T 0546/11 () of 30.5.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T054611.20120530
Datum der Entscheidung: 30 Mai 2012
Aktenzeichen: T 0546/11
Anmeldenummer: 04000766.8
IPC-Klasse: E02D 17/13
E02F 5/10
E02D 5/46
E02D 5/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Herstellen einer Schlitzwand im Boden, Schlitzwandfräse und Schlitzwandfräsvorrichtung
Name des Anmelders: BAUER Maschinen GmbH
Name des Einsprechenden: Soilmec S.p.A.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Verspäteter Einspruchsgrund (im Verfahren - nein)
Zulässigkeit verspäteten Vorbringens (verneint)
Zulässigkeit verspäteter Beweismittel (verneint)
Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 9. Dezember 2010, zur Post gegeben am 11. Januar 2011, das Europäische Patent Nr. 1 452 645 in geändertem Umfang gemäß zweitem Hilfsantrag, wie eingereicht mit Schreiben vom 4. November 2010, nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Beschwerdeführerinnen I (Einsprechende) und II (Patentinhaberin) hatten am 3. März 2011 bzw. 4. März 2011 Beschwerde eingelegt und am jeweils selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerde -begründungen waren jeweils am 17. Mai 2011 und 2. Mai 2011 eingegangen. Beide Parteien beantragten daraufhin die beschleunigte Bearbeitung im Sinne der Mitteilung des Vizepräsidenten Abl.1998,362 (vgl. Eingabe der Beschwerdeführerin I vom 23. Dezember 2011 und der Beschwerdeführerin II vom 17. Januar 2012).

III. Mit Bescheid vom 1. März 2012 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK mit. Die mündliche Verhandlung fand am 30. Mai 2012 bei Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt. Im Laufe der Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin II, dass sie unter Rücknahme aller Anträge im Übrigen lediglich ihren am 3. November 2008 eingereichten Hilfsantrag weiterverfolge. Die Beschwerdeführerin I erklärte die Rücknahme ihres Hilfsantrages auf Zurückweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Prüfung. In der Diskussion zum Antrag der Beschwerdeführerin II beschränkten die Parteien ihr Vorbringen auf dessen Anspruch 4, weshalb die Kammer am Ende der Verhandlung darauf hinwies, dass die Argumentation der Parteien zu Anspruch 4 nun sinngemäß auch für den unabhängigen Anspruch 1 des Antrags gelten dürfte.

IV. Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents sowie die Zurückweisung der Beschwerde der Beschwerdeführerin II.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des am 3. November 2008 als Hilfsantrag eingereichten Anspruchsatzes sowie die Zurückweisung der Beschwerde der Beschwerdeführerin I.

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 4 haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Herstellen einer Schlitzwand im Boden, bei dem

- mindestens zwei, unmittelbar an einem Rahmen (20) einer Schlitzwandfräse (10) drehbar angeordnete Fräsräder (12, 12’) durch einen Antrieb (15, 15’) in eine Drehbewegung versetzt werden,

- die Schlitzwandfräse (10) mit dem Rahmen (20) in den Boden abgesenkt wird, wobei unterhalb der Fräsrader [sic !] (12, 12’) befindliches Bodenmaterial abgeräumt und ein Frässchlitz (3) hergestellt wird,

- der Frässchlitz (3) mit einer abbindbaren Flüssigkeit aufgefüllt wird, welche am Rahmen (20) in den Frässchlitz (3) zwischen die Fräsräder (12, 12’) eingeleitet wird,

- das abgeräumte Bodenmaterial von den Fräsrädern (12, 12’) gezielt durch einen Freiraum (6) am Rahmen (20) vorbei in einen rückwärtigen Bereich (4) des Frässchlitzes (3) gefördert wird,

- das abgeräumte Bodenmaterial im Frässchlitz (3) mit der abbindbaren Flüssigkeit durchmischt wird, und

- das abgeräumte Bodenmaterial zumindest teilweise im Frässchlitz (3) zum Bilden der Schlitzwand belassen wird,

dadurch gekennzeichnet,

- dass die Schlitzwandfräse (10) in dem Frässchlitz (3) mittels einer Linearführungseinrichtung mit einer Führungsstange (33) linear geführt wird,

- dass zum Bilden des Freiraumes (6) die Umfangsabmessungen des Querschnitts des Rahmens (20) keiner als die Innenabmessungen des Querschnitts des Frässchlitzes (3) ausgebildet sind und der Rahmen (20) ohne Kontakt zur Wand des Frässchlitzes (3) geführt wird."

"4. Schlitzwandfräse (10) zum Herstellen eines Frässchlitzes, mit

- einem Rahmen (20),

- mindestens zwei, unmittelbar am Rahmen(20) drehbar angeordneten Fräsräder (12, 12’),

- einer am Rahmen (20) angeordneten Zuführeinrichtung (41) zum Zuführen einer Flüssigkeit in den Frässchlitz (3), wobei die Zuführeinrichtung (41) zwischen den Fräsrädern (12, 12’) mündet,

- wobei ein Freiraum (5) am Rahmen (20) vorgesehen ist, durch den abgeräumtes Bodenmaterial von den Fräsrädern (12, 12’) gezielt an dem Rahmen (20) vorbei in einen rückwärtigen Bereich (4) des Frässchlitzes (3) förderbar ist,

dadurch gekennzeichnet,

- dass eine Linearführungseinrichtung mit einer Führungsstange (33) vorgesehen ist, welche an einem oberen Ende des Rahmens (20) angeordnet ist und

- dass der Rahmen (20) mit einem Querschnitt ausgebildet ist, dessen Umfangsabmessungen zum Bilden des Freiraumes (6) kleiner als die Innenabmessungen des Querschnitts des Frässchlitzes (3) sind, wobei der Rahmen (20) ohne Kontakt zur Wand des Frässchlitzes (3) führbar ist."

