T 0508/11 (Verfahren zur Hydrierung von Methylolalkanalen/BASF SE) of 9.6.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T050811.20150609
Datum der Entscheidung: 09 Juni 2015
Aktenzeichen: T 0508/11
Anmeldenummer: 04727249.7
IPC-Klasse: C07C 29/141
C07C 31/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HYDRIERUNG VON METHYLOLALKANALEN
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: OXEA Deutschland GmbH
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 111
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Hauptantrag - Neuheit (nein)
Hilfsantrag 1 - Änderungen zulässig (ja)
Hilfsantrag 1 - Neuheit (ja)
Zurückverweisung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung mit der das angefochtene Patent Nr. 1 620 377 widerrufen wurde.

II. Im Einspruchsverfahren war das Patent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Im Einspruchsverfahren wurde unter anderem folgende Druckschrift genannt:

(4) WO-A-95/32171.

III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das Patent in seiner erteilten Fassung gemäß damaligem Hauptantrag, sowie in seiner Fassung gemäß damaligem Hilfsantrag 1 nicht neu gegenüber Druckschrift (4) sei. Insbesondere werde gemäß Anspruch 1 des damaligen Hilfsantrages 1 ein Hydrierfeed eingesetzt, welcher weniger als 5 Gew.-% Formaldehyd enthalte. Die Mengenangabe von "weniger als 5 Gew.-%" Formaldehyd umfasse als Untergrenze einen Gehalt von 0 Gew.-%. Da auch in Druckschrift (4) ein Hydrierungsverfahren für Methanolalkanale entsprechend des Anspruchs 1 offenbart sei, in welchem ein Formaldehyd-freier Hydrierfeed eingesetzt werden könne, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 von Druckschrift (4) neuheitsschädlich getroffen. Die in Anspruch 2 des Hilfsantrages 2 vorgenommenen Änderungen verstießen gegen Artikel 123(2) EPÜ.

IV. Die Beschwerdeführerin reichte mit Schriftsatz vom 4. Mai 2011 einen Hauptantrag, sowie die Hilfsanträge 1 bis 4 ein. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 9. Juni 2015 zog sie diesen Hauptantrag, sowie die Hilfsanträge 1 bis 4 zurück. Von den mit Schriftsatz vom 2. April 2015 eingereichten Hilfsanträgen 4, 5 und 6 erklärte sie den Hilfsantrag 4 zum neuen Hauptantrag, sowie die Hilfsanträge 5 und 6 jeweils zu ihren Hilfsanträgen 1 und 2. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß diesem Hauptantrag lautete wie folgt:

"1. Verfahren zur katalytischen Hydrierung von Methylolalkanalen der allgemeinen Formel

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

in der R**(1) und R**(2) unabhängig voneinander eine weitere Methylolgruppe oder eine Alkylgruppe mit 1 bis 22 C-Atomen oder eine Aryl- oder Aralkylgruppe mit 6 bis 33 C-Atomen bedeuten, in der Flüssigphase an einem Hydrierkatalysator, dadurch gekennzeichnet, dass durch Zusatz mindestens eines tertiären Amins im Hydrierfeed ein pH-Wert von 6,3 bis 7,8 eingestellt wird und dass der Hydrierfeed weniger als 5 Gew.-% Formaldehyd aufweist."

In Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde die Passage "dass der Hydrierfeed weniger als 5 Gew.-% Formaldehyd aufweist" ersetzt durch "dass eine Formaldehyd-arme wässrige Methylolalkanallösung als Hydrierfeed eingesetzt wird, wobei der Gehalt an Formaldehyd unter 5 Gew.-% liegt".

