T 0166/11 (Hybrider optischer Datenträger/SCHREIBER) of 14.10.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T016611.20151014
Datum der Entscheidung: 14 October 2015
Aktenzeichen: T 0166/11
Anmeldenummer: 04790930.4
IPC-Klasse: G11B 7/013
G11B 7/007
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hybrider optischer Datenträger mit modifizierter CD-Schicht
Name des Anmelders: Schreiber, Stefan
Name des Einsprechenden: Two Sided Mastering Limited
arvato Entertainment Europe GmbH
Kammer: 3.5.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1608/17

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde des Patentinhabers (Beschwerdeführers) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchs­abteilung, das europäische Patent Nr. 1 683 139 zu wider­rufen.

II. Es waren zwei Einsprüche eingelegt worden, die das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a), b) und c) EPÜ angriffen. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des mit Schreiben vom 19. April 2010 eingereichten Hauptantrags sowie des mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 eingereichten Hilfs­antrags über den Inhalt der Anmeldung in der ursprüng­lich ein­ge­reich­ten Fassung hinausginge (Artikel 123 (2) EPÜ).

III. In der Entscheidung wurde u.a. auf die folgenden Dokumente verwiesen:

E51: Standard ECMA-268, "80 mm DVD - Read-Only Disk", 3rd Edition, April 2001;

E61: Standard ECMA-272, "120 mm DVD Rewritable Disk (DVD-RAM)", 2nd Edition, Juni 1999; und

E71: Standard ECMA-267, "120 mm DVD - Read-Only Disk", 3rd Edition, April 2001.

IV. Mit der Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf Grundlage der folgenden Unter­lagen aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung wie erteilt;

- Ansprüche 1 bis 20 wie am 19. April 2010 eingereicht; und

- Zeichnungen wie erteilt.

Dieser Antrag entsprach dem Hauptantrag, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag. Der Hilfs­antrag wurde nicht aufrechterhalten.

V. Mit einem der Ladung zur mündlichen Verhandlung bei­ge­fügten Bescheid wurden die Beteiligten über die vor­läu­fige und nicht bindende Meinung der Kammer informiert.

VI. Mit Schreiben vom 27. Juli 2015 teilte die arvato Entertainment Europe GmbH mit, dass die ursprüngliche Einsprechende 02 (Sonopress GmbH) mit ihr verschmolzen worden sei. Nachweise für die Verschmelzung wurden in Form von Auszügen aus dem Handelsregister beigefügt. Es wurde beantragt, die Daten der Einsprechenden 02 ent­sprech­end zu ändern.

Es wurde weiter mitgeteilt, dass für die

Ein­sprechende 02 (Beschwerdegegnerin II) neben dem Vertreter auch Dr. August Katern als technischer Experte an der mündlichen Verhandlung teilnehmen würde.

VII. Mit Schreiben vom 12. September 2015 hielt der Beschwer­de­­führer den in der Beschwerdeschrift gestell­ten Antrag als Hauptantrag aufrecht und reichte einen ersten und einen zweiten Hilfsantrag ein.

VIII. Mit Schreiben vom 14. September 2015 teilte die Ein­sprech­ende 01 (Beschwerdegegnerin I) mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würde.

IX. Die mündliche Verhandlung fand am 14. Oktober 2015 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und der Beschwerde­gegnerin II statt. Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Ent­schei­dung der Kammer.

X. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 20 des Haupt­antrags, oder hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 19 des ersten Hilfsantrags oder der Ansprüche 1 bis 17 des zweiten Hilfsantrags, aufrecht­zuerhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.

XI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Optischer Datenträger im Scheibenformat mit mindestens einer CD-Schicht mit optisch lesbaren CD-Datenstrukturen, deren Längen entsprechend der EFM-Modulation zwischen dem 3-fachen und dem 11-fachen einer Grundlänge T betragen, wobei

- das 3-fache der Grundlänge T (3T-Wert) mindestens 0,9 Mikrometer beträgt,

- das 11-fache der Grundlänge (11T-Wert) mindestens 3,3 Mikrometer beträgt,

- die CD-Schicht von derjenigen Oberfläche des Datenträgers, durch die hindurch die CD-Schicht ausgelesen wird, sich in einer Schichttiefe von weniger als 1,1 mm befindet,

