T 0296/11 () of 26.1.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T029611.20150126
Datum der Entscheidung: 26 Januar 2015
Aktenzeichen: T 0296/11
Anmeldenummer: 05708068.1
IPC-Klasse: C08B 31/10
A61K 47/36
A61K 31/718
A61B 10/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: HYDROXYETHYLSTÄRKE
Name des Anmelders: B. Braun Melsungen AG
Name des Einsprechenden: Fresenius Kabi Deutschland GmbH
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - mehrfache Auswahl
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0279/89
T 0653/93
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 19. November 2010 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 1 732 953 (Anmeldenummer 05 708 086.1) in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde.

II. Der Entscheidung lagen die Patentansprüche 1-23 gemäß Hauptantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 9. September 2010, und eine geänderte Beschreibung zu Grunde. Anspruch 1 dieses Antrags, der mit dem wie erteilt und ursprünglich eingereicht identisch ist, lautete wie folgt:

"1. Hydroxyethylstärke mit einem mittleren Molekulargewicht Mw größer oder gleich 500000, dadurch gekennzeichnet, dass der molare Substitutionsgrad MS zwischen 0,25 und 0,5 ist und das C2/C6-Verhältnis 2 bis unterhalb von 8 beträgt."

III. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und mangelnden erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Dokumente herangezogen:

D1: "Beziehung von Elimination, Metabolisierung und Wirkung von Hydroxyethylstärke in Abhängigkeit vom Substutionsgrad und dem Massenmittel der Molmassen (MW)"; Ferber, H.P.; Habilitationsschrift, 1985

D2: WO-A-03070772

D5: "Einfluß der Molekülstruktur von Hydroxyäthylstärke auf die Eliminationskinetik und die Fließfähigkeit des Blutes bei Probanden"; Jung, F.; Arzneim.-Forsch./Drug Res. 43(l), 2, Seiten 99-105, 1993

D6: "HES 200/0.5 is not HES 200/0.5"; Treib, J.; Tromb Haemost, Dec. 1995, 74(6), Seiten 1452-1456

IV. In der angefochtenen Entscheidung wurde festgestellt, dass die Neuheit, insbesondere gegenüber D1 und D2, gegeben war. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit befand die Einspruchsabteilung, dass, unabhängig davon, von welchem Dokument man als nächstliegenden Stand der Technik ausginge, das Problem der Verlängerung der initialen Halbwertszeit t1/2alpha des Volumenersatzmittels ohne dass die anderen Eigenschaften negativ beeinflusst werden, im Hinblick auf dem Stand der Technik nicht nahegelegt war. Die Dokumente D5 und D7, die einzigen Dokumente, die sich mit der initialen Halbwertszeit befassten, offenbarten ein C2/C6-Verhältnis außerhalb des beanspruchten Bereichs.

V. Mit der Beschwerdebegründung (Schreiben vom 25. März 2011) reichte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) folgende Dokumente ein:

D14: "Näher am idealen Kolloid? Fakten zu HES 130/0,4", Kohler P., HAES-Info, Extrablatt, 1999.

D17: Rossaint R.; Werner C und Zwißler B (Herausg.); Die Anästhesiologie, Springer-Verlag GmbH, 2004, Kapitel 24 (Seiten 386-408).

VI. Mit der Beschwerdeerwiderung (Schreiben vom 10. Oktober 2011) reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) einen Hauptantrag, dessen Anspruch 1 identisch war mit dem, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, und fünf Hilfsanträge, deren jeweilige Ansprüche 1 wie folgt lauten (hinzugefügte bzw. durchgestrichene Textstellen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 wurden von der Kammer durch Fettdruck bzw. Durchstreichen hervorgehoben):

Hilfsantrag 1

"1. Hydroxyethylstärke mit einem mittleren Molekulargewicht Mw von 620 000 bis 1 200 000 [deleted: größer oder gleich 500000], dadurch gekennzeichnet, dass der molare Substitutionsgrad MS zwischen 0,25 und 0,5 ist und das C2/C6-Verhältnis 2 bis unterhalb von 8 beträgt."

Hilfsantrag 2

"1. Hydroxyethylstärke mit einem mittleren Molekulargewicht Mw größer oder gleich 500000, dadurch gekennzeichnet, dass der molare Substitutionsgrad MS zwischen 0,25 und 0,45 [deleted: 0,5] ist und das C2/C6-Verhältnis 2 bis unterhalb von 8 beträgt."

Hilfsantrag 3

"1. Hydroxyethylstärke mit einem mittleren Molekulargewicht Mw größer oder gleich 500000, dadurch gekennzeichnet, dass der molare Substitutionsgrad MS zwischen 0,25 und 0,5 ist und das C2/C6-Verhältnis 2,5 bis 7 [deleted: 2 bis unterhalb von 8] beträgt."

