rotationsbewegung um nur zwei Achsen mittels eines Getriebes, wobei die Drehbewegung der Zugstange um die Drehachse von der Schwenkbewegung der Zugstange oder des Schwenkkörpers abgeleitet ist. Da auf eine translatorische Schiebebewegung verzichtet werden kann, ergibt sich im Vergleich zum Stand der Technik eine platzsparende Bauweise der Anhängevorrichtung. Die Einschränkung auf nur zwei rotatorische Freiheitsgrade der Bewegung ergibt zudem eine vereinfachte Kinematik der Bewegung. Die sich ergänzenden unterscheidenden Merkmale ermöglichen damit eine platzsparende Anhängevorrichtung mit einer vereinfachten Bewegungskinematik.

4.4 Ausgehend von D1 stellt sich also die Aufgabe, eine platzsparende Anhängevorrichtung mit einer vereinfachten Kinematik zur Bewegung der Zugstange zwischen einer Betriebsstellung und einer Ruhestellung zu schaffen.

4.5 In der Druckschrift D2 wird - wie schon in D1 - die Drehbewegung der Zugstange um die Drehachse von einer translatorischen Schiebebewegung abgeleitet. Selbst wenn man den in D2 am Kupplungsarmoberteil angeordneten Stellhebel 47, der bei Bewegen des Gleitklotzes 3 entlang des abgeschrägten Teils des Bodenbleches 4 an der Gehäuserückwand 7 anliegt und damit die Drehbewegung des Kupplungsarms auslöst, als "Getriebe" auffassen sollte, welches eine "Schwenkbewegung der Zugstange" in D2 um das Schwenklager 18 mit der "Drehbewegung der Zugstange" koppelt, so würde der Fachmann diese Lehre nicht auf die ganz anders geartete Zugstangenführung aus D1 übertragen. Denn die in D2 gezeigte Führung eines die Zugstange lagernden Gleitklotzes entlang eines abgewinkelten Bodenbleches ist nicht kompatibel mit der in D1 gezeigten Bewegung einer in einem Kupplungsgehäuse gelagerten Zugstange zusammen mit dem Kupplungsgehäuse sowie relativ zu diesem Kupplungsgehäuse. Außerdem wäre der Fachmann davon abgehalten, die in D1 gezeigte Anhängevorrichtung mit am Gestell befestigtem Antriebsmotor mit Merkmalen einer Anhängevorrichtung zu kombinieren, die - wie beispielsweise in D2 gezeigt - einen mitschwenkenden Antriebsmotor aufweist; dies würde eine zusätzliche Kopplungsvorrichtung voraussetzen, um den Antriebsmotor an das vom Antriebsmotor angetriebene Bauteil anzukoppeln, was der gestellten Aufgabe einer platzsparenden und vereinfachten Anhängevorrichtung zuwiderlaufen würde. Der weitere im Recherchenbericht zitierte Stand der Technik ist mit der in D1 gezeigten Mechanik zur Zugstangenbewegung unvereinbar und liefert, selbst wenn er eine Lagerung um nur zwei rotatorische Achsen zeigen sollte, ebenfalls keinen Hinweis auf ein Getriebe, welches die Drehbewegung der Zugstange von der Schwenkbewegung der Zugstange oder des Schwenkkörpers ableitet und so eine zumindest bereichsweise überlagerte Rotationsbewegung erzeugt. Damit findet sich kein Stand der Technik, der in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 führen könnte.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

4.6 Ob die weitere Ausbildung des Zusammenwirkens von Antriebsmotor und Getriebe gemäß vorliegendem Anspruch 1 ("wobei der Antriebsmotor auf ein erstes Getriebeteil einwirkt, welches als Schwenkgetriebe ausgebildet ist und ein mit dem Antriebsmotor verbundenes Abtriebselement und ein damit im Eingriff stehendes und mit dem Schwenkkörper drehschlüssig verbundenes Treibelement aufweist") einen weiteren Unterschied gegenüber D1 darstellt oder nicht, mag dahingestellt bleiben, da bereits der vorstehend ausgemachte Unterschied eine erfinderische Tätigkeit zu begründen vermag.

4.7 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 27 betreffen vorteilhafte Weiterbildungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und beruhen damit ebenfalls auf erfinderischer Tätigkeit.

Der vorliegende Anspruch 1 und die davon abhängigen Ansprüche 2 bis 27 können deshalb als Grundlage für eine Patenterteilung dienen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 27 gemäß Hauptantrag eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

- Beschreibungsseiten 1 bis 20 eingereicht während der mündlichen Verhandlung;

- Figuren 1 bis 15 wie ursprünglich eingereicht.

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