VI. Für die vorliegende Entscheidung wurden folgende Beweismittel herangezogen:

i) aus dem Einspruchsverfahren:

Dl: JP 7-054334 (mit Übersetzung ins Deutsche);

D2: US 5,368,083 A

D3: US 5,501,287 A

D4: JP9-273150 A (mit deutscher Übersetzung "D4 bis")

D5: JP 11-200404

D6: Gutachtachterliche Stellungnahme "Tribunale di Milano, sezione MB-G.R.DOTT., Domenico Bonaretti nella causa R.G. 6827/2008", von Dott.Ing. Silvano Adorno" zum u.a. Rechtsbestand des EP-IT Patentes EP 1 452 645; datiert vom 27. November 2009;

D7: Partielle Übersetzung der relevanten Passagen der D6 ins Englische;

D8: Broschüre Bauer BG 9H — BG 18H aus dem Jahr 2000;

D9: Broschüre Bauer Geräteprogramm aus dem Jahr 1996;

D10: Schreiben des Vertreters der Patentinhaberin vom 22. April 2010 zur öffentlichen Zugänglichkeit von D8 und D9;

Dl1: Nichtigkeitsurteil gegen das prioritätsbegründende Deutsche Patent DE 103 08 538;

D12: Schriftsatz "Entitlement Proceedings Relating to EP1,452,645,EP1,452,686 and EP2006 0024531" vom 21.12.2007, 38 Seiten (Seiten 39/41 bis 41/41 fehlen);

Dl3: JP 08-177078 (mit Übersetzung "D13 bis" ins Deutsche);

ii) mit der Beschwerdebegründung (der Beschwerdeführerin I) eingereicht:

wieder D1 bis D13, D12 nunmehr inklusive der Seiten

39/41 bis 41/41;

D14: JP 11-2699 13 (mit Übersetzung ins Englische und Deutsche);

D15: Auszug aus "Grundbau Taschenbuch" Teil 3, sechste Auflage 2001, Seiten 397-439;

D16: Sachverständigengutachten Prof. Barbanti vom 9. Mai 2011, mit deutscher Übersetzung;

D16/1 und D16/2: Videodatenträger "soilmec"; undatiert;

iii) mit Eingabe (der Beschwerdeführerin II) vom 14. März

2012 eingereicht:

D1-X1: Brochüre "TOA-TONE "SMX" COMPACT TRENCHER", TOA-TONE BORING CO.,LTD, Titelseite und Seite "drawings and specifications"; undatiert;

D1-X2: die zweite Seite aus D1-X1 mit handschriftlichen Ergänzungen; undatiert;

iv) mit Eingabe (der Beschwerdeführerin I) vom 24. April 2012 eingereicht:

D17: Prospekt B15/B22/B36 "Anbaubohrgerät" der Firma Bauer; letzte Seite datiert mit April 1998;

D18: US 7,032,692; veröffentlicht am 25. April 2006;

D19: DE 697 28 713 T2; veröffentlicht am 10. März 2005;

D20: DE 2 256 054

VII. Die Parteien haben im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

VII.1 Verspäteter Einspruchsgrund und hierzu neu vorgelegte Beweismittel

a) Die Beschwerdeführerin I verwies auf die hochgradige Relevanz des Einspruchsgrundes der mangelnden Ausführbarkeit, falls, wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung interpretiert, Anspruch 4 so auszulegen sei, dass der Transport des Bodenmaterials am Rahmen vorbei alleine durch die Fräsräder bewerkstelligt werde. Dieses Verständnis, sowie die Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach dadurch auch eine geringe Rahmenhöhe der Schlitzwandfräse impliziert sei, sei durch die ursprünglichen Anmeldung nicht gestützt, und sei zum Zeitpunkt des Einspruchs aus dem Einspruchspatent weder ersichtlich noch zu erwarten gewesen. Wegen der erst späteren Fehlinterpretation des Anspruchs 4 habe die Einspruchsabteilung ihren Ermessenspielraum überschritten, und in gleichem Maße der Beschwerdeführerin I das rechtliche Gehör verwehrt. Der Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit sei daher ins Verfahren zuzulassen. Zur Stützung ihres Vortrags verwies die Beschwerdeführerin I im schriftlichen Verfahren zudem auf die Beweismittel D16, D16/1 und D16/2.

b) Die Beschwerdeführerin II erwiderte, der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ sei unstreitig verspätet, und die Ermessungsentscheidung diesen Einspruchsgrund nicht ins Verfahren zuzulassen, sei zu Recht getroffen worden. In der angefochtenen Entscheidung sei unter Abschnitt 23 nachvollziehbar und sachlich zutreffend ausgeführt, weshalb der verspätet vorgebrachte Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit nicht berücksichtigt worden sei. Der Einspruchsgrund sei also nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden. Da sie ihrerseits im vorliegenden Einspruchsbeschwerdeverfahren kein Einverständnis zur Einführung dieses verspätet vorgebrachten und im übrigen unbegründeten Einspruchsgrundes nach Artikel 100 b) EPÜ gegeben habe, könne der neue Einspruchsgrund auch jetzt nicht mehr berücksichtigt werden. Und schließlich seien die verspätet vorgebrachten Dokumente D16 für die Strömungsmechanik einer am Rahmen vorbeitransportierten Suspension nicht anwendbar, falls wider Erwarten Artikel 100 b) EPÜ doch noch im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werde.

VII.2 Zulässigkeit verspätetes Vorbringen

a) Die Beschwerdeführerin I führte aus, dass ihr neuer Sachvortrag zur unzulässigen Erweiterung prima facie hochrelevant sei, da auch der Gegenstand des Anspruchs 4 ganz offensichtlich über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Hieraus leiteten sich zudem einige Einwände nach Artikel 123(3) EPÜ ab.

Im schriftlichen Verfahren bezog sich die Beschwerdeführerin I in ihrer Eingabe vom 24. April 2012 darüber hinaus auf neue Argumentationslinien zum Angriff der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes nach Anspruchs 4, und dies unter ergänzenden Bezugnahmen auf die hierzu ebenfalls verspätet eingereichten Dokumente D17 bis D20. So sei Anspruch 4 etwa auch nicht erfinderisch bei Zusammenschau von D1 mit D3, und D13 mit D4.

b) Die Beschwerdeführerin II erwiderte, die ursprüngliche Offenbarung des Anspruchs 4 sei im Prüfungsverfahren hinlänglich geprüft, und auch im Einspruchsverfahren nicht mehr angezweifelt worden. Der Vortrag der Beschwerdeführerin I sei daher als verspätet abzuweisen.

