T 0564/11 () of 31.5.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T056411.20120531
Datum der Entscheidung: 31 Mai 2012
Aktenzeichen: T 0564/11
Anmeldenummer: 06024531.3
IPC-Klasse: E02D 17/13
E02F 3/20
E02D 5/46
E02D 5/18
E21B 17/07
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schlitzwandfräsvorrichtung und Verfahren zum Herstellen einer Schlitzwand im Boden
Name des Anmelders: BAUER Maschinen GmbH
Name des Einsprechenden: Soilmec S.p.A.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Verspätete Einspruchsgründe (im Verfahren - nein)
Zulässigkeit verspäteter Beweismittel (teilweise verneint)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 9. Dezember 2010, zur Post gegeben am 11. Januar 2011, den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 1 752 583 gemäß Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am 3. März 2011 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 17. Mai 2011 eingegangen. Die Parteien beantragten daraufhin die beschleunigte Bearbeitung im Sinne der Mitteilung des Vizepräsidenten GD3 Abl. 1998,362 (vgl. Eingabe der Beschwerdeführerin vom 23. Dezember 2011 und der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vom 17. Januar 2012).

III. Mit Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 2. März 2012 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 31. Mai 2012 bei Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt. Im Laufe der Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin die Rücknahme ihres Hilfsantrags auf Zurückweisung der Angelegenheit an die erste Instanz, eingereicht mit Schriftsatz vom 24. April 2012.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis eines der mit Schriftsatz vom 14. März 2012 als Hilfsanträge 1 bis 3 eingereichten Anspruchssatzes.

V. Anspruch 1 wie erteilt hat folgenden Wortlaut:

"1. Schlitzwandfräsvorrichtung (1) zum Herstellen einer Schlitzwand, mit

- einer Schlitzwandfräse (10) zum Abteufen eines

Frässchlitzes, welche

-- einen Rahmen (20) und zwei Paare von

Fräsrädern (12, 12’) aufweist, welche an einem

unteren Endbereich des Rahmens (20) angeordnet

sind,

-- wobei der Querschnitt des Rahmens (20) kleiner

als der Querschnitt des Frässchlitzes (3) unter

Bildung eines Freiraumes (6) ausgebildet ist,

durch den abgeräumtes Bodenmaterial von den zwei

Paaren von Fräsrädern (12, 12’) gezielt an dem

Rahmen (20) vorbei in einen rückwärtigen Bereich

(4) des Frässchlitzes (3) förderbar ist, und

- einem Trägergerät (30), an welchem die

Schlitzwandfräse (10) im Wesentlichen vertikal

verstellbar angeordnet ist,

- wobei die Schlitzwandfräse (10) an dem Trägergerät

(30) mittels einer Linearführungseinrichtung

verschiebbar geführt ist, welche eine Führungsstange

(33) aufweist, an welcher die Schlitzwandfräse (10)

gelagert ist,

dadurch gekennzeichnet,

- dass am Trägergerät (30) ein Stellantrieb zum

vertikalen Verfahren der Führungsstange (33)

vorgesehen ist, wobei durch die Führungsstange (33)

beim Abteufen eine in Vortriebsrichtung gerichtete

Axialkraft vom Trägergerät (30) auf die

Schlitzwandfräse (33) übertragbar ist."

VI. Für die vorliegende Entscheidung wurden folgende Beweismittel herangezogen:

i) aus dem Einspruchsverfahren:

Dl: JP 08-177078 (mit Übersetzung "D1 ter" ins Deutsche);

D2: JP 7-054334 (mit Übersetzung "D2 bis"

ins Deutsche);

D3: Broschüre Bauer "Geräteprogramm-Equipment Programme", August 1998;

ii) mit der Beschwerdebegründung eingereicht:

wieder (unter anderen) D1 bis D3;

D13: JP9-273150 A (mit deutscher Übersetzung "D13 bis");

D14: JP 11-2699 13 (mit Übersetzung ins Englische und Deutsche);

D16: Sachverständigengutachten Prof. Barbanti vom 9. Mai 2011, mit deutscher Übersetzung;

D16/1 und D16/2: Videodatenträger "soilmec"; undatiert;

VII. Die Parteien haben im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

VII.1 Verspätete Einspruchsgründe und hierzu neu vorgelegte Beweismittel

a) Die Beschwerdeführerin verwies auf die Funktion der Beschwerdekammern, die zwar keine reine Tatsacheninstanz, aber auch keine reine Revisionsinstanz darstellten, und bei einem im Einspruch verspätet vorgetragenen "hochrelevanten" Einspruchsgrund jederzeit die Möglichkeit hätten, dessen prima facie Relevanz aus dem Einspruchsverfahren erneut zu überprüfen. Der Ermittlungsgrundsatz gelte in diesem Fall also auch für die Beschwerdekammern.

