European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T046811.20150519 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Mai 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0468/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05744669.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61Q 5/06 A61Q 5/10 A61K 8/02 A61K 8/04 A61K 8/11 A61K 8/73 A61K 8/25 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | MEHRKOMPONENTEN-KIT UND VERFAHREN ZUM FÄRBEN VON KERATINFASERN | ||||||||
Name des Anmelders: | Wella GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Henkel AG & Co. KGaA | ||||||||
Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Priorität - Gültigkeit des Prioritätstages (ja) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 1 771 226 in geänderter Fassung auf Grundlage des damals geltenden Hilfsantrages 1 aufrecht erhalten wurde.
II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang von der Beschwerdeführerin wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Druckschriften genannt:
(1a) DE-A-103 47 242,
(1b) WO-A-2005/044208,
(2) WO-A-97/039727 und
(3) US-A-6,440,175.
III. Der angefochtenen Entscheidung lagen gemäß damaligem Hilfsantrag 1 die Ansprüche 1 bis 10 zugrunde. Die unabhängigen Stoffansprüche 1 und 2 lauteten wie folgt:
"1. Mehrkomponenten-Kit zum Färben von Keratinfasern, dadurch gekennzeichnet, dass es aus (i) einer Farbstoffträgermasse (A), welche frei ist von Farbstoffen und Farbstoffvorstufen; (ii) mehreren Zusammensetzungen (B) bestehend aus farbstoffhaltigen Pellets, welche durch homogenes Vermischen eines mindestens einen natürlichen und/oder synthetischen Farbstoff enthaltenden Ausgangsstoffes mit einem geeigneten Trägermaterial und anschließende Beschichtung mit einem geeigneten Verkapselungsmaterial erhalten werden und mindestens ein Oxidationsfarbstoffvorprodukt und/oder mindestens einen Direktfarbstoff sowie gegebenenfalls mindestens eine keratinaufhellende bzw. bleichende Substanz enthalten; und gegebenenfalls (iii) einem geeigneten Oxidationsmittel (C) besteht."
"2. Mehrkomponenten-Kit zum Färben von Keratinfasern, dadurch gekennzeichnet, dass es aus (i) einer Farbstoffträgermasse (A), welche frei ist von Farbstoffen und Farbstoffvorstufen; (ii) mehreren Zusammensetzungen (B) bestehend aus farbstoffhaltigen Pellets, welche durch Beschichten eines geeigneten Trägermaterials mit einer Mischung aus mindestens einem natürlichen und/oder synthetischen Farbstoff und mindestens einem geeigneten Verkapselungsmaterial erhalten werden und mindestens ein Oxidationsfarbstoffvorprodukt und/oder mindestens einen Direktfarbstoff sowie ggfs. mindestens eine keratinaufhellende bzw. bleichende Substanz enthalten; und ggfs. (iii) einem geeigneten Oxidationsmittel (C) besteht."
IV. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass das Patent in seiner Fassung gemäß damaligem Hauptantrag die Priorität zu unrecht beanspruche. Die als erste Anmeldung der Erfindung zu wertende ältere Druckschrift (1a) offenbare alle Merkmale der Erfindung. Daher nähmen diese Druckschrift (1a), sowie die inhaltsgleiche Druckschrift (1b) den Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag neuheitsschädlich vorweg. Die Merkmalskombination der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 sei nicht in den Druckschriften (1a) und (1b) offenbart, so dass für den Hilfsantrag 1 das in Anspruch genommene Prioritätsdatum anerkannt werden könne und der Gegenstand der Ansprüche neu gegenüber diesen Druckschriften sei. Ausgehend von Druckschrift (3) als nächstliegendem Stand der Technik beruhe der Gegenstand der Ansprüche auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da es nicht nahegelegen habe, die Farbstoff enthaltenden Pellets mit einem Verkapselungsmaterial zu umgeben.
V. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der Gegenstand der Ansprüche gemäß des von der Einspruchsabteilung als patentfähig erachteten Hilfsantrages 1 die Priorität zu unrecht beanspruche, da die prioritätsbegründende Anmeldung nicht die erste Anmeldung der beanspruchten Erfindung sei. Die Druckschrift (1a), ebenfalls eine Anmeldung der Beschwerdegegnerin, offenbare bereits ein Mehrkomponenten-Kit, welches mehrere farbstoffhaltige Pellets mit den technischen Merkmalen des Streitpatentes verwende. Da Druckschrift (1a) mehr als ein Jahr vor dem Streitpatent angemeldet worden sei, sei das vom Streitpatent beanspruchte Prioritätsdatum ungültig. Folglich stelle die Druckschrift (1a) einen Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ, sowie die inhaltsgleiche Druckschrift (1b) einen Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ dar. Die Druckschriften (1a) und (1b) nähmen damit den Gegenstand der Ansprüche gemäß des als gewährbar erachteten Hilfsantrages neuheitsschädlich vorweg.