- der Datenträger genau eine weitere Datenschicht, nämlich eine DVD-Schicht mit Pitstrukturen gemäß den für Datenträger mit einer einzigen DVD-Schicht geltenden physikalischen Spezifikationen des Standards ECMA-267 bzw. ECMA-268, aufweist,

- die CD-Schicht und die DVD-Schicht von entgegengesetzten Seiten des Datenträgers ausgelesen werden, und

- der Datenträger ein DVD-Substrat mit einer DVD-Substratdicke von weniger als 0,570 mm und mindestens 0,55 mm aufweist."

Die Ansprüche 2 bis 20 sind abhängige Ansprüche.

Anspruch 16 lautet wie folgt:

"Datenträger nach einem der Ansprüche 1 bis 15, bei dem der Brechungsindex eines für das DVD-Substrat verwendeten transparenten Materials weniger als 1,58, vorzugsweise weniger als 1,55, beträgt."

Anspruch 17 lautet wie folgt:

"Datenträger nach einem der Ansprüche 1 bis 15, bei dem der Brechungsindex eines für das DVD-Substrat verwendeten transparenten Materials im Bereich von 1,40 bis 1,55 liegt."

XII. Der Text der Hilfsanträge ist für die Entscheidung nicht relevant.

XIII. Die Einspruchsabteilung sah das Merkmal von Anspruch 1 des Hauptantrags "eine DVD-Schicht mit Pitstrukturen gemäß den für Daten­­träger mit einer einzigen DVD-Schicht geltenden physikalischen Spezifikationen des Standards ECMA-267 bzw. ECMA-268" als unzulässige Erwei­­terung an. Ihre Argumentation befasste sich vor­nehmlich mit den Textstellen auf Seite 5, Zeilen 11 bis 13, und auf Seite 18, Zeilen 11 bis 17, der inter­na­tio­nalen Veröffentlichung der Anmeldung.

XIV. Zusätzlich zu den in der Entscheidung aufgeführten Textstellen verwies der Beschwerdeführer auf die ursprünglichen Ansprüche 5, 8 und 9 und auf weitere Absätze der Beschreibung.

XV. Das Vorbringen der Beschwerde­gegnerinnen wird, insoweit es relevant ist, in den Entscheidungsgründen dar­ge­stellt und behandelt.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde genügt den in Regel 101 EPÜ genannten Bestimmungen und ist somit zulässig.

2. Übergang der Einsprechendenstellung

Der Übergang der Rechtsstellung der Einsprechenden 02 und Beschwerdeführerin II von der Sonopress GmbH auf die arvato Entertainment Europe GmbH ist unbestritten und durch die vorgelegten Auszüge aus dem Handels­re­gi­ster ausreichend nachgewiesen.

3. Zulassung mündlicher Ausführungen des technischen Experten

3.1 Die Beschwerdegegnerin II kündigte schriftlich an, dass Dr. Katern als technischer Experte an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Wie sich aus der Entschei­dung G 4/95 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1996, 412) ergibt, besteht im Rahmen eines Einspruchs­­­beschwerdeverfahrens kein Rechtsanspruch auf mündliche Ausführungen durch eine Begleitperson in einer mündlichen Verhandlung. Vielmehr dürfen solche mündlichen Ausführungen nur mit Zustimmung der Kammer und nach ihrem Ermessen gemacht werden.

3.2 Der Beschwerdeführer erklärte in der mündlichen Ver­hand­lung, keine Einwände gegen mündliche Ausführungen durch Dr. Katern zu haben. Daher ließ die Kammer dies in Ausübung ihres Ermessens zu.

4. Die Erfindung

Ziel der Erfindung ist es, einen hybriden optischen Daten­­träger bereitzustellen, der eine CD-Schicht sowie eine DVD-Schicht aufweist und gute Kompatibilität mit gängigen CD-Spielern und DVD-Spielern bietet.

