T 0482/11 () of 8.12.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T048211.20151208
Datum der Entscheidung: 08 Dezember 2015
Aktenzeichen: T 0482/11
Anmeldenummer: 02405825.7
IPC-Klasse: H01H 33/70
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Leistungsschalter
Name des Anmelders: ABB Schweiz AG
Name des Einsprechenden: Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichter Hilfsantrag - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden betreffen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1403891 in geändertem Umfang.

II. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer mit, dass sie Bedenken habe, ob die Beschwerde der Einsprechenden zulässig ist, und ob der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents (damals Hauptantrag der Patentinhaberin) neu ist.

III. Mit Schreiben vom 5. November 2015 teilte die Einsprechende mit, dass sie keine Teilnahme an der anberaumten mündlichen Verhandlung vor der Kammer plane.

IV. Mit Schreiben vom 5. November 2015 reichte die Patentinhaberin Anspruchssätze gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 ein.

V. Die mündliche Verhandlung wurde am 8. Dezember 2015 durchgeführt. Wie angekündigt war die Einsprechende nicht anwesend. Die Einsprechende hatte schriftlich beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die beschwerdeführende Patentinhaberin beantragte, die Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form gemäß dem mit Schreiben vom 5. November 2015 eingereichten Hauptantrag oder 1. Hilfsantrag aufrechtzuerhalten. Weiter hilfsweise beantragte die Patentinhaberin, die Beschwerde der Einsprechenden als unzulässig zu verwerfen.

VI. Das folgende, im Verfahren vor der ersten Instanz genannte Dokument ist für die Entscheidung relevant:

E3: US 4,182,942

VII. Der Patentanspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"Verfahren zur Kühlung von heissen Gasen (3, 5) in einem Leistungsschalter, welcher mindestens eine mit einem Isoliergas gefüllte, entlang einer Längsachse (1) erstreckte und einen Lichtbogenraum enthaltende Löschkammer mit mindestens zwei Leistungskontaktstücken aufweist, wobei mindestens eines der Leistungskontaktstücke als beweglicher oder feststehender rohrförmiger Hohlkontakt (2) ausgebildet ist, welcher für die Ableitung von heissen Gasen (3, 5) aus dem Lichtbogenraum in ein Auspuffvolumen (10) vorgesehen ist, welches durch eine das Auspuffvolumen (10) begrenzende Wand (11) eingeschlossen ist und durch mindestens eine zweite Öffnung (13) mit einem Löschkammervolumen (14) verbunden ist, wobei zwischen dem Hohlkontakt (2) und dem Auspuffvolumen (10) mindestens ein Zwischenvolumen (7, 16) vorhanden ist, das durch eine Wand (8, 17) eingeschlossen ist und durch mindestens eine radial ausgerichtete Öffnung (9, 18) mit dem Auspuffvolumen (10) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass

a) der Leistungsschalter mit einer auf der dem Lichtbogenraum abgewandten Seite des Hohlkontaktes (2) angeordneten, mit mindestens einer ersten Öffnung (6) des Hohlkontaktes (2) zusammenwirkenden Umlenkung (4) für das radiale Umlenken der heissen Gase (3, 5) in das Auspuffvolumen (10) versehen ist,

b) durch das Ausströmen in radialer Richtung der so entstandene Gasstrahl (19, 21, 23) auf die Wand (8, 17) des Zwischenvolumens (7, 16) trifft und durch diese unter intensiver Wirbelbildung abgelenkt wird und

c) durch die Wirbelbildung ein besonders guter Wärmeübergang auf die Wand (8, 17) des Zwischenvolumens (7, 16) bewirkt wird und das Volumen des wirbelnden Gases (20, 22, 24) reduziert wird."

Der unabhängige Vorrichtungsanspruch 13 betrifft einen Leistungsschalter mit zu den Merkmalen des Anspruchs 1 analogen Vorrichtungsmerkmalen.

Die Ansprüche 2 bis 11 sowie 14 bis 30 sind von Anspruch 1 bzw. von Anspruch 13 abhängig.

