European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T039411.20150707 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 Juli 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0394/11 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97951238.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 39/395 A61K 47/18 A61K 47/26 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitungen von mono- oder polyk[l]onalen Antikörpern | ||||||||
Name des Anmelders: | Roche Diagnostics GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Merck Patent GmbH Medimmune Limited |
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Kammer: | 3.3.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag, Hilfsanträge II bis V: Änderungen-zulässig (nein) Hilfsantrag I: zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin
(Beschwerdeführerin I) und der Einsprechenden 1 (Beschwerdeführerin II) richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents
Nr. 0 941 121 in geändertem Umfang. Der Titel des Patents lautet "Stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitungen von mono- oder polyk[l]onalen Antikörpern".
Anspruch 1 des erteilten Patentes lautete:
"1. Stabile lyophilisierte pharmazeutischen Zubereitung von mono-oder polyk[l]onalen Antikörpern, enthaltend einen Zucker oder einen Aminozucker, eine Aminosäure und ein Tensid."
II. Gegen das Patent wurden zwei Einsprüche eingelegt. Einspruchsgründe waren Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 and 56 EPÜ und Artikel 100(b) EPÜ. Die Einspruchsabteilung befand, dass der ihr vorliegende Hauptantrag nicht neu sei, und entschied, das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 aufrechtzuerhalten.
III. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin I, das Patent auf der Basis des Antrags aufrecht zu erhalten, der auch der Einspruchsabteilung als Hauptantrag vorgelegen hatte. Hilfsweise beantragte sie, das Patent in der von der Einspruchsabteilung genehmigten Fassung aufrecht zu erhalten oder auf der Basis "weiterer Hilfsanträge, die möglicherweise im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens [...] noch eingereicht werden."
IV. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin II ließ die Beschwerdeführerin I ihren Hauptantrag fallen und erhob den Hilfsantrag zu ihrem Hauptantrag. Außerdem reichte sie eine Vielzahl neuer Hilfsanträge ein.
V. Mit Schreiben vom 14. April 2015 reichte die Beschwerdeführerin I die Hilfsanträge I bis IV ein, welche die bisherigen Hilfsanträge ersetzten.
VI. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am
7. Juli 2015 statt. Wie angekündigt war die Einsprechende 2 weder anwesend noch vertreten.
Im Lauf der Verhandlung machte die Beschwerdeführerin I ihren Hilfsantrag zu ihrem Hauptantrag und reichte einen neuen Hilfsantrag I ein, nachdem die Kammer den Parteien ihre Meinung mitgeteilt hatte, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ nicht genüge. Des weiteren machte die Beschwerdeführerin I den anhängigen Hauptantrag zu ihrem Hilfsantrag II und ihre Hilfsanträge II bis IV zu ihren Hilfsanträgen III bis V.
Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
VII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"1. Stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, enthaltend einen Zucker oder einen Aminozucker, als Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin, als Tensid ein Polysorbat oder eine Polyoxyethylen-polyoxypropylen-Polymer und eine anorganische Säure oder deren Salz."
Anspruch 1 des Hilfsantrags I unterscheidet sich vom Hauptantrag lediglich dadurch, dass der Ausdruck "als Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin" durch den Ausdruck "eine einzige basische Aminosäure" ersetzt wurde und lautet demgemäß:
"1. Stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, enthaltend einen Zucker oder einen Aminozucker, eine einzige [sic] basische Aminosäure, als Tensid ein Polysorbat oder eine Polyoxyethylen-polyoxypropylen-Polymer und eine anorganische Säure oder deren Salz."
Anspruch 1 des Hilfsantrags II unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags in der Definition der Aminosäure, des Tensides und der Säure und lautet:
"1. Stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, enthaltend einen Zucker oder einen Aminozucker, eine einzige, basische Aminosäure, ein Tensid und eine anorganische Säure, Essigsäure oder deren Salz."
Anspruch 1 des Hilfsantrags III unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs "oder deren Salz" gestrichen ist und lautet:
"1. Stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, enthaltend einen Zucker oder einen Aminozucker, als Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin, als Tensid ein Polysorbat oder eine Polyoxyethylen-polyoxypropylen-Polymer und eine anorganische Säure."
Anspruch 1 des Hilfsantrags IV unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch das der Ausdruck "als Aminosäure" durch den Ausdruck "der basischen Aminosäure" und "enthaltend durch "bestehend" ersetzt wurde und lautet demgemäß:
"1. Stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, bestehend aus mono- oder polyklonalen Antikörpern, einem Zucker oder einem Aminozucker, der basischen Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin, als Tensid einem Polysorbat oder einem Polyoxyethylen-polyoxypropylen-Polymer und einer anorganischen Säure oder deren Salz."