So sei der Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit prima facie hochgradig relevant, falls, wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung interpretiert, Anspruch 1 so auszulegen sei, dass der Transport des Bodenmaterials am Rahmen vorbei alleine durch die Fräsräder bewerkstelligt werde. Dieses Verständnis, sowie die Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach dadurch auch eine geringe Rahmenhöhe der Schlitzwandfräse impliziert sei, sei durch die ursprünglichen Anmeldung nicht gestützt, und sei zum Zeitpunkt des Einspruchs aus dem Einspruchspatent weder ersichtlich noch zu erwarten gewesen. Wegen der erst späteren Fehlinterpretation des Anspruchs 1 habe die Einspruchsabteilung ihren Ermessenspielraum für die Begründung der prima facie Relevanz des Einspruchsgrunds überschritten, und in gleichem Maße der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör verwehrt. Der Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit sei daher ins Verfahren zuzulassen. Da sich die Einspruchsabteilung sachlich und inhaltlich mit dem Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit auseinandergesetzt habe, stelle sich überdies die Frage, ob dieser de facto nicht bereits ins Verfahren eingeführt worden sei, anstatt über dessen Zulässigkeit zu entscheiden. Zur Stützung ihres Vortrags verwies die Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren zudem auf die Beweismittel D16, D16/1 und D16/2. Darüber hinaus sei die Begründung der prima facie Relevanz der unzulässigen Erweiterung des Gegenstandes des Anspruchs 1 seitens der Einspruchsabteilung nach Maßgabe falscher Kriterien angewandt worden. So sei beispielsweise das Weglassen des Merkmals "verjüngend" aus Anspruch 1 nicht auf Basis der ursprünglichen Anmeldung überprüft, sondern mittels der drei Bedingungen aus dem veralteten "Wesentlichkeitstest" gerechtfertigt worden. Darüber hinaus beschreibe der vorliegende Anspruch 1 "zwei Paare von Fräsrädern", also mit allen nur möglichen Anordnungen der Paare, was ursprünglich nicht offenbart sei, vgl. Anmeldung, Absatz [0019]. Auch ein Stellantrieb mit einer nur in Vortriebsrichtung wirkenden Kraft sei ursprünglich nicht offenbart. Der Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung sei daher prima facie ebenfalls hochrelevant und ins Verfahren zuzulassen. Im übrigen seien die beiden Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ auch nicht sorgfältig abgehandelt worden, denn die Einspruchsabteilung habe hierzu nur fünfzehn Minuten benötigt, siehe Niederschrift der Einspruchsverhandlung, Punkt 2. Ohne auf die Frage der Zulassung des ebenfalls verspäteten Einspruchsgrundes der mangelnden Neuheit einzugehen, argumentierte die Beschwerdeführerin, dass Anspruch 1 gegenüber D2 und D14 nicht neu sei.

b) Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass die Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ unstreitig verspätet seien, und die Ermessungsentscheidung, diese Einspruchsgründe nicht ins Verfahren zuzulassen, wegen nicht vorhandener Relevanz von der Einspruchsabteilung zu Recht getroffen worden sei. Ein Verstoß gegen Ermessenskriterien, insbesondere einer hinreichenden Begründung der prima facie Relevanz, liege seitens der Einspruchsabteilung nicht vor. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführerin ausreichend Zeit zum Vorbringen ihrer Einwände gegeben worden, so sei die Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ursprünglich über zwei Tage vorgesehen gewesen, die Gegenseite hatte aber am Nachmittag des ersten Verhandlungstages zum vorliegenden Teilpatent im wesentlichen auf ihr schriftliches Vorbringen verwiesen.

Die Einspruchsgründe seien also nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden. Da sie ihrerseits im vorliegenden Einspruchsbeschwerdeverfahren kein Einverständnis zur Einführung der verspätet vorgebrachten und im übrigen unbegründeten Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ gegeben habe, könnten die neuen Einspruchsgründe jetzt nicht mehr berücksichtigt werden, insbesondere auch nicht der verspätet vorgetragene Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit. Und schließlich seien die verspätet vorgebrachten Dokumente D16 für die Strömungsmechanik einer am Rahmen vorbeitransportierten Suspension nicht anwendbar, falls wider Erwarten Artikel 100 b) EPÜ doch noch im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werde.

VII.2 Zulässigkeit verspäteter Beweismittel

a) Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass durch den in D14 gezeigten Freiraum, so wie in Anspruch 1 des Patents, mittels der sich drehenden Fräsräder ein Transport des abgeräumten Bodenmaterials "von den Fräsrädern gezielt am Rahmen vorbei" zwangsläufig stattfinde. Eine Drehrichtung der Fräsräder sei auch in Anspruch 1 des Patents nicht spezifiziert. Weiters seien insbesondere in den Figuren 5, 6 und 9 der D14 Linearführungseinrichtungen in Form eines Schlittens "18" mit Führungsstange offenbart. Ein Stellantrieb sei zwar den Figuren nicht zu entnehmen, aber implizit durch die vertikale Verschiebung eines "motorischen Drehgelenks 18" mittels eines Zylinders entlang des Rahmens, sodass eine Axialkraft auf die Fräse übertragen werde, vgl. Absatz [0009] der D14 (Übersetzung). Darüber hinaus beschreibe Dokument D13 eine Schlitzwandfräse welche bereits im Prüfungsverfahren behandelt worden sei, und bei der, genau so wie in Anspruch 1 des Patents, ein gezieltes Abtransportieren des Bodenmaterials außen am Rahmen vorbei durch die Fräsräder stattfände. Die Dokumente D13 und D14 seien daher prima facie hochrelevant und somit ins Verfahren zuzulassen.

b) Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass D14 (Übersetzung) in Absatz [0017] ausdrücklich das mittige Absaugen bzw. Abpumpen des Fräsmaterials durch ein Rücklaufrohr vorschlage, und die in den Figuren der D14 gezeigten Fräsräder im Gegensatz zum Patent eben gerade nicht dem Vermengen und der Förderung des abgeräumten Bodenmaterials am Rahmen vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes dienten. So sei den Figuren 2 und 8 der D14 wegen der gezeigten Schneidzahnanordnung eine gegenläufige Drehrichtung der Fräsräder nach innen hin zu entnehmen, wohingegen der gezielte Fördereffekt in Anspruch 1 des Patents eben nur durch eine Drehrichtung der Räder nach außen hin bewerkstelligt werden könne, vgl. Patent: Absatz [0016]. Darüber hinaus sei auch aus Absatz [0009] der D14 kein Stellzylinder entnehmbar, der eine Führungsstange axial nach unten drücke. Die in den Figuren gezeigten Antriebswellen würden oberirdisch angetrieben und ermöglichten keine Linearführung der Fräse. Folglich sei D14 in Hinblick auf den Gegenstand des Anspruchs 1 irrelevant und somit nicht ins Verfahren zuzulassen. Dokument D13 sei im Einspruchsverfahren nicht aufgeführt worden und sei prima facie ebenfalls nicht relevant, da lediglich eine am Kran mittels Seil aufgehängte Fräse beschrieben sei. D13 weise daher keine in Anspruch 1 des Patents geforderte Linearführungseinrichtung, ganz zu Schweigen einen Stellantrieb für die Übertragung von Axialkräften auf die Fräse auf. Somit sei auch D13 nicht ins Verfahren zuzulassen.