Ausgehend von der Druckschrift (3) als nächstliegendem Stand der Technik beruhe der Gegenstand der Ansprüche im Hinblick auf die Druckschrift (2), sowie im Hinblick auf die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Druckschriften
(5) WO-A-03/074014 oder
(6) EP-A-0 560 088
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere seien die im Prüfungsverfahren eingereichten Vergleichsversuche nicht dazu geeignet, eine Verbesserung hinsichtlich der Lagerstabilität und der geringeren Staubentwicklung gegenüber Druckschrift (3) zu belegen, da nur jeweils eine Zusammensetzung (B) von farbstoffhaltigen Pellets eingesetzt worden sei, während gemäß Streitpatent jeweils mehrere Zusammensetzungen (B) vorhanden sein müssten. Die Beschichtung von Bestandteilen eines Haarbehandlungsmittels sei bereits durch die Druckschriften (2), (5) oder (6) nahegelegt.
VI. Im Beschwerdeverfahren verfolgte die Beschwerdegegnerin als Hauptantrag die Aufrechterhaltung des Streitpatentes auf der Grundlage derjenigen Ansprüche, die als damaliger Hilfsantrag 1 von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet wurden. Mit Schriftsatz vom 20. September 2011 reichte sie die zusätzlichen Hilfsanträge 1 und 2 ein.
VII. Die Beschwerdegegnerin widersprach den Ausführungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der zu unrecht beanspruchten Priorität, der fehlenden Neuheit und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit. Sie argumentierte, dass die erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereichten Druckschriften (5) und (6) verspätet seien und wegen mangelnder Relevanz nicht in das Verfahren vor der Kammer zugelassen werden sollten.
Hinsichtlich der Priorität widersprach sie den Ausführungen der Beschwerdegegnerin, da die als vermeintlich erste Anmeldung der Erfindung angeführten Druckschriften (1a) und (1b) nicht den Gegenstand gemäß Streitpatent offenbarten. Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit brachte sie vor, dass Druckschrift (3) Mehrkomponenten-Kits offenbare, welche jedoch nur ein farbstoffhaltiges Pulver offenbare, welches nicht beschichtet sei. In ihren Vergleichsversuchen vom 6. Juli 2007 werde jedoch gezeigt, dass durch das Beschichten der farbstoffhaltigen Granulate eine signifikante Verringerung der Staubentwicklung und eine bessere Farbstabilität bei längerer Lagerung erreicht werde. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Druckschriften (2), (5) und (6) enthielten jedoch keinen Hinweis darauf, dass ausgehend von Druckschrift (3) durch die Verwendung beschichteter Pellets eine Verbesserung des Staubverhaltens und der Lagerstabilität erreicht werden könne.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1771226.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde sowie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2, beide eingereicht mit Schriftsatz vom 20. September 2011.
IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 19. Mai 2015 wurde die Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Priorität
2.1 Die Beschwerdeführerin hatte die Gültigkeit des Prioritätsdatums des Streitpatentes angegriffen, da die prioritätsbegründende Anmeldung nicht die erste Anmeldung derselben Erfindung darstelle. Die im Namen der Beschwerdeführerin am 10. Oktober 2003 angemeldete Druckschrift (1a) offenbare bereits alle Merkmale der Ansprüche gemäß Hauptantrag. Das Streitpatent betreffe dieselbe Erfindung, sei aber erst am 18. Mai 2005 angemeldet worden. Die als Prioritätsdokument genannte Anmeldung vom 30. Juli 2004 sei nicht die erste Anmeldung der beanspruchten Erfindung im Sinne von Artikel 87(1) EPÜ. Folglich sei die im Streitpatent beanspruchte Priorität ungültig.
2.2 Artikel 87(1) EPÜ schreibt vor, dass jedermann, der in einem oder mit Wirkung für einen Vertragsstaat der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums eine Anmeldung für ein Patent eingereicht hat für die Anmeldung derselben Erfindung zum europäischen Patent während einer Frist von zwölf Monaten nach der Einreichung der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht genießt.| |
Das in Artikel 87(1) EPÜ für die Inanspruchnahme einer Priorität genannte Erfordernis "derselben Erfindung" bedeutet, dass die Priorität einer früheren Anmeldung für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Artikel 88 EPÜ nur dann anzuerkennen ist, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann (siehe G 2/98, Leitsatz, ABl. EPA 2001, 413).
