T 0619/11 () of 12.1.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T061911.20170112
Datum der Entscheidung: 12 Januar 2017
Aktenzeichen: T 0619/11
Anmeldenummer: 02714134.0
IPC-Klasse: G07C 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR STEUERUNG VON HAUSGERÄTEN
Name des Anmelders: BSH Hausgeräte GmbH
Reitmeier, Willibald
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 02 714 134 zurück­zu­weisen wegen mangelnder erfin­de­rischer Tätig­keit (Artikel 56 EPÜ 1973) im Hinblick auf die folgenden Dokumente:

D5: EP 0 969 644 A,

D6: EP 0 990 969 A.

II. Schriftlich beantragte die Beschwerdeführerin (Anmel­derin) die Aufhebung der angefochtenen Ent­schei­dung und die Erteilung eines Patents auf der Basis der mit Schrei­ben vom 22. April 2003 einge­reich­ten Ansprüche (Hauptantrag) oder der mit Schrei­ben vom 17. Fe­bru­ar 2011 eingereichten Ansprüche (Hilfs­antrag).

In einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) RPBA teilte die Beschwerdekammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung mit, wonach Anspruch 10 des Hauptantrags und Anspruch 8 des Hilfsantrags nicht deutlich waren und der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag keine erfinderische Tätigkeit aufwies gegenüber folgendem Dokument:

D2: EP 0 910 215 A.

Die Beschwerdeführerin erklärte ihren Verzicht auf die Teilnahme an der von der Beschwerdekammer anberaumten mündlichen Verhandlung, welche somit in Abwesenheit der Beschwerdeführerin stattfand.

III. Der Wortlaut des jeweiligen unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags lautet wie folgt (Merkmalskennzeichnung "a)", "b)" und "c)" durch die Kammer):

Hauptantrag:

"1. Verfahren zur Eingabe von Steuerungsinformationen in ein Hausgerät (3), wobei eine biometrische Erkennung eines jeweiligen Anwenders anhand eines Fingerabdrucks durchgeführt wird, dadurch gekennzeichnet,

a) dass der Anwender durch die biometrische Erkennung einer von mehreren Berechtigungsebenen zugeordnet wird, und

b) dass bei fehlgeschlagener biometrischer Erkennung und/oder einer Bedienung durch einen unbekannten Anwender ein vorbestimmter minimaler Umfang von Funktionen und/oder Einstellungsmöglichkeiten freigegeben wird."

Hilfsantrag:

Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass er zusätzlich das Merkmal aufweist,

c) "dass Kindern durch biometrische Erkennung als minimales Anwenderrecht das Einschalten von Licht oder das Einschalten eines Herdes bis auf eine zum Aufwärmen vorbereiteter Speisen geeigneten Temperatur von ca. 50° bis 60°C eingeräumt wird."

IV. Die Beschwerdeführerin reichte keine Erwiderung auf die von der Beschwerdekammer erhobenen Einwände bezüglich fehlender Deutlichkeit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber Dokument D2 ein, so dass der für die Entscheidung relevante Vortrag der Beschwerde­führerin wie folgt zusammen­gefasst werden kann:

Dokument D5 offenbare, dass jeder Nutzer des Mobil­telefons sein eigenes Nutzerprofil habe. Dabei handele es sich aber nicht um eine Zuordnung einer von mehreren Berechtigungsebenen. Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich daher von dem aus Dokument D5 bekannten durch den Gegenstand der Merkmale a) und b). Eine solche Nutzung eines Mobiltelefons werde dem Fachmann durch das Dokument D5 nicht nahegelegt.

