T 2459/10 () of 1.2.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T245910.20130201
Datum der Entscheidung: 01 Februar 2013
Aktenzeichen: T 2459/10
Anmeldenummer: 05020755.4
IPC-Klasse: B60K 5/08
A01D 69/00
A01D 43/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Selbstfahrende Erntemaschine
Name des Anmelders: Maschinenfabrik Bernard Krone GmbH
Name des Einsprechenden: CLAAS KGaA mbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag: nein; Hilfantrag 2: ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat per Fax am 13. Dezember 2010 gegen die am 12. November 2010 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 1 640 201 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 17. März 2011 vorab per Fax eingegangen.

II. Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 gestützt.

Als Stand der Technik hat die Einspruchsabteilung unter anderem folgende Druckschriften berücksichtigt:

D1: DE 84 31 861 U;

D2: US 2 595 336;

D4: DE 26 20 661 A; sowie

D13: DE 37 41 891 A.

Auf die Einreichung eines Hilfsantrags 2 hin hat die Einsprechende im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren folgendes Dokument als der erfinderischen Tätigkeit entgegenstehender Stand der Technik eingereicht:

D14: US 2004/0138026 A.

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) reichte ihre Beschwerdeerwiderung mit Schreiben vom 14. Juli 2011, eingegangen am 18. Juli 2011, ein und fügte die im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 nochmals als Anlage bei.

IV. In Erwiderung auf die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zugestellte Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK, ABl. EPA 2007, 536) reichte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 einen modifizierten Hilfsantrag 2 sowie einen Hilfsantrag 3 ein.

V. Am 1. Februar 2013 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. Die Beschwerdegegnerin nahm den mit Schreiben vom 14. Juli 2011 eingereichten Hilfsantrag 1 sowie den mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 eingereichten Hilfsantrag 3 zurück und ersetzte den Hilfsantrag 2 in der mündlichen Verhandlung durch einen neuen Hilfsantrag 2.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents in vollem Umfang.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder alternativ die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage folgender Unterlagen:

- Anspruch 1 bis 23 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung,

- Beschreibung Spalten 1, 2, 3, 4 und 9 und 10, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalten 5 bis 8 wie erteilt,

- Figuren 1 bis 5 wie erteilt.

VI. Der erteilte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (die Merkmale sind in Anlehnung an die von der Beschwerdeführerin gewählte Merkmalsanalyse nummeriert; die hinzugefügte Nummerierung ist durch Fettdruck gekennzeichnet):

"1. Selbstfahrende Erntemaschine (1), insbesondere Feldhäcksler zum Aufnehmen und Häckseln von Erntegut wie Mais, Grüngut oder dgl.

2. mit einem Fahrgestell, dessen Fahrgestellrahmen sich über Antriebsräder(7) auf dem Boden abstützt,

3. mit einem Fahrantrieb

4. und zumindest einen Antrieb für zumindest ein angetriebenes Arbeits- oder Ernteaggregat, wie eine Gutaufnahme- und -zuführeinrichtung (3),

5. ein Arbeitsaggregat zur Zerkleinerung,

6. einen Auswurfkrümmer (5) für die Gutübergabe,

7. wobei eine variable Gesamtantriebsleistung für sämtliche Antriebe von einer Antriebseinheit (8) bereitgestellt wird,

8. die zumindest zwei Antriebsmotoren (14) umfasst

9. und deren zumindest zwei Antriebsmotoren (14) mindestens eine eine Drehbewegung übertragene gemeinsame Getriebeeinheit (9) zugeordnet ist,

10. mit einer Steuer- und Regeleinrichtung (30),

11. über die der Ablauf für die Zuschaltung von zumindest einem zusätzlichen Antriebsmotors (sic) (23) steuerbar ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

12. von den zumindest zwei Antriebsmotoren (14) ein Antriebsmotors (sic) den Hauptmotor (21) bildet und