Auch sei die Zulassung des verspäteten Vorbringens der Beschwerdeführerin I zur erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 4 im Lichte der nicht relevanten bzw. nachveröffentlichten Dokumente D17 bis D20 nicht gerechtfertigt.

VII.3 Zulässigkeit sonstiger verspäteter Beweismittel

a) Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass insbesondere in Figur 5 der D14 zwei Antriebswellen gezeigt seien, die als verdrehsichere Linearführung der Fräsräder dienten, wobei ein Freiraum vom Rahmen der Fräse zur Wand des Frässchlitzes vorgesehen sei. Durch den in D14 gezeigten Freiraum finde zwangsläufig, so wie in Anspruch 4 des Patents, mittels der sich drehenden Fräsräder ein Transport des abgeräumten Bodenmaterials "von den Fräsrädern gezielt am Rahmen vorbei" statt. Da zudem das mittige Rohr zwischen den Fräsrädern zweifellos geeignet sei, anstatt zu saugen auch Flüssigkeit in den Frässchlitz zuzuführen, sei D14 in Hinblick auf die Patentierbarkeit des Anspruchs 4 prima facie hochrelevant und somit ins Verfahren zuzulassen.

Darüber hinaus seien vor allem die Dokumente D8 und D9 relevant, insbesondere D9 zeige exakt jene Trägergeräte und Vortriebsmechanismen, welche für die Schlitzwandfräse des Patents vorgeschlagen seien. Im schriftlichen Verfahren verwies die Beschwerdeführerin I zudem auf die Relevanz der Dokumente D6, D7 und D10 bis D12, und D15.

b) Die Beschwerdeführerin II erwiderte, dass die in D14, Absatz [0017], offenbarte Lehre ausdrücklich das mittige Absaugen bzw. Abpumpen des Fräsmaterials durch ein Rücklaufrohr vorschlage, und die in den Figuren der D14 gezeigten Fräsräder im Gegensatz zum Patent eben gerade nicht dem Vermengen und der Förderung des abgeräumten Bodenmaterials am Rahmen vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes dienten, vgl. Patent: Absatz [0013]. Folglich sei D14 in Hinblick auf den Gegenstand des Anspruchs 4 irrelevant und somit nicht ins Verfahren zuzulassen.

Weiters seien die Dokumente D6 bis D12 nicht im Einspruchsverfahren, und seien aufgrund ihrer fehlenden prima facie Relevanz auch jetzt nicht mehr ins Verfahren zuzulassen, da die Einspruchabteilung ihr Ermessen, D6 bis D12 nicht einzuführen, offenbar korrekt ausgeübt habe. Zu D15 führte die BII im schriftlichen Verfahren aus, dass dieses Dokument lediglich einen Fachbuchauszug über Dichtwände betreffe, somit nicht relevant sei, und daher ebenso als verspätet abzuweisen sei.

VII.4 Neuheit

a) Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass den Fräsrädern nach Anspruch 4 des Patents eine Wirkung zugedacht werde, die sie nicht hätten. So sei die Formulierung "von den Fräsrädern ... förderbar" in Anspruch 4 nicht als Förderung "mittels" der Fräsräder zu verstehen, sondern als eine Förderung "ausgehend von" [den Fräsrädern]. Gemeint sei jedenfalls die Förderung des abgefrästen Materials am Rahmen vorbei während des Abteufens, also beim Ablassen der Fräse während der Herstellung der Schlitzwand. Im Patent finde sich keine Aussage, mit welchen Mitteln eine Förderung hierbei durch die Fräsräder erreicht werde. Jedes bekannte Standardfräsrad im Normalbetrieb einer Fräse bewirke somit den gleichen Effekt der im Patent nicht näher spezifizierten "gezielten" Förderung wie in Anspruch 4 gefordert. Die in D1 gezeigten Rührpaddeln der Mischräder seien, da sie sich drehten, kein Hindernis für eine Förderung des abgeräumten Materials mittels der unterhalb liegenden Fräsräder. Abgesehen davon könnten in einer Ausführungsform die oben befindlichen Mischräder ohnehin auch als Fräsräder ausgebildet sein (formgleiche Trommeln), was jedenfalls so wie in Anspruch 4 des Patents einen Freiraum zur Förderung seitlich am Rahmen vorbei von den Fräsrädern nach oben ermögliche, siehe Absatz [0020] der deutschen Übersetzung der D1. Darüber hinaus diene die in D1 gezeigte Kelly-Stange, genau so wie im Patent in Absatz [0024] beschrieben, als teleskopierbare Linearführungsvorrichtung der Schlitzwandfräse. Die Fräse könne in D1 somit ohne Kontakt zur Wand geführt werden, auch in Figur 2(a) der D1 sei der ausgefräste Querschnitt in jedem Fall breiter als der abgebildete Rahmen der Fräse. Daher sei D1 neuheitsschädlich für Anspruch 4.

b) Die Beschwerdeführerin II erwiderte, dass in D1 kein Transport des abgeräumten Materials mittels der Fräsräder "gezielt am Rahmen vorbei" erfolge. So sei in Anspruch 4 des Patents, um eine seitliche Förderung am Rahmen vorbei nach oben hin "gezielt" ohne Verblocken der Fräse zu bewirken, auch die Drehrichtung der zwei Fräsräder maßgeblich beteiligt, nämlich am unteren Rand der Fräse gegenläufig von innen nach außen hin. In D1 werde zur Drehrichtung der beiden in den Figuren gezeigten Fräsräder jedoch keinerlei Aussage getroffen. Darüber hinaus seien durch die zentrale Lehre des Abfräsens und Rührens im Rahmenbereich der Fräse in D1 stets Rührtrommeln oberhalb der Fräsräder angeordnet. Dadurch sei in D1 auch kein Freiraum am Rahmen seitlich nach oben hin für einen Abtransport von Material durch die unten liegenden Fräsräder bis über die Fräse hinaus gemäß Anspruch 4 offenbart, wieder wäre ein Verblocken der Fräse die Folge. Das in D1 gelehrte Konzept von unteren Fräsrädern und oberen Mischrädern im Bereich des Rahmens sei auch im Ausführungsbeispiel nach Absatz [0020] gegeben, denn dort seien lediglich formgleiche Trommeln, also gleiche Naben mit Halterungen, vorgeschlagen, aber nicht etwa dass die Rührfunktion der oben liegenden Rührpaddel durch Fräsbits zu ersetzen sei. Weiters sei die in D1 beschriebene Kelly-Stange am Seil eines Krans aufgehängt, und die in Figur 1 der D1 gezeigten Querstreben dienten nur als Pendel- oder Sicherheitsstreben, aber nicht zur Querführung der Kelly-Stange in Zeichenebene. Jedenfalls erfolge in Figur 1 der D1 eine Führung der Fräse in Kontakt zur Wand normal zur Zeichenebene mittels der in Figur 2(a) gezeigten glattflächigen Stirnseiten der Rühr- und Frästrommeln. Folglich offenbare D1 auch keine Linearführungseinrichtung zur Führung des Rahmens der Fräse ohne Kontakt zur Wand. Zusammenfassend sei Anspruch 4 daher neu gegenüber D1.