In Anspruch 1 des Hilfsantrags V wurden die in den Hilfsanträgen III und IV vorgenommenen Änderungen kombiniert. Der Antrag lautet demgemäß:
"1. Stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, bestehend aus mono- oder polyklonalen Antikörpern, einem Zucker oder einem Aminozucker, der basischen Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin, als Tensid einem Polysorbat oder einem Polyoxyethylen-polyoxypropylen-Polymer und einer anorganischen Säure."
VIII. Wenn nicht anders angegeben beziehen sich im folgenden die Angaben zu Ansprüchen, Passagen aus der Beschreibung, Beispielen, etc. auf die Anmeldung in der eingereichten Fassung.
IX. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin I lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
Anspruch 1 sei durch Anspruch 7 in Kombination mit den Ansprüchen 6, 3 und 1 sowie durch die Offenbarung auf der Seite 9, Zeilen 12 bis 13 und Zeile 26, der Seite 10, zweiter Absatz, und durch das Beispiel 4 gestützt. Anspruch 3 sei in Zusammenhang mit Anspruch 1 zu lesen und offenbare eine Zubereitung, welche die erfindungswesentlichen Komponenten enthalte. Was diese Komponenten im Speziellen darstellen können, lasse sich den Ansprüchen und der Beschreibung entnehmen.
Zwar fehle das in Anspruch 3 im Zusammenhang mit dem Merkmal "anorganischen Säure" offenbarte Merkmal "einer als Puffersubstanz wirkenden" im jetzigen Anspruch 1. Der Fachmann entnehme jedoch der Beschreibung, insbesondere der Seite 9, Zeilen 15 bis 19 und der Seite 11, Zeilen 15 bis 31, dass eine anorganische Säure immer als Puffer wirke und lese den Anspruch demgemäß auch so.
Es sei ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass die Kombination von in der ursprünglich eingereichten Anmeldung als bevorzugt hervorgehobener Merkmale die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfülle. Ebenso können Beispiele zeigen, was bevorzugt sei und somit als hervorgehoben gelten müsse.
Die bevorzugte Verwendung von anorganischen Säuren oder deren Salzen im allgemeinen ergebe sich insbesondere aus den Beispielen, denn dort werde immer eine anorganische Säure, nämlich Phosphorsäure, verwendet.
Das Merkmal "Aminosäure" in Anspruch 1 des Hauptantrages umfasse sowohl die freien Aminosäuren als auch deren Salze.
Der Fachmann erkenne aus der Seite 9, Zeile 26, und den Beispielen, insbesondere dem Beispiel 4, dass basische Aminosäuren bevorzugt seien, bzw. besonders gut funktionierten. Seite 9, Zeilen 12 bis 13 offenbare, dass als Aminosäuren in der Zubereitung "basische Aminosäuren in Frage [kommen] wie beispielsweise Arginin, Lysin, Histidin Ornithin u.a.". Diese vier Aminosäuren stünden auch in Anspruch 6, auf den sich der Anspruch 7 beziehe.
Hilfsantrag I
Zulassen in das Verfahren
Die Kammer habe im schriftlichen Verfahren keine vorläufige Meinung geäußert. Daher sei es der Beschwerdeführerin I nicht möglich gewesen, einen dem jetzigen Hilfsantrag I entsprechenden Antrag früher einzureichen.
Das Merkmal "eine einzige basische Aminosäure" sei mit einem Komma zwischen "einzige" und "basische" zu lesen. Es habe eine Basis auf der Seite 6, Zeilen 5 bis 11, und auf der Seite 9, Zeilen 12 bis 15 und 26 bis 29. Seite 6, Zeilen 10 und 11, offenbare insbesondere, dass Lyophilisate, die nur eine einzige Aminosäure enthalten, besonders bevorzugt seien.
Hilfsantrag II
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
Die Merkmalskombination "eine einzige, basische Aminosäure" finde in den im Rahmen der Zulässigkeit des Hilfsantrages I erwähnten Passagen der Beschreibung eine Stütze.
Das Merkmal "eine anorganische Säure, Essigsäure, oder deren Salz" sei zu verstehen als "eine anorganische Säure, nämlich Essigsäure, oder deren Salz", denn die Anmeldung definiere auf Seite 9, Zeilen 17 bis 19, dass "Essigsäure" eine anorganische Säure sei.