Beim 1. Hilfsantrag wurden im Kennzeichen des Anspruchs 1 die Merkmale b) und c) als Merkmale c) und d) umnummeriert und das folgende Merkmal b) hinzugefügt:

"b) die Umlenkung kegelförmig ausgebildet ist".

VIII. Die Patentinhaberin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Hauptantrag

Der Gegenstand des Kennzeichens des Anspruchs 1 sei aus dem Dokument E3 nicht bekannt, da dieses weder eine ausschließlich radiale Umlenkung, noch einen zum Zwecke der effektiven Kühlung fokussiert auf eine Wand eines Zwischenvolumens gerichteten Gasstrahl offenbare. Dies folge auch aus der Analyse der in Figur 4 von E3 gezeigten Druckverläufe in der Blaskammer 18 und in der Saugkammer 28. Durch die Bewegung des Kolbens 27 nach unten werde das durch den Hohlkontakt gesaugte Gas stets in einem Unterdruck gegenüber dem Normaldruck im Schalter gehalten, diffundiere daher und ströme sanft aus, sodass es nicht als fokussierter Gasstrahl an eine Wand prallen könne. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E3.

1. Hilfsantrag

Die Änderung in Anspruch 1, dass die Umlenkung kegelförmig ausgebildet ist, sei in Absatz [0015] der A1-Schrift (EP 1 403 891 A1) sowie in Anspruch 19, Merkmal a) der B1-Schrift (EP 1 403 891 B1) offenbart. Der Fachmann verstehe die Offenbarung "etwa kegelförmig" in Absatz [0015] der A1-Schrift dahingehend, dass sie auch den Grenzfall der geometrischen Kegelform mit umfasse. Die durchgeführte Änderung sei daher prima facie ursprünglich offenbart.

IX. Die Einsprechende argumentierte schriftlich im Wesentlichen wie folgt:

Hauptantrag

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht neu, da sämtliche Merkmale bereits aus Dokument E3 bekannt seien. Insbesondere ergebe sich Merkmal a) aus

den Figuren 1 und 3, die eine an der dem Lichtbogenraum abgewandten Seite des Hohlkontaktes 8 angeordnete Umlenkung sowie Öffnungen 29 zeige. Wie aus Figur 3 außerdem ersichtlich ströme der Gasstrahl nach E3 aus den Öffnungen 29 in radialer Richtung aus und treffe auf die Wand 14 des "second cylinder", an welchem der Gasstrahl intensiv verwirbelt werde, wodurch ein besonders guter Wärmeübergang mit Abkühlung und Volumenreduktion des erhitzten Gases erfolge. Dadurch seien auch die Merkmale b) und c) aus E3 vorbekannt und der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments E3.

Entscheidungsgründe

1. Beschwerde der Einsprechenden - Regel 101 (1) EPÜ

Die Einsprechende hat keine Beschwerdebegründung eingereicht. Die Beschwerde der Einsprechenden ist daher als unzulässig zu verwerfen, Regel 101 (1) EPÜ.

Die Einsprechende ist daher nicht Beschwerdeführerin, sondern lediglich gemäß Artikel 107 EPÜ am Beschwerdeverfahren beteiligt.

2. Hauptantrag - Artikel 54 (2) EPÜ

Aus dem Dokument E3 ist in den Figuren 1 bis 3 und der zugehörigen Beschreibung ein Leistungsschalter offenbart, der einen Hohlkontakt 8 mit einer ersten Öffnung (vier Öffnungen) 29 sowie einen Kolben 27 aufweist, der auf der dem Lichtbogen abgewandten Seite des Hohlkontaktes angeordnet ist, und der zusammen mit den Öffnungen 29 eine radiale Umlenkung der heißen Gase bewirkt. Es scheint der Kammer unwahrscheinlich zu sein, dass durch die Öffnungen ausströmendes Gas ausschließlich laminar abströmen kann, da jedenfalls an den Kanten der Öffnungen 29 und an der Umlenkung 27 Turbulenzen entstehen würden. Darüber hinaus zeigt Figur 3 auch ein jedenfalls teilweise radiales Abfließen des Gases in Richtung der Wand ("second cylinder" 14) eines Zwischenvolumens ("suction chamber" 28), sodass die Umlenkung des Gases nach E3 auch eine radiale Komponente hat.