13. ein Hauptantriebsstrang (10) der Erntemaschine (1) direkt von vom (sic) Hauptmotor (21) angetrieben wird."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wurde im Vergleich zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag um folgende Merkmale ergänzt (Nummerierung in Fettdruck durch die Kammer hinzugefügt); aufgrund der Formulierung in einteiliger Form wurde der Ausdruck "dadurch gekennzeichnet, dass" vor Merkmal 12 ersetzt durch "wobei":

14. wobei der weitere Antriebsmotor (23) wahlweise zugeschaltet werden kann,

15. wobei nach einem Startsignal für den Mehrmotorenbetrieb durch den Bediener die Steuer- und Regeleinrichtung (30) die Motoren (21, 23, 24) derart regelt, dass sie bezüglich der Drehzahl möglichst synchron laufen, so dass wenn ein Gleichlauf innerhalb einer vorgegebenen Toleranz erreicht ist, eine Kupplung zugeschaltet und damit die Kopplung der Motoren (21, 23, 24) vollzogen wird."

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

D1 beschreibe eine landwirtschaftliche Zugmaschine (Seite 2, 1. Absatz) und explizit einen Maishäcksler, da gemäß D1 kleineren Betriebe durch Adaptierung eines zweiten Motors auf dem Geräteträger kostengünstig ein Einstieg in die Silotechnik (Maishäcksler) erlaubt werde (Seite 7, unter 2.); der Geräteträger aus D1 könne also so konfiguriert werden, dass er als Maishäcksler arbeite. In D2 sei eine Traktor-Häckslerkombination gezeigt, wobei es seit Ende der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts bekannt sei, Traktor und Häcksler zusammenzufassen. Da Merkmal 1 des Anspruchs 1 nicht näher spezifiziere, welche technischen Merkmale eine "selbstfahrende Erntemaschine" qualifizierten, seien entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung auch die in D1 und D2 offenbarten Systeme selbstfahrende Erntemaschinen gemäß Merkmal 1. Auch das Streitpatent gehe in seiner Beschreibungs einleitung von einer selbstfahrenden Erntemaschine als Stand der Technik aus (Absatz [0003]), beschreibe dann eine landwirtschaftliche Zugmaschine oder einen Schlepper (Absatz [0005] und [0006]) und bezeichne einen im Anschluss daran beschriebenen Lastwagen oder Omnibus als gattungsfremd (Absatz [0007]). Damit lege das Streitpatent selbst den Begriff der selbstfahrenden Erntemaschine so weit aus, dass auch eine Zugmaschine oder ein Schlepper unter diesen Begriff fielen und gattungsgemäß seien.

Zwar werde in D1 in Verbindung mit dem genannten Leistungsregler (Seite 6 oben) keine Steuerung des Ablaufs für die Zuschaltung des zweiten Motors offenbart. Aber D1 offenbare (Seite 5 unter V.1), dass von den beiden gemeinsam auf das Getriebe wirkenden Motoren wahlweise nur ein Motor oder beide Motoren gleichzeitig betreibbar seien, wobei der zweite Motor abschaltbar sei. Der Fachmann lese dabei eine Zuschaltung des zweiten Motors bei erhöhtem Leistungsbedarf mit, so dass zumindest implizit der Ablauf der Zuschaltung des zweiten Motors in D1 offenbart sei. Auch D2 zeige die Merkmale 10 und 11, indem der Traktormotor als zusätzlicher Motor durch Betätigung einer Kupplung als Steuer- und Regeleinrichtung zugeschaltet werde. Die Merkmale 10 und 11 von Anspruch 1 in der erteilten Fassung lieferten keine Anhaltspunkte dafür, auf welche Weise oder mit welchen Mitteln eine Zuschaltung von zumindest einem zusätzlichen Antriebsmotor erfolgen solle. Insbesondere sei kein Eingreifen in einem Zeitfenster und in die Betriebszustände der Motoren bzw. kein konkreter Ablauf der Zuschaltung beansprucht. Die Merkmale 10 und 11 forderten nur, dass die Steuer- und Regeleinrichtung den Zuschaltvorgang des zweiten Motors steuere. Anspruch 1 enthalte keine aktive Synchronisierung der beiden Motoren; insbesondere forderten die Merkmale 10 und 11 nicht, dass die Steuer- und Regeleinrichtung zur Angleichung der Drehzahlen beider Motoren die Drehzahl eines Motors absenke und die des anderen Motors erhöhe.