VII.3 Erfinderische Tätigkeit

a) Die Beschwerdeführerin erläuterte zur Interpretation des Anspruchs 1, dass es zweifelhaft sei, ob das Merkmal "unter Bildung eines Freiraums ... durch den von den zwei Paaren von Fräsrädern gezielt an dem Rahmen vorbei ... förderbar" eine Drehrichtung der Fräsräder nach außen hin impliziere. Dies sei jedenfalls im Widerspruch zu der im Patent in Absatz [0022] angegebenen Drehrichtung nach innen hin, die offensichtlich ebenso das Abräumen von Bodenmaterial ermögliche. Die Drehrichtung der Fräsräder sei in Anspruch 1 demnach irrelevant.

Wie etwa den Figuren 4(c) und 4(d) zu entnehmen, erfolge in D1 keine Absaugung des abgeräumten Materials. Dadurch finde notwendigerweise ein Transport des abgefrästen Materials irgendwie am Rahmen vorbei mittels der Fräsräder nach oben statt, also genau so "gezielt" wie in Anspruch 1 des Patents. Darüber hinaus beschreibe D1 ein Trägergerät mit einer Linearführungseinrichtung, bestehend aus einem Schlitten "14" und einem mehrstufigen Hydraulikzylinder "15", wodurch axialer Druck nach unten mittels dieses Teleskoparms ausgeübt werde. Solch ein Teleskoparm sei durchaus in der Lage, Querkräfte aufzunehmen, erst dadurch sei in D1 ein ordnungsgemäßes Absenken der Fräse möglich. Ausgehend von D1 unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 daher lediglich durch zwei weitere Frästrommeln und der Bildung eines größeren Freiraums am Rahmen vorbei, denn der in D1 gezeigte Freiraum werde oben vom Rahmen "17" eingeengt. Falls dem Fachmann nun die Aufgabe gestellt werde, das abgeräumte Bodenmaterial leichter am Rahmen vorbeizuführen, würde er das aus D13 bekannte Förderprinzip mit offenem Rahmen übernehmen, dabei den Kettenmechanismus durch die Förderräder der D13 ersetzen, und auf diese Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Das Ersetzen des Fördermechanismus stellt keine Anforderungen an eine spezielle Modifikation der D1, denn die aus D1 bekannten Arbeitsprinzipien Abräumen, in situ Vermengen, Transportieren und Abteufen seien aus der Sicht des Fachmanns voneinander völlig unabhängige Teilaufgaben.

Außerdem würde der Fachmann, ausgehend von D1, zur Lösung der zuvor gestellten Aufgabe D2 in Betracht ziehen, denn auch in D2 erfolge ein Transport nach oben am Rahmen vorbei mittels zwei Paaren von Fräsrädern. So könnten die oberen Rührtrommeln als Fräsräder ausgebildet werden, die in diesem Fall, so wie in Anspruch 1, dem Fördern dienten: siehe D2, Absatz [0020]. Zudem könne die Kellystange "3" aus D2 die Fräse grundsätzlich starr führen und hierbei eine axiale Kraft ausüben. Anspruch 1 sei ausgehend von D1 somit durch D2 ebenfalls nahe gelegt.

Ausgehend von D2, falls D2 nun tatsächlich kein entsprechendes Trägergerät offenbare, unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nur durch den Stellantrieb für die Führungsstange, welcher beim Abteufen eine in Vortriebsrichtung ausreichende Axialkraft auf die Fräse ausübe. Der Fachmann würde, um ein schnelleres Abteufen zu bewirken, etwa in hartem Erdreich, dann D1 in Betracht ziehen, denn D1 beschäftige sich mit dem Vorschub der Fräse aufgrund der Druckkraft eines ausgefahrenen Hydraulikzylinders in das Erdreich nach unten, vgl. D1, Absatz [0010], um dadurch wieder zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

Und schließlich würde der Fachmann, ausgehend von D2 oder D13, auch Trägergeräte aus D3 in Betracht ziehen, falls etwa die in D2 gezeigte Kellystange keine ausreichende Führung bzw. Axialkraft nach unten auf die Fräse ausübe, denn das in D3 gezeigte Geräteprogramm diene sowohl Bohr- als auch Fräszwecken. So hätte der Fachmann keine Schwierigkeiten, Fräsen aus D2 oder D13 an Trägergeräte der D3 zu hängen, insbesondere seien in D3 (vgl. Seiten 4 und 5) Kellystangen zur (Linear)Führung mit Zylinder und Winde zum Vorschub vorgeschlagen. Auch im Patent seien Kellystangen als Teleskopstangen zur Führung genannt. Folglich sei Anspruch 1 durch D2 (oder D13) in Kombination mit D3 naheliegend.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Da der Verfahrensanspruch 8 die nicht gewährbare Schlitzwandfräse aus Anspruch 1 beinhalte und ansonsten keine Verfahrensmerkmale beschreibe, welche die Vorrichtung aus Anspruch 1 nicht ohnehin implizierten, sei auch Anspruch 8 nicht erfinderisch. Die übrigen im Verfahren genannten Dokumente würden zur erfinderischen Tätigkeit der Ansprüche 1 und 8 nicht mehr weiterverfolgt.

b) Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass in Anspruch 1 eine "gezielte" Förderung mittels der Fräsräderpaare durch den gebildeten Freiraum seitlich am Rahmen vorbei sehr wohl mit der Drehrichtung der Fräsräder gegenläufig nach außen korrespondiere. In Absatz [0022] des Patents sei lediglich eine reversierende Bewegung der Fräsräder, jedoch ohne Förderwirkung durch den Freiraum nach oben, beschrieben.