Hilfsantrag 4

"1. Hydroxyethylstärke mit einem mittleren Molekulargewicht Mw von 620 000 bis 1 200 000 [deleted: größer oder gleich 500000], dadurch gekennzeichnet, dass der molare Substitutionsgrad MS zwischen 0,25 und 0,45 [deleted: 0,5] ist und das C2/C6-Verhältnis 2 bis unterhalb von 8 beträgt."

Hilfsantrag 5

"1. Hydroxyethylstärke mit einem mittleren Molekulargewicht Mw von 620 000 bis 1 200 000 [deleted: größer oder gleich 500000], dadurch gekennzeichnet, dass der molare Substitutionsgrad MS zwischen 0,25 und 0,45 [deleted: 0,5] ist und das C2/C6-Verhältnis 2,5 bis 7 [deleted: 2 bis unterhalb von 8] beträgt."

Mit der Beschwerdeerwiderung wurden ebenfalls folgende Dokumente eingereicht:

D18: Rote Liste 1985, Einträge für HAES-Steril® und Plasmasteril®

D19: Rote Liste 2004, Einträge für HAES-Steril® und Plasmasteril®

VII. Weitere Angaben wurden von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 gemacht.

VIII. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung und den Bescheid der Kammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung machten die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 5. Dezember 2014 und die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. Dezember 2014 und 06. Januar 2015 weitere Angaben.

IX. Am Ende der der mündlichen Verhandlung, die am 26. Januar 2015 stattfand, wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

X. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Neuheit

a) Die in D1 erwähnten Hydroxyethylstärken der Firma Laevosan GmbH, LG 81-3-07 HES 450/0,5 und LG 82-3-04 HES 450/03, entsprachen den in Anspruch 1 definierten Produkten. Ein C2/C6-Verhältnis von 7,2 sei aus der Abbildung 1.1. auf Seite 38 zu entnehmen.

b) D2 offenbare ein Stärkederivat mit einem mittleren Molekulargewicht Mw von 2000 bis 1 000 0000, einem molaren Substitutionsgrad MS zwischen 0,1 bis 0,8 und einem C2/C6-Verhältnis von 2 bis 12. Bei den im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Bereichen für diese Parameter handele es sich um eine Auswahl aus Parameterbereichen, die den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Auswahlerfindung gemäß T 279/89 nicht entspreche. Des Weiteren definierten die Ansprüche 3, 7 und 9 der D2, die bevorzugten Bereiche für Mw, Ms und C2/C6 definierten, einen Quader, dessen Eck mit den Koordinaten 1 000 0000 (Mw), 0,4 (MS) und 3 (C2/C6) der Definition einer Stärke gemäß Anspruch 1 des Streitpatents entspreche. Darüber hinaus überlappe sich dieser Quader mit der im Anspruch 1 definierten Gruppe an Verbindungen.

c) Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber jeder der Druckschriften D1 und D2.

Erfinderische Tätigkeit

d) Die Druckschrift D1 bilde den nächstliegenden Stand der Technik, da sie die gleiche Zielsetzung wie das Streitpatent habe und die Hydroxyethylstärken LG 81-3-07 HES 450/0,5 und LG 82-3-04 HES 450/03 in D1 nicht nur besonders empfohlen werden, sondern auch den beanspruchten Hydroxyethylstärken strukturell näher seien als die Hydroxyethylstärke HES 130/0,4 von D14.

e) Sollte man die HES 130/0,4 der Druckschrift D14 als nächstliegenden Stand der Technik betrachten, sei festzustellen, dass für die beanspruchten Verbindungen in ihrer Gesamtheit kein technischer Effekt gegenüber der HES 130/0,4 aus D14 gezeigt wurde. Der Einfluss des Molekulargewichts, MS und C2/C6-Verhältnis von HES-Präparaten auf Kumulationsneigung, Blutgerinnung und initiale Plasmahalbwertszeit seien aus D1, D5, D6, D14 und D17 bekannt, wobei der molare Substitutionsgrad und nicht das Molekulargewicht der entscheidende Faktor sei. Daher werde die im Streitpatent formulierte Aufgabe durch den anspruchsgemäßen Gegenstand nicht gelöst. Als gegenüber der HES-Verbindung gemäß D14 tatsächlich gelöste Aufgabe ließe sich daher lediglich die Bereitstellung von weiteren HES-Verbindungen formulieren. Ein Vorurteil im Stand der Technik gegen die Verwendung von HES mit hohem Molekulargewicht gäbe es nicht, wie in der D1 gezeigt werde. Unter diesen Umständen sei die Auswahl der im Anspruch 1 definierten Grenzwerte für Molekulargewicht, MS und C2/C6-Verhältnis aus den für diese Parameter bekannten Werten, wie zum Beispiel in D1 und D17 gezeigt, willkürlich und somit nicht erfinderisch. Es könne also keine erfinderische Tätigkeit gegenüber D14 anerkannt werden.