Im Sinne des Streitpatents könne auch in einem Ausführungsbeispiel mit zwei baugleichen Motoren ein Hauptmotor gemäß Merkmal 12 identifiziert werden, und Patentanspruch 1 enthalte auch kein konkretisierendes Merkmal für den Hauptantriebsstrang gemäß Merkmal 13. Der mit Merkmal 13 spezifizierte direkte Antrieb sei nicht näher definiert und umfasse im Sinne des Streitpatents eine mittels einer schaltbaren Kupplung hergestellte Verbindung zwischen Hauptmotor und Hauptantriebsstrang. Der direkte Antrieb sei auch nicht auf eine Ausführung beschränkt, bei der der Hauptmotor unter Umgehung des gemeinsamen Getriebes den Hauptantriebsstrang antreibe.

D1 und D2 offenbarten demnach jeweils alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents.

Anspruch 1 des Streitpatents sei nicht erfinderisch, da ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Anmeldung von D1 (1984) selbstfahrende Maishäcksler schon bekannt gewesen seien. Auch wenn D1 kein Ablaufverhalten für die Zuschaltung des zweiten Motors zeigen sollte, so sei dieses Merkmal angesichts der Kenntnisse des Fachmanns der Antriebstechnik naheliegend. Die Einspruchsabteilung habe im Übrigen anerkannt, dass das Vorsehen einer gewissen Regelung bei Zuschaltung eines zweiten Motors für den Fachmann naheliegend sei. In jedem Falle sei eine Kopplung von Motoren im vorliegenden druckschriftlichen Stand der Technik gezeigt. Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung offenbare D13 sehr wohl, wie der Ablauf der Zuschaltung beschaffen sei. D13 zeige neben einer elektronischen Steuerung für die Einspritzung, die Anlasser und die beiden Schaltkupplungen von zwei Motoren (Spalte 2, Zeilen 39 bis 46) eine klare Anleitung für die Zusammenschaltung beider Motoren (Spalte 3, Zeilen 18 bis 24). Dabei könne jeder der beiden Motoren einmal "Hauptmotor" sein, so dass D13 die Merkmale 11 und 12 offenbare. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei also nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination der Dokumente D1 und D13.

Gegenüber Hilfsantrag 2 erhebe man keine formellen Einwände mehr. Das zusätzliche Merkmal einer wahlweisen Zuschaltung des weiteren Antriebsmotors sei bereits aus den im Verfahren befindlichen Dokumenten bekannt (siehe z. B. D1, D13), und D14 offenbare (siehe Abschnitte [0025], [0026], Ansprüche 18, 19, 20) alle darüber hinausgehenden Merkmale von Anspruch 1.

Dokument D14 sei sowohl im Einspruchsverfahren als auch im Beschwerdeverfahren sofort vorgelegt worden, als die Patentinhaberin bzw. Beschwerdegegnerin Hilfsantrag 2 eingereicht habe, und sei aufgrund seiner Prima-facie-Relevanz zuzulassen.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 spezifiziere ein Startsignal für den Mehrmotorenbetrieb durch den Bediener und die Kopplung der Motoren bei synchroner Drehzahl und damit die Ausgestaltung des Zuschaltablaufs für den weiteren Motor. Nachdem bei Kombination der Dokumente D1 und D13 das Thema der Synchronisation von D13 nicht angesprochen werde, würde der Fachmann die Druckschrift D14 in Betracht ziehen. Anspruch 1 sage nichts darüber, wie beide Motoren zu regeln seien, sondern nur, dass die Steuer- und Regeleinrichtung so zu wirken habe, dass am Ende eine Kopplung der beiden Motoren hergestellt werden könne. Da es nur um die Kopplung von Motoren gehe, suche der betreffende Fachmann im Bereich der Antriebstechnik und stoße dabei auf Dokument D14. D14 zeige (siehe Ansprüche 18 bis 20) eine "power unit" mit zwei Motoren, wobei eine Steuereinheit bei entsprechender Anforderung an das Motormoment den zweiten Motor starte und diesen bei Erreichen einer synchronen Drehzahl durch Schalten einer Kupplung mit dem ersten Motor verbinde. D13 zeige auch kein Bediener-Startsignal für den Mehrmotorenbetrieb. Dies sei aber für den Fachmann naheliegend oder in D4 gezeigt (wobei D4 nicht unbedingt eingeführt werden müsse) oder gehe implizit aus der in D1 beschriebenen Zu- bzw. Abschaltbarkeit des zweiten Motors hervor.