VII.5 Erfinderische Tätigkeit

a) Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass, falls nun tatsächlich eine Förderwirkung durch die Fräsräder in Anspruch 4 des Patents gegeben sei, als nächstliegender Stand der Technik Dokument D1 anzusehen sei. So würde der Fachmann eine Förderung mittels der Fräsräder am Rahmen vorbei unter Weglassung der oberen Rührtrommeln in D1 schon aufgrund seines Fachwissens beabsichtigen, wenn er mit der Problematik der besseren Durchgängigkeit von abgeräumtem Material am Rahmen entlang konfrontiert werde. Das Weglassen der oberen Mischräder sei zudem durch Absatz [0020] der D1 (deutsche Übersetzung) nahegelegt, wo auf formgleiche Trommeln, also Fräsräder auch im oberen Bereich des Fräsenrahmens ausdrücklich hingewiesen werde. Daher sei Anspruch 4 bereits aus diesen Gründen nicht erfinderisch. Darüber hinaus sei eine Förderwirkung der Fräsräder, und damit der Gegenstand des Anspruchs 4, ausgehend von D1 auch durch D4 nahegelegt. D4 diene im übrigen als Beweis, dass es allgemein bekannt sei, Fräsräder zur Förderung von abgefrästen Material entlang einer Schlitzwandfräse einzusetzen. Falls schließlich D1 keine Linearführung der Fräse offenbare, sei diese aus dem für den Fachmann allgemein bekannten "natürlichem Gerätepark" nahegelegt: so lehre D13 eine solche Führung bereits für die Erstellung einer Stützwand. Daher würde der Fachmann, falls die Fräse in D1 zu wenig geführt sei, ohne weiters zusätzlich die Linearführung aus D13 zur besseren Führung in Betracht ziehen, um dadurch wieder ausgehend von D1, entweder aufgrund seines Fachwissens, oder unter Berücksichtigung der in D4 explizit gelehrten Förderwirkung von Fräsrädern, direkt zum Gegenstand des Anspruchs 4 gelangen, wenn eine verbesserte Durchgängigkeit von Material an der Fräse der D1 erreicht werden soll.

b) Die Beschwerdeführerin II erwiderte, dass D1 ganz klar lehre, stets untere Fräsräder und obere Mischräder am Rahmen vorzusehen. Von dieser Lehre unterscheide sich auch nicht das Ausführungsbeispiel nach Absatz [0020] der deutschen Übersetzung der D1 (formgleiche Trommeln). Der Fachmann hätte daher keinerlei Veranlassung, entgegen der in D1 gelehrten Rührwirkung die oberen Rührtrommeln am Rahmen wegzulassen, um die Fräse der D1 zu verbessern. Dies gelte auch bei Berücksichtigung der D4, die eine Fräse mit Fräsrädern zum in situ Vermischen und Fördern entlang des Rahmens beschreibe. Abgesehen davon schlage D4 keine Linearführung vor, denn die Fräse werde dort lediglich am Seil eines Krans hängend unter Einrichtung eines Führungsgrabens vor dem Abteufen am Boden abgestützt. Damit sei durch D4 auch keine Führung des Rahmens ohne Kontakt zur Wand des Frässchlitzes angeregt. Und schließlich könne auch D13 keine Linearführung nahelegen, da D13 einen mehrstufigen Hydraulikzylinder als Teleskopstange beschreibe, welcher für die Aufnahme von Querkräften nicht geeignet sei. Die Führung werde in D13 vielmehr durch den auf die Größe des Fräsquerschnittes verbreiterten oberen Bereich des Rahmens entlang der Wand bewerkstelligt. Aus diesem Grund sei in D13 auch kein Vorbeifördern am Rahmen gegeben, ganz zu Schweigen von einer Förderung des abgeräumten Materials mittels der sich, im Gegensatz zur beabsichtigten Drehrichtung in Anspruch 4 des Patents, an der Unterseite der Fräse von außen nach innen hin drehenden Fräsräder. Daher sei, ausgehend von D1, der Gegenstand des Anspruchs 4 weder durch sein Fachwissen, noch durch D4 bzw. D13 für den Fachmann nahe gelegt, falls ihm die Aufgabe gestellt werde, die Schlitzwandfräse der D1 zu verbessern.

VII.6 Anspruch 1

Die Parteien stimmten mit der Kammer darin überein, dass die zu Anspruch 4 angestellten Überlegungen im Prinzip ebenso für Anspruch 1 des Patents gelten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Verspäteter Einspruchsgrund und hierzu vorgelegte Beweismittel

2.1 Es ist nicht Aufgabe der Kammer zu entscheiden, ob sie das Ermessen der Erstinstanz in einer Verfahrensfrage in derselben Weise ausgeübt hätte, sondern vielmehr, ob die Erstinstanz ihr Ermessen korrekt oder etwa nach Maßgabe falscher Kriterien ausübte. So stellt sich im vorliegenden Fall für die Kammer die Frage, ob die Einspruchsabteilung vorweg eine prima facie Untersuchung zur Relevanz der angeblich mangelnden Ausführbarkeit der Erfindung nach Anspruch 4 anstellte, um daraufhin diesen verspätet vorgetragenen Einspruchsgrund ins Verfahren zuzulassen, oder eben nicht.

