T 2540/10 () of 9.12.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T254010.20151209
Datum der Entscheidung: 09 Dezember 2015
Aktenzeichen: T 2540/10
Anmeldenummer: 07018905.5
IPC-Klasse: G02B 23/24
G02B 21/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Miniaturisiertes optisch abbildendes System mit hoher lateraler und axialer Auflösung
Name des Anmelders: GRINTECH GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 07018905.5 (Veröffentlichungsnummer 1906225) zurückgewiesen worden ist.

In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Prüfungsabteilung hinsichtlich des damals geltenden Anspruchssatzes (Ansprüche 1 bis 22) die Auffassung, dass

- der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber den Entgegenhaltungen

D1: US-A-5377047

D2: US-B1-6252722

nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ), und

- die unabhängigen Ansprüche 1 und 22 den Anforderungen an die Einheitlichkeit der Erfindung nicht entsprächen, sodass dem Antrag auf Rückerstattung der zusätzlich entrichteten Recherchengebühr nicht stattgegeben werden könne.

Des Weiteren vertrat die Prüfungsabteilung in einem obiter dictum der Entscheidung die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht klar sei (Artikel 84 EPÜ), dass in den Merkmalen der abhängigen Ansprüche 2 bis 21 keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden könne (Artikel 56 EPÜ), dass die Beschreibung nicht im Einklang mit der beanspruchten Erfindung stünde, und dass der unabhängige Anspruch 22 nicht die Erfordernisse der Artikel 84, 123(2) und 56 EPÜ erfülle.

II. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Prüfung wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers zurückzuverweisen bzw. ein Patent im Umfang der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Ansprüche 1 bis 21 zu erteilen,

- die Beschwerdegebühr wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers zurückzuerstatten, und

- hilfsweise, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

III. Auf eine Mitteilung der Kammer und auf eine spätere telefonische Rücksprache mit dem Berichterstatter der Kammer hin hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 3. August 2015 den Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr weiterverfolgt, die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Ansprüche 1 bis 21 unter bestimmten Voraussetzungen als Hauptantrag aufrechterhalten, und als Hilfsantrag die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen beantragt:

- Ansprüche: Ansprüche 1 bis 21, eingereicht mit Schreiben vom 3. August 2015,

- Beschreibung: Seiten 1, 4, 6, 10 und 15, eingereicht mit Schreiben vom 3. August 2015, Seiten 1a, 5 und 7, eingereicht mit Schreiben vom 22. Dezember 2014, und Seiten 2, 3, 8, 9, 11 bis 14 und 16 bis 19 wie ursprünglich eingereicht, und

- Zeichnungen: Fig. 1 bis 8 wie ursprünglich eingereicht.

IV. In ihrer Erwiderung auf eine der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügte Mitteilung der Kammer hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 den Hauptantrag und den Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr zurückgenommen und hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent im Umfang der im Schreiben vom 3. August 2015 als "Hilfsantrag" bezeichneten Anmeldungsunterlagen zu erteilen.

Daraufhin wurde der Termin für die mündliche Verhandlung aufgehoben.

V. Die geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 16 lauten wie folgt:

" 1. Miniaturisiertes optisch abbildendes System mit hoher lateraler und axialer Auflösung für endomikroskopische Anwendungen, bei dem mindestens eine GRIN-Optik mit radialem Brechzahlprofil eingesetzt ist, die eine optische Abbildung von oberflächennahen Bereichen eines Objekts in einer Bildebene für ein optisches Übertragungssystem mit gegenüber der Übertragungslänge geringem Durchmesser erzeugt, wobei

- eine refraktive plankonvexe Linse in Form eines homogenen optischen Kugellinsenelements (22) vorhanden ist und mit der GRIN-Optik (23) ein optisches System (2) bildet, wobei die plane Seite des Kugellinsenelements (22) eine ebene Eintrittsfläche (21) des optischen Systems (2) definiert und die Eintrittsfläche (21) orthogonal zu einer gemeinsamen optischen Achse (24) des optischen Systems (2) und des Übertragungssystem (4) ausgerichtet ist,