Keines der im Prüfungsverfahren genannten Dokumente offenbare den Gegenstand des Merkmals c). Damit sei der gemäß Hilfsantrag definierte Erfindungsgegenstand dem Fachmann auch nicht nahegelegt worden.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Erfinderische Tätigkeit

1.1.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die Prüfungsabteilung war der Ansicht, dass ­das Merk­mal, dass der Anwender durch die biometrische Erkennung einer von mehreren Be­rech­ti­gungs­­ebenen zugeordnet werde, in Kombination mit den Merkmalen der Präambel des Anspruchs 1 des Hauptantrags aus Dokument D5 bekannt sei (Entscheidung, Punkt 2).

Eine solche Zuordnung ist in Dokument D5 jedoch ledig­lich als Modi­fizierung des wichtigsten Beispiels der Erfindung des Dokuments D5, nämlich eines ­Mobil­tele­fons, beschrieben (D5, Absatz [0033]). Dort wird be­schrieben, dass ver­schiedenen Benutzern des Telefons verschiedene Be­nutzer­profile zugeordnet werden, z. B. um zu verhin­dern, dass Kinder bestimmte Anrufe aus­führen können.

Im Absatz [0040] des Dokuments D5 wird zwar beschrie­ben, dass die Erfindung auch in anderen elektronischen Geräten als Mobiltelefonen verwendet werden kann, z. B. in Haushalts­geräten. Es kann aber nicht als offenbart angesehen werden, dass die Haushaltsgeräte die oben erwähnte Modifizierung enthalten, zumal der beschrie­bene Zweck von verschiedenen Benutzerprofilen, nämlich dass Kinder bestimmte Anrufe nicht ausführen können, bei Haushaltsgeräten nicht relevant ist.

Somit offenbart Dokument D5 nicht die oben erwähnte Kombination von Merkmalen.

Dagegen offenbart Dokument D2 einen Gegenstand, der zum gleichen Zweck entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung, nämlich um ein Verfahren zur Eingabe von Steuerungsinformationen in ein Hausgerät bereitzu­stellen, und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat (siehe unten). Dokument D2 wird daher als der nächstliegende Stand der Technik angesehen.

1.1.2 Unterschiedsmerkmale

Dokument D2 offenbart (Absätze [0001] und [0017]-[0020]; Fig. 1 und 2; Ansprüche 1 und 6) eine Vor­richtung zur Frei­gabe­programmierung für ein Gerät der Unterhaltungs­elektronik. Insbesondere wird ein Fernseh­gerät 1 mit einem Fernsehempfangsteil 10, einem Bild­schirm 2, einem Ein/Ausschalter 3 und einer Vor­richtung 13 zur Freigabe­programmierung offenbart. Die Freigabe­vorrichtung 13 enthält eine Steuer­ein­richtung 6, einen Speicher 5 sowie eine Verriegelungseinrichtung 7.

Um Kindern und Jugendlichen einen vernünftigen Umgang mit dem Medium Fernsehen zu ermöglichen, können Zeiten definiert werden, während deren für die verschiedenen Nutzer der Fernseher für den täglichen TV-Konsum zur Verfügung gestellt werden soll. Auch ist die Eingabe bestimmter freigegebener Programme möglich. Auf diese Weise wird der Fernseher so programmiert, dass die Nutzer ein Nutzungsrecht für das Fernsehgerät lediglich im Rahmen der definierten Freigabe erhalten. Zur Identifizierung der Nutzer ist es möglich, dass in der Ein/Ausschalt­ein­rich­tung 3 eine Einrichtung zur Detektion des Finger­abdrucks des jeweiligen Nutzers vorgesehen ist.

Als weiteres Ausführungsbeispiel wird ein ent­sprechendes Zusatzgerät 13 zum Anschluss an ein Fernsehgerät, einen Video­recorder, einen CD-Spieler, einen Computer oder ein Kombinationsgerät derartiger Einzelgeräte offenbart. Dabei können auch die frei­gegebene Signalquellen definiert werden. Somit ist der Betrieb der Signalquellen im Rahmen der programmierten Vorgaben möglich.