2.2 Wie von der Beschwerdeführerin II dargelegt, stellt die Auseinandersetzung der Einspruchsabteilung mit dem verspäteten Einspruchsgrund sowohl während der mündlichen Verhandlung als auch bei der Abfassung der Entscheidung unmissverständlich eine für die Parteien (und auch für die Kammer) nachvollziehbar begründete Entscheidung über die Frage der Zulässigkeit des Einspruchsgrunds dar (vgl. Punkt 5.1 der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2010: "...als nicht relevant erachtet und nicht ins Verfahren zugelassen wird..." und Punkt 23 der Einspruchsentscheidung: "...für den Fachmann klar ausführbar..."; "...Erfordernisse...sind klar erfüllt...wird daher im Verfahren nicht zugelassen.").

2.3 Die Einspruchsabteilung hat nach Ansicht der Kammer ihr Ermessen daher rechtsfehlerfrei ausgeübt, wonach der verspätet vorgetragene Einspruchsgrund nach Art. 100 b) EPÜ prima facie für nicht hinreichend relevant befunden und deshalb nicht ins Verfahren zuzulassen war. Hierbei wurden die verspäteten Einwände der Beschwerdeführerin I zur mangelnden Ausführbarkeit des Anspruchs 4 angemessen berücksichtigt und somit das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin I gewahrt (vgl. Punkt 5.1 der Niederschrift, und Punkt 23, Seite 6, erster Absatz der Einspruchsentscheidung, wo auf Schriftsatz "E1" ausführlich Bezug genommen wird, nämlich auf Punkt II der Eingabe der Beschwerdeführerin I vom 5. November 2010 zur europäischen Teilanmeldung EP 1 752 583).

Ob die Gründe, die die Einspruchsabteilung zur Ausführbarkeit selbst angeführt hat, zutreffen oder nicht, ist hier nicht zu entscheiden. Die Bedeutung des in Frage stehenden Merkmals der gezielten Förderung des abgeräumten Bodenmaterials durch die Fräsräder am Rahmen vorbei wird dabei aber bei der Entscheidung über die Neuheit und erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sein (siehe Punkte 5.3, 6.1 und 6.2 dieser Entscheidung).

2.4 Der Einspruchsgrund nach Art. 100 b) EPÜ befindet sich somit nicht im Verfahren und kann in diesem Fall nicht mehr neu geltend gemacht werden, da ein Einverständnis zu dessen Prüfung seitens der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin II nicht vorliegt (ungeachtet der zudem sehr hohen Anforderung an die prima facie Relevanz eines neuen Einspruchsgrunds im Beschwerdeverfahren).

2.5 Aus den vorstehenden Gründen bestand für die Kammer auch kein Anlass, die von der Beschwerdeführerin I zur Stützung ihres Vorbringens der angeblich mangelnden Ausführbarkeit erst mit der Beschwerdebegründung nachgereichten Beweismittel D16, D16/1 und D16/2 ins Verfahren aufzunehmen, vgl. Artikel 13 VOBK.

3. Zulässigkeit verspätetes Vorbringen

3.1 Die erstmals in ihrer Eingabe vom 24. April 2012 (siehe Punkt I.A.1b.) und während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhobenen Einwände der Beschwerdeführerin I zur unzulässigen Erweiterung des Gegenstandes des Anspruchs 4, sowie die daraus angeblich resultierenden Einwände nach Artikel 123(3) EPÜ, gehen über den bisherigen Tatsachenvortrag im Einspruchsverfahren hinaus. Der Vortrag der Beschwerdeführerin I zieht daher erstens eine neue Betrachtungsweise gegenüber dem bisherigen Verfahren nach sich ("fresh case"). Zweitens widerspricht das verspätete Vorbringen den Erfordernissen des Artikels 12(2) VOBK, wonach die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten muss. So enthält weder die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I vom 17. Mai 2011, noch ihre Erwiderung vom 26. September 2011 (vgl. Punkt A.) auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin II entsprechende Einwände nach Artikel 123(2) und (3) EPÜ zu Anspruch 4 des Hilfsantrags vom 3. November 2008.

3.2 Auch die im schriftlichen Beschwerdeverfahren vorgebrachten neuen Angriffslinien der Beschwerdeführerin I zur erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 4 über den Umfang ihrer Beschwerdebegründung hinaus, nämlich insbesondere die Zusammenschau der Dokumente D1 mit D3 und D13 mit D4, stellen einen erheblich verspäteten Tatsachenvortrag dar: siehe Eingabe der Beschwerdeführerin I vom 24. April 2012, Punkte III.2 und III.5.

3.3 Aus diesen Gründen war für die Kammer eine Aufnahme des verspäteten Vortrags zur unzulässigen Erweiterung des Anspruchs 4 bzw. Verletzung des Artikels 123(3) EPÜ und zur erfinderischen Tätigkeit in Ausübung ihres Ermessens nicht gerechtfertigt, und zwar ungeachtet der etwaigen prima facie Relevanz solcherart von der Beschwerdeführerin I verspätet vorgebrachter Einwände, vgl. Artikel 13 VOBK.

3.4 Folglich bestand für die Kammer auch kein Anlass, den in Zusammenhang mit ihren verspäteten Argumentationslinien zur erfinderischen Tätigkeit erst mit Eingabe vom 28. April 2012 nachgereichten Stand der Technik D17 und D20 der Beschwerdeführerin I ins Verfahren aufzunehmen, vgl. Artikel 13 VOBK. Die Dokumente D18 bzw. D19 sind nachveröffentlicht, und bilden somit keinen Stand der Technik, vgl. Artikel 54 (2) EPÜ.