Ausgangspunkt für die Erfindung ist eine konventionelle DVD-CD (oder "DVDplus"), wie in den Figuren 1 und 2 gezeigt und auf Seite 17, Zeile 13, bis Seite 18, Zeile 10, beschrieben. Die DVD-CD besteht aus einer DVD-Seite 10 und einer CD-Seite 13, getrennt von einer Klebe­schicht 12. Die DVD-Seite ist eine DVD-Halbplatte, die eine Datenschicht 11 enthält und den physikalischen DVD-Spezifikationen entspricht. Die CD-Seite enthält eine CD-Datenschicht 14, die hinsichtlich der Pit­struk­tur den für CD-Standards gegebenen Empfehlungen ent­spricht. Auf Seite 17, Zeilen 27 und 28, wird angemerkt, dass eine DVDplus auch mit zwei DVD-Schichten her­ge­stellt werden kann.

Laut Seite 18, Zeilen 11 bis 23, betrifft die Erfindung eine modifizierte DVD-CD. Die vorgeschlagenen Ände­run­gen beziehen sich auf die Substratdicke und Pit­struk­tu­ren der DVD-Seite, die Dicke der Klebeschicht und die Substratdicke und Pitstrukturen der CD-Seite.

5. DVD-Standards

5.1 Die Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung verweist für detaillierte Informationen zu den physikalischen Spezifikationen der Compact Disc und der DVD auf die öffentlich zugänglichen Dokumente der European Computer Manufacturers Association (ECMA). Für physikalische Spezi­fi­ka­tionen der DVD, insbesondere hin­sicht­lich Substratdicke und Brechungsindex des zu ver­wen­de­ten Materials, wird auf die Standards ECMA-267 und ECMA-268 Bezug genommen (s. Seite 4, Zeile 28, bis Seite 5, Zeile 13, der Beschreibung).

5.2 Im Einspruchsverfahren wurden die Standards ECMA-267, ECMA-268 und ECMA-272 eingereicht (siehe die Dokumente E71, E51 bzw. E61).

Die Standards ECMA-267 und ECMA-268 beziehen sich auf nur-lesbare DVD-Typen ("DVD-ROM"). Sie unterscheiden sich hauptsächlich hinsichtlich des D­urch­messers des Daten­trägers (120 mm gegenüber 80 mm). Beide Stan­dards spezi­fi­zieren DVD-Typen A (einseitige DVD mit einer Daten­schicht), B (doppelseitige DVD mit einer Daten­schicht auf jeder Seite), C (einseitige DVD mit zwei Daten­schichten) und D (doppelseitige DVD mit zwei Daten­schichten auf jeder Seite). Der Standard ECMA-272 bezieht sich auf wieder­beschreib­bare DVD-Typen ("DVD-RAM").

Es ist unbestritten, dass die Standards ECMA-267 und ECMA-268 hinsichtlich Substratdicke, Brechungsindex und Pitstrukturen identisch sind und dass die Spezi­fi­ka­tio­nen für die Typen B bzw. D weitestgehend denen für die Typen A bzw. C entsprechen.

5.3 Von Bedeutung ist, dass die Substrat­dicke für die ein­schichtigen DVD-ROM-Typen A und B min­destens 0,57 mm und für die doppel­schich­tigen DVD-ROM-Typen C und D mindestens 0,55 mm beträgt.

6. Hauptantrag - Anspruch 1

6.1 Anspruch 5 der Anmeldung in der ursprünglich ein­ge­reich­ten Fassung lautet wie folgt:

"Optischer Datenträger im Scheibenformat mit mindestens einer CD-Schicht mit optisch lesbaren CD-Datenstrukturen, deren Längen entsprechend der EFM-Modulation zwischen dem 3-fachen und dem 11-fachen einer Grundlänge T betragen, wobei

- das 3-fache der Grundlänge T (3T-Wert) mindestens 0,9 Mikrometer beträgt,

- das 11-fache der Grundlänge (11T-Wert) mindestens 3,3 Mikrometer beträgt,

- die CD-Schicht von derjenigen Oberfläche des Datenträgers, durch den [sic] hindurch die CD-Schicht ausgelesen wird, sich in einer Schichttiefe von weniger als 1,1 mm befindet,

- der Datenträger mindestens eine weitere Datenschicht, nämlich eine DVD-Schicht, aufweist,

- die CD-Schicht und die mindestens eine DVD-Schicht von entgegengesetzten Seiten des Datenträgers ausgelesen werden, und

- der Datenträger ein DVD-Substrat mit einer DVD-Substratdicke von weniger als 0,570 mm aufweist."