XI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, insofern sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:

Neuheit

a) Die in der Roten Liste enthaltenen Einträge für HAES-Steril® und Plasmasteril® zeigten, dass sowohl im Jahr 1985 (D18) als auch im Jahr 2004 (D19) das mittlere Molekulargewicht für HAES-Steril®, bzw. Plasmasteril®, 200 000, bzw. 450 000 beträgt. Die Einträge in der Roten Liste stünden daher im Widerspruch zu den Messergebnissen in Dl, wobei aus Gründen der pharmakologischen Relevanz die Angaben in der Roten Liste/Fachinformation zuverlässiger seien. Darüber hinaus sei das C2/C6-Verhältnis für die Produkte HES 450/0.3 und HES450/0.5 nicht offenbart. Daher sei die Offenbarung der D1 nicht neuheitsschädlich.

b) Im Hinblick auf T 653/93 sei nicht die Frage zu beantworten, ob eine Auswahlerfindung gegenüber den in D2 offenbarten HES für jeden einzelnen der Parameter Molekulargewicht, molaren Substitutionsgrad und C2/C6-Verhältnis vorlag. Es sei vielmehr die Frage zu beantworten, ob der Fachmann einen Grund gehabt hätte, sich, bei Anwendung der Lehre von D2, auf die Kombination der im vorliegenden Anspruch 1 definierten Teilbereiche zu konzentrieren. Dies sei insbesondere im Hinblick auf das einzige Beispiel der D2 nicht der Fall. Die Neuheit gegenüber D2 sei somit gegeben.

Erfinderische Tätigkeit

c) Während der mündlichen Verhandlung wurde nicht länger beantragt, das Dokument D14 nicht ins Verfahren zuzulassen. Dieses Dokument offenbare eine modifizierte Stärke HES 130/04, die als nächstliegender Stand der Technik gelte. Die HES, die im Streitpatent als Vergleichsbeispiel verwendet wurde, gehöre nicht zum Stand der Technik. Sie wurde lediglich mit dem C2/C6-Verhältnis, das für die erfindungsgemäßen Verbindungen ebenfalls verwendet wurde, hergestellt, um den Einfluss des Molekulargewichts auf die erwünschten Eigenschaften zu zeigen. Im Stand der Technik seien aber nur solche HES 130 mit einem höheren C2/C6-Verhältnis bekannt. Eine davon sei in D14 mit HES 130/0,4 offenbart.

d) Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik läge dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Volumenersatzmittel bereitzustellen, welches sich durch eine geringe Kumulationsneigung und geringe Beeinflussung der Blutgerinnung auszeichne, andererseits aber eine längere (initiale) Halbwertzeit aufweise als die niedermolekularen HES-Lösungen des Standes der Technik. Wie die Experimente im Streitpatent zeigten, sei diese Aufgabe durch den Gegenstand von Anspruch l erfolgreich gelöst worden, d.h. durch die Kombination eines höheren Molekulargewichts und eines niedrigeren C2/C6-Verhältnisses als im Stand der Technik, und mit einem relativ geringen molaren Substitutionsgrad. Des Weiteren sei keine Erhöhung der Plasmaviskosität festzustellen. Die beweispflichtige Beschwerdeführerin habe für ihre Behauptung, dass das der Erfindung zugrunde liegende Problem nicht über die gesamte Breite des Anspruchs 1 gelöst sei, keinerlei Nachweis erbracht. Keine der entgegengehaltenen Druckschriften oder irgendeine Kombination deren Lehren lege den Gegenstand der vorliegenden Erfindung für den Fachmann nahe. Wie D17 zeige, werde jedoch im Stand der Technik von HES mit einem zu hohen Molekulargewicht abgeraten, da sie verschiedene Nebenwirkungen, wie Erhöhung der Plasmaviskosität, starke Akkumulation im Kreislauf und Beeinträchtigung der Blutgerinnung verursache. Eine Erhöhung des Molekulargewichts, um die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe zu lösen, sei für den Fachmann daher nicht naheliegend. Der beanspruchte Gegenstand beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.

XII. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatentes.

XIII. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise wurde beantragt, das angegriffene Patent auf Grundlage einer der mit Schreiben von 10. Oktober 2011 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 5 aufrecht zu erhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

Neuheit gegenüber D1

2. Der Neuheitseinwand auf der Basis von D1 stützt sich auf die in D1 erwähnten Produkte der Firma Laevosan GmbH, LG 81-3-07 HES 450/0,5 und LG 82-3-04 HES 450/03. Es wurde nicht gezeigt, dass diese Produkte einen molaren Substitutionsgrad 2<= C2/C6 <8 besitzen. Auf Seite 33 der D1 wird lediglich angegeben, dass 70-80 Gew.-% des Substituenten sich am C2-Atom des Glukoserings befinden. Wie viele Substituenten sich in der 3. und 6. Stellung befinden, wird jedoch nicht offenbart, so dass das C2/C6 Verhältnis für diese Produkte in D1 nicht offenbart ist. Obwohl die Abbildung 1.1 auf Seite 38 der D1 auf ein C2/C6 Verhältnis von 7,2 hindeutet, wird in D1 nicht angegeben, um welches Produkt es sich bei dieser Abbildung handelt. Molekulargewicht und Substitutionsgrad des betroffenen Produkts sind ebenfalls nicht beschrieben. Daher kann der Neuheitseinwand im Hinblick auf D1 nicht überzeugen.