Die in den Figuren 1 bis 3 der D1 gezeigte Kernidee sei eine Vorrichtung, welche außer den beiden Fräsrädern zusätzlich obere Umlenkräder und Mischketten "19" vorsehe. Die sehr weit unten liegenden Fräsräder dienten nicht der Förderung, zudem sei der obere Bereich durch den Rahmen "17" abgeschlossen um den Mischraum zu schließen, ungeachtet irgendwelcher nicht dargestellter Verschlussklappen. Weiters offenbare D1 keine Linearführung, denn der gezeigte mehrstufige Hydraulikzylinder könne entlang der Dichtringe ohne Führungsschiene keine Querkräfte aufnehmen. Auch ein Stellantrieb nach Anspruch 1 sei D1 nicht entnehmbar, denn der Schlitten "14" werde nur nachgesetzt und arretiert, bevor der Hydraulikzylinder wieder erneut ausgefahren werde. In D1 verhindere der Teleskoparm durch seine Gegenkraft eine Wanderung der Fräse nach oben aufgrund der sich gegenläufig nach innen drehenden Fräsräder, siehe Absatz [0022] der D1. Ausgehend von D1 würde sich der Fachmann die Frage einer leichteren Förderung am Rahmen der D1 vorbei daher nicht stellen und vom vorteilhaften Prinzip der in D1 gelehrten Mischketten auch unter Berücksichtigung der D13 nicht abgehen, und selbst wenn, würde der Fachmann zu keiner Linearführung nach Anspruch 1 angeregt, denn D13 betreffe eine seilaufgehängte Fräse.

Auch D2 könne ausgehend von D1 insbesondere zu zwei Paaren von Fräsrädern keinerlei Hinweis liefern, denn D2 lehre über den Fräsrädern Rührtrommeln anzuordnen: der Raum über den Fräsrädern ist somit stets blockiert. Zudem verbessere die Kellystange der D2 keine seitliche Führung, und auch eine Kraftausübung nach unten sei in D2 nicht vorgesehen. Die seitliche Führung der Fräse werde mittels glatter Stirnseiten der Trommeln an den Wänden des Frässchlitzes erreicht. Somit sei jedenfalls weder eine Förderung mittels zwei Paaren von Fräsrädern am Rahmen vorbei nach oben, noch eine Linearführung der Fräse, durch D2 in Zusammenschau mit D1 nahe gelegt.

Darüber hinaus könne, wenn D2, wo ausdrücklich obere Mischtrommeln oberhalb der Fräsräder angeordnet seien, als Startpunkt angesehen werde, D1 keinen Hinweis auf eine Förderung am Rahmen vorbei durch Fräsräder geben, denn in D1 werde gelehrt, Mischketten vorzusehen und den Rahmen oben zu verbreitern.

Schließlich könnten, ausgehend von den Fräsen aus D2 oder D13, die in D3 gezeigten Bohrgeräte keine Anregung auf die in Anspruch 1 geforderte Linearführung mit Stellantrieb geben. So sei bei den Bohrgeräten betriebsbedingt am Mast ein Drehantrieb vorgesehen, und am unteren Ende der rotierenden Kellystangen ein Bohrwerkzeug. Auch bei Bohrungen werde im übrigen zunächst eine Bohrschablone am Boden zur Führung erstellt, denn der Bohrantrieb übernehme keine Führungseigenschaften. Die in D3 auf den Seiten 10 und 11 gezeigten Schlitzwandfräsen seien jedenfalls durchgehend am Seil aufgehängte Fräsen mit hohem Führungsrahmen und Pumpe zum Absaugen des Materials am unteren Ende der Fräse.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfülle daher die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit. Das Verfahren nach Anspruch 8 sei aus denselben Gründen gewährbar.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Verspätete Einspruchsgründe und hierzu vorgelegte Beweismittel

2.1 Im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin kann die ex officio Überprüfung einer prima facie Relevanz aus der Vorinstanz für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren nicht abgeleitet werden. Es ist nicht Aufgabe der Kammer zu entscheiden, ob sie das Ermessen der Erstinstanz in einer Verfahrensfrage in derselben Weise ausgeübt hätte, sondern vielmehr, ob die Erstinstanz ihr Ermessen korrekt oder etwa nach Maßgabe falscher Kriterien ausübte (siehe G 7/93; Entscheidungsgründe Punkt 2.6, Abl. EPA 1994, 775).

So stellt sich im vorliegenden Fall für die Kammer die Frage, ob die Einspruchsabteilung vorweg eine prima facie Untersuchung zur Relevanz der angeblich mangelnden Ausführbarkeit der Erfindung, bzw. der angeblich unzulässigen Erweiterung des Gegenstandes nach Anspruch 1 anstellte, um daraufhin diese verspätet vorgetragenen Einspruchsgründe ins Verfahren zuzulassen, oder eben nicht.

2.2 Die von der Beschwerdeführerin angeführte "sachliche bzw. inhaltliche" Auseinandersetzung der Einspruchsabteilung mit dem Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ (aber auch mit dem Grund nach Art. 100 c)) stellt sowohl während der mündlichen Verhandlung als auch bei der Abfassung der Entscheidung unmissverständlich eine für die Parteien (und auch für die Kammer) nachvollziehbare Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit verspäteter Einspruchsgründe dar (vgl. Punkt 2 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2010: "Die Verhandlung wurde ... sowie der Zulässigkeit der neuen Einspruchsgründe nach Art. 100(b) und (c) ... unterbrochen.", "Der Vorsitzende stellte fest, ...und die spät eingereichten neuen Einspruchsgründe nach Art. 100b) und c) EPÜ nicht relevant und somit nicht ins Verfahren zugelassen werden."; Punkt 18 der Einspruchsentscheidung: "Mit der E1 brachte die Einsprechende erstmalig den Einspruchsgrund ...", "... für den Fachmann klar ausführbar.", "Die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ sind klar erfüllt, der neue Einspruchsgrund nach Artikel 100(b) EPÜ wird daher im Verfahren nicht zugelassen."; und Punkt 19 der Einspruchsentscheidung: "Der neue Einspruchsgrund nach Artikel 100(c) wird daher im Verfahren nicht zugelassen.").

