T 0274/11 (Verbrauchsdatenauswertung/TECHEM) of 5.11.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T027411.20141105
Datum der Entscheidung: 05 November 2014
Aktenzeichen: T 0274/11
Anmeldenummer: 98119616.5
IPC-Klasse: H04Q 9/00
G06F 13/00
G06F 17/40
G05B 23/00
H04M 11/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 348 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rechnergestütztes Datenerfassungs-, Datenauswertungs- und Kommunikationssystem für Nutzer einer Liegenschaft
Name des Anmelders: Techem Energy Services GmbH
Name des Einsprechenden: ista Deutschland GmbH
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Zurückverweisung an die erste Instanz
Spät eingereichte Hilfsanträge (Hilfsantrag 1)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der gegen das europäische Patent Nr. 0924949 eingelegte Einspruch wurde darauf gestützt, dass der beanspruchte Gegenstand nicht neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Einspruchsgründe unter Artikel 100 a) EPÜ) und dass die Erfindung in dem Patent nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ).

II. Im Laufe des Einspruchsverfahrens legte die Einsprechende die folgenden Druckschriften vor:

D1: EP 0 834 849 A1;

D2: DE 30 12 267 A1;

D3: AT 384 309 B;

D4: Eckart Schwantes: Energieüberwachung in Gebäuden durch Telematik, KI Klima Kälte Heizung, 7-8/1991, Seiten 307 bis 310; und

D5: Eckart Schwantes: Messen und Regeln: Besser ferngesteuert - Von der Heizkostenverteilung zum modernen Energiemanagement, BAUSUBSTANZ, 2/1993, Seiten 21 und 22.

D1 und D2 wurden zusammen mit der Einspruchsschrift vorgelegt. D3 wurde in Reaktion auf eine Mitteilung der Einspruchsabteilung vorgelegt. D4 und D5 wurden erst vorgelegt, nachdem eine Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ergangen war.

III. Die Patentinhaberin reichte in Reaktion auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geänderte Anspruchsätze gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 und in Reaktion auf die von der Einsprechenden vorgelegten Druckschriften D4 und D5 weitere Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 3 und 4 ein.

IV. Die Einspruchsabteilung gelangte in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis, dass die Druckschriften D3 und D5 nicht im Verfahren berücksichtigt werden, da sie verspätet eingereicht worden sind und prima facie nicht relevant sind. D4 wurde als prima facie relevant befunden und im Verfahren berücksichtigt. Weiterhin gelangte die Einspruchsabteilung zum Ergebnis, dass dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegensteht und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung gegenüber D1, D2 und D4 neu ist sowie gegenüber D2 und D4 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Der Einspruch wurde folglich zurückgewiesen.

V. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende Beschwerde ein und beantragte sinngemäß, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

VI. Mit einem Schreiben vom 24. August 2011 nahm die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) zu der Beschwerde Stellung. Zusammen mit diesem Schreiben wurden Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4 eingereicht. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Anberaumung einer möglichen Verhandlung und weiter hilfsweise, das Patent im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 4 aufrecht zu erhalten.

VII. In einer Mitteilung zur Ladung zur mündlichen Verhandlung wies die Kammer auf die in der mündlichen Verhandlung zu erörternden Fragen hin. Die Kammer bemerkte in der Mitteilung weiterhin, dass in der Beschwerdebegründung substantiiert nur zu den Einspruchsgründen der mangelnden Offenbarung sowie der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung unter Berücksichtigung von D4 vorgetragen wurde und dass zu den weiteren Merkmalen des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren bis zum Zeitpunkt der Ladung keine der Beteiligten Stellung genommen hatte.

VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 5. November 2014 statt.

Im Laufe der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hilfsantrag 1 ein.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2014 eingereichten Hilfsantrag 1 oder gemäß einem der mit Schreiben vom 24. August 2011 eingereichten Hilfsanträge 2 bis 4.