Anspruch 6 der Anmeldung in der ursprünglich ein­ge­reich­ten Fassung lautet wie folgt:

"Datenträger nach Anspruch 5, bei dem die DVD-Substratdicke mindestens 0,55 mm beträgt."

Anspruch 9 der Anmeldung in der ursprünglich einge­reichten Fassung lautet wie folgt:

"Datenträger nach einem der Ansprüche 5 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Pits and Lands der mindestens einen DVD-Schicht vergrössert sind, um für einen optischen Ausgleich einer Verschlechterung des Lesesignals zu sorgen."

6.2 Abgesehen von der Berichtigung eines offensichtlichen sprachlichen Fehlers im Sinne der Regel 139 EPÜ, ent­spricht Anspruch 1 des Hauptantrags dem unab­hän­gi­gen ursprünglichen Anspruch 5 mit folgenden sich auf die DVD-Seite des Datenträgers beziehenden Änderungen:

(i) der Datenträger weist genau eine weitere Datenschicht­ auf;

(ii) die DVD-Schicht ist versehen mit "Pitstrukturen gemäß den für Datenträger mit einer einzigen DVD- Schicht geltenden physikalischen Spezifikationen des Standards ECMA-267 bzw. ECMA-268"; und

(iii) das zusätzliche Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 6 wurde hinzugefügt.

6.3 Der ursprüngliche Anspruch 5 kennzeichnet die DVD-Seite des beanspruchten Datenträgers nur dadurch, dass die DVD-Substratdicke weniger als 0,570 mm beträgt.

Die Merkmale (i) und (ii) beschränken die DVD-Seite weiter in dem Sinne, dass sie eine einzige DVD-Schicht enthält und mit Pitstrukturen gemäß den Standard­spe­zi­fi­kationen ECMA-267 bzw. ECMA-268 für die einschichtige DVD-ROM (= Typ A, vgl. Punkt 5.25.2 ) versehen ist.

6.4 Der Beschwerdeführer hat vorgetragen, der Begriff "Pit­strukturen" könne sich lediglich auf eine nur-lesbare DVD-Schicht beziehen, weil für eine wieder­be­schreibbare Schicht, abgesehen von einer Kontrollzone, das "Phase Change"-Verfahren benutzt werde. Dieses Verfahren führe zu sogenannten "Lands" und "Grooves" und nicht zu "Pits".

Zwar könnte man ar­gu­men­tie­ren, dass der Fachmann auf­grund der Textpassage auf Seite 19, Zeilen 5 bis 12 ("Vorliegende Erfindung ... bezieht sich in der Regel auf nur-lesbare Platten, sie muss es aber nicht") die in der Anmeldung ver­wen­de­ten Begriffe "Pitstruk­turen" und "Pits und Lands" breit auslegen würde. In Ver­bin­dung mit dem Verweis auf die DVD-ROM-Standards ist es nach Auffassung der Kammer aber für den Fachmann klar, dass das Merkmal (ii) eine Beschränkung der DVD-Seite auf eine (einschichtige) DVD-ROM-Halbplatte mit stan­dard-konformen Pitstrukturen bedeutet.

6.5 Gemäß den Standards ECMA-267 und ECMA-268 beträgt die Substrat­dicke für die einschichtigen DVD-ROM-Typen A und B min­destens 0,57 mm. Die beanspruchte Substrat­dicke von weniger als 0,570 mm bedeutet deshalb, das die DVD-Substratdicke gegenüber den Standard­spe­zi­fi­ka­tionen vermindert ist. Das Merkmal (iii) beschränkt weiterhin die Untergrenze der DVD-Substratdicke auf 0,55 mm.

6.6 Zusammenfassend betrifft die DVD-Seite des be­an­spruch­ten Datenträgers eine einschichtige DVD-ROM-Halbplatte mit standardkonformen Pitstrukturen und einer DVD-Substratdicke, die gegenüber der Standard­dicke von 0,570 mm vermindert ist, aber mindestens 0,55 mm beträgt. Hierbei sind die maßgeblichen Standard­spe­zi­fi­ka­tionen in den Standards ECMA-267 und ECMA-268 enthalten.