Neuheit gegenüber D2

3. Die von der Beschwerdeführerin zitierte Rechtsprechung auf der Basis der Entscheidung T 279/89 betrifft die Neuheit einer einzelnen Auswahl eines Teilbereichs numerischer Zahlenwerte aus einem breiten Bereich des Standes der Technik. Diese Rechtsprechung findet im vorliegenden Fall, im Hinblick auf Entscheidung T 653/93 (siehe Punkt 3.6 der Entscheidungsgründe) keine Anwendung, da eine Hydroxyethylstärke gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nur durch eine mehrfache Auswahl von Parametern (mittleres Molekulargewicht, Substitutionsgrad und C2/C6 Verhältnis) innerhalb der allgemeinen Offenbarung von D2 zu erzielen wäre.

3.1 Bei einem einzigen Zahlenbereich, in dem die minimalen und maximalen Werte definiert werden, werden somit die Eckpunkte dieses eindimensionalen Gegenstands offenbart. Für einen mehr dimensionalen Gegenstand der mittels einer Kombination von mindesten zwei Zahlenbereichen definiert wird, sind im Gegensatz dazu die Eckpunkte, die durch Kombination eines minimalen und/oder maximalen Werts eines Zahlenbereichs mit anderen minimalen oder maximalen Werts der anderen Zahlenbereiche gebildet werden können, allein durch die Angabe aller Zahlenbereiche nicht offenbart. Dafür bedürfte es einer zusätzlichen Offenbarung, in der die minimalen oder maximalen Werte dieser Zahlenbereiche, die diese Eckpunkte bilden könnten, in der Tat unmittelbar und eindeutig verknüpft werden. Im vorliegenden Fall würde eine Offenbarung einer Stärke mit einem Molekulargewicht von 1 000 0000 (Mw), einen molaren Substitutionsgrad von 0,4 (MS) und ein C2/C6-Verhältnis von 3 voraussetzen, dass D2 vorgibt, den allgemeinen Bereich von Anspruch 3 für das Molekulargewicht und die bevorzugten Bereiche der Ansprüche 7 und 9 für jeweils den molaren Substitutionsgrad MS und das C2/C6-Verhältnis in Kombination zu verwenden und darüber hinaus jeweils die maximalen Werte dieser Bereiche zu kombinieren. Es wurde jedoch nicht gezeigt, dass D2 eine solche Offenbarung enthält. Im Gegenteil lehrt D2, im Einklang mit dem einzigen Ausführungsbeispiel, dass das Molekulargewicht im genannten Bereich vorzugsweise niedrig gehalten werden soll (Seite 10, erster Absatz).

3.2 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes im Hinblick auf D2 kann daher nicht überzeugen.

4. Die Neuheit wird somit anerkannt.

Erfinderische Tätigkeit

5. Nächstliegender Stand der Technik

5.1 Das Streitpatent betrifft eine Hydroxyethylstärke (HES) sowie deren Verwendung in pharmazeutischen Zubereitungen, die als Volumenersatzmittel verwendet werden (siehe Absatz [0001]). Es gehört zum allgemeinen Fachwissen, dass der enzymatische Abbau der Stärke durch alpha-Amylase durch die Hydroxyethylsubstituenten erschwert wird, da unsubstituierte Stärke schnell gespaltet wird, so dass die intravasale Verweilzeit lediglich einige Minuten dauert (siehe z.B. D6, Einleitung, Seiten 1452 und 1453 und D17, Seite 400, "Pharmakokinetik").

5.1.1 Gemäß [0006] des Streitpatents werden weltweit zur Zeit unterschiedliche HES-Präparate als kolloidale Volumenersatzmittel verwendet, die sich hauptsächlich in ihrem Molekulargewicht und daneben in dem Ausmaß der Veretherung mit Hydroxyethylgruppen und in anderen Parametern unterscheiden, wobei die in klinischem Gebrauch befindlichen HES-Lösungen ihrem Molekulargewicht entsprechend in hochmolekulare (450 kD), mittelmolekulare (200 - 250 kD) und niedermolekulare Präparate (70 - 130 kD) eingeteilt werden. Gemäß Absätze [0010] und [0011] des Streitpatents sind die spezifischen Wirkungen von HES auf die Blutgerinnung bei der Anwendung hochmolekularer HES (z. B. von HES 450/0,7, wobei die erste und die zweite Zahl jeweils das Molekulargewicht Mw und der molare Substitutionsgrad MS bedeuten) besonders ausgeprägt, während sie bei mittelmolekularer (z. B. HES 250/0,5) oder niedermolekularer HES (z. B. HES 130/0,4 oder HES 70/0,5) keine so große Rolle mehr spielen. Des Weiteren zeigen die hochmolekularen HES-Lösungen eine starke Akkumulation im Kreislauf, während dieser Nachteil bei mittelmolekularer HES nur in abgeschwächter Form und bei niedermolekularen Präparaten wie HES 130/0,4 praktisch nicht mehr vorhanden ist.

