T 0362/11 () of 11.11.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T036211.20141111
Datum der Entscheidung: 11 November 2014
Aktenzeichen: T 0362/11
Anmeldenummer: 04819626.5
IPC-Klasse: F01N 3/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: ABGASREINIGUNGSANLAGE FÜR EIN KRAFTFAHRZEUG MIT EINEM REDUKTIONSMITTELVORRATSBEHÄLTER UND BETRIEBSVERFAHREN HIERFÜR
Name des Anmelders: Daimler AG
Name des Einsprechenden: Ford Global Technologies, LLC
Mazda Motor Corporation
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) und der Einsprechenden (Beschwerdeführerin II) richten sich gegen die am 16. Dezember 2010 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchabteilung, in der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent mit der Nummer 1 704 307 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

II. Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des mit Schreiben vom 15. Januar 2009 eingereichten Hauptantrags, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patentes im Umfang eines der mit Schreiben vom 15. Januar 2009 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 11.

III. In der Beschwerdebegründung der Einsprechenden (Beschwerdeführerin II) wurde auf folgende Dokumente aus dem Stand der Technik Bezug genommen:

D2 SAE Technical Paper Series No. 952493

D4 US-B-6363771.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

IV. Mit Schreiben vom 5. August 2011 hat die Beschwerdeführerin II zu den Beschwerdegründen der Beschwerdeführerin I Stellung genommen und

D7 DE-C-44 25 018 und

D14 WO-A-2005/054636

eingereicht.

V. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) wurde ihnen die vorläufige Auffassung der Kammer zur Sache mitgeteilt.

VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 11. November 2014 statt, an deren Ende die Kammer ihre Entscheidung verkündete.

Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Antrags.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 des einzigen Antrags hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Betreiben eines Kraftfahrzeugs mit einer Abgasreinigungsanlage und einem Reduktionsmittelvorratsbehälter zur Bevorratung eines zur Abgasreinigung vorgesehenen Reduktionsmittels, wobei die Füllmenge des Reduktionsmittels im Reduktionsmittelbehälters ermittelt wird und bei Unterschreitung eines vorgebbaren Mindestfüllwerts ein Hinweissignal ausgegeben wird,

dadurch gekennzeichnet, dass

das Verfahren vorgegebene Wartungsarbeiten nach vorgegebenen Wartungsintervallen umfasst und eine Verbrauchsrate des Reduktionsmittels bis zum Ablauf des Wartungsintervalls ermittelt wird und für den Fall, dass die zu erwartende Verbrauchsmenge die Füllmenge überschreitet das Hinweissignal ausgegeben wird, und eine Verschlusseinrichtung des Reduktionsmittelvorratsbehälters gegen ein Öffnen innerhalb der Wartungsintervalle verriegelt wird und bei einem Wartungsvorgang nach Ablauf des Wartungsintervalls zur Nachfüllung des Reduktionsmittels entriegelt und geöffnet wird."

VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) können wie folgt zusammengefasst werden:

Keines der im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren zitierten Dokumente betreffe ein Verfahren mit den beanspruchten Merkmalen. Das Verfahren wurde durch das Merkmal des Ermittelns der zu erwartenden Verbrauchsmenge an laufende Betriebsbedingungen gekoppelt. Somit wurde gewährleistet, dass die Abgasreinigungsanlage - und damit das Kraftfahrzeug -unter Einbeziehung des Reduktionsmittels betrieben wird und somit die Reduktion des NOx-Gehalt des Abgases während des Betriebs des Kraftfahrzeugs sichergestellt wird. Dieses Ziel wurde des Weiteren durch die Verbindung des Wartungsvorgangs mit dem Nachfüllen des Reduktionsmittels erreicht, womit sichergestellt sei, dass Fachpersonal diese Nachfüllung vornimmt und ein unbefugtes Öffnen des Behälters unterbleibe.

IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin II, so weit sie für die zu treffende Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

D2 offenbare unter Punkt 6 auf Seite 11 alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Ferner sei in D2 bereits darauf verwiesen, dass das Nachfüllen des Reduktionsmitteltanks notwendigerweise erfolgen müsse ("to compel the replenishment") und Verfälschungen bzw. Beeinflussungen sichtbar sein sollten ("tamper proofing"). In D2 sei deshalb zumindest im Sinne des Anspruchs 1 eine Ermittlung offenbart, weil die im Behälter der D2 eingefüllte Menge für die Zeit zwischen zwei Wartungsintervalle ausreichen muss. Dafür sei eine Ermittlung des Verbrauchs notwendig. Auch wenn dies nicht als zutreffend akzeptiert werde, könne aus D2 der Hinweis entnommen werden, die Verbrauchsrate bzw. die Laufzeit des Reduktionsmittels, welche dann auch dem Wartungsintervall entspräche, zu ermitteln. Eine während des Betriebs eines Kraftfahrzeugs vorgenommene Ermittlung der Restfüllmenge und der Abgleich mit dem Stand der Technik sei für den Fachmann eine fachübliche Maßnahme.