4. Zulässigkeit sonstiger verspäteter Beweismittel

4.1 Die Kammer stimmt mit der Auffassung der Beschwerdeführerin II überein, wonach aus Absatz [0017] des Dokuments D14 (vgl. z.B. dessen deutsche Übersetzung) prima facie unmittelbar hervorgeht, dass insbesondere beim in den Figuren 1 und 5 gezeigten Ausführungsbeispiel einer Schlitzwandfräse ("Aushubvorrichtung für Schlitzwandgräben") das von den Fräsrädern abgegrabene Material stets innen an der mittigen Rücklauföffnung "68A" über das Rücklaufrohr "68" und den Rücklaufschlauch "70" mit dem schlammigen Wasser eingesogen, und auf diese Weise zur Erdoberfläche transportiert wird. Irgendeine wie immer geartete Förderung des Materials mittels der gezeigten Fräsräder nach außen am Freiraum des Rahmens vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes gemäß Anspruch 4 des Patents ist der in D14 offenbarten Vorrichtung prima facie somit nicht zu entnehmen, insbesondere auch keine Eignung der zur Saugpumpe "72" führenden mittig angeordneten Absaugeinrichtung als "Zuführeinrichtung" für Flüssigkeiten im Sinne des Anspruchs 4. Die Offenbarung aus D14 lehrt nach Ansicht der Kammer prima facie daher eine von Anspruch 4 des Patents völlig andersartige Funktionsweise einer Schlitzwandfräse. Ob im Ausführungsbeispiel nach Figur 5 die zwei gezeigten Antriebswellen "24A,24B" nun tatsächlich eine verdrehsichere Linearführung nach Anspruch 4 darstellen wie von der Beschwerdeführerin I argumentiert, oder nicht, sei hierbei dahingestellt.

Darüber hinaus ist auch eine prima facie Relevanz des Dokuments D15 für die Kammer nicht erkennbar, denn D15 (siehe D15: unter Punkt 2) enthält lediglich allgemein bekannte Informationen zur Herstellung von Schlitzwänden.

4.2 Wie Punkt 22 ihrer Entscheidung zu entnehmen, hat die Einspruchsabteilung die prima facie Relevanz der verspätet eingereichten Dokumente D6 bis D12 hinlänglich überprüft und somit nach Auffassung der Kammer ihr Ermessen, diese Dokumente nicht ins Verfahren zuzulassen, korrekt ausgeübt. Dieser Umstand wurde von der Beschwerdeführerin I auch nicht bestritten, denn die Beschwerdeführerin I stellte zwar die Sicht der Beurteilung von D6 bis D12 in Frage, jedoch niemals die Tatsache, dass eine prima facie Prüfung zu deren Relevanz durch die Einspruchsabteilung grundsätzlich erfolgte, um dann in einem weiteren Schritt über die Zulassung der D6 bis D12 zu entscheiden.

Da gegenüber den Haupt- und Hilfsanträgen aus dem Einspruchsverfahren kein neuer Anspruch 4 seitens der Beschwerdeführerin II vorliegt, bestand für die Kammer somit keine Veranlassung, im vorliegenden Beschwerdeverfahren die prima facie Relevanz von D6 bis D12 erneut zu überprüfen, vgl. Punkt 2.1 dieser Entscheidung.

4.3 Zusammenfassend wurden die Dokumente D14 und D15 daher von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK nicht ins Verfahren aufgenommen, und auch die Dokumente D6 bis D12 befinden sich weiterhin nicht im Verfahren. Das Dokument D13 war jedoch von der Einspruchsabteilung für prima facie relevant befunden worden (siehe Punkt 22 der Einspruchsentscheidung), und war deshalb bereits im Verfahren, ungeachtet dessen neuerlicher Vorlage durch die Beschwerdeführerin I mit der Beschwerdebegründung. Die Prospektseiten D1-X1 und D1-X2 sind undatiert und stellen folglich keinen nachgewiesenen Stand der Technik dar.

5. Neuheit

(Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 EPÜ)

Verständnis des Anspruchs 4

5.1 Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin I ist den (zumindest zwei) Fräsrädern entsprechend dem Wortlaut des Anspruchs 4 neben dem Abfräsen sehr wohl eine Förderwirkung zugedacht, was durch die funktionelle Angabe "Freiraum ..., durch den abgeräumtes Bodenmaterial von den Fräsrädern gezielt an dem Rahmen vorbei ... förderbar ist" nach Ansicht der Kammer im Anspruch auch unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Dieses Verständnis ist zudem von der Beschreibung gestützt: siehe Patent, Absatz [0013], Zeilen 56 bis 58, und Absatz [0031]. Ungeachtet des etwaigen Durchgangs von abgefrästem Material am Rahmen der Fräse vorbei beim Abteufen des Frässchlitzes, wird durch die in Anspruch 4 angegebene Zweckbestimmung somit stets ein deutlicher Fördereffekt mittels der Fräsräder alleine gefordert.

5.2 Der in Anspruch 4 genannte "Freiraum am Rahmen" ermöglicht hierbei das Fördern des abgeräumten Materials "an dem Rahmen vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes", also den Durchgang von Material unter Passieren des Rahmens bis oberhalb der Schlitzwandfräse, vgl. auch Patent, Absatz [0033]. Darüber hinaus wird in Anspruch 4 ein einfacherer Durchgang von abgeräumtem Bodenmaterial aufgrund einer Linearführungseinrichtung der Fräse erreicht. So ist der Rahmen der Schlitzwandfräse nach Anspruch 4 "ohne Kontakt zur Wand des Frässchlitzes führbar", also ohne laterale Führung im Kontakt mit der Wand, vgl. auch Patent, Absatz [0022]. Wie dem Fachmann hinlänglich bekannt, weist eine Linearführungseinrichtung lediglich einen Freiheitsgrad auf und umfasst nach Anspruch 4 daher, außer der dort explizit genannten Führungsstange am oberen Ende des Rahmens, auch mindestens ein Linearlager für die Führungsstange (implizit).