- dem Kugellinsenelement (22) nachgeordnet eine erste GRIN-Linse (231) zur Divergenzreduktion des stark divergenten Lichtbündels vom Kugellinsenelement (22) vorhanden ist und

- der ersten GRIN-Linse (231) nachgeordnet eine zweite GRIN-Linse (232) zum Anpassen des von der ersten GRIN-Linse (231) übertragenen Lichtbündels an die Apertur und das Objektfeld des nachfolgenden Übertragungssystems (4) entlang der optischen Achse (24) angeordnet ist."

" 16. Optische Anordnung mit einem Mikroskopaufbau und einem miniaturisierten optisch abbildenden System mit hoher lateraler und axialer Auflösung für endomikroskopische Anwendungen, bei dem mindestens eine GRIN-Optik mit radialem Brechzahlprofil eingesetzt ist, die zusammen mit dem Mikroskopaufbau eine optische Abbildung von oberflächennahen Bereichen eines Objekts in einer Bildebene erzeugt, wobei

- eine refraktive plankonvexe Linse in Form eines homogenen optischen Kugellinsenelements (22) vorhanden ist und mit der GRIN-Optik (23) das miniaturisierte optisch abbildende System (2) bildet, wobei die plane Seite des Kugellinsenelements (22) eine ebene Eintrittsfläche (21) des optischen Systems (2) definiert und die Eintrittsfläche (21) orthogonal zu einer gemeinsamen optischen Achse (24) des optischen Systems (2) und des Mikroskopaufbaus (46) ausgerichtet ist,

- dem Kugellinsenelement (22) nachgeordnet eine GRIN-Linse (231) der GRIN-Optik zur Divergenzreduktion des stark divergenten Lichtbündels vom Kugellinsenelement (22) vorhanden ist und

- der GRIN-Linse (231) nachgeordnet der Mikroskopaufbau (46) angesetzt ist, sodass das miniaturisierte optisch abbildende System als Objektiv des Mikroskopaufbaus (46) eingesetzt ist."

Die geltenden abhängigen Ansprüche 2 bis 15 und 17 bis 21 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen der Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 16.

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Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen - Artikel 84 EPÜ 1973 und Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende, als abhängiger Anspruch formulierte Anspruch 16 stellte keinen abhängigen Anspruch im Sinne von Regel 29 (4) EPÜ 1973 dar, da sich der Anspruch auf eine Ausführungsform der optischen Anordnung gemäß dem Anspruch 1 richtete, bei der eine Komponente der Anordnung (die zweite GRIN-Linse) durch eine andere Komponente (die Optik eines Mikroskopaufbaus) ersetzt wurde. Aus diesem Grund wurde der "abhängige" Anspruch 16 während des Beschwerdeverfahrens als unabhängiger Anspruch 16 umformuliert und dessen Gegenstand entsprechend weiter klargestellt (Artikel 84 EPÜ 1973).

Mit Ausnahme der Umformulierung des Anspruchs 16 wurden die Ansprüche gemäß geltendem Antrag gegenüber der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Fassung lediglich redaktionell geändert. Die damals geltenden Ansprüche 1 bis 21 wurden von der Prüfungsabteilung im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ nicht beanstandet, und die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser Bewertung in Bezug auf den Anspruchssatz gemäß dem geltenden Antrag abzuweichen.