2.3 Es ist daher zu prüfen, ob der Druckschrift (1a) die Kombination aller technischer Merkmale gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages unmittelbar und eindeutig entnommen werden kann.
Druckschrift (1a) offenbart farbstoffhaltige Pellets zum Färben von Keratinfasern, entsprechend den farbstoffhaltigen Pellets gemäß Komponente ii) des Streitpatentes (siehe z.B. Anspruch 1). Diese Pellets wurden zusammen mit einer Cremebasis (entsprechend Komponente i) des Streitpatentes) und einem Oxidationsmittel (entsprechend Komponente iii) des Streitpatentes) zu einem Oxidationshaarfärbemittel umgesetzt (siehe Beispiele 10 und 11).
2.3.1 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die Beispiele 10 und 11 der Druckschrift (1a) auch implizit das Merkmal vorwegnähmen, wonach die Komponenten i), ii) und iii) ein Mehrkomponenten-Kit darstellten, da sie räumlich getrennt vorlägen und beim Zusammenmischen eine aufeinander abgestimmte Wirkung entfalteten.
2.3.2 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern bezeichnet ein "kit-of-parts" das räumliche Nebeneinander von funktionell aufeinander abgestimmten Einzelkomponenten (siehe T 9/81, ABl. EPA 1983, 372, Punkt 6 der Entscheidungsgründe).
2.3.3 Im vorliegenden Fall werden gemäß Druckschrift (1a) lediglich die jeweiligen Komponenten i), ii) und iii) einzeln bereitgestellt und miteinander gemischt. Dieses bloße Zusammenmischen einzelner Komponenten, die in einem Versuchslabor aus einer nicht begrenzten Menge an Einzelsubstanzen ausgewählt werden, erfüllt wohl das Erfordernis der räumlichen Trennung der einzelnen Komponenten. Es fehlt jedoch die Zweckbestimmung, dass diese Einzelkomponenten i), ii) und iii) als funktionelle Einheit in ihrer Wirkung so aufeinander abgestimmt sind, dass ihr Einsatz eine zielgerichtete Verwendung ermöglicht, hier die Bereitstellung von Oxidationshaarfärbemitteln in einer breiten Palette von Farbnuancen.
2.4 Daher ist die Kammer der Auffassung, dass das technische Merkmal, wonach die Komponenten i), ii) und iii) als Mehrkomponenten-Kit vorliegen in Druckschrift (1a) nicht offenbart ist. Da die Druckschrift (1b) wortgleich ist mit der Druckschrift (1a) gelten für diese Druckschrift dieselben Argumente und Schlussfolgerungen, wie für die Druckschrift (1a) mit dem Ergebnis, dass auch diese Druckschrift die Erfindung des Streitpatentes nicht offenbart.
2.5 Da von der Beschwerdeführerin nie bestritten wurde, dass die zur Begründung des Prioritätstages vorgelegte Anmeldung DE 102004037105 und das Streitpatent dieselbe Erfindung offenbaren, ist das vom Streitpatent beanspruchte Prioritätsdatum vom 30. Juli 2004 gültig.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Die Beschwerdeführerin hatte die Neuheit des Gegenstandes der Ansprüche gemäß Hauptantrag im Hinblick auf die Druckschriften (1a) und (1b) angegriffen.
Da jedoch bei der Diskussion der Gültigkeit des Prioritätsdatums festgestellt wurde, dass die Druckschriften (1a) und (1b) nicht alle technischen Merkmale der Ansprüche gemäß Hauptantrag offenbaren (siehe Paragraph 2, supra), ist die Neuheit anzuerkennen.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag betreffen Mehrkomponenten-Kits zum Färben von Keratinfasern, welche aus einer Farbträgermasse, einem Oxidationsmittel und mehreren Zusammensetzungen (B) bestehend aus farbstoffhaltigen Pellets bestehen. Ein derartiges Mehrkomponenten-Kit ist bereits aus Druckschrift (3) bekannt. Diese Druckschrift wurde sowohl in der angefochtenen Entscheidung, als auch von beiden Parteien als nächstliegender Stand der Technik anerkannt.