Nach Ansicht der Kammer wurde dabei insbesondere die Maßgabe der Begründung der prima facie Relevanz rechtsfehlerfrei ausgeübt, beispielsweise wurde seitens der Einspruchsabteilung erkannt, dass die Auswahl nötiger Umfangsgeschwindigkeiten und die implizit geringe Höhe des Rahmens oberhalb der fördernden Fräsräder für die Ausführbarkeit der Erfindung in Anspruch 1 entscheidend seien: siehe Punkt 18 der Einspruchsbegründung. In Bezug auf die angeblich unzulässige Erweiterung des Anspruchsgegenstandes wurde zum Beispiel das Zusammenspiel zwischen der speziellen Form des Schlitzwandfräsenrahmens und einer auf die gesamte Fräse übertragene Axialkraft erkannt: siehe Punkt 19 der Einspruchsentscheidung, zweiter Absatz.

2.3 Die Einspruchsabteilung hat nach Ansicht der Kammer ihr Ermessen daher korrekt ausgeübt, wonach die verspätet vorgetragenen Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ prima facie für nicht hinreichend relevant befunden und deshalb nicht ins Verfahren zuzulassen waren. Hierbei wurden die verspäteten Einwände der Beschwerdeführerin zur mangelnden Ausführbarkeit des Anspruchs 1 und dessen unzulässiger Erweiterung angemessen berücksichtigt und somit das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin gewahrt (vgl. Punkt 2 der Niederschrift, Punkt 18 der Einspruchsentscheidung zur Ausführbarkeit, wo auf Schriftsatz "E1" ausführlich Bezug genommen wird, nämlich auf Punkt II der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 5. November 2010 (in der Einspruchsentscheidung wurde hierzu fälschlicherweise das Datum "16.11." genannt), und Punkt 19 der Einspruchsentscheidung zur angeblich unzulässigen Erweiterung).

Ob die Gründe, die die Einspruchsabteilung zur Ausführbarkeit und angeblich unzulässigen Erweiterung selbst angeführt hat, zutreffen oder nicht, ist hier nicht zu entscheiden. Die Bedeutung des in Frage stehenden Merkmals der gezielten Förderung des abgeräumten Bodenmaterials durch die zwei Paare von Fräsrädern am Rahmen vorbei wird dabei aber für das Verständnis des Anspruchs 1 bei der Entscheidung über die erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sein (siehe Punkte 4.4, 4.5, 4.6, und 4.10 dieser Entscheidung).

2.4 Die Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ befinden sich somit nicht im Verfahren und können in diesem Fall nicht mehr neu geltend gemacht werden, da ein Einverständnis zu deren Prüfung seitens der Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin nicht vorliegt, insbesondere auch nicht zur Prüfung des verspäteten Vortrags der Beschwerdeführerin, wonach der Ausdruck "zwei Paare von Fräsrädern" in Anspruch 1 ursprünglich nicht offenbarte Anordnungen umfasse und der Stellantrieb zur Übertragung einer in Vortriebsrichtung gerichteten Kraft so nicht offenbart sei (ungeachtet der zudem sehr hohen Anforderung an die prima facie Relevanz eines neuen Einspruchsgrunds im Beschwerdeverfahren).

2.5 Schließlich liegt auch kein Einverständnis zur Zulassung des von der Beschwerdeführerin verspätet vorgetragenen neuen Einspruchsgrunds der mangelnden Neuheit des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift D2 bzw. D14 vor (siehe Eingaben der Beschwerdeführerin vom 24. April 2012, Punkt II und der Beschwerdegegnerin vom 29. Juli 2011, Punkt 1), vgl. Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 EPÜ.

2.6 Aus den vorstehenden Gründen bestand für die Kammer kein Anlass, die von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Vorbringens der angeblich mangelnden Ausführbarkeit erst mit der Beschwerdebegründung nachgereichten Beweismittel D16, D16/1 und D16/2 ins Verfahren aufzunehmen, vgl. Artikel 13 VOBK.

3. Zulässigkeit verspäteter Beweismittel

3.1 Die Kammer stimmt mit der Auffassung der Beschwerdegegnerin überein, wonach aus Absatz [0017] des Dokuments D14 (vgl. z.B. dessen deutsche Übersetzung) prima facie unmittelbar hervorgeht, dass insbesondere beim in den Figuren 1 und 5 gezeigten Ausführungsbeispiel einer Schlitzwandfräse ("Aushubvorrichtung für Schlitzwandgräben") das von den Fräsrädern abgegrabene Material stets innen an der mittigen Rücklauföffnung "68A" über das Rücklaufrohr "68" und den Rücklaufschlauch "70" mit dem schlammigen Wasser eingesogen, und auf diese Weise zur Erdoberfläche transportiert wird. Wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt, ist in D14 aufgrund der Anordnung der Schneidzähne an den jeweiligen Fräsrädern aus den Figuren 2 und 8 klar eine gegenläufige Drehrichtung zum Abtransport des abgeräumten Materials nach innen hin zu entnehmen, wohingegen in Anspruch 1 des Patents die gewünschte Förderwirkung durch eine Drehrichtung der Fräsräder nach außen hin ermöglicht wird, siehe Punkt 4.3 dieser Entscheidung zum Verständnis des Anspruchs 1. Irgendeine wie immer geartete Förderung des Materials mittels der in D14 gezeigten Fräsräder nach außen am Freiraum des Rahmens vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes gemäß Anspruch 1 des Patents ist der Vorrichtung aus D14 prima facie jedenfalls nicht zu entnehmen. Dokument D14 lehrt nach Ansicht der Kammer prima facie daher eine von Anspruch 1 des Patents völlig andersartige Funktionsweise einer Schlitzwandfräse. Ob etwa in den Ausführungsbeispielen nach Figur 5, 6 und 9 die gezeigten Antriebswellen nun tatsächlich eine verdrehsichere Linearführung nach Anspruch 1 darstellen, bzw. das in Absatz [0009] der D14 beschriebene nach oben und unten verschiebbare "motorische Drehgelenk 18" implizit einen Stellantrieb zum Übertragen einer in Vortriebsrichtung gerichteten Axialkraft auf die Schlitzwandfräse umfasst wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, oder nicht, sei hierbei dahingestellt.