Folglich offenbart Dokument D2 - im Wortlaut des Anspruchs 1 des Hauptantrags - ein Verfahren zur Eingabe von Steuerungsinformationen in ein Hausgerät (Fernsehgerät, Videorecorder, CD-Spieler und Computer umfassendes Kombinationsgerät; - entsprechend wird auf Seite 8, Absatz 2 der Beschreibung der Anmeldung ein Fernsehgerät als Ausführungsbeispiel des beanspruchten Hausgerätes genannt), wobei eine biometrische Erkennung eines jeweiligen Anwenders (Nutzers) anhand eines Fingerabdrucks durchgeführt wird (mittels der Einrichtung zur Detektion des Fingerabdrucks) wobei der Anwender durch die biometrische Erkennung einer von mehreren Berechtigungsebenen zugeordnet wird (durch die Zuteilung des Zeitrahmens, der erlaubten Programme und der entsprechenden Programmquelle).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von dem aus Dokument D2 bekannten Verfahren durch das Merkmal b), nämlich dass bei fehlgeschlagener biometrischer Erkennung und/oder der Bedienung durch einen unbekannten Anwender ein vorbestimmter minimaler Umfang von Funktionen und/oder Einstellungs­möglichkeiten freigegeben wird.

1.1.3 Objektive technische Aufgabe

In der angefochtenen Entscheidung war die Prüfungs­abteilung der Ansicht, dass die objektive technische Aufgabe darin bestehe, die Möglichkeit einer Notver­wendung des Gerätes bereitzustellen (Seite 3, Absatz 4 der Entscheidung). Von der Beschwerdeführerin ist keine objektive technische Aufgabe definiert worden.

In der Beschreibung ist bezüglich des Unterschieds­merkmals b) in der Tat angegeben, dass dadurch Not­ausschaltungen von jedem Benutzer vorge­nommen werden können (Beschreibung, Seite 3, zweiter Absatz). Diese Möglichkeit ist jedoch nur beispielhaft angeführt und wird durch das Unterschiedsmerkmal auch nicht zwingend impliziert.

Die Wirkung des Unterschiedsmerkmals ist lediglich die Definition, welche Folge eine fehl­geschlagene bio­metrische Erkennung oder die Bedienung durch einen unbekannten Anwender hat. Dadurch wird das Verfahren flexibler. Es ist daher die objektive technische Aufgabe zu sein, dies zu erreichen.

1.1.4 Naheliegen

Im Dokument D2 wird lediglich die Möglichkeit beschrie­ben, dass in der Ein/Ausschalteinrichtung 3 eine Ein­richtung zur Detektion des Fingerabdrucks und damit zur Identifizierung des jeweiligen Nutzers vorgesehen ist (D2, Spalte 5, erster Absatz). Es wird jedoch nicht offenbart, welche Folgen es hat, wenn die in der Ein/Ausschalteinrichtung 3 vor­gesehene Einrichtung zur Detektion des Fingerabdrucks den Fingerabdruck des Nutzers nicht erkennt. Dass letzteres eine Möglichkeit ist, liegt auf der Hand, da unbekannte Nutzer versuchen können, das Gerät zu bedienen, oder bekannte Nutzer z. B. aufgrund von verschmutzten Sensoren unerkannt bleiben können.

Eine naheliegende Maßnahme bei Nichterkennung des Nutzers wäre es sicherlich, dass das beschriebene Kombinationsgerät der Unterhaltungs­elektronik ausgeschaltet bleibt. Dies wäre jedoch unflexibel und würde bedeuten, dass das Gerät nur von dem Kreis mit Hilfe ihrer Fingerabdrücke definierter Nutzer verwendet werden kann.

Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann in diesem Fall, d. h. bei Nichterkennung des Nutzers, auch eine Nutzung des Gerätes in Betracht ziehen, welche nicht im Widerspruch zu dem Ziel der in Dokument D2 beschrie­benen Erfindung steht. Dieses ist es, Kindern und Jugendlichen einen sinnvollen Umgang mit Geräten der Unterhaltungselektronik zu ermöglichen, insbesondere ihren TV-Konsum zu begrenzen (siehe D2, Absätze [0018] und [0022]). Der Fachmann würde somit eine Nutzung des Gerätes in Erwägung ziehen, welche in dieser Hinsicht unbedenklich ist, z. B. die Nutzung bestimmter Quellen des Kobinationsgerätes (beispielsweise dessen CD-Spieler). Somit wäre es nach Ansicht der Kammer für den Fachmann naheliegend, bei Nichterkennung des Nutzers eine in diesem Sinne beschränkte Nutzung des Gerätes zu gewähren.

Somit gelangt der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags, welcher daher keine erfinderische Tätigkeit aufweist (Artikel 52(1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973).

1.2 Klarheit

Im abhängigen Anspruch 10 des Hauptantrags, der sich auf alle vorhergehenden Ansprüche bezieht, wird definiert, dass "nach erneuter Identifizierung eines autorisierten Anwenders wieder Änderungen vorgenommen werden können".

Es werden aber lediglich im Anspruch 9 des Hauptantrags ein autorisierter Anwender und unbeabsichtigte Änderungen einer Einstellung und/oder Programmierung erwähnt. Wenn sich Anspruch 10 des Hauptantrags auf die anderen Ansprüche bezieht, ist nicht klar, welche Änderungen gemeint sind und was eine erneute Identifizierung eines autorisierten Anwenders bedeuten soll. Anspruch 10 des Hauptantrags ist daher, entgegen den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ 1973, nicht deutlich.

2. Hilfsantrag

2.1 Erfinderische Tätigkeit

2.1.1 Gemäß einer Alternative von Anspruch 1 des Hilfs­antrags wird Kindern durch bio­metrische Erkennung als minimales Anwenderrecht das Einschalten von Licht eingeräumt wird (siehe Punkt III., erste Alternative in Merkmal c)).

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich somit von Dokument D2, das aus den oben genannten Gründen wieder als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, durch die Merkmale b) und c) (siehe oben Punkt III. für deren Wortlaut).

2.1.2 Wie oben unter Punkt 1.1.2 beschrieben, werden gemäß Dokument D2 für das dort beschriebene Kombinations­gerät der Unterhaltungs­elektronik bestimmte Freigaben für Kinder definiert, z. B. bezüglich Nutzungszeiten und freigeschalteter TV-Sender oder Quellen. Die Wirkung des zusätzlichen Merkmals ist es, die Freigabe besser an die Bedürfnisse des Kindes anzupassen. Diese ist unabhängig von der oben genannten Wirkung bezüglich des ersten Unterschiedsmerkmals b). Die objektive Aufgabe ist es daher, die in Bezug auf die Merkmale b) und c) genannten Wirkungen zu erzielen.

2.1.3 Wie oben unter Punkt 1.1.4 ausgeführt wurde, gelangt der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Merkmals b). Ferner ist es für den Fachmann offen­sicht­lich, dass das aus Dokument D2 bekannte Kombi­na­tions­gerät so eingerichtet werden sollte, dass dessen Bedienung auch bei schlechten Lichtverhältnissen gut möglich ist. Da es sich von Haus aus um ein Kombina­tions­­gerät handelt, läge auch die Hinzufügung einer Lichtquelle als ein weiteres Einzelgerät für den Fach­mann auf der Hand. Somit gelangt der Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe ohne erfinderisches Zutun auch zum Gegenstand des Merkmals c).

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags weist daher keine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 52(1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973).

2.2 Klarheit

Anspruch 8 des Hilfsantrags entspricht Anspruch 10 des Hauptantrags. Der oben unter Punkt 1.2 genannte Einwand betrifft somit auch den Hilfsantrag, insbesondere Anspruch 8 des Hilfsantrags. Dieser Anspruch ist daher, entgegen den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ 1973, ebenfalls nicht deutlich.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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