4.2 Druckschrift (3) offenbart ein Mehrkomponenten-Kit zum Färben von Keratinfasern, welches eine Farbbasis enthält, sowie mehrere räumlich davon getrennte Farbkonzentrate (siehe Anspruch 1; Spalte 1, Zeilen 53 bis 63). Die Anwendung des Mehrkomponenten-Kits ermöglicht das Erstellen verschiedener Farbmischungen (siehe Spalte 4, Zeilen 17 bis 19). Die Farbkonzentrate können dabei auch in fester Form, beispielsweise als Pulver oder Tabletten vorliegen (siehe Anspruch 3; Spalte 3, Zeilen 21 bis 22).
4.3 Nach den Ausführungen der Beschwerdegegnerin bestand die technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Mehrkomponenten-Kits zum Färben von keratinischen Fasern, welches staubfrei ist und bessere Lagerstabilität aufweist.
4.4 Als Lösung dieser technischen Aufgabe bietet das Streitpatent die Mehrkomponenten-Kits gemäß den unabhängigen Ansprüchen 1 oder 2 an, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass die Farbstoff enthaltenden Pellets mit einem Verkapselungsmaterial überzogen sind.
4.5 Um zu belegen, dass die o.g. technische Aufgabe erfolgreich gelöst wird, verwies die Beschwerdegegnerin auf ihre mit Schriftsatz vom 6. Juli 2007 eingereichten Vergleichsversuche.
4.5.1 In den Vergleichsversuchen des Beschwerdegegners wurden farbstoffhaltige Granulate gemäß der Definition der Komponente ii) in Anspruch 1 des Streitpatentes (Mischung A) und farbstoffhaltige Granulate gemäß Druckschrift 3 (Mischung B) verglichen. Die beiden Mischungen unterschieden sich lediglich dadurch, dass die erfindungsgemäßen Granulate der Mischung A mit einem Filmbildner beschichtet wurden, während die Granulate gemäß Druckschrift (3) der Mischung B unbeschichtet blieben.
Eine Analyse beider Mischungen zeigte, dass die erfindungsgemäßen Granulate der Mischung A einen Feinstaubanteil von unter 0,001% aufwiesen und damit staubfrei waren, während die Granulate der Vergleichsmischung B einen Feinstaubanteil von 0,4% aufwiesen. Zur Bestimmung der Lagerstabilität wurde für beide Mischungen die Veränderung des Farbtones (Messung der Farbwerte nach dem Lab-System) unter definierten Lagerbedingungen ermittelt. Dabei zeigte die erfindungsgemäße Mischung A nach Lagerung einen DeltaE-Wert von 0,94, während die Vergleichsmischung B einen DeltaE-Wert von 2,92 aufwies, also eine deutlich stärkere Änderung des Farbtons. Da die Farbveränderung als Maß für die Lagerstabilität gilt, zeigt die erfindungsgemäße Mischung A eine bessere Lagerstabilität als die Vergleichsmischung B.
Die Eigenschaften von farbstoffhaltigen Pellets mit einem Aufbau gemäß Anspruch 2 wurden zwar nicht anhand von Vergleichsversuchen belegt. Da jedoch die Definition der farbstoffhaltigen Pellets gemäß Anspruch 2 vorsieht, dass die Farbstoffteilchen zunächst mit dem Verkapselungsmaterial gemischt werden, ist jedes Farbstoffteilchen ebenfalls mit dem Verkapselungsmaterial umhüllt, wenn es auf die Oberfläche des Pellets aufgebracht wird. Daher erscheint es glaubhaft, dass auch für die farbstoffhaltigen Pellets mit einem Aufbau gemäß Anspruch 2 ähnliche Ergebnisse hinsichtlich der Staubentwicklung und der Lagerstabilität erreicht werden wie für die Pellets gemäß der Mischung A.
4.5.2 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass nur jeweils eine Art von Pellets der Komponente ii) untersucht wurde, während Anspruch 1 vorschreibt, dass das Mehrkomponenten-Kit als Komponente ii) stets mehrere unterschiedliche Zusammensetzungen B aufweisen muss.
Indessen ist festzustellen, dass es hinsichtlich der Eigenschaft der Staubfreiheit und der Lagerstabilität ausreichend ist, die Eigenschaften an nur einem Typ von farbstoffhaltigen Pellets zu bestimmen, da eine Verbesserung, die für einzelne Pellets nachgewiesen wird, auch auf für Pelletgemische extrapoliert werden kann. Das Argument der Beschwerdeführerin kann somit nicht durchgreifen.