6.7 Unabhängig davon, ob sich dies nicht bereits aus dem allgemeinen Fachwissen ergibt, weist jedenfalls die Anmeldung in ihrer Beschreibung der konventionellen DVD-CD auf Seite 17, Zeilen 13 bis 29, ausdrücklich darauf hin, dass die DVD-Seite einer DVD-CD entweder eine oder zwei DVD-Schichten enthält. Ferner weist die erfindungsgemäß modifizierte DVD-CD, die auf Seite 18, Zeilen 11 bis 23, mit Bezug auf Figur 3 beschrieben ist, eine einzige DVD-Datenschicht auf. Die anspruchs­gemäße Be­schrän­kung auf eine einschichtige DVD-Halb­platte ist daher ursprünglich offenbart.

6.8 Weiterhin offenbart die Text­stelle auf Seite 19, Zeilen 5 bis 12, dass sich die Erfindung "in der Regel auf nur-lesbare Platten" bezieht, aber auch ver­schie­dene Kombinationen mit (wieder)beschreibbaren Halb­platten möglich sind. Dies bildet eine ausreichende Grundlage für die anspruchsgemäße Beschränkung auf einen DVD-CD-Datenträger mit einer DVD-ROM-Halbplatte.

6.9 Obwohl sich der ursprüngliche Anspruch 6 direkt auf den ursprünglichen Anspruch 5 bezieht, hat die Beschwerde­gegnerin II vorgetragen, dieser Anspruch offenbare keine Mindestdicke von 0,55 mm in Bezug auf ein­schich­tige DVD-ROMs (Typ A), sondern die Mindestsubstratdicke von doppel­schichtigen DVD-ROMs (Typ C) gemäß den Stan­dards ECMA-267 und ECMA-268. Das zusätzliche Merkmal des ursprünglichen Anspruchs 6 lasse sich deshalb nicht mit der nunmehr vorgenommenen Beschränkung auf eine einschichtige DVD-ROM-Halbplatte kombinieren.

Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin II insoweit zu, als die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 5 und 6 für sich genommen nicht eindeutig den Wert 0,55 mm als Mindestdicke einer DVD-ROM-Halbplatte des Typs A offen­bart. Denn dieser Wert könnte auch als die standardkonforme Mindestsubstratdicke für DVD-ROMs des Typs C verstanden werden, mit der Folge, dass in den ursprünglichen Anspruch 6 eine implizite Beschränkung auf doppelschichtige DVD-ROM-Halbplatten hineinzulesen wäre.

6.10 Eine DVD-Substrat­dicke von 0,55 mm wird aber auch in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 6, Zeilen 3 bis 9, im Rahmen einer "dritten Variante" der kommer­ziell vertriebenen DVDplus erwähnt. Gemäß diesem Absatz kann die Dicke des DVD-Teilsubstrats in geringem Maße verringert werden, zum Beispiel auf 0,55 mm. Der Absatz offenbart weiter, dass bei der einschichtigen DVD-5 laut Stan­dard­­defi­ni­tion das erlaubte Minimum exakt 0,570 mm ist, das "wegen der generell geringen mög­li­chen Abweichungs­tole­ranzen bei DVDs ganz sicher nicht stark unter­schrit­ten werden darf".

Die Beschwerdegegnerin II hat zu Recht darauf hinge­wie­sen, dass die ursprüngliche Anmeldung diese "dritte Variante" nicht unmiss­ver­ständ­lich als Teil der Erfin­dung offen­bart. Jedoch macht der Absatz klar, dass 0,55 mm ein noch akzeptabler Wert für eine mögliche Unterschreitung der standardkonformen Mindest­sub­strat­dicke von 0,570 mm ist.