2.2 In einem obiter dictum der Entscheidung hat die Prüfungsabteilung den Anspruch 1 wegen mangelnder Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ 1973 beanstandet, weil in dem Anspruch nicht klar sei, ob das optische Übertragungssystem, auf das Bezug genommen wird, Teil des beanspruchten optischen Systems sei, und weil die Ausdrücke "miniaturisiertes [...] System" und "mit hoher lateraler und axialer Auflösung" in dem Anspruch vage seien. Die Kammer kann sich jedoch dieser Auffassung aus folgenden Gründen nicht anschließen:

Der Anspruch 1 bezieht sich auf ein optisch abbildendes System mit einer GRIN-Optik, die eine optische Abbildung von oberflächennahen Bereichen eines Objekts "in einer Bildebene für ein optisches Übertragungssystem mit gegenüber der Übertragungslänge geringem Durchmesser" erzeugt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine solche Formulierung eine Zweckangabe darstellt und dass sie in einem Vorrichtungsanspruch so ausgelegt werden soll, dass die Vorrichtung für diesen Zweck geeignet sein soll, nicht aber, dass sie für diesen Zweck eingeschränkt ist. Daher ist Anspruch 1 so auszulegen, dass die beanspruchte Vorrichtung für den Einsatz mit dem im Anspruch definierten optischen Übertragungssystem geeignet ist, ohne jedoch das Übertragungssystem zu enthalten.

Die beanspruchte Vorrichtung betrifft ein "miniaturisiertes optisch abbildendes System". Dem Anspruch 1 ist aber explizit entnehmbar, dass das System "für endomikroskopische Anwendungen" und für die Verwendung mit einem "optischen Übertragungssystem mit gegenüber der Übertragungslänge geringem Durchmesser" geeignet sein soll, und nach Meinung der Kammer ist der Begriff "miniaturisiert" in diesem technischen Kontext, d. h. in dem speziellen Gebiet der Endomikroskopie, ausreichend klar und eindeutig. Darüber hinaus wird sowohl die laterale als auch die axiale Auflösung des beanspruchten Systems u. a. durch die strukturellen und funktionellen Merkmale der im Anspruch 1 definierten optischen Anordnung bestimmt, sodass die beanspruchte "hohe" laterale und axiale Auflösung des Systems in seinem technischen Kontext klar und genug abgegrenzt ist.

2.3 Die Änderungen in der Beschreibung betreffen die Anpassung an die geltenden Ansprüche (Artikel 84 und Regel 27(1) EPÜ 1973) und die Würdigung des Standes der Technik (Regel 27(1) (b) EPÜ 1973).| |

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

3.1 Die Neuheit der Erfindung wurde von der Prüfungsabteilung nicht in Frage gestellt, und die Kammer hat keine Bedenken hinsichtlich der Neuheit der beanspruchten Erfindung gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik.

3.2 Die Prüfungsabteilung ist von der Druckschrift D1 als nächstkommendem Stand der Technik ausgegangen und hat die Auffassung vertreten, dass durch naheliegende Kombination der Druckschrift D1 mit der Lehre der Druckschrift D2 der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen würde.

3.2.1 Die Druckschrift D1 offenbart ein optisch abbildendes System (System 24 in Fig. 2), das als Objektiv eines Endoskops (Zusammenfassung, Fig. 1, und Spalte 5, Zeile 8 ff.) eingesetzt wird. Das System besteht aus einer GRIN-Optik (GRIN-Linsen 28 und 32 in Fig. 2 und 3) mit radialem Brechzahlprofil, die eine optische Abbildung von oberflächennahen Bereichen eines Objekts in einer Bildebene (vgl. Fig. 3, und Spalte 7, Zeilen 44 bis 46) für ein optisches Übertragungssystem mit gegenüber der Übertragungslänge geringem Durchmesser (Übertragungssystem 26 in Fig. 2, und Spalte 5, Zeilen 15 bis 23) erzeugt. Die GRIN-Optik des Systems besteht aus einer ersten GRIN-Linse (Linse 28 in Fig. 2 und 3), die zur Erweiterung des Sichtfeldes dient (Spalte 5, Zeilen 29 bis 31, und Spalte 6, Zeilen 6 bis 15), und einer zweiten GRIN-Linse (Linse 32 in Fig. 2 und 3), die eine Abbildung des Objekts in der Bildebene des Systems erzeugt (Spalte 5, Zeile 29 bis 31). Außerdem gewährleistet die zweite GRIN-Linse, dass das von der ersten GRIN-Linse übertragene Lichtbündel - zumindest in gewissem Umfang - an die Apertur und das Objektfeld des nachfolgenden Übertragungssystems angepasst wird (Fig. 2 und 3).