V. Die Beschwerdeführerin trug vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu sei gegenüber der Druckschrift (4). Diese Druckschrift offenbare zwar einen Gehalt von 0 Gew.-% Formaldehyd im Hydrierfeed, die Abwesenheit von Formaldehyd sei jedoch gemäß Anspruch 1 ausgeschlossen, da das Streitpatent in Paragraph [0012] ausdrücklich unterscheide zwischen einem Formaldehyd-freien Hydrierfeed mit einem Formaldehydgehalt von 0 Gew.-%, und einem Formaldehyd-armen Hydrierfeed, welcher immer Formaldehyd enthalte, jedoch in einer Menge von weniger als 5 Gew.-%.

VI. Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass Anspruch 1 des Hauptantrages lediglich vorschreibe, dass der Gehalt an Formaldehyd im Hydrierfeed weniger als 5 Gew.-% betrage. Dies schließe auch das Fehlen von Formaldehyd, also 0 Gew.-% Formaldehyd, mit ein. Da Druckschrift (4) auf Seite 15 bereits ein Verfahren wie im Anspruch 1 des Streitpatentes offenbare, bei dem vor der Hydrierung das Formaldehyd durch Destillation vollständig entfernt werde, sei der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag von dieser Entgegenhaltung neuheitsschädlich vorweggenommen. In Bezug auf den Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 hatte die Beschwerdegegnerin keine Einwände hinsichtlich der vorgenommenen Änderungen und der Neuheit.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag 4 mit Schriftsatz vom 2. April 2015, oder hilfsweise auf der Grundlage einer der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht als Hilfsanträge 5 und 6 mit Schriftsatz 2. April 2015.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig

Hauptantrag

2. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

2.1 Die Beschwerdegegnerin hatte keine Einwände hinsichtlich Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht auf dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1, wobei das beanspruchte Verfahren dahingehend beschränkt wurde, "daß der Hydrierfeed weniger als 5 Gew.-% Formaldehyd aufweist"(siehe Paragraph IV supra). Dieses Merkmal findet sich im erteilten Anspruch 2, welcher wortgleich ist mit dem ursprünglichen Anspruch 2. Das Merkmal beschränkt den beanspruchten Gegenstand, wodurch der Schutzumfang im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert wird.

2.3 Anspruch 1 des Hauptantrages erfüllt demzufolge alle Voraussetzungen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

3.1 Die Einspruchsabteilung hatte in der angefochtenen Entscheidung die Druckschrift (4) als neuheitsschädlich gegenüber dem geltenden Anspruch 1 zitiert.

3.2 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag betrifft ein Verfahren zur katalytischen Hydrierung von Methylolalkanalen, wobei der Hydrierfeed weniger als 5 Gew.-% Formaldehyd aufweist. Diese Formulierung umfasst daher alle denkbaren Gehalte an Formaldehyd unter 5 Gew.-%, inklusive 0 Gew.-% als Untergrenze.

3.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Formulierung des Anspruchs 1, wonach der Hydrierfeed "weniger als 5 Gew.-% Formaldehyd aufweist", in Paragraph [0012] des Streitpatentes als "Formaldehyd-armer" Hydrierfeed beschrieben sei. Daher sei gemäß Anspruch 1 in jedem Fall eine bestimmte Menge an Formaldehyd vorhanden und somit ein Gehalt von 0 Gew.-% Formaldehyd ausgeschlossen.

Indessen ist festzustellen, dass der Gegenstand eines Anspruchs in erster Linie durch seinen Wortlaut definiert wird. Gemäß diesem Wortlaut liegt die Obergrenze des Formaldehyd-Gehaltes bei "weniger als 5 Gew.-%". Da auch "0 Gew.-% Formaldehyd" dieser Vorgabe entspricht, umfasst der Anspruch 1 auch einen Formaldehyd-freien Hydrierfeed, der 0 Gew.-% Formaldehyd aufweist. Eine beschränkende Interpretation des an sich klaren Merkmals "weniger als 5 Gew.-%" im Licht der Beschreibung ist im vorliegenden Fall weder notwendig noch zulässig.