Das Vorsehen einer Verschluss-Vorrichtung, welche gegen das Öffnen durch nicht-autorisierte Personen gesichert sei, könne als eine dem Fachmann bekannte Möglichkeit zum Ausschluss einer Fehlbefüllung für jedwede Art von Flüssigkeitsbehältern angesehen werden. Eine analoge Anwendung liege daher im fachmännischen Wissen. Eine erfinderische Tätigkeit sei daher bei dem beanspruchten Verfahren nicht vorhanden.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen (Artikel 123(2), 123(3) EPÜ)

1.1 Anspruch 1 enthält die Merkmale der erteilten Ansprüche 4, 5 und 6, die in den gleichlautend nummerierten ursprünglich eingereichten Ansprüchen offenbart sind. Die Merkmale wurden zur Abgrenzung vom Stand der Technik umgestellt, so dass der Oberbegriff des Anspruchs die aus D2 bekannten Merkmale enthält.

1.2 Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 gehen auf die erteilten Ansprüche 7 und 8 zurück, die wiederum den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 7 und 8 entsprechen.

1.3 Da die Änderungen auch den Schutzbereich einschränken, erfüllt der Antrag die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 123(3) EPÜ. Die Beschwerdeführerin II hatte auch keinen Einwand diesbezüglich vorgebracht.

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ 1973)

Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 wurde nicht bestritten. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Neuheit in Frage zu stellen. Jedenfalls offenbart keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen die Kombination der Merkmale des Anspruchs 1.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Als nächstkommender Stand wird unstrittig die Offenbarung der D2 in Punkt 6 auf Seite 11 betrachtet. Darin wird die Verwendung eines Reduktionsmittels, insbesondere einer Harnstofflösung, zur Reduktion des NOx im Abgas während des Betriebs eines Kraftfahrzeugs erörtert.

3.2 D2 offenbart einen Hinweis sowohl auf Verfahren zum obligatorischen Nachfüllen des Reduktionsmitteltanks ("to compel the replenishment") als auch auf Verfahren, welche eine diesbezügliche Verfälschung sichtbar machen sollen ("tamper proofing"). Des weiteren kann aus den Angaben in D2 (2,5 l DI Transit, Wartungsintervall 15000 km, Inhalt des Reduktionsmittelvorratsbehälters etwa 40 Liter) geschlossen werden, dass eine Testreihe durchgeführt wurde, wenn möglicherweise auch nur theoretisch, um die erforderliche Kapazität des Reduktionsmitteltanks für ein derartiges Kraftfahrzeug und Wartungsintervall bereitzustellen. Dazu wird auf die Möglichkeit des Einsatzes von Sensoren für die Füllstandsmessung des Reduktionsmitteltanks ("storage tank contents sensing"), sowie auf die Möglichkeit von Sanktionen bei Missachtung der Fehlfunktion hingewiesen.

3.3 D2 offenbart keinen Verfahrensschritt, welcher während des Betriebs des Kraftfahrzeugs - wie im Anspruch 1 definiert - die Ermittlung der zu erwartenden Verbrauchsmenge fordert oder einen Zusammenhang zwischen dem Verbrauch und dem vorgegebenen Wartungsintervalls herstellt.

3.4 Ausgehend von D2 ergibt sich daher in Übereinstimmung mit dem Patent (siehe Absatz [0003]) die Aufgabe, ein Verfahren bereitzustellen, welches auf einfache Weise sicherstellt, dass bei Betrieb des Kraftfahrzeugs ein zur Abgasreinigung vorgesehenes Reduktionsmittel zur Verfügung steht.

3.5 Gelöst wird diese Aufgabe durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1. Zur Lösung dieser Aufgabe ist somit einerseits vorgesehen, während des Verfahrens zum Betreiben eines Kraftfahrzeugs die Verbrauchsrate und daraus die zu erwartende Verbrauchsmenge des Reduktionsmittels zu ermitteln, und für den Fall, dass die zu erwartende Verbrauchsmenge bis zum Ablauf des Wartungsintervalls die vorhandene Füllmenge überschreitet, ein Hinweissignal auszugeben, sowie andererseits, das Öffnen des Reduktionsmittel-behälters an den Wartungsvorgang zu koppeln.