Die Druckschrift D2 offenbart auch ein optisch abbildendes System (System 10 und 12 in Fig. 1 und 3B), das als Objektiv eines Endoskops eingesetzt wird (Zusammenfassung und Spalte 2, Zeile 15 ff.). Das System besteht aus einer refraktiven plankonvexen Linse in Form eines homogenen optischen Kugellinsenelements (Linse 10 in Fig. 1 und 3B, und Spalte 2, Zeilen 19 bis 52), die zur Erweiterung des Sichtfeldes dient (Spalte 2, Zeile 67 bis Spalte 3, Zeile 8), und einer nachgeordneten GRIN-Linse (Linse 12 in Fig. 1 und 3B, und Spalte 2, Zeilen 19 bis 42), die eine optische Abbildung des Objekts in der Bildebene eines nachfolgenden optischen Übertragungssystems mit gegenüber der Übertragungslänge geringem Durchmesser (Übertragungssystem 16 in Fig. 1 und 3B, und Spalte 3, Zeilen 11 bis 14) erzeugt. Die plane Seite des Kugellinsenelements definiert eine ebene Eintrittsfläche des optischen Systems (siehe Fig. 1 und 3B), und bei der Abbildung des Objekts durch die GRIN-Linse wird die Divergenz des Lichtbündels aus dem Kugellinsenelement reduziert und das Lichtbündel an die Apertur und das Objektfeld des Übertragungssystems angepasst (Fig. 1).

3.2.2 In ihrer Entscheidung vertrat die Prüfungsabteilung die Auffassung, dass

- sich das System gemäß Anspruch 1 von dem System nach der Druckschrift D1 lediglich dadurch unterscheidet, dass anstelle der ersten GRIN-Linse eine Anordnung mit einer Kugellinse und einer GRIN-Linse verwendet wird, und dass

- es für den Fachmann naheliegend war, die erste GRIN-Linse des Systems nach der Druckschrift D1 durch eine Anordnung mit einer Kugellinse und einer GRIN-Linse, wie sie z.B. der Druckschrift D2 entnehmbar ist, zu ersetzen.

Die Kammer kann sich der Feststellung der Prüfungsabteilung hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale des beanspruchten Gegenstands jedoch nicht anschließen, weil dabei funktionelle Merkmale des beanspruchten Gegenstandes - teilweise aufgrund der unter Nr. 2.2 oben erörterten, von der Prüfungsabteilung vorgebrachten Beanstandungen - von der Prüfungsabteilung nicht bzw. nicht hinreichend gewürdigt worden sind. So wird im Anspruch 1 ein optisch abbildendes System beansprucht, das geeignet für endomikroskopische Anwendungen und für die optische Abbildung von oberflächennahen Bereichen eines Objekts ist, und diese funktionellen Merkmale erfordern implizit, dass die Merkmale des optischen Systems (insbesondere die optische Brechkraft des Kugellinsenelements und die Brechkraftprofile der GRIN-Linsen sowie die Dicke dieser optischen Komponenten und deren Abstand) eine mikroskopische Abbildung von oberflächennahen Bereichen des Objekts in der Bildebene des Systems ermöglichen. Im Gegensatz dazu ist die Druckschrift D1 - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - auf konventionelle endoskopische Anwendungen gerichtet (Spalte 1, Zeile 8 ff.), und bei dem System nach dieser Druckschrift ist die optische Anordnung - insbesondere die erste GRIN-Linse - gezielt auf ein möglichst erweitertes Sichtfeld (vgl. Spalte 4, Zeilen 21 bis 26, Spalte 5, Zeilen 29 bis 31 und 61 bis 68, und Spalte 6, Zeilen 8 bis 13 und 24 bis 29) ausgebildet, was gerade weg von einer Ausgestaltung des Systems führt, die eine mikroskopische Abbildung des Objekts ermöglichen würde. Damit wurden von der Prüfungsabteilung auch weitere funktionelle Merkmale des beanspruchten Systems - wie z.B. die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Merkmale hinsichtlich der numerischen Apertur und der damit korrelierenden optischen Auflösung des Systems - außer Acht gelassen, die - obwohl nicht explizit beansprucht - durch die Zusammenwirkung der Merkmale des beanspruchten Systems implizit enthalten sind. Somit unterscheidet sich das beanspruchte System von dem System nach der Druckschrift D1 nicht bloß dadurch, dass die erste GRIN-Linse durch eine Anordnung mit einer Kugellinse und einer GRIN-Linse ersetzt wird, sondern vielmehr dadurch, dass die erste und die zweite GRIN-Linse durch eine Anordnung mit einer Kugellinse und zwei GRIN-Linsen ersetzt werden, die die in Anspruch 1 explizit und implizit definierten zusammenwirkenden funktionellen Erfordernisse erfüllt.