Das Dokument D13 wurde im Recherchenbericht des Prüfungsverfahrens bereits zitiert, und beschreibt ein gezieltes Abtransportieren des Bodenmaterials am Rahmen vorbei nach außen mittels der Rotation der Fräsräder einer Schlitzwandfräse, also prima facie das Arbeitsprinzip der Schlitzwandfräsvorrichtung nach Anspruch 1 des Patents: siehe D13, Zusammenfassung.

3.2 Eine Zulassung des Dokuments D14 gemäß Artikel 12(4) VOBK war daher nicht gerechtfertigt, wohingegen D13 von der Kammer für prima facie relevant befunden, und in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK ins Verfahren aufgenommen wurde.

4. Erfinderische Tätigkeit

(Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ)

4.1 Die Neuheit des Anspruchs 1 in Bezug auf den im Verfahren befindlichen Stand der Technik wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten und auch die Kammer hat keinen Anlass, diese anzuzweifeln.

Verständnis des Anspruchs 1

4.2 Entsprechend dem Wortlaut des Anspruchs 1 ist den zwei Paaren von Fräsrädern neben dem Abfräsen eine Förderwirkung zugedacht, was durch die funktionelle Angabe "Freiraumes ..., durch den abgeräumtes Bodenmaterial von den zwei Paaren von Fräsrädern gezielt an dem Rahmen vorbei ... förderbar ist" nach Ansicht der Kammer im Anspruch auch unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Dieses Verständnis ist zudem von der Beschreibung gestützt: siehe Patent, Absatz [0016], Zeilen 5 bis 15, und Absatz [0034]. Ungeachtet des etwaigen Durchgangs von abgefrästem Material am Rahmen der Fräse vorbei beim Abteufen des Frässchlitzes, wird durch die in Anspruch 1 angegebene Zweckbestimmung somit stets ein deutlicher Fördereffekt mittels der Fräsräder alleine gefordert.

4.3 Die in Anspruch 1 genannte "Bildung eines Freiraumes" ermöglicht hierbei das Fördern des abgeräumten Materials "an dem Rahmen vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes", also den Durchgang von Material unter Passieren des Rahmens bis oberhalb der Schlitzwandfräse, vgl. auch Patent, Absatz [0020] und [0036]. Darüber hinaus wird in Anspruch 1 ein einfacherer Durchgang von abgeräumtem Bodenmaterial aufgrund einer "Linearführungseinrichtung an einem Trägergerät" der Fräse erreicht. So ist am Trägergerät ein Stellantrieb zum vertikalen Verfahren der Führungsstange der Linearführungseinrichtung vorgesehen, wodurch es beim Abteufen nicht mehr zwingend notwendig ist, dass sich der Rahmen der Fräse zur lateralen Führung im Kontakt mit der Wand des Frässchlitzes befindet, vgl. Patent Absatz [0025]. Wie dem Fachmann hinlänglich bekannt, weist eine Linearführungseinrichtung lediglich einen Freiheitsgrad auf (axiale Richtung) und umfasst nach Anspruch 1 daher, außer der dort explizit genannten Führungsstange zum vertikalen Verschieben der Schlitzwandfräse, auch mindestens ein Linearlager für die Führungsstange an der Schlitzwandfräsvorrichtung (implizit).

4.4 Die Frage der Ausführbarkeit der nach Anspruch 1 des Patents erforderlichen Förderwirkung der Fräsräder ist nicht Gegenstand des Verfahrens, vgl. Punkt 2.4 dieser Entscheidung. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin setzt der im Wortlaut des Anspruchs 1 geforderte "gezielte" Transport des Materials von der Unterseite des Frässchlitzes außen am Rahmen vorbei nach oben für den Fachmann voraus, dass neben entsprechenden Umfangsgeschwindigkeiten (vgl. Punkt 18 der Einspruchsentscheidung) auch die Drehrichtung der Fräsräder festgelegt wird: wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt, ist ein Fördern des abgefrästen Bodenmaterials "gezielt an dem Rahmen vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes" technisch sinnvoll mittels "den zwei Paaren von Fräsrädern" in Anspruch 1 nach Ansicht der Kammer ohne Verblocken der Fräse nur dann möglich, wenn sich die Fräsräder an deren Unterseite in Bezug auf die vertikale Mittenebene des zu fräsenden Schlitzes gegenläufig von innen nach außen drehen, vgl. Patent, Absatz [0034]. Die Kammer folgt zudem der Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach die in Absatz [0017] und [0022] des Patents angesprochene zeitweise reversierende Drehbewegung der Fräsräder zwar dem Vermischen bzw. Abräumen oder Ziehen der Fräse dienen kann, jedoch nicht dem gezielten Fördern des abgeräumten Materials von unten nach außen am Rahmen vorbei (in Einklang mit dem Verständnis der Drehrichtung nach Anspruch 1 beim Fördern).

Dokument D1

4.5 Das Dokument D1 (im weiteren wird auf die relevanten Stellen in der deutschen Übersetzung verwiesen) beschreibt eine Aushebemaschine "16" mit zwei Drehfrästrommeln "18" und oberhalb davon befestigte Kettenmischer "19" an einer Endloskette zum Ausheben einer Stützwand, siehe D1, Figuren 1 bis 4 und Zusammenfassung. Wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt, beruht die Kernidee aus D1 somit auf zusätzlich zu den Fräsrädern vorgesehenen oberen Umlenkrädern ("Kettenräder 21") mit im Umlauf befindlichen Mischketten ("Ketten 19"), wodurch die Aushuberde mit großer Effizienz vermischt wird, vgl. D1, Absatz [0015] und [0022]. Der in Figur 3 der D1 gezeigte Rahmen "17" der Aushubmaschine verbreitert sich, im Gegensatz zu Anspruch 1 des Patents, auf die Größe des Fräsquerschnitts, zudem drehen sich die Frästrommeln "18" zur Innenseite hin in entgegen gesetzter Richtung (vgl. D1, Absatz [0022]), wodurch ebenfalls keine Förderwirkung seitlich am Rahmen nach oben mittels der Fräsräder erfolgen kann. Schließlich stellt der in D1 beschriebene Teleskoparm "15" keine Linearführung in axialer Richtung mit Führungsstange dar, da in D1 der in den Figuren gezeigte Hydraulikzylinder, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, nachdem der Schlitten "14" zuvor am Mast arretiert wurde, mehrstufig ausgefahren wird und aufgrund seiner Dichtringe ohne jede Führungsschiene keinen nennenswerten Querkräften ausgesetzt werden darf, vgl. D1, Absatz [0019] und [0023]. Aus diesem Grund erfolgt, so wie in Figur 4 und 5 dargestellt, in D1 offenbar die Abstützung der Fräse oben mit dem Rahmen "17" seitlich an den Wänden der auszuhebenden Stützwand, womit auch kein Stellantrieb zum vertikalen Verfahren der Führungsstange einer Linearführung der D1 entnehmbar ist.