5.1.2 Dieses vorteilhafte Verhalten niedermolekularer HES im Vergleich mit hochmolekularen Präparaten wird jedoch mit einer erheblich kürzeren Plasmahalbwertszeit erkauft, die bei schwerer oder anhaltender Hypovolämie problematisch ist (siehe Streitpatent Absatz [0012]). Daher bestand gemäß Absatz [0013] des Streitpatents der Bedarf an einem Volumenersatzmittel, das sich einerseits durch geringe Kumulationsneigung und geringe Beeinflussung der Blutgerinnung auszeichnet (wie niedermolekulare HES), andererseits aber eine längere Halbwertszeit als die niedermolekularen HES-Lösungen aufweist.

5.1.3 Damit wird im Streitpatent ein niedermolekulares HES-Präparat HES 130/0,4, als Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung dargelegt.

5.2 Mit der Druckschrift D14, die ein Präparat der Beschwerdeführerin HES 130/04 mit einem C2/C6 Verhältnis von 9:1 beschreibt, wurde die Meinung im Jahr 1999 geäußert, dass die Entwicklung von HES 130/0,4 ein Fortschritt in Richtung Patientensicherheit und Erhalten eines idealen "HES" darstellte. Im letzten Absatz dieses Dokuments wird beschrieben, dass die Befunde eindeutig für einen qualitativen Fortschritt gegenüber dem seit zwei Jahrzehnten bewährten HES 200/0,5 sprechen (siehe auch Editorial), nämlich, dass bei vergleichbarem Volumeneffekt Abbauverhalten, Zwischenablagerung im Gewebe, Kumulation und Gerinnung noch weiter optimiert worden sind.

5.2.1 D17, das kurz vor dem beanspruchten Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht wurde, ist ein Standardwerk der Anästhesiologie, der das allgemeine Fachwissen bezüglich Volumenersatzlösungen auf der Basis von Hydroxyethylstärken (HES) am beanspruchten Prioritätsdatum darstellt. Es bestätigt diese bekannten Vorteile von HES 130/04 Präparaten gegenüber anderen handelsüblichen HES-Präparaten im Hinblick auf Gerinnung / Hämostase und Plasmakumulation (siehe Seite 400, linke Spalte, ersten Absatz; Seite 402, linke Spalte, zweiter Absatz und rechte Spalte, fünften Absatz).

5.2.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Wahl des Standes der Technik, der als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz dient, in der Regel von demjenigen auszugehen, der in der Streitpatentschrift als nächstliegend und als Ausgangspunkt zur Bestimmung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe angegeben wird. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Präparat des Typs HES 130/0,4, das, gemäß D14, im Jahr 1999 als ein Präparat auf dem Weg zum "Idealen" HES dargestellt wird. Im Hinblick auf die in D14 dargestellte Entwicklung in der Herstellung von HES-Präparaten und die Vorteile von HES 130/04, die durch D17 bestätigt werden, ist es realistisch, ein Präparat HES 130/0,4 als Ausgangspunkt für die im Patent dargelegte Aufgabe zu wählen.

5.2.3 Demgegenüber ist die Wahl der in D1 empfohlenen HES-Typen LG 82-3-04 HES 450/0.3 und LG 81-3-07 HES 450/0.5 als Ausgangspunkt für die vorliegende Erfindung weniger realistisch. Nicht nur deswegen, weil es im Stand der Technik keine Anregung gibt, gegen der erwiesene allgemeine Entwicklung auf fünfzehn Jahre ältere Produkte zurückzugreifen, sondern auch, weil D1 in Bezug auf den Parameter C2/C6 keine Angabe enthält, die für die gesuchten Eigenschaften von Bedeutung ist (siehe D17, Seite 400).

5.3 Daher stellt das HES 130/0,4 Präparat mit einem C2/C6 Verhältnis von 9:1, welches in D14 beschrieben wird, den nächstliegenden Stand der Technik, und somit den Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit dar.

6. Aufgabe und Lösung

6.1 Ausgehend vom HES 130/0,4 Präparat mit einem C2/C6 Verhältnis von 9:1 als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Streitpatent, gemäß den Ausführungen der Beschwerdegegnerin mit Verweis auf den Absatz [0013] des Streitpatents, die Aufgabe zugrunde, ein Volumenersatzmittel bereitzustellen, das sich einerseits durch geringe Kumulationsneigung (ausgedrückt durch die terminale Halbwertzeit t1/2beta) und geringe Beeinflussung der Blutgerinnung auszeichnet (wie niedermolekulare HES), andererseits aber eine höhere Konzentration von HES in der Initialphase (ausgedrückt durch t1/2alpha) als die niedermolekularen HES-Lösungen aufweist.