5.3 Die Frage der Ausführbarkeit der nach Anspruch 4 des Patents erforderlichen Förderwirkung der Fräsräder ist nicht Gegenstand des Verfahrens, vgl. Punkt 2.4 dieser Entscheidung. Wie jedoch von der Beschwerdeführerin II in der Verhandlung vor der Kammer mehrfach eingeräumt, setzt der im Wortlaut des Anspruchs 4 geforderte "gezielte" Transport des Materials von der Unterseite des Frässchlitzes außen am Rahmen vorbei nach oben für den Fachmann voraus, dass neben entsprechenden Umfangsgeschwindigkeiten (vgl. Punkt 23 der Einspruchsentscheidung) auch die Drehrichtung der Fräsräder festgelegt wird: so ist ein Fördern des abgefrästen Bodenmaterials "gezielt an dem Rahmen vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes" technisch sinnvoll mittels "mindestens zwei ... Fräsrädern" in Anspruch 4 nach Ansicht der Beschwerdeführerin II (und auch der Kammer) ohne Verblocken der Fräse nur dann möglich, wenn sich die Fräsräder an deren Unterseite in Bezug auf die vertikale Mittenebene des zu fräsenden Schlitzes gegenläufig von innen nach außen drehen, vgl. Patent, Absatz [0031].

Dokument D1

5.4 Dokument D1 (im weiteren wird auf die relevanten Stellen in der deutschen Übersetzung verwiesen) beschreibt eine Schlitzwandfräse für das sogenannte "Soil Mixing - Verfahren" mit einem Rahmen, dessen Umfangsabmessungen im Querschnitt kleiner als die Innenabmessungen des Frässchlitzes ausgebildet sind: siehe D1, Figuren 1 und 2(b), und Absätze [0001] und [0022]. Hierbei lehrt, im Gegensatz zur Ansicht der Beschwerdeführerin I und der Einspruchsabteilung unter Punkt 25 ihrer Entscheidung, die D1 durchgehend, dass die unten befindlichen "Frästrommeln (8)" der Schlitzwandfräse den Baugrund abfräsen und dann die beiden oberhalb befindlichen "Rührtrommeln (9)" das abgefräste Bodenmaterial während des Abteufens unter Einpressen von Verbundmaterial im Bereich des Fräsenrahmens verrühren: siehe D1, Absätze [0015] und [0016]. Irgendeine beabsichtigte Förderwirkung der unten liegenden Fräsräder außen am Rahmen vorbei nach oben beim Abteufen des Frässchlitzes so wie in Anspruch 4 des Patents, etwa durch die Angabe einer bestimmten Drehrichtung oder Umfangsgeschwindigkeit der Fräsräder, ist nach Ansicht der Kammer D1 hierbei nicht zu entnehmen, auch nicht implizit.

5.5 Selbst wenn, wie in Absatz [0020] der D1 beschrieben, entgegen dem in Figur 2(b) gezeigten Ausführungsbeispiel keine verschiedenen, sondern formgleiche Trommeln als Naben und Halterungen für die "Fräsbits (8a)" bzw. "Rührpaddel (9a)" verwandt werden, gibt es aus D1 keinerlei Hinweis, dass in diesem Fall die "Rührtrommeln (9)" ihre vorteilhafte Rührfunktion im oberen Bereich des Rahmens verlieren sollen, und deshalb anstatt der vorgeschlagenen "Rührpaddel (9a)" irgendwelche Fräszähne auf den formgleichen Trommeln außen herum eingesetzt werden sollen, ganz zu Schweigen von einer beabsichtigten Transportwirkung solcherart oben am Rahmen angeordneter Fräsräder über die Rahmenhöhe hinaus und an der Fräse vorbei. Wegen dem grundlegenden Konzept des Abfräsens durch unten liegende Fräsräder und anschließenden Verrührens im Rahmenbereich mittels am Rahmen oberhalb der Fräsräder befindlicher Mischräder, sieht D1 auch keinen Freiraum zwischen der Wand des Frässchlitzes und dem Rahmen vor, der ein Fördern alleine durch die Fräsräder am Rahmen vorbei bis oberhalb der Fräse so wie in Anspruch 4 des Patents ermöglicht: Der Weg nach oben ist von den Mischrädern, also den "Rührtrommeln (9)" , stets behindert.

5.6 Und schließlich offenbart D1 nach Ansicht der Kammer, wieder im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin I und der Einspruchsabteilung unter Punkt 25 ihrer Entscheidung, auch keine Linearführungseinrichtung an der in D1 beschriebenen Fräse. Wie von der Beschwerdeführerin II argumentiert, ist für den Fachmann aus Figur 2(a) der D1 klar zu entnehmen, dass die glattflächigen Stirnseiten der Rühr- und Frästrommeln einer Führung an der Schlitzwand dienen. Selbst unter der Annahme, dass, wie von der Beschwerdeführerin I angeführt, die beschriebene Kelly-Stange eine teleskopierbare Führungsstange bildet und hierbei die in Figur 1 gezeigten Querstreben nicht nur Pendel- oder Sicherheitsstreben der Kelly-Stange darstellen, sondern tatsächlich einer vertikalen Führung der Fräse in Zeichenebene dienen, wird in Figur 1 der D1 die Führung normal zur gezeigten Fräse, also normal zur Zeichenebene, (zumindest auch) mittels an der Wand geführten glattflächigen Trommeln bewerkstelligt. Eine Linearführungseinrichtung nach Anspruch 4 des Patents, d.h. ein Linearlager mit einer Führungsstange und nur einem Freiheitsgrad in axialer Richtung, ist an der Schlitzwandfräse der D1 daher nicht unmittelbar und eindeutig entnehmbar. Aus diesem Grund kann die Fräse in D1 auch nicht, so wie in Anspruch 4 des Patents gefordert, ohne Kontakt zur Wand des Frässchlitzes geführt werden.

5.7 Zusammenfassend stellt die Kammer daher fest, dass Anspruch 4 gegenüber D1 das Erfordernis der Neuheit erfüllt. Die Neuheit des Anspruchs 4 in Bezug auf den übrigen im Verfahren befindlichen Stand der Technik wurde von der Beschwerdeführerin I nicht bestritten und auch die Kammer hat keinen Anlass, diese anzuzweifeln.