Die Verwendung im Speziellen von "Essigsäure" als enthaltenem Hilfsstoff ergebe sich beispielweise aus der Verbindung von Anspruch 8 mit der Seite 11, Zeilen 25 bis 27.
Hilfsanträge III bis V
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
Die nach Streichung des Merkmals "Essigsäure" und/oder des Merkmals "oder deren Salz" in den Hilfsanträgen III bis V verbleibenden Merkmale "eine anorganischen Säure" oder "eine anorganischen Säure oder deren Salz" seien durch die Offenbarung der Anmeldung gestützt - das Vorbringen im Rahmen des Hauptantrags gelte auch hier. Insbesondere finde sich eine Basis auf der Seite 11, Zeilen 25 bis 27.
Wegen des Begriffs "bestehend aus" beziehe sich der jetzige Anspruch 1 der Hilfsanträge IV und V - ebenso wie der Anspruch 3 der ursprünglich eingereichten Anmeldung - auf eine konkrete Anzahl von Bestandteilen.
X. Das für die Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerin II lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
Wenn Anspruch 7 als Ausgangspunkt für den jetzigen Anspruch 1 diene, dann finde bereits bei der Kombination mit dem Gegenstand des ursprünglichen Anspruchs 6 eine Auswahl statt, denn nur vier der insgesamt neun in dem ursprünglichen Anspruch 6 offenbarten Aminosäuren seien in Anspruch 1 aufgenommen. Die nächste Auswahl werde dann bei der Kombination mit dem Gegenstand des ursprünglichen Anspruchs 3 getroffen. Zudem sei der ursprüngliche Anspruch 3 geschlossen ("bestehend aus") und nicht - wie der vorliegende Anspruch 1 - offen formuliert ("enthaltend").
Das in dem ursprünglichen Anspruch 3 im Zusammenhang mit der anorganischen Säure offenbarte Merkmal der Wirkung als Puffersubstanz fehle im jetzigen Anspruch 1 und werde vom Fachmann auch nicht mitgelesen, denn nicht jede anorganische Säure wirke als Puffer. Das entnehme der Fachmann auch der Beschreibung, da diese neben der Verwendung der anorganischen Säure als Puffer auch deren Verwendung zur pH Einstellung offenbare.
Die Bevorzugung aller vier der im jetzigen Anspruch 1 genannten basischen Aminosäuren lasse sich weder aus den Beispielen noch aus der Beschreibung ableiten.
Zubereitungen, die die Aminosäuren Lysin und Histidin enthalten, seien überhaupt nicht getestet worden. In allen Beispielen, außer in dem Beispiel 4, werde nur eine einzige Aminosäure in der Zubereitung verwendet, nämlich Arginin. Was das Beispiel 4 betreffe seien gemäß der Seite 23, Zeilen 14 bis 15, alle vier der getesteten Zubereitungen stabil. Jedoch beinhalteten nur zwei davon basische Aminosäuren, nämlich Arginin und Ornithin, die anderen die neutrale Aminosäure Leucin und die saure Aminosäure Asparaginsäure. In der Beschreibung seien auf Seite 9, Zeile 12 lediglich Arginin, Lysin oder Ornithin, aber nicht Histidin als bevorzugt genannt, sodass auch aus dieser Textstelle die vier im Anspruch genannten Aminosäuren nicht ableitbar seien.
Aus dem Beispiel 4 könne auch keineswegs abgeleitet werden, dass basische Aminosäuren im allgemeinen immer besser seien, da es zeige, dass sowohl die basischen, als auch die sauren und neutralen Aminosäure für Stabilität sorgen. Auch in der Beschreibung seien die basischen Aminosäuren nicht als allgemein besser und damit bevorzugt offenbart. Aus Seite 9, Zeile 12, ergebe sich lediglich, dass basische Aminosäuren "in Frage" kommen.
Die Anmeldung enthielte keinen Hinweis auf die Kombination der vier beanspruchten Aminosäuren mit einer anorganischen Säure.
Hilfsantrag I
Zulassen in das Verfahren
Die Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ, die durch den Hilfsantrag I ausgeräumt werden sollen, seien schon lange im Verfahren gewesen. Der Antrag habe daher früher gestellt werden können und müssen.
Wie Anspruch 1 des Hauptantrags enthalte Anspruch 1 dieses Antrages das Merkmal "eine anorganische Säure" und sei deshalb aus den im Rahmen des Hauptantrags in diesem Kontext angeführten Gründen nicht gewährbar.