6.2 Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent die Verbindungen gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 vor, welche durch ein mittleres Molekulargewicht Mw größer oder gleich 500 000, einen molaren Substitutionsgrad MS zwischen 0,25 und 0,5 und ein C2/C6-Verhältnis von 2 bis unterhalb von 8 gekennzeichnet sind.

6.3 Zum Beleg für eine erfolgreiche Lösung der patentgemäßen Aufgabe hat die Beschwerdegegnerin auf die Anwendungsbeispiele der Streitpatentschrift gewiesen. Im ersten Teil dieser Experimente werden HES-Präparate mit mittlerem Molekulargewicht Mw von 130 000, 500 000 und 900 000 (HES 130, HES 500 und HES 900) mit einer identischer molaren Substitution MS (0,42) und identischem C2/C6-Verhältnis (4,83) verglichen, in dem Kumulationsneigung, Blutgerinnung und initiale Plasmahalbwertszeit gemessen werden. Im zweiten Teil der Experimente des Streitpatents werden HES-Präparate mit gleichem Molekulargewicht Mw von 800 000 und identischer molarer Substitution (MS = 0,4) und unterschiedlichen C2/C6-Verhältnissen von 3:1, 7:1 und 12:1 im Hinblick auf die Blutgerinnung verglichen.

6.4 Obwohl diese Experimente keinen Vergleich mit der modifizierten Stärke aus dem nächstliegenden Stand der Technik darstellen, weil diese einen anderen MS (0,42) und ein anderes C2/C6-Verhältnis (9:1) besitzt, wurde argumentiert, dass diese Experimente dennoch den Einfluss des mittleren Molekulargewichts Mw auf die Kumulationsneigung, Blutgerinnung und initiale Plasmahalbwertszeit einerseits und des C2/C6-Verhältnisses auf die Blutgerinnung anderseits und daher den Erfolg der beanspruchten Lösung zeigten.

6.5 Der Einfluss des Molekulargewichts, MS und C2/C6-Verhältnis von HES-Präparaten auf Kumulationsneigung, Blutgerinnung und initiale Plasmahalbwertszeit ist in der einschlägigen Literatur, insbesondere D17, D6 und D14, die vor der Beschwerdeführerin als Beweismittel vorgelegt wurden, dokumentiert. Gemäß D17 (Seite 400, linke Spalte, letzter Absatz, ff.): "Mw (Molekulargewichtsverteilung), MS und C2/C6-Verhältnis beeinflussen die Produkteigenschaften wesentlich. Sowohl zu niedriges (zu rasche renale Elimination) wie zu hohes Molekulargewicht (ungünstige rheologische und hämostaseologische Effekte) sind unerwünscht. Insgesamt aber ist der Einfluss des Molekulargewichts auf die Pharmakokinetik bei HES deutlich geringer als bei Dextran und Gelatine. Die entscheidenden, physikochemischen Merkmale für den intravasalen Abbau und die renale Elimination von HES sind Ausmaß und Muster der Substitution mit Hydroxyethylgruppen. Je höher die Anzahl der Hydroxyethylgruppen d.h., je größer MS und je häufiger eine Hydroxyethylierung am C2-Atom der Glukoseeinheiten des HES-Moleküls, d.h. je höher das C2/C6-Verhältnis ist desto langsamer erfolgt der HES-Abbau. Dabei ist die MS eher für die »Grobeinstellung« und das C2/C6-Verhältnis eher für die »Feineinstellung« verantwortlich. Durch die Wahl eines hohen oder niedrigen C2/C6-Verhältnisses besteht die Möglichkeit, MS-bedingte Effekte zu kompensieren zu verstärken oder zu glätten.Entsprechend der vorrangigen Bedeutung von MS für die Pharmakokinetik werden HES-Typen in Gruppen unterschiedlicher pharmakologischer Eigenschaften eingeteilt, nämlich hochsubstituierte HES (HES 450/0,7, HES 200/0,62), mittelsubstituierte HES (70/0,5, HES 200/0,5) und niedersubstituierte HES (HES 130/0,4)"

6.5.1 Aus D17 geht daher unmissverständlich hervor, dass die intravasale Abbaubarkeit vorrangig von MS, und dann in einem wesentlich kleineren Ausmaß vom C2/C6-Verhältnis, gefolgt vom MG beeinflusst wird.