Außerdem kann die Kammer der Meinung der Prüfungsabteilung, wonach der Fachmann in Betracht ziehen würde, die erste GRIN-Linse des Systems der Druckschrift D1 durch die Kugellinse und die GRIN-Linse des Systems der Druckschrift D2 zu ersetzen, nicht ohne Weiteres folgen, weil dabei optische Anordnungen mit unterschiedlichen und teilweise unvereinbaren optischen Funktionen in Betracht gezogen werden. So dient die aus einer Kugellinse und einer GRIN-Linse bestehende optische Anordnung nach der Druckschrift D2 als eine Weitfeld-Abbildungsoptik (Spalte 1, Zeilen 4 bis 8), die eine optische Abbildung des Objekts in der Bildebene des optischen Übertragungssystems erzeugt, während in der Druckschrift D1 die Abbildung des Objekts in der Bildebene des optischen Übertragungssystems nicht durch die erste GRIN-Linse, sondern durch die Kombination der ersten und der zweiten GRIN-Linse erzeugt wird, da die Hauptfunktion der ersten GRIN-Linse in D1 darin besteht, das Sichtfeld des abbildenden Systems zu erweitern (Spalte 5, Zeilen 29 bis 31, und Spalte 6, Zeilen 6 bis 15). Daher sind die erste GRIN-Linse des Systems der Druckschrift D1 und die aus einer Kugellinse und einer GRIN-Linse bestehende optische Anordnung der Druckschrift D2 - entgegen der Annahme der Prüfungsabteilung - nicht gegeneinander austauschbar. Auf Basis der Lehre der Druckschrift D2 würde der Fachmann, wenn überhaupt, die aus zwei GRIN-Linsen bestehende Abbildungsoptik der Druckschrift D1 durch die aus der Kugellinse und der GRIN-Linse bestehende Abbildungsoptik der Druckschrift D2 ersetzen, oder die das Sichtfeld erweiternde und als Eintrittslinse dienende erste GRIN-Linse des Systems der Druckschrift D1 durch die ebenfalls das Sichtfeld erweiternde und als Eintrittslinse dienende Kugellinse der Druckschrift D2 (Spalte 2, Zeile 67 bis Spalte 3, Zeile 35, und Spalte 9, Zeilen 15 bis 18) ersetzen, und keine dieser Vorgehensweisen würde zur optischen Anordnung des beanspruchten optischen Systems führen.

Daraus folgt, dass die Ausführungen der Prüfungsabteilung hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale und der erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf Anspruch 1 darauf zurückzuführen sind, dass die Prüfungsabteilung nicht alle beanspruchte Merkmale - insbesondere nicht alle funktionelle Merkmale der zusammenwirkenden optischen Komponenten des beanspruchten Systems - berücksichtigt hat, und dass in jedem Fall eine Kombination der Druckschriften D1 und D2 unter Berücksichtigung der darin enthaltenen Lehren nicht zum beanspruchten optischen System führen würde.