3.4 Druckschrift (4) offenbart ebenfalls ein Verfahren zur katalytischen Hydrierung von Methylolalkanalen, wobei in einer bevorzugten Ausführungsform zunächst in wässrigem Medium Isobutyraldehyd mit Formaldehyd in Gegenwart eines Trialkylamins zu Hydroxypivalinsäure umgesetzt wird. Nach der Umsetzung wird erneut Trialkylamin zugesetzt bis ein pH-Wert von 7 bis 12 erreicht ist. Anschließend wird diese wässrige Lösung in Gegenwart von Wasserstoff und einem Hydrierkatalysator hydriert. Da aus der wässrigen Reaktionslösung vor der Hydrierung nicht umgesetztes Isobutyraldehyd und gegebenenfalls ein Teil des Trialkylamins durch Destillation abgetrennt werden, wird dabei auch evtl. noch vorhandener Formaldehyd abgetrennt, wodurch ein Hydrierfeed mit einem Gehalt von 0 Gew.-% Formaldehyd entsteht. Dies war zwischen den Parteien unstrittig.

3.5 Da Druckschrift (4) somit alle technischen Merkmale des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages offenbart, ist dessen Gegenstand von dieser Entgegenhaltung neuheitsschädlich vorweggenommen (Artikel 54 EPÜ).

Hilfsantrag 1

4. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

4.1 Die Beschwerdegegnerin hatte keine Einwände hinsichtlich Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

4.2 Der Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 basiert auf dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1, wobei als weiteres beschränkendes Merkmal angefügt wurde, "dass eine Formaldehyd-arme wässrige Methylolalkanallösung als Hydrierfeed eingesetzt wird, wobei der Gehalt an Formaldehyd unter 5 Gew.-% liegt" (siehe Paragraph IV supra). Diese Passage findet sich in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 3, Zeilen 1 bis 4.

4.3 Da durch dieses Merkmal auch der Schutzumfang des erteilten Anspruchs 1 beschränkt wird, ist die Kammer der Auffassung, dass die in Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ genügen.

5. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

5.1 Die Beschwerdegegnerin hatte keine Einwände gegen die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1.

5.2 Durch die Formulierung "dass eine Formaldehyd-arme wässrige Methylolalkanallösung als Hydrierfeed eingesetzt wird" weder in jedem Fall nur Methylolalkanallösungen umfasst, die tatsächlich Formaldehyd enthalten. Damit schließt Anspruch 1 nunmehr einen Gehalt von 0 Gew.-% Formaldehyd als Untergrenze aus. Da der Druckschrift (4) jedoch nicht eindeutig und unmittelbar entnommen werden kann, dass einerseits im Hydrierfeed noch Formaldehyd vorhanden sein muss, andererseits aber eine Obergrenze von weniger als 5 Gew.-% Formaldehyd nicht überschritten werden darf, gilt der Gegenstand des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 als neu gegenüber Druckschrift (4).

6. Zurückverweisung (Artikel 111 EPÜ)

Da das Streitpatent von der Einspruchsabteilung wegen mangelnder Neuheit gegenüber der Druckschrift (4), bzw. wegen Verstoßes gegen Artikel 123(2) EPÜ widerrufen worden ist, die Kammer indessen die formale Zulässigkeit, sowie die Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber Druckschrift (4) festgestellt hat, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Gleichwohl hat die Kammer keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit getroffen, da die Einspruchsabteilung zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit noch keine beschwerdefähige Entscheidung getroffen hat. Hierzu steht eine abschließende Prüfung der ersten Instanz noch aus. Die Kammer hält es daher nicht für angezeigt, an deren Statt diese Fragen zu entscheiden. Unter diesen Umständen verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurück.

Hilfsantrag 2

7. Nachdem dem Hilfsantrag 1 der Beschwerdeführerin stattgegeben wird, war auf ihren nachrangigen Hilfsantrag 2 nicht weiter einzugehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des Hilfsantrags 1, eingereicht als Hilfsantrag 5 mit Schriftsatz vom 2. April 2015, an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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