Nach Schließen der Debatte und Beratung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

IX. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet (Merkmalsgliederung M1 bis M6a durch die Kammer eingefügt):

"(M1) Ein rechnergestütztes Datenerfassungs-, Datenauswertungs- und Kommunikationssystem für Nutzer einer Liegenschaft (10), mit

- (M2) wenigstens einer Meßstelle (12b, 14b, 16b, 18b, 20b, 22b), (M2a) die dazu eingerichtet ist, einen die Liegenschaft betreffenden Heizmengenwert als einen Verbrauchswert zu erfassen,

- (M3) einem Steuerrechner (30) zum gebäudebezogenen Empfangen der Verbrauchswerte der Meßstellen und Steuern einer Datenübertragungseinrichtung (34), (M3a) die dazu eingerichtet sind, ein den jeweiligen Verbrauchswert wiedergebendes Signal von der Meßstelle (12b, 14b, 16b, 18b, 20b, 22b) an eine zentrale Rechnereinheit (38, 40) zu übermitteln,

- (M4) einer der zentralen Rechnereinheit (38, 40) zugeordneten Datenbasis (42), (M4a) in der ein die Liegenschaft betreffender Datensatz geführt ist, wobei

- (M4b) der Datensatz den übermittelten aktuellen Heizmengenwert und einen mit diesem in Beziehung setzbaren, vorherbestimmten Erwartungswert enthält, und wobei

- (M4c) ein Benutzer des Systems Zugriff auf den Datensatz hat, um den aktuellen Stand des Heizmengenwertes und ein Verhältnis zwischen dem aktuellen Heizmengenwert und dem vorherbestimmten Erwartungswert zu erhalten, dadurch gekennzeichnet, daß

(M5) der Steuerrechner (30) des jeweiligen Gebäudes dazu eingerichtet ist, aktuelle Temperaturverläufe an die zentrale Rechnereinheit (38, 40) zu übermitteln und (M6) dass die zentrale Rechnereinheit dazu eingerichtet ist, jahresbedingte Temperaturschwankungen bei der Bestimmung des Erwartungswerts herauszurechnen und (M6a) dem Benutzer bei einer signifikanten Änderung des jeweiligen Datensatzes eine automatische Mitteilung zu übermitteln."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung, dass vor dem Merkmal M5 das Merkmal

"der jeweilige vorherbestimmte Erwartungswert aus einem Vergleich mit entsprechenden Verbrauchswerten anderer Liegenschaften (10) und mit Verbrauchswerten der jeweiligen Liegenschaft aus der Vergangenheit bestimmt wird"

eingefügt ist und dass im Merkmal M6 zwischen "Erwartungswerts" und "herauszurechnen" die Worte "unter Verwendung der übermittelten Temperaturverläufe" eingefügt sind.

In Anbetracht der Entscheidung der Kammer (siehe unten) erübrigt sich eine Wiedergabe des Wortlauts des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 2 bis 4.

Entscheidungsgründe

1. Anspruch 1 der erteilten Fassung - Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 52 (1) EPÜ, Artikel 54 (1) und 56 EPÜ 1973)

1.1 Die Druckschrift D4 beschreibt verschiedene Anwendungsmöglichkeiten eines Kommunikationssystems ("TEMEX"), welches speziell für die Telemetrie und die Fernüberwachung von haustechnischen Anlagen konzipiert wurde, auf dem Gebiet der Liegenschaftsverwaltung. Das erste Anwendungsbeispiel (vgl. Seite 307 ab der Überschrift "Energiemanagement" bis Seite 308, rechte Spalte, zweiter Absatz) betrifft ein System, mit dem die in einem Gebäude anfallenden Verbrauchsdaten für Heizung, Wasser, Strom etc. automatisch ermittelt und über "TEMEX" an eine Leitstelle übertragen werden. In dieser werden die tatsächlichen Verbrauchsdaten weiter ausgewertet und mit Soll-Verbrauchsdaten verglichen, um Einsparpotenziale beim Verbrauch zu ermitteln. In dem zweiten beschriebenen Anwendungsbeispiel (vgl. nach der Überschrift "TEMEX-Alphanwendungen in der Heizungstechnik") wird das Regelgerät einer Heizungsanlage von einer Leitstelle überwacht, indem diese von dem Regelgerät automatisch erzeugte Störmeldungen über "TEMEX" empfängt und in Reaktion auf die Störmeldungen bestimmte Zustandsdaten aus dem Regelgerät ausliest bzw. das Regelgerät über "TEMEX" beeinflusst. Im dritten Anwendungsbeispiel (vgl. nach der Überschrift "TEMEX-Alphanwendung in der Klimatechnik") wird beschrieben, wie das Auffinden eines versteckten Stromverbrauchers mit Hilfe einer stündlichen Erfassung von Stromverbrauchsdaten über "TEMEX" und dem Vergleich mit Solldaten unterstützt werden kann.