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:

Eine Gerätekombination aus Zugmaschine und gezogener Erntemaschine wie in D1 oder D2 gezeigt erfülle nicht das Teilmerkmal 1 der selbstfahrenden Erntemaschine, da die von der Zugmaschine zu unterscheidende Erntemaschine gezogen und als gezogenes Erntegerät nicht selbstfahrend sei. Allein deshalb könne weder D1 noch D2 den Gegenstand des Patentanspruchs 1 vorwegnehmen. Im Streitpatent werde gattungsgemäß von einer aus der DE 200 07 994 U1 bekannten selbstfahrenden Erntemaschine ausgegangen, und der Fachmann wisse auch ohne explizite Kennzeichnung des zitierten Standes der Technik in der Beschreibungseinleitung durch "gattungsgemäß" bzw. "gattungsfremd", was die Gattung "selbstfahrende Erntemaschine" umfasse.

Die Merkmale 10 und 11 forderten, dass über die Steuer- und Regeleinrichtung der "Ablauf für die Zuschaltung" von zumindest einem zusätzlichen Antriebsmotor steuerbar sei, also nicht (wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen), dass die Steuer- und Regeleinrichtung den Zuschaltvorgang des zweiten Motors steuere. Ein Ablauf könne nicht punktuell erfolgen, so dass es sich um ein Zeitfenster handele, innerhalb dessen die Zuschaltung abzulaufen habe, worauf das Streitpatent in den Absätzen [0013] bis [0015] sowie in Absatz [0037] bei Erläuterung der Ausführungsbeispiele hinweise. Aus den Merkmalen 10 und 11 ergebe sich für den Fachmann also die klare Lehre, dass es sich nicht um einen Zeitpunkt des Zuschaltens handele, sondern um das Zeitfenster, in dem die Steuer- und Regeleinrichtung die beiden Motoren so steuere, dass die Zuschaltung im Gleichlauf erfolge. Da der z. B. für einen Häcksler vorgesehene Motor der Erntemaschine mit einer höheren Drehzahl laufe als der normale Motor für den Fahrantrieb, sei bei erhöhtem Kraftbedarf des Häckslers zur Vermeidung von Schäden keine direkte Verbindung zwischen beiden Motoren herstellbar, sondern die Steuer- und Regeleinrichtung müsse während eines Zeitfensters aktiv in Bezug auf die zu koppelnden Motoren so eingreifen, dass ein Gleichlauf zwischen beiden Motoren erreicht werde. Es sei dabei nicht erforderlich, im Patentanspruch 1 die Mittel für eine derartige Zuschaltung anzugeben, aber zum Steuern des Ablaufes müsse etwas vorgesehen sein wie die beanspruchte Steuer- und Regeleinrichtung, welche auf die Motoren einwirken könne. Auch wenn D1 zumindest implizit eine gemeinsame Leistungsregelung der beiden Motoren im gekoppelten Zustand zeige, so sei damit keine Steuer- und Regelungseinrichtung gemäß Merkmal 11 realisiert. Es sei auch kein Dokument im Verfahren, welches aktiv die Synchronizität zweier Motoren einstelle und erst dann die Kupplung zuschalte. Im Übrigen seien gerade die Merkmale 10 und 11 - nicht das Merkmal 1 - das entscheidende und patentwürdige Merkmal der Erfindung.