Dokument D2

4.6 Dokument D2 (es wird wieder auf die relevanten Stellen in der deutschen Übersetzung verwiesen) beschreibt eine Schlitzwandfräse für das sogenannte "Soil Mixing - Verfahren" mit einem Rahmen, dessen Umfangsabmessungen im Querschnitt kleiner als die Innenabmessungen des Frässchlitzes ausgebildet sind: siehe D2, Figuren 1 und 2(b), und Absätze [0001] und [0022]. Hierbei lehrt, im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin und der Einspruchsabteilung unter Punkt 20 ihrer Entscheidung, die D2 durchgehend, dass die unten befindlichen "Frästrommeln (8)" der Schlitzwandfräse den Baugrund abfräsen und dann die beiden oberhalb befindlichen "Rührtrommeln (9)" das abgefräste Bodenmaterial während des Abteufens unter Einpressen von Verbundmaterial im Bereich des Fräsenrahmens verrühren: siehe D2, Absätze [0015] und [0016]. Irgendeine beabsichtigte Förderwirkung der unten liegenden Fräsräder außen am Rahmen vorbei nach oben beim Abteufen des Frässchlitzes so wie in Anspruch 1 des Patents, etwa durch die Angabe einer bestimmten Drehrichtung oder Umfangsgeschwindigkeit der Fräsräder, ist nach Ansicht der Kammer D1 hierbei nicht zu entnehmen, auch nicht implizit.

4.7 Selbst wenn, wie in Absatz [0020] der D2 beschrieben, entgegen dem in Figur 2(b) gezeigten Ausführungsbeispiel keine verschiedenen, sondern formgleiche Trommeln als Naben und Halterungen für die "Fräsbits (8a)" bzw. "Rührpaddel (9a)" verwandt werden, gibt es aus D2 keinerlei Hinweis, dass in diesem Fall die "Rührtrommeln (9)" ihre vorteilhafte Rührfunktion im oberen Bereich des Rahmens verlieren sollen, und deshalb anstatt der vorgeschlagenen "Rührpaddel (9a)" irgendwelche Fräszähne auf den formgleichen Trommeln außen herum eingesetzt werden sollen. Wegen dem grundlegenden Konzept des Abfräsens durch unten liegende Fräsräder und anschließenden Verrührens im Rahmenbereich mittels am Rahmen oberhalb der Fräsräder befindlicher Mischräder, sieht D2 auch keinen Freiraum zwischen der Wand des Frässchlitzes und dem Rahmen vor, der ein Fördern alleine durch die unten liegenden Fräsräder am Rahmen vorbei bis oberhalb der Fräse so wie in Anspruch 1 des Patents ermöglicht: Der Weg nach oben ist von den Mischrädern, also den "Rührtrommeln (9)", stets behindert.

4.8 Und schließlich offenbart D2 nach Ansicht der Kammer, wieder im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin und der Einspruchsabteilung unter Punkt 20 ihrer Entscheidung, auch keine Linearführungseinrichtung an der in D2 beschriebenen Fräse. Wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, ist für den Fachmann aus Figur 2(a) der D2 klar zu entnehmen, dass die glattflächigen Stirnseiten der Rühr- und Frästrommeln einer Führung an der Schlitzwand dienen. Selbst unter der Annahme, dass, wie von der Beschwerdeführerin angeführt, die beschriebene Kelly-Stange eine teleskopierbare Führungsstange bildet und hierbei die in Figur 1 gezeigten Querstreben nicht nur Pendel- oder Sicherheitsstreben der Kelly-Stange darstellen, sondern tatsächlich einer vertikalen Führung der Fräse in Zeichenebene dienen, wird in Figur 1 der D1 die Führung normal zur gezeigten Fräse, also normal zur Zeichenebene, (zumindest auch) mittels an der Wand geführten glattflächigen Trommeln bewerkstelligt. Ein Stellantrieb mit Linearführungseinrichtung nach Anspruch 1 des Patents, d.h. ein Linearlager mit einer Führungsstange und nur einem Freiheitsgrad in axialer Richtung um beim Abteufen eine in Vortriebsrichtung gerichtete Axialkraft vom Trägergerät mittels Stellantrieb auf die Schlitzwandfräse zu übertragen, ist der Vorrichtung aus D2 daher nicht entnehmbar.

Dokument D13

4.9 Dokument D13 beschreibt zwar eine Schlitzwandfräse mit Fräsrädern ("cutter 14"), welche das abgeräumte Material in situ mit Wasser vermischen und am Rahmen der Fräse seitlich vorbei nach oben fördern, siehe D13, Zusammenfassung der englischen Übersetzung: "... the mixing soil A is pushed upward through the side of the main body 12." Genau so wie in Anspruch 1 des Patents wird auch in D13 die Förderwirkung der Fräsräder am Rahmen vorbei insbesondere durch deren Drehrichtung erreicht, vgl. D13, Absatz [0012] (der deutschen Übersetzung "D13 bis"). Die in der Zusammenfassung gezeigte Fräse wird jedoch nicht an einer Linearführungseinrichtung mit Stellantrieb geführt, sondern von einem Kran am Seil hängend zum Abteufen am Boden aufgesetzt, vgl. D13, Absatz [0008] und [0011] (der deutschen Übersetzung "D13 bis"). Auch zwei Paare von Fräsrädern, so wie in Anspruch 1 gefordert, sind D13 nicht entnehmbar.