6.5.2 In D17 wird im letzten Absatz der Seite 400 hinzugefügt: "Eine Kenngröße für die intravasale Verweildauer von HES ist die initiale Halbwertszeit. Diese ist umso länger, je höher MS und je höher das C2/C6-Verhältnis sind. Im Gegensatz zu Dextran und Gelatine spielt das Molekulargewicht für die pharmakokinetische Eigenschaften von HES kaum eine Rolle, es sei denn, ein größerer Anteil an Molekülen liegt in der Nahe oder bereits unterhalb der Nierenschwelle", die gemäß D17 (Seite 400, rechte Spalte, Information unter dem Titel "Phamakokinetik") der gleichen Passage für HES zwischen 40 000 und 70 000 liegt. D14 bestätigt, dass der Volumeneffekt im Wesentlichen von der Konzentration der Lösung, Größe und Anzahl der Moleküle oberhalb der Nierenschwelle von ca. 60-70.000 Dalton abhängt (Seite 1, linke Spalte, letzten Absatz, ff.).

6.5.3 Was die Plasmakumulation von HES betrifft, wird in D17 auf Seite 401, linke Spalte, beschrieben, dass ihr Ausmaß von der Abbaubarkeit des HES-Typs abhängt, d.h. die Plasmakumulation von HES nimmt mit dem Substitutionsgrad und dem C2/C6-Verhältnis zu. Im Einklang mit der oben festgestellten vorrangigen Bedeutung von MS für die intravasale Abbaubarkeit, wird in D14 angegeben (Seite 1, letzter Absatz), dass das Ausmaß der Plasmakumulation von HES wesentlich vom Substitutionsgrad abhängt.

6.5.4 Des Weiteren wird in D17 (Seite 402, zweiten Absatz) angegeben, dass das In-vivo-Molekulargewicht eine wichtige Kenngröße darstellt, die in direktem Zusammenhang mit der Ausprägung der Gerinnungsinhibition steht.

6.6 D6 bestätigt den relativen Einfluss dieser drei Variablen auf die Abbaubarkeit der HES, die Plasmakumulation der Makromolekülen, die einen negativen Einfluss auf Plasmaviskosität und Blutgerinnung haben (Seite 1452, Zusammenfassung; rechte Spalte, Passage ab Zeile 27 bis Seite 1453, linke Spalte, Zeile 6; Seite 1454, rechte Spalte, ersten Absatz). Die Wichtigkeit des In-vivo-Molekulargewichts wird in D6 ebenfalls betont (Seite 1455, linke Spalte, dritter Absatz und rechte Spalte, letzter Absatz).

6.7 Im Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik, i.e. ein HES Präparat mit einem MS von 0,4, ein C2/C6-Verhältnis von 9:1 und einem mittleren Molekulargewicht Mw von 130 000, besitzen die beanspruchten HES nicht nur ein höheres mittleres Molekulargewicht und ein niedrigeres C2/C6-Verhältnis, sondern sie können ebenfalls einen wesentlich niedrigeren MS, nämlich bis zu 0,25, vorweisen. Im Hinblick auf die vorrangige Bedeutung von MS für die intravasale Abbaubarkeit der modifizierten Stärke und die initiale Halbwertszeit, ist daher nicht glaubhaft, dass alle beanspruchten Stärken trotz höheren Molekulargewichts und kleineren C2/C6-Verhältnisses eine höhere initiale Halbwertszeit besitzen. Für die beanspruchten modifizierten Stärken mit einem höheren MS, bis zu 0,5, ist im Hinblick auf den bekannten Einfluss dieser Variablen nicht nur wahrscheinlich, dass eine Verbesserung der initialen Halbwertszeit auftritt, sondern auch, dass dieser Effekt von einer höheren Kumulationsneigung und Blutgerinnungshemmung begleitet wird. Das Erreichen einer günstigeren Plasmaviskosität, die ebenfalls von der intravasalen Abbaubarkeit und Akkumulation von HES abhängt, ist aus dem gleichen Grund für modifizierte Stärke, die einen höheren MS bis zu 0,5 aufweist, nicht glaubhaft.

Es wurde nicht gezeigt, dass die Auswahl der im Anspruch 1 definierten Bereiche zu einem annehmbaren Kompromiss zwischen den von diesen Größen abhängigen Wirkungen, unter anderem initiale Halbwertszeit, Kumulationsneigung und Blutgerinnungshemmung,führt.

6.8 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist jeder Verfahrensbeteiligte jeweils für die von ihm behaupteten Tatsachen beweispflichtig. Im Hinblick auf die von den Verfahrensbeteiligten vorgelegten Beweismittel komm die Kammer zur Schlussfolgerung, dass die von der Beschwerdeführerin definierte Aufgabe als nicht gelöst gilt und folglich umzuformulieren ist. Ausgehend von Druckschrift D14 als nächstliegendem Stand der Technik liegt der Erfindung des Streitpatents somit lediglich die Aufgabe zugrunde, weitere Hydroxylethylstärken bereitzustellen.

7. Naheliegend

7.1 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die in Punkt 6.8 supra genannte Aufgabe durch die Bereitstellung der anspruchsgemäßen Hydroxylethylstärken zu lösen.