Das Merkmal "eine einzige basische Aminosäure" sei das Resultat einer unerlaubten Auswahl aus zwei Listen und finde keine Basis in der Beschreibung.
Hilfsantrag II
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
Anspruch 1 sei wie folgt zu lesen: "und eine anorganische Säure, oder Essigsäure, oder deren Salz". Der Hilfsantrag II weise damit die Merkmale "eine einzige, basische Aminosäure" und "anorganische Säure" auf und habe damit dieselben Probleme wie der Hilfsantrag I.
Das eingeführte Merkmal Essigsäure habe keine Basis, da Essigsäure nur im Rahmen einer Liste aufgeführt sei und die Kombination der Merkmale "einzige, basische Aminosäure" und "Essigsäure" nicht offenbart sei. Anspruch 1 enthielte daher eine spezifische Kombination von Merkmalen, die ursprünglich nicht offenbart sei.
Hilfsanträge III bis V
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
Die Hilfsanträge III bis V hätten dasselbe Problem wie der Hauptantrag. Die beanspruchten Aminosäuren seien nicht als bevorzugt hervorgehoben, vor allem Histidin nicht. Die anorganische Säure allgemein sei ebenfalls nicht hervorgehoben. Die beanspruchte Kombination der Merkmale Histidin und anorganische Säure habe somit keine Basis.
XI. Die weitere Verfahrensbeteiligte, Einsprechende 2, hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt und auch keine Anträge gestellt.
XII. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag I mit Schreiben vom 14. April 2015, oder, hilfsweise, des Hilfsantrags I, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2015, oder, hilfsweise, die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden 1 (Hilfsantrag II, eingereicht als Hauptantrag mit Schreiben vom 13. September 2011), oder, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Hilfsanträge III bis V, eingereicht als Hilfsanträge II bis IV mit Schreiben vom 14. April 2015.
XIII. Die Beschwerdeführerin II (Einsprechende 1) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des angefochtenen Patents.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
1. Der geänderte Anspruch 1 des Hauptantrages bezieht sich auf eine stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, enthaltend einen Zucker oder einen Aminozucker, als Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin, als Tensid ein Polysorbat oder eine Polyoxyethylen-polyoxypropylen-Polymer und eine anorganische Säure oder deren Salz.
2. Er unterscheidet sich damit vom Anspruch 1 des erteilten Patentes (siehe Abschnitt I oben), indem die Aminosäure als "Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin" und das Tensid als "ein Polysorbat oder eine Polyoxyethylen-polyoxypropylen-Polymer" definiert ist sowie durch das zusätzliche Merkmal "eine anorganische Säure oder deren Salz".
Interpretation des Merkmals "eine anorganische Säure oder deren Salz"
3. Es war strittig, ob der Fachmann das Merkmal "eine anorganische Säure oder deren Salz" (im weiteren vereinfacht "eine anorganische Säure") im Sinne "einer als Puffersubstanz wirkenden anorganischen Säure" verstehen würde.
4. Die Kammer kann sich dem Argument der Beschwerdeführerin I nicht anschließen, dass der Fachmann der Beschreibung, insbesondere den Seiten 9 und 11 entnehmen würde, dass eine anorganische Säure immer als Puffer wirke und dass der Fachmann deswegen das Merkmal "einer als Puffersubstanz wirkenden" in den Anspruch "hineinlesen" würde.
5. Die Beschreibung offenbart auf Seite 9, Zeilen 15 bis 20 die Verwendung anorganischer Säuren wie folgt:
"Für den Fall, dass die freien Aminosäuren eingesetzt werden, erfolgt die Einstellung des gewünschten
pH-Wertes durch Zugabe einer geeigneten physiologisch verträglichen Puffersubstanz, wie z.B. einer anorganischen Säure, insbesondere von Phosphorsäure, Schwefelsäure, Essigsäure, Ameisensäure oder deren Salze. Der Einsatz von Phosphaten hat hierbei insbesondere den Vorteil, dass besonders stabile Lyophilisate erhalten werden."
6. Des weiteren offenbart die Beschreibung auf Seite 11, Zeilen 23 bis 31 bezüglich der Einstellung des pH-Werts dass:
"Für den Fall, dass die pharmazeutische Hilfsstofflösung einen basischen pH-Wert aufweist, erfolgt die Einstellung durch Titration mit Säure, bis der gewünschte pH-Bereich erreicht ist. Als Säuren kommen physiologisch verträgliche anorganische oder organische Säuren in Frage, wie beispielsweise Salzsäure, Phosphorsäure, Essigsäure, Zitronensäure oder allgemein übliche Lösungen von Substanzen, die einen sauren pH-Wert besitzen. Bevorzugte Substanzen sind in diesem Sinne Salze von starken Säuren mit schwachen Basen, wie z. B. Natriumdihydrogenphosphat oder Dinatriumhydrogenphosphat. Bevorzugt wird der pH-Wert der Lösung mit Phosphorsäure oder einer wässrigen Natriumhydroxidlösung eingestellt."