1.2 Das System gemäß dem oben genannten ersten Anwendungsbeispiel umfasst eine in dem zu überwachenden Gebäude eingerichtete ECO-Zentrale, das TEMEX-Kommunikationssystem zur Datenübertragung sowie eine von der ECO-Zentrale räumlich entfernte Leitstelle (vgl. Seite 308, linke Spalte, dritter und vierter Absatz) und stellt somit ein rechnergestütztes Datenerfassungs-, Datenauswertungs- und Kommunikationssystem für Nutzer einer Liegenschaft gemäß dem Merkmal M1 (siehe Punkt IX oben) des Anspruchs 1 dar.

Das bekannte System umfasst entsprechend dem Merkmal M2 wenigstens eine Messstelle (Wärmezähler, siehe Seite 308, linke Spalte, dritter Absatz), die dazu eingerichtet ist, einen Heizmengenwert für die Liegenschaft als Verbrauchswert zu erfassen.

Weiterhin umfasst das bekannte System einen Steuerrechner (die im Gebäude installierte ECO-Zentrale, vgl. die oben genannte Stelle auf Seite 308). Dieser Steuerrechner ist entsprechend den Merkmalen M3 und M3a dazu eingerichtet, zum einen die Verbrauchswerte der Messstellen zu empfangen ("Die ECO-Zentrale zählt die von den Zählern angegebenen Impulse", vgl. die angegebene Stelle auf Seite 308), zum andern eine Datenübertragungseinrichtung (Postmodem) zu steuern, um ein den jeweiligen Verbrauchswert wiedergebendes Signal von der Messstelle an eine zentrale Rechnereinheit (die bei dem räumlich entfernt stationierten Energiedienst installierte Leitstelle) zu übermitteln.

Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerde­gegnerin, das Merkmal M3a sei nur so zu verstehen, dass der Steuerrechner die Datenübertragungs­einrichtung derart steuere, dass der Steuerrechner den Anstoß für eine Datenübertragung gebe. Ein solches Verständnis ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des Merkmals M3a, da dieses Merkmal lediglich eine Steuerung der Datenübertragungseinrichtung durch den Steuerrechner ganz allgemein spezifiziert, nicht jedoch eine spezifische Steuerung zum Aufbau einer Verbindung.

Weiterhin umfasst das in D4 offenbarte System eine der zentralen Rechnereinheit zugeordnete Datenbasis gemäß den Merkmalen M4 und M4a mit einem die Liegenschaft betreffenden Datensatz, welcher den übermittelten aktuellen Heizmengenwert sowie einen mit diesem in Beziehung setzbaren und vorherbestimmten Erwartungswert enthält (vgl. Bild 2, die obere Tabelle enthält Sollwerte, die untere Tabelle u.a. die tatsächlichen Verbrauchswerte). Die Tabellen gemäß Bild 2 implizieren weiterhin, dass ein Benutzer des in D4 beschriebenen Systems entsprechend dem Merkmal M4c Zugriff auf den Datensatz hat, um einen aktuellen Stand des Heizmengenwerts sowie ein Verhältnis zwischen diesem aktuellen Stand und dem vorherbestimmten Erwartungswert (in der letzten Spalte der unteren Tabelle von Bild 2 dargestellt) zu erhalten.

Hinsichtlich des Merkmals M5 ist die Kammer der Auffassung, dass die Angabe "aktuelle Temperaturverläufe" lediglich den Inhalt von zu übermittelnden Daten angibt. Der Inhalt der zu übermittelnden Daten hat jedoch keine Auswirkung technischer Art darauf, wie der Steuerrechner einzurichten ist, damit er zu übermittelnde Daten an die zentrale Rechnereinheit übertragen kann. In anderen Worten, indem die ECO-Zentrale in D4 dazu eingerichtet ist, verschiedene Arten von erfassten Verbrauchsdaten an die Leitstelle zu übertragen, ist sie implizit auch dazu eingerichtet, um aktuelle Temperaturverläufe, falls hierzu entsprechende Daten vorliegen, an die Leitstelle zu übertragen.

Die Kammer teilt nicht die in der angefochtenen Entscheidung geäußerte Auffassung der Einspruchsabteilung, dass das beanspruchte System sich von dem aus D4 bekannten System dadurch unterscheidet, dass "(...) klimatologische(n) Daten individuell von der jeweiligen Liegenschaft durch die lokale Messung und nachfolgende Übermittlung" beschafft werden (vgl. den Absatz 5.5.2 der Entscheidungsgründe). Eine lokale Messung bei der Liegenschaft zur Beschaffung klimatologischer Daten ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des Merkmals M5 des Anspruchs 1. Noch kann aus dem Absatz [0029] der Patentschrift ("Erfindungsgemäß wird von dem Steuerrechner des jeweiligen Gebäudes an die zentrale Rechnereinheit eine Übermittlung aktueller Temperaturverläufe erfolgen, so dass Temperaturschwankungen von einem Jahr zum anderen bei der Bestimmung der Erwartungswerte berücksichtigt, bzw. Herausgerechnet [sic] werden können."), auf den von der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang verwiesen wurde, unmittelbar und eindeutig entnommen werden, dass Temperaturen lokal beim jeweiligen Gebäude gemessen und solche Messwerte als "aktueller Temperaturverlauf" an die zentrale Rechnereinheit übertragen werden.