7.2 Die Möglichkeit, den molaren Substitutionsgrad MS, das C2/C6-Verhältnis und das mittlere Molekulargewicht Mw in verschiedenen Richtungen zu variieren, gehörte am Anmeldetag, bzw. Prioritätstag des Streitpatentes zum allgemeinen Fachwissen, wie es in D17 und D6 gezeigt wird (siehe obige Punkte 6.5, 6.5.1, 6.5.2, 6.5.3, 6.4). Diese Möglichkeit war ebenfalls die Basis für die im nächstliegenden Stand der Technik dargestellte Entwicklung (D14, erste Seite, linke Spalte). Darüber hinaus befinden sich die im vorliegenden Anspruch 1 definierten Bereiche des molaren Substitutionsgrads MS, des C2/C6-Verhältnisses und des mittleren Molekulargewichts in Bereichen, die dem Fachmann für Hydroxyethylstärken bekannt waren, wie zum Beispiel in D6, D17 und D2 (Seite 7, dritter Absatz bis Seite 8, letzten Absatz) gezeigt wird.

7.3 Die Möglichkeit, Hydroxyethylstärken mit einem Molekulargewicht von mindestens 500 000 in der Herstellung von Volumenersatzmitteln einzusetzen, ist mit den Produkten der Firma Laevosan GmbH LG 81-3-07 HES 450/0,5 und LG 82-3-04 HES 450/03 aus D1 (Seiten 104, 131, 201 und 202) bekannt. Mittels Kleinwinkel-Laser Lichtstreuung (LALLS) und Gelpermeationchromatographie, gekoppelt mit Kleinwinkel-Laser Lichtstreuung (SEC/LALLS) wurde gezeigt, dass diese Produkte ein Mw von mehr als 700 000 besitzen (D1, Seiten 201 und 202). Den in D1 gemachten Angaben über das mittlere Molekulargewicht dieser Hydroxyethylstärke wird darüber hinaus durch die Angaben von anderen Zahlen in D18 und D19, entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin, nicht widersprochen. Das liegt daran, dass die Bestimmung eines mittleren Molekulargewichts von der Messmethode abhängt, wie aus dem allgemeinem Stand der Technik bekannt ist, und diese in D18 und D19 nicht angegeben wird.

7.4 Nachdem gegenüber dem HES-Präparat vom nächstliegenden Stand der Technik kein unerwarteter technischer Effekt auf Basis der Auswahl der beanspruchten Bereiche vorliegt (siehe Punkt 6.7 supra), sind die ausgewählten Grenzen in Anspruch 1 weder zielgerichtet noch kritisch, sondern können nur als rein willkürlich gesehen werden. Nachdem die Aufgabe lediglich die Bereitstellung von weiteren Hydroxylethylsärken betrifft, war es für den Fachmann im Rahmen des handwerklichen Könnens naheliegend, den molaren Substitutionsgrad MS, das C2/C6-Verhältnis und das mittlere Molekulargewicht Mw innerhalb der üblichen Werte für diese Parameter zu variieren.

7.5 Folglich führt der Stand der Technik den Fachmann zu Hydroxyelthylstärken gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags, ohne dass er erfinderisch tätig werden musste.

8. Der Hauptantrag ist somit nicht erfinderisch und daher nicht gewährbar.

Hilfsanträge 1 bis 5

9. Die Ansprüche 1 gemäß den 1. bis 5. Hilfsanträgen unterscheiden sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass ein oder mehrere Zahlenbereiche für den molaren Substitutionsgrad MS, das C2/C6-Verhältnis und das mittlere Molekulargewicht Mw eingeschränkt wurden. Gegenüber dem Hauptantrag ist für die Hilfsanträge 1 und 3 die Definition des molaren Substitutionsgrads MS von 0,25 bis 0,5 gleich geblieben und für die Hilfsanträge 2, 4 und 5 ist der obere Wert auf 0,45 reduziert worden.

9.1 Auf Grund der vorrangigen Bedeutung des molaren Substitutionsgrad MS für die initiale Halbwertszeit, Plasmakumulation und resultierende Beeinflussung der Blutgerinnung und Plasmaviskosität (siehe supra, Punkte 6.5, 6.5.1, 6.5.2) und die Tatsache, dass der molare Substitutionsgrad MS der beanspruchten Stärken sowohl unterhalb als oberhalb des im nächstliegenden Stand der Technik verwendeten MS liegen kann, können die in den Hilfsanträgen enthaltenen Einschränkungen gegenüber dem Hauptantrag keine Wirkung auf die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik zu formulierende objektive Aufgabe haben.

9.2 Des Weiteren befinden sich der molare Substitutionsgrad MS, das C2/C6-Verhältnis und das mittlere Molekulargewicht in den jeweiligen Ansprüchen 1 der Hilfsanträge ebenfalls in Bereichen, die dem Fachmann für Hydroxyethylstärken bekannt sind. Aus den gleichen Gründen wie für den Hauptantrag ist daher der Gegenstand der jeweiligen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 5 nicht erfinderisch, so dass diese ebenfalls nicht gewährbar sind.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben

2. Das Patent wird widerrufen

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