Mit den Merkmalen 12 und 13 werde zum Ausdruck gebracht (siehe Patentschrift, Absatz [0020] und [0028]), dass zumindest zwei Antriebsmotoren vorgesehen seien, von denen einer den Hauptmotor bilde, der unmittelbar dem Hauptantriebsstrang zugeordnet sei und direkt ohne ein dazwischen geschaltetes Getriebe den Hauptantriebsstrang antreibe. D1 sei zu entnehmen (siehe Seite 5), dass der Kraftschluss des zweiten Motors so zu gestalten sei, dass beide Motoren gemeinsam auf das Getriebe wirkten.

Gehe man von D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus, so seien in D1 die Merkmale 1, 4, 6, 10, 11 und 13 nicht gezeigt. Auch wenn D1 einen zuschaltbaren zusätzlichen Antriebsmotor zeige, so könne diese Zuschaltung durch den Fahrer über einen Hebel und eine Kupplung erfolgen, d. h. es sei keine Steuer- und Regeleinrichtung gezeigt, die den Ablauf für die Zuschaltung steuere.

D13 offenbare ein Kraftfahrzeug mit Umschaltautomatik für zwei leistungsgleiche Verbrennungsmotoren, die möglichst gleichmäßig belastet werden sollten, und beschreibe (Spalte 2, Zeilen 39 bis 46) nur die normale Steuerung der beiden Motoren durch eine Motorsteuerung, was nichts mit der Art und Weise des Ablaufs für die Zuschaltung eines zusätzlichen Antriebsmotors zu tun habe. Auch sei in D13 kein den Hauptantriebsstrang direkt antreibender Hauptmotor gemäß Merkmal 13 verwirklicht, da der Antrieb immer über das gemeinsame Summiergetriebe erfolge. Die Kombination von D1 mit D13 könne also nicht zum Gegenstand des Patentes führen.

Nachdem die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht auf das (im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren erst kurz vor der mündlichen Verhandlung verspätet eingereichte) Dokument D14 zurückgegriffen habe, sei D14 nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens und verspätet vorgebracht. Es sei im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren auch nicht über die Zulassung von D14 entschieden worden.

Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hilfsantrag 2 bringe noch deutlicher zum Ausdruck, dass die Steuer- und Regeleinrichtung erst nach dem Startsignal für den Mehrmotorenbetrieb durch den Bediener aktiv werde. Die Beschwerdeführerin habe die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gegenüber einer Kombination der Dokumente D1 und D13 und D14 mit dem Fachmann oder Dokument D4 oder dem impliziten Offenbarungsgehalt von D1 in Frage gestellt. In D1 werde zur Kopplung der beiden Motoren nichts gesagt. D13 zeige kein aktives Einwirken der Steuer- und Regeleinrichtung innerhalb eines Zeitfensters auf beide Motoren zur Erzielung eines Gleichlaufs, wie nun erstmalig in Anspruch 1 definiert. Dies gelte auch für Dokument D14. D14 zeige eine zentrale Steuereinheit zur Steuerung von zwei Motoren; sei eine Zuschaltung des zweiten Motors gewünscht, so laufe aktiviert von einer Starterkupplung der zweite Motor angeschleppt vom ersten Motor selbständig hoch, bis ein synchroner Lauf beider Motoren erreicht sei und beide Motoren gekoppelt würden, wobei auch eine Einstellung der Phasenwinkel erfolge (siehe Absatz [0026]). Es stelle sich die Frage, ob der Fachmann die D14 überhaupt in Betracht ziehen und die darin gezeigte Antriebseinheit ("power unit") auf eine Erntemaschine übertragen würde. In der von der Beschwerdeführerin angeführten Druckschrift D4 sei noch nicht einmal eine Steuer- und Regeleinrichtung offenbart.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag der Beschwerdegegnerin - Neuheit gegenüber Dokument D1 oder D2 (Artikel 54 (1) EPÜ 1973)