Dokument D3

4.10 Die Broschüre D3 zeigt die Verwendung von Kellystangen als Führung in Zusammenhang mit Drehbohrverfahren (siehe D3, Seite 6). So liegen insbesondere wegen des aufzunehmenden Drehmoments bei Drehbohrverfahren andere Bedingungen vor, als bei Schlitzwandfräsen, und der Fachmann würde daher die bei Drehbohrverfahren üblichen Führungen nicht ohne weiters für Schlitzwandfräsen in Betracht ziehen. Aber selbst unter der Annahme, dass dort ebenfalls Kellystangen Anwendung finden, offenbaren die auf Seite 11 der D3 gezeigten Schlitzwandfräsen stets hohe Rahmen zur Führung der Fräse seitlich am Frässchlitz, und zudem lediglich zwei Fräsräder, die sich offensichtlich nach innen hin drehen, da bei allen Fräsen ein Absaugen, d.h. Fördern, des abgeräumten Materials von der Mitte der Fräse nach oben erfolgt. Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, offenbaren die Schlitzwandfräsvorrichtungen aus D3 daher eine zu Anspruch 1 des Patents völlig andere Funktionsweise.

Argumentationslinien

4.11 Ausgehend von D1 hat der Fachmann, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, aufgrund seines allgemeinen Fachwissens zunächst keine Veranlassung, von dem in D1 vorteilhaft gelehrten zentralen Element eines (nach innen) umlaufenden Betriebs von Mischketten mit oben befindlichen Umlenkrädern abzugehen und etwa durch zwei unten liegende Fräsräder mit umgekehrter Drehrichtung wie bei der D13 zu ersetzen, wobei zudem der Querschnitt des oberen Rahmens (er liegt am Frässchlitz seitlich an) modifiziert werden müsste, um dadurch etwa eine Förderung mittels der Fräsräder aus D13 unter Bildung eines Freiraums zwischen Rahmen und Wand des Frässchlitzes an dem Rahmen vorbei zu ermöglichen. Die von der Beschwerdeführerin gestellte Aufgabe, abgeräumtes Bodenmaterial leichter am Rahmen der D1 vorbeizutransportieren, stellt sich nach Ansicht der Kammer daher ausgehend von D1 nicht. Selbst die Zusammenschau von D1 mit D13 (Seilführung) würde weder zu zwei Paaren von Fräsrädern noch zu einer Linearführung der Fräse nach Anspruch 1 führen (vgl. Punkte 4.5 und 4.9 dieser Entscheidung).

Darüber hinaus kann auch die Zusammenschau von D1 mit D2 jedenfalls weder eine Förderwirkung der Fräsrädern nach oben seitlich am Rahmen vorbei, noch die Bildung eines Freiraums oder eine Linearführung gemäß Anspruch 1 nahelegen (vgl. Punkte 4.5 und 4.6 bis 4.8 dieser Entscheidung).

4.12 Ausgehend von D2 hätte der Fachmann keinen Anlass, vom Kernelement der D2 abzuweichen, nämlich vom Betrieb unten liegender Fräsräder mit weiter oberhalb am Rahmen getrennt angeordneten Mischrädern. Eine Kombination von D2 mit D1 zum Zwecke des besseren Vortriebs ist für den Fachmann somit entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht nahe gelegt, und selbst die Zusammenschau von D2 mit D1 würde weder zu einer Förderung des abgeräumten Materials durch die Fräsräder seitlich außen am Rahmen vorbei, noch zu einer Linearführungseinrichtung gemäß Anspruch 1 führen (vgl. Punkte 4.6 bis 4.8 und 4.5 dieser Entscheidung).

4.13 Und schließlich würde der Fachmann, ausgehend von D2 oder D13, die Broschüre D3 nicht in Betracht ziehen, da D3 ein völlig anderes Arbeitsprinzip einer Schlitzwandfräse beschreibt, nämlich hohe Rahmen zur Führung der Fräse an den Wänden des Frässchlitzes und einen Abtransport des abgeräumten Materials von der Mitte der Fräse nach oben. Die Verwendung von nur in Zusammenhang mit Drehbohrverfahren in D3 gezeigten Kelly-Stangen sei hierbei dahingestellt (vgl. Punkt 4.10 dieser Entscheidung).

4.14 Durch die in Anspruch 1 erstens vorgesehene gezielte Förderwirkung der zwei Paare von Fräsrädern, insbesondere basierend auf deren Drehrichtung (vgl. Punkt 4.4 dieser Entscheidung), zweitens der Bildung eines entsprechenden Freiraums am Rahmen, welcher ein Passieren des Rahmens bis oberhalb der Fräse ermöglicht, und drittens der Linearführung mit Stellantrieb am Trägergerät der Fräse, welche einen Betrieb der Fräse nicht mehr zwingend im Kontakt zur Wand und damit eine kompakte Bauweise des Fräsenrahmens ermöglicht (vgl. Patent, Absatz [0025]), wird im Patent in Kombination ein einfacherer Durchgang von abgeräumtem Bodenmaterial an der Schlitzwandfräse vorbei nach oben hin erreicht.

Gegen die Zulassung der von der Beschwerdeführerin verspätet vorgetragenen Argumentationslinien D1 mit D13, D1 mit D2, und D2 (od. D13) mit D3 hatte die Beschwerdegegnerin keinerlei Einwände: sie wurden ins Verfahren aufgenommen (Artikel 13 VOBK). Andererseits wurde das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur erfinderischen Tätigkeit, basierend auf den ansonsten im Verfahren genannten Dokumenten, seitens der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht mehr weiterverfolgt und daher fallengelassen. Auch die Kammer hat keinen Anlass, die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 im Lichte dieser nicht weiterverfolgten Dokumente anzuzweifeln.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Verfahrensanspruch 8 beinhaltet eine Schlitzwandfräsvorrichtung nach Anspruch 1 und erfüllt somit ebenfalls die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

5. Hilfsanträge

Da das Patent wie erteilt alle Anforderungen an die Patentierbarkeit erfüllt, war über die rangmäßig nachfolgenden Hilfsanträge nicht zu entscheiden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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