Die Beschwerdeführerin brachte weiter vor, dass Isomalt, welches in den Vergleichsbeispielen der Beschwerdegegnerin als Trägermaterial für die Granulate eingesetzt wurde, ein Oligosaccharid sei, welches gemäß der Definition des Streitpatentes (siehe Seite 8, Zeile 31) auch als Verkapselungsmaterial geeignet sei. Da beide Mischungen A und B jenes Isomalt enthielten, enthielten somit beide Mischungen ein Verkapselungsmaterial und stellten somit beide Pellets gemäß Streitpatent dar. Daher sei kein Effekt in Bezug auf die Staubentwicklung und die Lagerstabilität gezeigt worden, da ein Vergleich mit dem Stand der Technik fehle.
Indessen ist festzustellen, dass gemäß den Ansprüchen 1 und 2 das Verkapselungsmaterial stets als äußerste Schicht aufgebracht wird, entweder alleine (Anspruch 1) oder im Gemisch mit Farbstoffen (Anspruch 2). Das Isomalt in den Vergleichsbeispielen der Beschwerdegegnerin wurde jedoch als Trägermaterial eingesetzt und nicht als Verkapselungsmaterial. Daher kann auch dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugen.
4.6 Daher ist die Kammer der Auffassung, dass die in Paragraph 4.3 supra definierte Aufgabe erfolgreich gelöst ist.
4.7 Es bleibt nunmehr zu untersuchen, ob es nahegelegen hatte, zur Erreichung einer geringeren Staubentwicklung und zur Verbesserung der Lagerstabilität die aus Druckschrift (3) bekannten farbstoffhaltigen Pulver als mit einem Verkapselungsmaterial beschichtete Pellets bereitzustellen. In Bezug auf das Naheliegen der streitpatentgemäßen Lösung verwies die Beschwerdeführerin auf die Druckschriften (2), (5) und (6).
4.7.1 Druckschrift (2) offenbart ein Verfahren zum Färben von Keratinfasern unter Verwendung eines Mehrkomponenten-Kits, welches ein farbstoffhaltiges Pulver verwendet. Dieses Pulver kann auch ein Bindemittel oder Umhüllungsmittel enthalten (Seite 14, Zeilen 6 bis 18 und Zeilen 20 bis 21). Druckschrift (2) enthält jedoch keine Informationen darüber, zu welchem Zweck das Bindemittel oder das Umhüllungsmittel zugesetzt werden, welche Struktur das umhüllte Pulver aufweist und welche Substanzen geeignete Umhüllungsmittel darstellen. Daher kann der Fachmann der Druckschrift (2) keinen Hinweis auf die Lösung seiner technischen Aufgabe entnehmen.
4.7.2 Druckschrift (5) offenbart beschichtete Formkörper zur Färbung keratinischer Fasern (Seite 34, Absatz 2). Die Beschichtung erfolgt hier, um das gewünschte Lösungsverhalten zu erzielen. Zur Verbesserung der Lagerstabilität schlägt Druckschrift (5) vor, nur jeweils eine Art von Farbstoffvorprodukten in den Formkörpern zu verwenden, um eine vorzeitige Reaktion zu vermeiden. Druckschrift (5) enthält keine Informationen hinsichtlich des Staubverhaltens der Formkörper. Daher findet der Fachmann in Druckschrift (5) keine Anregungen, die ihn zur Streitpatentgemäßen Lösung führen.
4.8 Druckschrift (6) offenbart feste, pulverförmige Bleichmittel für Haare, welchen zur Verringerung der Staubentwicklung ein Wachs oder Öl zugesetzt wird (Seite 2, Zeilen 50 bis 56). Da diese Druckschrift keine Färbemittel für keratinische Fasern betrifft, sondern ein anderes technisches Gebiet, hätte der Fachmann diese Druckschrift nicht zur Lösung seiner technischen Aufgabe herangezogen.
4.9 Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
4.10 Der Gegenstand der weiteren Ansprüche betrifft jeweils bevorzugte engere Ausführungsformen des Gegenstandes der unabhängigen Ansprüche 1 und 2, ein Verfahren zum Färben von keratinischen Fasern, sowie die Verwendung eines Mehrkomponenten-Kits zur individuellen Herstellung von Färbemitteln für keratinische Fasern. Da sich die Ansprüche 3 bis 10 alle auf die in Anspruch 1 und 2 definierten Mehrkomponenten-Kits beziehen, wird die ihnen zugrunde liegende erfinderische Tätigkeit von derjenigen der Ansprüche 1 und 2 getragen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.