2.1 Dokument D1 zeigt eine landwirtschaftliche Zugmaschine bzw. einen Geräteträger mit zwei Antriebsmotoren (siehe Seite 5), wobei der zweite Motor zum Betrieb eines gezogenen Mähdreschers verwendet werden kann oder die Verwendung des Mähdreschermotors mit dem Geräteträger einen kostengünstigen Einstieg in die Silotechnik (Maishäcksler) erlaubt (siehe Seite 7, Punkt 2.). Damit ist zum einen explizit eine gezogene Erntemaschine offenbart, die nach Auffassung der Kammer von einer selbstfahrenden Erntemaschine zu unterscheiden ist. Zum anderen wird die landwirtschaftliche Zugmaschine in Verbindung mit einem Maishäcksler gebracht, wobei D1 allerdings keinerlei Hinweis gibt zu der konkreten Realisierung dieses Maishäckslers und insbesondere offen lässt, ob dieses Ernteaggregat auf dem Geräteträger selbst angebracht oder beispielsweise in Form eines gezogenen Anhängers realisiert ist. In Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, die von einem engen Neuheitsbegriff ausgeht, kann deshalb dem Dokument D1 nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden, dass der in D1 explizit genannte Maishäcksler selbstfahrend ausgebildet ist. Eine selbstfahrende Erntemaschine gemäß Merkmal 1 des Anspruchs 1 kann dem Dokument D1 also nicht zweifelsfrei entnommen werden.

2.2 Auch das aus dem Jahr 1952 stammende Dokument D2 zeigt eine von einem Traktor gezogene Erntemaschine und damit keine selbstfahrende Erntemaschine im Sinne von Merkmal 1 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Wie von der Beschwerdeführerin eingeräumt, wurden erst Ende der Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts gezogene Feldhäcksler wie in D2 mit Zugmaschinen zusammengefasst.

2.3 Die Kammer kann der Beschwerdeführerin nicht darin folgen, dass der Ausdruck "selbstfahrende Erntemaschine" nicht spezifiziere, welche technischen Merkmale darunter zu verstehen seien. Eine Erntemaschine ist eine zur Ernte von landwirtschaftlichen Produkten eingesetzte Maschine, und in selbstfahrender Ausbildung verfügt diese über einen eigenen Antrieb, so dass keine zusätzliche Zugmaschine erforderlich ist. Diese Ausbildung ist den Dokumenten D1 oder D2 nicht zweifelsfrei zu entnehmen.

Auch aus dem in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents aufgeführten Stand der Technik lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht ableiten, dass landwirtschaftliche Zugmaschinen oder Schlepper - im Gegensatz zu explizit als gattungsfremd bezeichneten Lastkraftwagen oder Omnibussen - unter den Gattungsbegriff "selbstfahrende Erntemaschine" fallen, da die Beschreibung nicht zwingend eine Kennzeichnung des zitierten Standes der Technik als gattungsgemäß oder gattungsfremd enthalten muss.

2.4 Da die von der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Neuheit angezogenen Dokumente D1 oder D2 nicht alle Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zeigen, ist die Neuheit des Gegenstands von Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag anzuerkennen.

3. Hauptantrag der Beschwerdegegnerin - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973)

3.1 D1 zeigt eine landwirtschaftliche Zugmaschine mit einem Fahrantrieb bzw. einer Antriebseinheit umfassend zwei Antriebsmotoren, die gemeinsam auf das Getriebe des Fahrzeuges wirken können (siehe Seite 5, Punkt 1.) und eine variable Gesamtantriebsleistung bereitstellen (Seite 7, Punkt 1.1), wobei der Motor des Grundfahrzeuges als Basismotor (Seite 4, Punkt 3.1) bzw. Hauptmotor aufzufassen ist (Merkmale 3, 7, 8, 9, 12). Der Fachmann liest auch einen Fahrgestellrahmen und Antriebsräder mit (Merkmal 2). Die Zugmaschine aus D1 wird beispielsweise explizit (Seite 7, Punkt 2.) für den Betrieb von gezogenen Mähdreschern eingesetzt sowie in Verbindung mit einem Maishäcksler genannt (Teilmerkmal "Erntemaschine" von Merkmal 1 sowie Merkmal 5).