7. Nach Ansicht der Kammer offenbart die Beschreibung somit die Verwendung einer anorganischen Säure einerseits als physiologisch verträglicher Puffersubstanz im Zusammenhang mit freien Aminosäuren oder andererseits zur Einstellung des gewünschten
pH-Wertes der Zusammensetzung. Entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin I wirkt somit laut der Offenbarung der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung die anorganische Säure nicht immer als Puffer. Sie kann im Rahmen der beanspruchten Zubereitung auch nur zur Einstellung des pH-Wertes verwendet werden. Der Fachmann würde daher den Anspruch nicht so interpretieren, dass er sich auf eine Zubereitung bezieht, in der die anorganische Säure oder deren Salz immer nur als Puffer wirken.
Offenbarung für die Merkmalskombination "eine anorganische Säure oder deren Salz" und "als Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin"
8. Es war unstrittig, dass die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung die beanspruchte Merkmalskombination nicht explizit offenbart. Es bleibt daher zu klären, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung implizit unmittelbar und eindeutig offenbart wird.
9. Dabei war insbesondere strittig, (i) ob der Fachmann das Vorhandensein in der Zubereitung von jedweder anorganischen Säure und (ii) das Vorhandensein von im Speziellen Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin als Aminosäure der Anmeldung entnehmen würde.
10. Nach der ständigen Rechtssprechung der Beschwerdekammern ist eine Mehrfachauswahl von Merkmalen für den Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableitbar, falls es einen Hinweis auf die Kombination gibt (siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts,
7. Auflage 2013, II.E.1.7 sowie T 686/99, Punkt 4.3.3 der Entscheidungsgründe). Die explizite Hervorhebung eines Merkmals als "bevorzugt" oder das Vorkommen des Merkmals in einem Ausführungsbeispiel wurde in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern als Hinweis für eine mögliche Kombination gewertet (siehe z.B.
T 1869/11, Punkt 3.1.6 der Entscheidungsgründe und
T 1799/12, Punkt 2.4 der Entscheidungsgründe).
11. Es ist daher zu klären, ob die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung einen Hinweis auf die beanspruchte Merkmalskombination liefert.
"eine anorganische Säure oder deren Salz"
12. Anspruch 1 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ist gleichlautend mit dem erteilten Anspruch 1 und offenbart eine "[s]tabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, enthaltend einen Zucker oder einen Aminozucker, eine Aminosäure, und ein Tensid." Das Merkmal "anorganische Säure" ist kein explizites Merkmal dieses Anspruchs.
13. Anspruch 3 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart eine spezifische "Zubereitung nach Anspruch 1 oder 2, die inter alia eine "als Puffersubstanz wirkende anorganischen Säure" enthält. Da in der Anmeldung, wie oben ausgeführt (siehe Punkt 7), anorganische Säuren nicht immer als Puffer wirken, würde der Fachmann dieser Stelle die Verwendung von jedweder anorganischen Säure nicht entnehmen. Anspruch 3 bietet daher keine Basis für das Merkmal "eine anorganische Säure".
14. In der Beschreibung ist einerseits die Verwendung von anorganischen Säuren, die als Puffersubstanz wirken offenbart (Seite 9, Zeilen 15 bis 20), jedoch nur "[f]ür den Fall, dass die freien Aminosäuren eingesetzt werden". Die Aminosäuren in Anspruch 1 des Hauptantrags sind jedoch nicht, wie von der Beschwerdeführerin I ausgeführt, auf freie Aminosäuren beschränkt.
15. Außerdem ist es fraglich, ob der Fachmann dieser Stelle überhaupt die Eignung von jeglicher anorganischen Säure entnehmen würde, da er einen eindeutigen Hinweis auf die bevorzugte Eignung von Phosphorsäure bekommt: "Der Einsatz von Phosphaten hat hierbei insbesondere den Vorteil, dass besonders stabile Lyophilisate erhalten werden."