3.6 Gemäß dem Vorbringen der Beschwerdeführerin II ergäbe sich der Weg zur patentgemäßen Lösung bereits aus D2 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns, da in D2 bereits darauf verwiesen werde, dass das Nachfüllen des Reduktionsmitteltanks notwendigerweise erfolgen müsste, Verfälschungen bzw. Beeinflussungen sichtbar sein sollten und ein Öffnen nur beim Wartungsvorgang eine fachübliche Maßnahme sei.

3.7 Jedoch, auch wenn das Vorsehen einer Verschluss-Vorrichtung, welche gegen das Öffnen durch nicht-autorisierte Personen gesichert ist, als eine dem Fachmann generell bekannte Möglichkeit zum Ausschluss einer Fehlbefüllung vorausgesetzt werden kann, so lässt die Argumentation der Beschwerdeführerin II außer Acht, dass es im anspruchsgemäßen Verfahren nicht darum geht, eine Fehlbefüllung oder Verfälschung des Tankinhalts zu erkennen.

3.8 Es gibt in D2 - und es wurde kein weiteres Dokument diesbezüglich zitiert - kein Merkmal, welches auf die Ermittlung der zu erwartenden Verbrauchsmenge des Reduktionsmittels bis zum Ablauf des Wartungsintervalls während des Betriebs eines Kraftfahrzeugs hinweisen würde. Ein derartiges Verfahren setzt eine Testreihe - unter ähnlichen Verfahrensbedingungen - voraus, welche dazu ausgelegt ist und benutzt wird, einer Steuereinheit einen Algorithmus zu liefern, auf dessen Grundlage die unter den jeweiligen Verfahrens-bedingungen zu erwartende Verbrauchsmenge des Reduktionsmittels bis zum Ablauf des vorgegebenen Wartungsintervalls ermittelt werden kann. Dazu ist eine kontinuierliche oder zumindest intermittierende Ermittlung der Füllmenge des Reduktionsmittelvorrats-behälters während des Betriebs des Kraftfahrzeugs mit dieser Abgasreinigungsanlage erforderlich. Die daraus erhaltenen Daten müssen die zu erwartende Verbrauchs-menge des Reduktionsmittels unter den jeweils aktuellen Verfahrensbedingungen mit dem vorgegebenen, im Steuer-system hinterlegten Algorithmus abgleichen, um gegebenenfalls das Wartungs- respektive das Verbrauchs-intervall anzupassen. Das erfindungsgemäße Verfahren führt daher dazu, dass die Notwendigkeit einer außerplanmäßigen Wartung aufgrund eines zu geringen Füllstandes - oder erhöhter Verbrauchswerte - angezeigt wird und durchgeführt werden kann, was auch in der Beschreibung des Streitpatents so erläutert wird.

3.9 Ein derartiges Verfahren ist der D2 nicht zu entnehmen. Die in D2 angegebenen Daten für den Verbrauch (40 l) innerhalb eines Wartungsintervalls (15000 km) betreffen die Größe bzw. Kapazität des Reduktionsmittelbehälters für das entsprechende Kraftfahrzeug (2,5 l DI Transit). Der Fachmann ist üblicherweise in der Lage derartige Daten zu bestimmen. Diese Daten sind jedoch nicht ausreichend und nicht geeignet, einen Algorithmus in einer Steuereinheit zu hinterlegen, welcher fähig ist auf veränderte Verfahrensbedingungen beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu reagieren. Dazu sind weitere Daten erforderlich, die die Betriebsbedingungen betreffen. Die in D2 offenbarten Verfahrensschritte weisen damit nicht auf die gewählte Merkmalskombination hin. Da kein Hinweis auf derartige Verfahrensmerkmale aus einem anderen Dokument vorliegt und dies auch nicht als fachübliche Maßnahme im Bereich der Abgasreinigungs-anlagen angesehen werden kann, gilt der Gegenstand des Anspruchs 1 somit als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend (Artikel 56 EPÜ 1973).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, mit der Anordnung das europäische Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

Ansprüche 1 - 3 vom 11. November 2014;

Beschreibung

Spalte 1 mit Einfügungsseite 1a,

Spalten 2 - 6, jeweils vom 11. November 2014.

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