3.2 Die Beschwerdegegnerin sah einen Unterschied gegenüber der Lehre von D1 in den Merkmalen 1, 4, 6, 10, 11, 13.

3.2.1 Wie bereits in Bezug auf Neuheit ausgeführt, folgt die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass aus D1 keine "selbstfahrende Erntemaschine" gemäß Merkmal 1 hervorgeht. Da D1 keine weiteren Details zu dem angesprochenen Maishäcksler offenbart, ist auch zumindest nicht explizit ein Auswurfkrümmer für die Gutübergabe gemäß Merkmal 6 aus D1 bekannt.

Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin auch darin überein, dass dem Dokument D1 nicht zu entnehmen ist, dass über die Steuer- und Regeleinrichtung der Ablauf für die Zuschaltung des zweiten Motors steuerbar ist, wie mit Merkmal 11 gefordert. Zwar zeigt D1 eine gemeinsame Leistungsreglung (Seite 6 oben) sowie eine Steuerung des zweiten Motors im entkoppelten Zustand über ein separates Regelungssystem, aber D1 schweigt sich darüber aus, wie die Zuschaltung des zweiten Antriebsmotors (siehe Seite 5, Punkt 1.) erfolgt. Nach Auffassung der Kammer verlangt Merkmal 11 - auch wenn dieses Merkmal sehr allgemein formuliert ist - mehr als eine bloße Zuschaltung des zusätzlichen Antriebsmotors wie in D1 angesprochen, denn gemäß Merkmal 11 muss der Ablauf für die Zuschaltung über eine Steuer- und Regeleinrichtung steuerbar sein und setzt damit für den Zuschaltvorgang eine Einwirkung über eine Steuer- und Regeleinheit voraus. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin spezifiziert Merkmal 11 also durchaus ein Mittel (und zwar die Steuer- und Regeleinrichtung), welches für die Zuschaltung des zusätzlichen Motors verantwortlich ist. Dies ist in D1 weder explizit noch implizit gezeigt, da außer einem wahlweisen Betrieb mit einem oder zwei Motoren keine weiteren Details bezüglich der Zuschaltung gezeigt sind, insbesondere auch nicht, ob die Zuschaltung beispielsweise manuell durch den Bediener oder über eine Regeleinrichtung erfolgt.

3.2.2 Die Kammer teilt dabei jedoch nicht die Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass es sich bei dem beanspruchten Begriff "Ablauf für die Zuschaltung" in jedem Falle um ein aktives Eingreifen in einem Zeitfenster bezogen auf die zu koppelnden Motoren handeln muss mit dem Ziel, Gleichlauf zwischen beiden Motoren zu erreichen. Der Wortlaut von Merkmal 11 impliziert allenfalls, dass zumindest Kriterien - und damit ein "Ablauf für die Zuschaltung" - definiert sein müssen, nach denen die Zuschaltung des zusätzlichen Antriebsmotors über die Steuer- und Regeleinrichtung steuerbar ist, aber keine aktive Synchronisierung beider Motoren.

3.2.3 Allerdings offenbart D1 (Seite 6, zweite Zeile), dass die gekoppelten Motoren "beide über eine gemeinsame Leistungsregelung gesteuert" werden, und damit eine Steuer- und Regeleinrichtung gemäß Merkmal 10.

Der Basis- bzw. Hauptmotor aus D1 (Figur 1: Motor 1) treibt den Fahrantrieb (57) und damit einen Hauptantriebsstrang der Erntemaschine direkt an, wie in Merkmal 13 spezifiziert. Die Beschwerdegegnerin führte zwar aus, dass mit "direkt angetrieben" ein Antrieb "ohne ein dazwischen geschaltetes Getriebe" gemeint sei. Sie verweist dabei selbst auf Absatz [0028] im Streitpatent, wonach der direkte Durchtrieb des Hauptmotors auf den Hauptantriebsstrang über ein Stirnradgetriebe und eine Kupplung erfolgt. Der gemäß Merkmal 13 spezifizierte direkte Antrieb ist nach Auffassung der Kammer demnach entsprechend weit auszulegen, so dass auch die Verbindung des Motors 1 aus D1 mit dem Fahrantrieb 57 über ein Sammelgetriebe dieses Merkmal 13 trifft.