16. Auf der Seite 11, Zeilen 6 bis 9 wird dargestellt, dass die Zubereitung auch Hilfsstoffe zur Einstellung des pH-Wertes enthalten kann, nämlich "Säuren, Basen, Puffer oder Isotonisierungsmittel". Auf der Seite 11 in den Zeilen 16 bis 31 wird genauer beschreiben, welche Basen und Säuren zur Einstellung des pH-Wertes durch Titration verwendet werden können (siehe auch Punkt 6 oben).
17. Dieser Stelle würde der Fachmann nach Ansicht der Kammer jedoch nicht entnehmen, dass - ohne die Stabilität der Zubereitung zu gefährden - jegliche anorganische Säure verwendbar ist. Allenfalls erhält der Fachmann die Lehre, dass Phosphorsäure allgemein verwendbar ist, da sie als bevorzugt dargestellt wird (was sich mit der Beschreibung auf Seite 9 im Rahmen von Puffersubstanzen deckt, siehe Punkte 14 und 15 oben).
18. Weder auf Seite 9 noch auf Seite 11 ist eine Präferenz für die Verwendung anorganischer Säuren im allgemeinen erkenntlich (siehe Punkte 14 bis 17 oben). Während die Beschreibung die Verwendung einer anorganischen Säure - als Puffersubstanz - auf Seite 9 zwar erwähnt, ist die Verwendung von Phosphaten klar bevorzugt, da hier besonders stabile Lyophilisate entstehen (siehe Punkt 15 oben). Auch gemäß Seite 11 kommt eine physiologisch verträgliche anorganische Säure - zur Einstellung des gewünschten pH-Bereichs - in Frage, bevorzugt wird der pH-Wert der Lösung jedoch mit Phosphorsäure oder einer wässrigen Natriumhydroxidlösung eingestellt (siehe Punkt 17 oben).
19. Die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung enthält des weiteren 11 Beispiele. Von den im
Anspruch 1 genannten Aminosäuren werden in den Beispielen Arginin (Beispiele 2 bis 11) bzw. Arginin und Ornithin (Beispiel 4) getestet. Wenn nötig, wurde der pH-Wert immer mit Phosphorsäure eingestellt (siehe die Beispiele 2 bis 11), was sich mit der Interpretation der Passage auf Seite 11 in den Zeilen 25 bis 31 durch die Kammer deckt.
20. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung die Verwendung jedweder anorganischen Säure als Puffersubstanz nur im Zusammenhang mit den freien Aminosäuren beschreibt und deren Verwendung zur
pH-Einstellung nur im Zusammenhang mit Aminosäuren im allgemeinen. Weder im allgemeinen Teil der Beschreibung noch in den Beispielen ist jedoch "anorganische Säure" allgemein als bevorzugt zu erkennen.
21. Die Kammer kann also nicht zu dem Schluss kommen, dass der Fachmann der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung einen Hinweis auf die Verwendung von jedweder anorganischen Säure entnommen hätte. Somit findet sich in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auch kein Hinweis der die Kombination der anorganischen Säure mit den übrigen Merkmalen der Zubereitung gemäß Anspruch 1 stützen kann.
"als Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin, Ornithin"
22. Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart, dass die pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern, unter anderem auch "eine Aminosäure" enthält.
23. Der abhängige Anspruch 6 spezifiziert, dass die Aminosäure in der Zubereitung "eine basische, saure oder neutrale Aminosäure ist, vorzugsweise Arginin, Lysin, Histidin, Ornithin, Isoleucin, Leucin, Alanin, Glutaminsäure oder Asparaginsäure" ist.
24. Die Beschreibung erläutert auf Seite 9, Zeilen 12 bis 15, das Merkmal "Aminosäure" wie folgt: "Als erfindungsgemäß verwendete Aminosäuren kommen basische Aminosäuren in Frage, wie beispielsweise Arginin, Lysin, Histidin, Ornithin u.a., [...]".
25. Auf Seite 9, Zeilen 26 bis 29 heißt es: "Als Aminosäuren kommen bevorzugt Arginin, Lysin oder Ornithin in Frage. Daneben können auch saure Aminosäuren, wie z. B. Glutaminsäure und Asparaginsäure, oder neutrale Aminosäuren, wie z.B. Isoleucin, Leucin und Alanin, bzw. aromatische Aminosäuren, wie z. B. Phenylalanin, Tyrosin oder Tryptophan, Verwendung finden."