3.2.3 Auch keines der übrigen verfügbaren Dokumente enthält irgendwelche Anregungen, die in Kombination mit Druckschrift D1 ohne erfinderische Tätigkeit zu dem beanspruchten System führen würden.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass das optische System nach dem Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ 1973).

3.3 Wie der Anspruch 1 ist auch der nunmehr als unabhängiger Anspruch umformulierte Anspruch 16 auf eine optische Anordnung für endomikroskopische Anwendungen gerichtet, in der gegenüber dem Anspruch 1 die zweite GRIN-Linse durch die Optik eines Mikroskopaufbaus ersetzt wird (vgl. Nr. 2.2 oben), und wobei die Funktion der dem Kugellinsenelement nachgeordneten GRIN-Linse, d.h. die Divergenzreduktion des divergenten Lichtbündels aus dem Kugellinsenelement, beibehalten wird.

Keine der Druckschriften D1 und D2 gibt einen Hinweis darauf, das darin offenbarte optische System so zu modifizieren, dass es für endomikroskopische Anwendungen einsetzbar wäre, und dieses optische System mit der Optik eines Mikroskopaufbaus in der beanspruchten Weise zu kombinieren. Bereits aus diesem Grund kann der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 16 nicht als für den Fachmann naheliegend angesehen werden.

Die übrigen verfügbaren Dokumente enthalten ebensowenig Anregungen zu der optischen Anordnung nach dem Anspruch 16.

Somit beruht auch die optische Anordnung nach dem unabhängigen Anspruch 16 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

3.4 Der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 15 und 17 bis 21, die sich auf bevorzugte Ausführungsformen der Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 16 richten, beruht ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

4. Einheitlichkeit der Erfindung - Artikel 82 EPÜ 1973

Während des Beschwerdeverfahrens wurde der erstinstanzlich gestellte und von der Prüfungsabteilung zurückgewiesene Antrag auf Rückerstattung der zusätzlichen Recherchengebühr, die wegen festgestellter mangelnder Einheitlichkeit der Anspruchsgruppen 1 bis 21 und 22 entrichtet wurde, nicht mehr weiterverfolgt, und der unabhängige Anspruch 22 ist in dem Anspruchssatz gemäß dem geltenden Antrag auch nicht mehr enthalten. Daher ist die Frage der Einheitlichkeit der Erfindung gemäß den früheren unabhängigen Ansprüchen 1 und 22 für die vorliegende Beschwerde nicht mehr erheblich.

Darüber hinaus folgt aus den in Nr. 3.2.2 und 3.3 oben gemachten Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 16, dass bereits das technische Merkmal, wonach die Divergenz eines von einem Kugellinsenelement übertragenen, stark divergenten Lichtbündels mittels einer GRIN-Linse reduziert wird, bevor das Lichtbündel zwecks mikroskopischer Abbildung des Objekts weiter optisch übertragen wird, einen Beitrag jedes beanspruchten Gegenstands zum Stand der Technik bestimmt und ein besonderes technisches Merkmal im Sinne von Regel 30(1) EPÜ 1973 darstellt, das die Einheitlichkeit der Erfindung im Sinne von Artikel 82 EPÜ 1973 gewährleistet.

5. Da nach Auffassung der Kammer die Patentanmeldung gemäß dem geltenden Antrag und die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, auch den übrigen Erfordernissen des Übereinkommens im Sinne von Artikel 97(1) EPÜ genügen, kann die Erteilung eines Patents in dieser Fassung erfolgen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit der folgenden Fassung zu erteilen:

- Ansprüche: Nr. 1 bis 21, eingereicht mit Schreiben vom 3. August 2015;

- Beschreibung: Seiten 1, 4, 6, 10 und 15, eingereicht mit Schreiben vom 3. August 2015, Seiten 1a, 5 und 7, eingereicht mit Schreiben vom 22. Dezember 2014, und Seiten 2, 3, 8, 9, 11 bis 14 und 16 bis 19 wie ursprünglich eingereicht; und

- Zeichnungen: Fig. 1 bis 8 wie ursprünglich eingereicht.

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