Weiterhin ist die zentrale Rechnereinheit in D4 dazu eingerichtet, gemäß dem Merkmal M6 jahresbedingte Temperaturschwankungen bei der Bestimmung des Erwartungswerts herauszurechnen, indem Gradtagszahlen zur Witterungsbereinigung verwendet werden (vergleiche den letzten Absatz der linken Spalte auf Seite 308).

1.3 In dem oben genannten, aus D4 bekannten System zur Erfassung, Übermittlung und Auswertung von Verbrauchsdaten ist jedoch nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die zentrale Rechnereinheit auch dazu eingerichtet ist, gemäß dem Merkmal M6a dem Benutzer bei einer signifikanten Änderung des jeweiligen Datensatzes eine automatische Mitteilung zu übermitteln. Die Beschwerdeführerin argumentierte zwar, im letzten Absatz der Seite 308 der Druckschrift D4 sei eine Übermittlung einer automatischen Mitteilung an einen Benutzer offenbart. Dieser Absatz bezieht sich jedoch nicht auf das in D4 vor diesem Absatz beschriebene System zur Erfassung, Übermittlung und Auswertung von Verbrauchsdaten, sondern auf ein andersartiges Anwendungsbeispiel der Nutzung des TEMEX-Kommunikationssystems. Daher kann der von der Beschwerdeführerin genannte Absatz nicht zusammen mit den vorausgehenden Absätzen gelesen werden, insofern es um die Beurteilung der Neuheit geht.

1.4 Das System gemäß Anspruch 1 ist daher neu gegenüber dem aus D4 bekannten System zur Erfassung, Übermittlung und Auswertung von Verbrauchsdaten (Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 54 (1) EPÜ 1973).

1.5 Das System gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich somit von dem aus D4 bekannten System zur Erfassung, Übermittlung und Auswertung von Verbrauchsdaten durch das Merkmal M6a, wonach die zentrale Rechnereinheit dazu eingerichtet ist, dem Benutzer bei einer signifikanten Änderung des jeweiligen Datensatzes eine automatische Mitteilung zu übermitteln.

Die Beschwerdegegnerin formulierte als technische Aufgabe, die sich für den von D4 ausgehenden Fachmann stellt, dass der Nutzer über den Verbrauch einer Liegenschaft auf eine andere Art und Weise als lediglich mit der Verbrauchsabrechnung am Ende des Erfassungszeitraums informiert werden solle. Diese Aufgabenstellung erscheint der Kammer plausibel, und auch die Beschwerdeführerin hat diese Formulierung der technischen Aufgabe nicht infrage gestellt.

1.6 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, aus dem Stand der Technik sei zwar bekannt, den Datensatz mit Soll- und Verbrauchswerten nach dem Ende der Verbrauchsperiode an den Nutzer zu übermitteln. Es sei jedoch durch den Stand der Technik nicht nahegelegt, für den Datensatz Signifikanzkriterien bezüglich der Abweichung der Verbrauchswerte von den Sollwerten aufzustellen und dem Nutzer eine automatische Mitteilung zu übermitteln, sobald eine signifikante Änderung des jeweiligen Datensatzes eintrete. Daher ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

1.7 Die Kammer stimmt dieser Auffassung nicht zu. Die Idee, Signifikanzkriterien für einen Datensatz aufzustellen und den Nutzer eines Systems zu informieren, sobald eine signifikante Änderung im Datensatz vorliegt, ist für sich betrachtet lediglich eine nicht-technische Vorgabe und kann daher nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen. Auch der Umstand, dass der betrachtete Datensatz solche Daten enthält, die von einem technischen System erfasst wurden, nämlich Verbrauchsdaten einer Liegenschaft, die an einem Steuerrechner von einer Messstelle empfangen und an eine zentrale Rechnereinheit übermittelt wurden, verleiht dem Aufstellen von Signifikanzkriterien keinen technischen Charakter. Einen technischen Beitrag zum Stand der Technik kann nur die technische Implementierung der Erzeugung der Mitteilung bzw. deren Übermittlung an den Nutzer leisten.