6. Erfinderische Tätigkeit

(Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ)

6.1 Als nächstliegender Stand der Technik wird von der Beschwerdeführerin I die Schlitzwandfräse nach D1 angesehen. Wie zuvor zur Neuheit unter Punkt 5 dieser Entscheidung ausführlich erläutert, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 4 von der Fräse aus D1 durch die vorgesehene Förderwirkung der Fräsräder, das Vorsehen eines Freiraums am Rahmen, durch den abgeräumtes Bodenmaterial mittels der Fräsräder gezielt am Rahmen vorbei in einen rückwärtigen Bereich des Frässchlitzes förderbar ist, und das Vorsehen einer Linearführungseinrichtung mit Führungsstange, wobei der Rahmen ohne Kontakt zur Wand des Frässchlitzes führbar ist.

Diesen unterscheidenden Merkmalen kann nach Auffassung der Beschwerdeführerin I die Aufgabe zugrunde gelegt werden, die Durchgängigkeit des abgeräumten Materials an der Fräse zu verbessern.

6.2 Dokument D4 beschreibt zwar eine Schlitzwandfräse mit Fräsrädern ("cutter 14"), welche das abgeräumte Material in situ mit Wasser vermischen und am Rahmen der Fräse seitlich vorbei nach oben fördern, siehe D4, Zusammenfassung der englischen Übersetzung: "... the mixing soil A is pushed upward through the side of the main body 12." Genau so wie in Anspruch 4 des Patents wird auch in D4 die Förderwirkung der Fräsräder am Rahmen vorbei insbesondere durch deren Drehrichtung erreicht, vgl. D4, Absatz [0012] (der deutschen Übersetzung "D4 bis"). Die in der Zusammenfassung gezeigte Fräse wird jedoch nicht an einer Linearführungseinrichtung geführt, sondern von einem Kran am Seil hängend zum Abteufen am Boden aufgesetzt, vgl. D4, Absatz [0008] und [0011] (der deutschen Übersetzung "D4 bis").

Das von der Beschwerdeführerin I weiter herangezogene Dokument D13 beschreibt eine Aushebemaschine "16" mit zwei Drehfrästrommeln "18" und oberhalb davon befestigte Kettenmischer "19" an einer Endloskette zum Ausheben einer Stützwand, siehe D13, Figuren 1 bis 4 und Zusammenfassung (der deutschen Übersetzung "D13 bis"). Der in Figur 3 der D13 gezeigte Rahmen "17" der Aushubmaschine verbreitert sich jedoch auf die Größe des Fräsquerschnitts, zudem drehen sich die Frästrommeln "18" zur Innenseite hin in entgegen gesetzter Richtung, vgl. D13, Absatz [0022] (der deutschen Übersetzung "D13 bis"), wodurch ebenfalls keine Förderwirkung seitlich am Rahmen nach oben mittels der Fräsräder erfolgen kann. Schließlich stellt der in D13 beschriebene Teleskoparm "15" keine Linearführung mit Führungsstange dar, da ein mehrstufiger Hydraulikzylinder, wie von der Beschwerdeführerin II argumentiert, keinen nennenswerten Querkräften ausgesetzt werden darf, und aus diesem Grund wie in Figur 4 und 5 dargestellt offenbar die Abstützung der Fräse oben mit dem Rahmen "17" seitlich an den Wänden der auszuhebenden Stützwand erfolgt.

6.3 Ausgehend von D1 hat der Fachmann, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin I, aufgrund seines allgemeinen Fachwissens zunächst keine Veranlassung, von dem in D1 vorteilhaft gelehrten zentralen Element eines Betriebs von unten liegenden Fräsrädern mit weiter oberhalb am Rahmen getrennt angeordneten Mischrädern abzugehen, um dadurch etwa einen Freiraum zwischen Rahmen und Wand des Frässchlitzes ab den Fräsrädern bis oberhalb der Fräse zum besseren Materialtransport von unten nach oben hin, also eine bessere Durchgängigkeit oberhalb der Fräsräder, zu ermöglichen. Wie von der Beschwerdeführerin II argumentiert, gilt dieser Umstand nach Ansicht der Kammer ausgehend von der grundlegenden Funktionsweise der Fräse in D1 auch im Lichte der nach D4 angeregten Förderwirkung durch zwei entsprechend gegenläufige Fräsräder. Weder D1 noch D4 können zudem eine Linearführungseinrichtung mit Führungsstange an einer Schlitzwandfräse zur Führung des Rahmens ohne Kontakt zur Wand des Frässchlitzes nahelegen, siehe die Erläuterungen unter Punkt 5.6 und 6.2 dieser Entscheidung. Aber auch die von einer Schlitzwandfräse weiter abliegende D13 kann, ausgehend von D1, dem Fachmann keinerlei Hinweis oder Anregung geben, D1 so zu modifizieren, dass der Fachmann zur Lösung der oben gestellten Aufgabe zum Gegenstand des Anspruchs 4 gelangen würde, insbesondere nicht zu einer Linearführungseinrichtung mit Führungsstange an der Fräse, vgl. Punkt 6.2 dieser Entscheidung. Somit kann auch eine (im übrigen von der Beschwerdeführerin I verspätet vorgetragene) Zusammenschau der Dokumente D1, D4 und D13 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 4 führen.

6.4 Durch die in Anspruch 4 erstens vorgesehene gezielte Förderwirkung der Fräsräder, insbesondere basierend auf deren Drehrichtung (vgl. Punkt 5.3 dieser Entscheidung), zweitens dem entsprechenden Freiraum am Rahmen, welcher ein Passieren des Rahmens bis oberhalb der Fräse ermöglicht, und drittens der Linearführung der Fräse, welche einen Betrieb der Fräse ohne Kontakt zur Wand und damit eine kompakte Bauweise des Fräsenrahmens ermöglicht (vgl. Patent, Absatz [0022]), wird im Patent in Kombination ein einfacherer Durchgang von abgeräumtem Bodenmaterial an der Schlitzwandfräse vorbei nach oben hin erreicht.

Der Gegenstand des Anspruchs 4 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

7. In Übereinstimmung mit den Parteien gelten die unter Punkt 2 bis 6 dieser Entscheidung erfolgten Ausführungen für den Gegenstand nach Anspruch 1 des Patents mutatis mutandis.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

3. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz

mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Beschreibung Spalten 1 bis 7 wie erteilt

Ansprüche 1 bis 9 eingereicht als Hilfsantrag

am 3. November 2008

Figuren 1 bis 7 wie erteilt.

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