6.11 Des Weiteren würde der Fachmann bei der Auslegung des ursprünglichen Anspruchs 6 auch den ursprünglichen Anspruch 9, der auf die Ansprüche 5 bis 8 rückbezogen ist, in Betracht ziehen. Gemäß Anspruch 9 sind die Pits und Lands der mindestens einen DVD-Schicht "vergrößert", um für einen optischen Ausgleich einer Verschlechterung des Lesesignals zu sorgen. Dieser Anspruch lässt sich besser verstehen im Lichte der Textstelle auf Seite 18, Zeilen 11 bis 17, die wie folgt lautet:

"Figur 3 beschreibt eine modifizierte DVD-CD gemäß vorliegender Erfindung. Es liegt ebenfalls ein DVD-Substrat 20 und eine DVD-Datenschicht 21 vor. Diese sollten wiederum hinsichtlich Substratdicke und Pitstrukturen innerhalb gängiger phy­si­ka­li­scher Spezifikationen liegen, wie sie für DVDs formuliert worden sind. Evtl. kann jedoch die DVD-Sub­stratdicke gegenüber den Standard­spe­zi­fi­ka­tio­nen leicht vermindert werden. Für einen optischen Ausgleich wegen der Verschlechterung des Lese­sig­nals könnten auch bei der DVD die Pits und Lands evtl. leicht vergrössert werden."

6.12 Diese Textstelle offenbart zunächst eine Aus­füh­rungs­form einer erfindungs­ge­mäßen DVD-CD mit DVD-Substrat­dicke und DVD-Pit­struk­tu­ren, die "inner­halb gängiger physi­kalischer Spe­zi­fi­ka­tio­nen liegen, wie sie für DVDs formuliert worden sind".

Aus der Textstelle ergibt sich ferner eine erste alter­na­tive Aus­füh­rungs­form, bei der die "DVD-Substrat­dicke gegen­über den Stan­dard­spe­zi­fi­ka­tionen leicht ver­min­dert" wird.

Da eine Ver­min­de­rung der Substratdicke eine Ver­schlech­terung des Le­se­sig­nals zur Folge haben kann (vgl. die Beschreibung auf Seite 7, Zeile 10, bis Seite 8, Zeile 6), wird schließ­lich eine zweite alter­native Ausführungsform offenbart, bei der nicht nur die DVD-Sub­strat­dicke leicht ver­min­dert, sondern "[f]ür einen optischen Ausgleich" auch die "Pits und Lands" leicht ver­grö­ßert werden.

6.13 Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerinnen, dass die "gängigen physi­ka­li­schen Spezifikationen" generell auf Standard­spe­zi­fi­ka­tionen für beliebige DVD-Typen verwiesen, ist es nach Ansicht der Kammer dem Fachmann klar, dass dieser Ausdruck auf die phy­si­ka­li­schen Stan­dard­­­spe­zi­fi­ka­tio­nen desjenigen DVD-Typs verweist, der dem Typ der DVD-Teilplatte entspricht, d.h. die Standards ECMA-267 und ECMA-268 im Falle einer einschichtigen DVD-ROM-Halb­platte (vgl. oben, Punkt 6.66.6 ).

6.14 Der ursprüngliche Anspruch 9, der darauf gerichtet ist, die Pit­strukturen zum Ausgleich "einer Ver­schlech­terung des Lesesignals" zu vergrößern, entspricht offen­sicht­lich dieser zweiten alternativen Ausführungsform, in der im Vergleich zu den Standardspezifikationen sowohl die DVD-Substratdicke leicht vermindert als auch die DVD-Pitstrukturen leicht vergrößert sind.

Der Fachmann würde deshalb verstehen, dass die im ursprünglichen Anspruch 6 genann­te Mindestdicke von 0,55 mm eine Verringerung der Sub­strat­dicke gegenüber der Stan­dard­definition darstellen kann. Er hätte daher keinen Anlass, in diesen Anspruch eine implizite Beschränkung auf doppelschichtige DVD-ROM-Halbplatten hineinzulesen. Die Mindestdicke von 0,55 mm ist somit auch in Kombination mit der Beschränkung auf eine einschichtige DVD-ROM-Halbplatte offenbart.

6.15 Des Weiteren ergibt sich aus dem ursprünglichen abhängigen Anspruch 9 angesichts der Textstelle auf Seite 18, Zeilen 11 bis 18, für den Fachmann, dass die Ver­grö­ßerung der Pitstrukturen gegenüber den Standard­spe­zi­fikationen zum Ausgleich einer Verschlechterung des Lesesignals infolge einer Verringerung der Sub­strat­dicke lediglich optional ist, so dass eine DVD-Halbplatte mit standardkonformen Pitstrukturen eine mögliche Ausführungsform der Erfindung darstellt. Folglich ist nach Auffassung der Kammer die anspruchs­gemäße DVD-Seite mit den oben (Punkt 6.66.6 ) beschriebenen Merkmalen ursprünglich offenbart.