26. In den Beispielen 2, 3 und 5 bis 11 wird die basische Aminosäure Arginin untersucht. Im Beispiel 4 wird die Aminosäurekomponente der Rezeptur variiert und die Stabilität der Zubereitungen bei Verwendung der basischen Aminosäuren Arginin und Ornithin, der neutralen Aminosäure Leucin und der sauren Aminosäure Asparaginsäure verglichen. Das Ergebnis wird auf Seite 23 Zeilen 14 bis 15 wie folgt zusammengefasst: "Die Rezepturen mit basischen, sauren und neutralen Aminosäuren sind stabil."
27. Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann in der Beschreibung die Gruppe der Aminosäuren Arginin, Lysin oder Ornithin (siehe Punkt 25 oben) bzw. in den Beispielen die Aminosäure Arginin (siehe Punkt 26 oben) als bevorzugt erkennen, nicht jedoch die beanspruchte Gruppe der Aminosäuren, welche auch Histidin umfasst. Die Aminosäure Histidin wurde weder in den Beispielen getestet (siehe Punkt 26 oben) noch in der Beschreibung als bevorzugt hervorgehoben (siehe Punkt 25 oben).
28. Somit findet sich in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auch kein Hinweis, der die Kombination der Aminosäure Histidin mit den übrigen Merkmalen der Zubereitung gemäß Anspruch 1 stützen kann.
29. Die Beschwerdeführerin I macht geltend, dass der Fachmann aus den Beispielen erkennen würde, dass basische Aminosäuren besonders gut funktionieren und damit als Klasse bevorzugt seien. Die Ergebnisse in Beispiel 4 mit Arginin und Ornithin würden es daher plausibel machen, dass alle basischen Aminosäuren - und damit auch Histidin - besonders geeignet seien.
30. Die Kammer findet dieses Argument nicht überzeugend. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Molekularstruktur würde der Fachmann aus den Ergebnissen für die beiden Aminosäuren Arginin bzw. Ornithin nicht notwendigerweise ableiten, dass alle basischen Aminosäuren und dadurch auch Histidin gleichermaßen geeignet wären, stabile lyophilisierte Zubereitungen herzustellen. Histidin unterscheidet sich insbesondere von den anderen drei im Anspruch 1 genannten Aminosäuren durch eine aromatische Aminosäureseitenkette und die schwächste Basizität.
31. Aus dem oben Gesagten folgt, dass im vorliegenden Fall weder die "anorganische Säure" noch die Aminosäure "Histidin" in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung als bevorzugt oder hervorgehoben zu erkennen ist. Damit liefert die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung dem Fachmann auch keinerlei Hinweis auf die Kombination einer anorganische Säure mit der Aminosäure Histidin zur Herstellung einer stabile lyophilisierten pharmazeutischen Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern. Anspruch 1 enthält somit neue technische Informationen, die der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen sind.
32. Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und genügt daher nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.
Hilfsantrag I
Zulassen in das Verfahren
33. Der Hilfsantrag I wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht, nachdem die Kammer ihre Meinung verkündet hatte, dass der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikel 123(2) EPÜ nicht erfüllt.
34. Nach Artikel 13(1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Aus Gründen der Verfahrensökonomie werden sehr spät gestellte Anträge, wie z.B. in der mündlichen Verhandlung gestellte Anträge, nur dann zum Verfahren zugelassen, wenn sie prima facie gewährbar erscheinen und nicht von vornherein ungeeignet sind, die Zweifel an der Gewährbarkeit von Ansprüchen auszuräumen.
35. Anspruch 1 des Hilfsantrags I unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags lediglich dadurch, dass das Merkmal "als Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin" durch das Merkmal "eine einzige basische Aminosäure" ersetzt wurde. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags I findet sich damit nach wie vor das Merkmal "eine anorganische Säure" in Kombination mit anderen Merkmalen, nämlich "eine einzige basische Aminosäure" und "als Tensid ein Polysorbat oder eine Polyoxyethylen-polyoxypropylen-Polymer", welche in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht explizit in Kombination offenbart wurden.
36. Die Kammer hatte im Zusammenhang mit dem Hauptantrag festgestellt, dass die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung dem Fachmann keinerlei Hinweis auf die Verwendung jedweder anorganischen Säure zur Herstellung einer stabilen lyophilisierten pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern liefert (siehe Punkte 12 bis 21 oben). Selbst wenn die Kammer zu Gunsten der Beschwerdeführerin I annehmen würde, dass das Merkmal "eine einzige, basische Aminosäure" in der Anmeldung hervorgehoben ist, hat die Kombination des Merkmals "anorganischen Säure" mit den übrigen nun beanspruchten Merkmalen keine Basis in der Anmeldung. Die Kammer schließt sich der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern an, wonach die Erfordernisse des Artikel 123(2) EPÜ nicht als erfüllt gelten, wenn ein Merkmal, welches nicht als bevorzugt offenbart ist, mit einer Mehrzahl von Merkmalen kombiniert wird, die als bevorzugt offenbart sind (siehe auch T 407/10, Entscheidungsgründe, Punkt 2.1.3).