Was die Implementierung der Erzeugung und Übermittlung einer Mitteilung betrifft, so wird im vorliegenden Fall der Fachmann durch das zweite in D4 beschriebene Anwendungsbeispiel (Seite 308, rechte Spalte, letzter Absatz) angeleitet, dass ein Regelgerät einer Heizungsanlage eine automatische Mitteilung erzeugt und diese automatisch über ein vorhandenes "TEMEX"-Kommunikationssystem an eine Leitstelle übermittelt, sobald bei diesem Gerät eine Störungsmeldung von Komponenten der Heizungsanlage einläuft. In diesem Anwendungsbeispiel kommt der Leitstelle die Rolle eines Nutzers zu und die von einer Komponente am Regelgerät einlaufende Störungsmeldung zeigt eine signifikante Abweichung eines Datensatzes dar, nämlich dass die Betriebsdaten dieser Komponente nicht innerhalb des zulässigen Bereichs liegen. Der Fachmann wird daher in naheliegender Weise auch bei dem in D4 beschriebenen System zur Erfassung und Auswertung von Verbrauchsdaten erwägen, dass in der zentralen Rechnereinheit eine automatische Mitteilung erzeugt und an den Nutzer - insbesondere den Betreiber einer Liegenschaft - übermittelt wird, sobald die zentrale Rechnereinheit eine Störung - in diesem Fall eine signifikante Abweichung der tatsächlichen Verbrauchsdaten von den Solldaten - feststellt.

1.8 Folglich gelangt der Fachmann ausgehend von dem in D4 offenbarten System zur Erfassung, Übermittlung und Auswertung von Verbrauchsdaten unter Berücksichtigung des fachmännischen Wissens in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) EPÜ und 56 EPÜ 1973).

2. Der in Artikel 100 a) EPÜ 1973 genannte Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit steht demzufolge der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegen. Daher ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

3. Hilfsantrag 1 - Zulässigkeit

3.1 Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1, wonach der jeweilige vorherbestimmte Erwartungswert aus einem Vergleich mit entsprechenden Verbrauchswerten anderer Liegenschaften und mit Verbrauchswerten der jeweiligen Liegenschaft aus der Vergangenheit bestimmt wird, war bereits in dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, welcher mit Schreiben vom 31. August 2010 im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht wurde, enthalten. Das weitere Merkmal "unter Verwendung der übermittelten Temperaturverläufe" wurde in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer eingefügt.

3.2 Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, den Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zuzulassen, da ihr wegen der späten Einreichung dieses Antrags nicht ausreichend Zeit zur Verfügung stand, sich vorzubereiten.

Dieses Argument ist jedoch wegen der Entscheidung der Kammer, die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuverweisen, hinfällig, insbesondere da die Beschwerdeführerin, bevor sie den Antrag auf Unzulässigkeit des Hilfsantrags stellte, bereits mitgeteilt hatte, dass sie gegen eine Zurückverweisung keine Einwände habe.

Die Kammer sieht keinen anderweitigen Grund, weswegen der Hilfsantrag 1 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen wäre. Daher wird der Hilfsantrag 1 von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) in das Verfahren zugelassen.

4. Zurückverweisung

4.1 Die Kammer bemerkt, dass die Einspruchsabteilung sich zu den ihr vorgelegenen Hilfsanträgen weder in Bezug auf die geltend gemachten Einspruchsgründe noch in Bezug auf die Frage, ob die vorgenommenen Änderungen den sonstigen Erfordernissen des Übereinkommens genügen, geäußert hat und dass unter Berücksichtigung der in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen die Relevanz der nicht zugelassenen Druckschriften D3 und D5, die in der angefochtenen Entscheidung wegen mangelnder Relevanz bezüglich des erteilten Patents nicht in das erstinstanzliche Verfahren zugelassenen wurden, gegebenenfalls erneut zu überprüfen ist.

4.2 Unter Berücksichtigung dieser Umstände hält es die Kammer für angebracht, dass die weitere Prüfung des Einspruchs vor der ersten Instanz durchgeführt wird. Die Kammer macht daher von ihrem Ermessen gemäß Artikel 111 (1), zweiter Satz EPÜ 1973 Gebrauch und verweist die Angelegenheit zu weiteren Prüfung an die Erstinstanz zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen.

Quick Navigation