Die Patentinhaberin argumentiert, dass nach E3 die Kühlung bereits in dem Verdrängungskörper 35 sowie an den Kühlrippen 31 stattfindet. Zusätzlich sei aufgrund der Druckverhältnisse, wie sie in Figur 4 von E3 dargestellt sind, klar, dass nach E3 kein fokussierter Gasstrahl zum Zweck der intensiven Wärmeübertragung auf eine Wand der Saugkammer gelenkt werde. Entgegen der Lehre des Streitpatents sei die Strömung nach E3 auch nicht ausschließlich radial.

Die Kammer ist von diesen Argumenten nicht überzeugt.

Zum einen ist im Anspruch 1 nicht definiert, dass die Strömung ausschließlich radial sein muss. Zudem zeigen die Figuren 1 und 2 der Patentschrift jeweils Umlenkungen 4, welche nicht geeignet sind, eine ausschließlich radiale Strömung hervorzurufen.

Zudem schließt eine im Verdrängungskörper 35 und an den Kühlrippen 31 stattfindende Kühlung bei E3 nicht aus, dass das Gas anschließend noch weiter gekühlt wird. Der Anspruch 1 legt auch nicht fest, welcher Anteil der Kühlung an der Wand des Zwischenvolumens zu erfolgen hat.

Darüber hinaus ist aus Figur 4 von E3 auch ersichtlich, dass es einen Zeitpunkt während des Schaltvorgangs gibt, ab welchem der resultierende Druckunterschied (P1-P2) zwischen der Blaskammer 18 und der Saugkammer 28 im positiven Bereich über dem Normaldruck (P0) im Inneren des Leistungsschalters liegt, d.h. wenn der Betrag von P1 größer als der Betrag von P2 wird, wodurch das erhitzte Gas unter Druck in die Saugkammer 28 geblasen wird. Ein Blick auf das Schnittbild in Figur 2 von E3 zeigt außerdem, dass vier Öffnungen 29 am Ende des Hohlkontaktes angeordnet sind. Wird durch diese Öffnungen heißes Gas unter Druck in Richtung der Wand 14 geblasen, findet jedenfalls an den betreffenden Wandstellen eine zumindest teilweise Wirbelbildung statt, die mit einem Wärmeübergang mit Volumenreduktion des wirbelnden Gases einhergeht.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher nicht neu im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ.

3. 1. Hilfsantrag - Artikel 13 (1) VOBK

Im Kennzeichen des Anspruchs 1 des 1. Hilfsantrags wurde das folgende Merkmal hinzugefügt:

"b) die Umlenkung kegelförmig ausgebildet ist"

Als Grundlage dieser Änderung gibt die Patentinhaberin Absatz [0015] der A1-Schrift sowie Anspruch 19, Merkmal a) der B1-Schrift an.

Ein Kegel hat nach seiner geometrischen Definition eine geradlinige Mantelfläche.

Allerdings lautet die ursprüngliche Offenbarung der A1-Schrift: "...eine etwa kegelförmige Umlenkung 4...". Auch den Figuren 1 und 2 des Patents ist eine Umlenkung mit geradliniger Mantelfläche nicht zu entnehmen.

Die Kammer ist daher prima facie der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen ist. Eine Zulassung des ersten Hilfsantrags würde zu neuen Problemen, nämlich unzulässigen Änderungen nach Artikel 123 (2) EPÜ, führen.

Der 1. Hilfsantrag wird daher gemäß Artikel 13 (1) VOBK nicht zugelassen.

4. Da kein gewährbarer Antrag der Patentinhaberin vorliegt, ist die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde der Einsprechenden wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

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