37. Der Hilfsantrag I ist somit nicht geeignet, alle gegen den Hauptantrag festgestellten Einwände auszuräumen. Die Kammer erachtete es daher nicht als verfahrensökonomisch, diesen Antrag in das Beschwerdeverfahren zuzulassen und hat daher im Rahmen der Ausübung des ihr nach Artikel 13 VOBK zustehenden Ermessens entschieden, den Hilfsantrag I nicht zum Verfahren zuzulassen.
Hilfsantrag II
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
38. Anspruch 1 des Hilfsantrags II unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal "als Aminosäure Arginin, Lysin, Histidin oder Ornithin" durch das Merkmal "eine einzige, basische Aminosäure" und das Merkmal "eine anorganische Säure oder deren Salz" durch das Merkmal "eine anorganische Säure, Essigsäure, oder deren Salz" ersetzt wurde.
Interpretation des Merkmals "eine anorganische Säure, Essigsäure, oder deren Salz"
39. Bezüglich der Interpretation des Merkmals "eine anorganische Säure, Essigsäure, oder deren Salz" vertrat die Beschwerdeführerin I die Auffassung, dass im Sinne der Seite 9, Zeilen 17 bis 19, der Anmeldung Essigsäure als eine anorganische Säure anzusehen sei. Dort heißt es: "[...] durch Zugabe einer geeigneten physiologisch verträglichen Puffersubstanz, wie z.B. einer anorganischen Säure, insbesondere von Phosphorsäure, Schwefelsäure, Essigsäure, Ameisensäure oder deren Salze." Daher sei das Merkmal "eine anorganische Säure, Essigsäure, oder deren Salz" als "eine anorganische Säure, nämlich Essigsäure, oder deren Salz" zu verstehen.
40. Für die Kammer steht es jedoch außer Zweifel, dass der Fachmann Essigsäure als eine organische und nicht als eine anorganische Säure klassifizieren würde. In der Anmeldung selbst wird auf Seite 11, Zeilen 25 bis 28 der Beschreibung dem Fachwissen entsprechend offenbart: "Als Säuren kommen physiologisch verträgliche anorganische oder organische Säuren in Frage, wie beispielsweise Salzsäure, Phosphorsäure, Essigsäure, Zitronensäure [...]."
41. Zwar kann nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ein Patentdokument sein eigenes Wörterbuch darstellen, d.h. es kann festgelegt werden, dass mit einem Wort, das im Stand der Technik bekanntermaßen einen spezifischen Gegenstand definiert, ein anderer Gegenstand bezeichnet wird. Das muss jedoch ausdrücklich geschehen (siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts,
7. Auflage 2013, II.6.3.3). Da ein solcher Fall hier nicht vorliegt, kann sich die Kammer der Interpretation der Beschwerdeführerin I nicht anschließen.
42. Nach Ansicht der Kammer ist das Merkmal "eine anorganische Säure, Essigsäure, oder deren Salz" daher als eine Aufzählung von Alternativen zu verstehen: "eine anorganische Säure, oder Essigsäure, oder deren Salz".
"eine anorganische Säure"
43. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags II findet sich somit nach wie vor das Merkmal "eine anorganische Säure" in Kombination mit anderen Merkmalen, welche in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht explizit in Kombination offenbart wurden. Die Kammer hatte im Zusammenhang mit dem Hauptantrag festgestellt, dass die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung dem Fachmann keinerlei Hinweis auf die Verwendung einer anorganischen Säure zur Herstellung einer stabilen lyophilisierten pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern liefert (siehe Punkte 12 bis 21 oben). Damit findet sich auch kein Hinweis auf die Kombination der nun beanspruchten Merkmale.
44. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags II geht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und genügt daher nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.
Hilfsanträge III bis V
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ): Anspruch 1
45. Anspruch 1 jedes dieser Anträge richtet sich auf eine stabile lyophilisierte pharmazeutische Zubereitung von mono- oder polyklonalen Antikörpern enthaltend inter alia die Aminosäure "Histidin" und eine "anorganische Säure". Aus den in den Punkten 12 bis 32 genannten Gründen erfüllt der Gegenstand des jeweiligen
Anspruchs 1 jedes dieser Hilfsanträge die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.