6.16 Die Beschwerdegegnerinnen haben vor einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung gewarnt, weil die auf Seite 18 der Beschreibung offenbarten Ausführungsformen auch Merkmale der CD-Seite aufwiesen, die nicht in Anspruch 1 aufgenommen seien. Die Kammer hat diese Textstelle jedoch nicht isoliert herangezogen, sondern hauptsächlich zur Auslegung ursprünglicher Ansprüche verwendet (siehe oben, Punkte 6.116.11 bis 6.156.15 ) und ihr im Übrigen nur ein allgemein im Rahmen der Erfindung anwendbares Merkmal entnommen (siehe Punkt 6.76.7 ). Eine unzulässige Zwischen­ver­all­ge­mei­nerung liegt daher nicht vor.

6.17 Aus den genannten Erwägungen gelangt die Kammer zu der Schluss­fol­ge­rung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Haupt­antrags nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmel­dung hinaus­geht.

7. Hauptantrag - Ansprüche 16 und 17

7.1 Die Beschwerdegegnerin I hat in ihrer Beschwerdeerwiderung geltend gemacht, dass die Ansprüche 16 und 17 des Haupt­antrags (s. oben Abschnitt XI) gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen. Ein Brechungs­index für ein DVD-Substrat gemäß diesen Ansprüchen sei nicht in der ursprünglichen Beschreibung offenbart. Die ursprünglichen Ansprüche 25 und 26 bezögen sich offenbar nicht auf das DVD-Substrat.

7.2 Der ursprüngliche Anspruch 25 lautet wie folgt:

"Datenträger nach einem der Ansprüche 1 bis 24, bei dem der Brechungsindex eines für ein weiteres Substrat verwendeten transparenten Materials weniger als 1,58, vorzugsweise weniger als 1,55, beträgt."

Der ursprüngliche Anspruch 26 lautet wie folgt:

"Datenträger nach einem der Ansprüche 1 bis 24, bei dem der Brechungsindex eines für ein weiteres Substrat verwendeten transparenten Materials im Bereich von 1,40 bis 1,55 liegt."

7.3 In Anbetracht der ursprünglichen Ansprüche 10 bis 13, die sich auf den Brechungsindex des für das CD-Substrat verwendeten Materials beziehen, ist es für den Fachmann offensichtlich, dass sich die ursprünglichen Ansprüche 25 und 26 auf den Brechungsindex des Materials beziehen, das für das Substrat der "weiteren" Datenschicht der ursprünglichen Ansprüche 1 und 5 verwendet wird. Diese weitere Datenschicht kann nur als die DVD-Schicht verstanden werden. Die ursprünglichen Ansprüche 25 und 26 beziehen sich deshalb eindeutig auf das DVD-Substrat.

Auch der Gegenstand der Ansprüche 16 und 17 geht somit nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.

8. Aus den obigen Gründen steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des Hauptantrags nicht entgegen.

9. Zurückverweisung

9.1 Die angefochtene Entscheidung stützt sich nur auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ. In seiner Beschwerde­begründung hat der Beschwerdeführer unter Verweisung auf seine erstinstanzlichen Eingaben die Kammer gebeten, die angegriffene Entscheidung nicht nur aufzuheben, sondern auch direkt über die beiden Einsprüche zu entscheiden. Hieran hat er allerdings in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten.

9.2 Die seitens der Einsprechenden geltend gemachten Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) und b) EPÜ, nämlich mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit und nicht ausreichende Offenbarung, wurden in erster Instanz überhaupt noch nicht behandelt. Die Kammer hält es im vorliegenden Fall nicht für angebracht, selbst als einzige Instanz die Prüfung dieser Einspruchsgründe durchzuführen.

9.3 Die Kammer weist deshalb in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des Hauptantrags an die Einspruchsabteilung zurück.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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