Da der in D1 gezeigte Motor 2 (siehe Figur 1 sowie Anspruch 1) auf Motorzapfwellenanschlüsse 30, 31 wirkt, die (siehe Seite 7, Punkt 2.) beispielsweise zum Antrieb eines gezogenen Mähdreschers oder in Verbindung mit einem Maishäckslers nutzbar sind, zeigt D1 auch einen Antrieb für zumindest ein angetriebenes Arbeits- oder Ernteaggregat im Sinne von Merkmal 4. Auch wenn die Beschwerdegegnerin dazu nicht weiter vorgetragen hat, so wird seitens der Kammer bemerkt, dass Merkmal 4 keinen Antrieb "für ein selbstfahrendes Arbeits- oder Ernte aggregat" sondern einen Antrieb "für ein angetriebenes Arbeits- oder Ernteaggregat" spezifiziert; der in D1 (Seite 7, Punkt 2.) gezeigte zweite Motor wird in diesem Sinne verwendet, entweder zum Antrieb eines gezogenen Mähdreschers oder in Verbindung mit einem Maishäcksler.

3.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich also in den Merkmalen 1, 6 und 11 von der in D1 gezeigten Erntemaschine. Die Merkmale 1 und 6 ("selbstfahrende Erntemaschine", "Auswurfkrümmer für die Gutübergabe") betreffen dabei die Ausbildung der in D1 gezeigten landwirtschaftlichen Zugmaschine - in D1 auch als Geräteträger bezeichnet - zu einer angetriebenen bzw. selbstfahrenden Erntemaschine. Das unterscheidende Merkmal 11 hingegen betrifft die Zuschaltung des zusätzlichen Antriebsmotors und steht in keinem funktionellen oder strukturellen Zusammenhang mit dem erstgenannten Unterschied. Damit betreffen die unterscheidenden Merkmale zwei unterschiedliche Aufgabenstellungen.

3.4 Ausgehend von den unterscheidenden Merkmalen 1 und 6 stellt sich die Teilaufgabe, eine Erntemaschine mit Arbeits- oder Ernteaggregaten in ihrer konkreten Ausgestaltung zu definieren. Von der Beschwerdeführerin wurde behauptet und von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, dass spätestens seit etwa 1970 ursprünglich von Zugmaschinen gezogene Erntemaschinen (beispielsweise Mähdrescher oder Feld- bzw. Maishäcksler) mit der Zugmaschine zu einer Baueinheit zusammengefasst wurden. Eine selbstfahrende Erntemaschine gemäß Merkmal 1 kann nach Auffassung der Kammer deshalb ausgehend von dem aus dem Jahre 1984 stammenden Dokument D1 keine erfinderische Tätigkeit begründen, wobei auch die Beschwerdegegnerin einräumte, dass Merkmal 1 nicht patentwürdig sei.

Wendet man diese Entwicklung bei Erntemaschinen auf den in D1 angesprochenen Feld- bzw. Maishäcksler an, so ist es naheliegend, dass der Fachmann bei dessen Ausbildung als selbstfahrende Erntemaschine auch einen Auswurf krümmer für die Gutübergabe vorsehen wird wie in Merkmal 6 spezifiziert, um das anfallende Erntegut zu übergeben.

Ausgehend von D1 und der gestellten Teilaufgabe gelangt der Fachmann also in naheliegender Weise zu einer selbstfahrenden Erntemaschine mit einem Auswurfkrümmer für die Gutübergabe gemäß Merkmal 1 und 6.

3.5 Die mit dem unterscheidenden Merkmal 11 gelöste Teilaufgabe kann darin gesehen werden, den Übergang vom Einmotorenbetrieb der Erntemaschine aus D1 zu einem Zweimotorenbetrieb bei einer die Drehbewegung übertragenden gemeinsamen Getriebeeinheit (wie in Merkmal 9 definiert) zu koordinieren. Die Kammer folgt den Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass es den Kenntnissen eines Fachmanns der Antriebstechnik zuzurechnen ist, den Ablauf der Zuschaltung eines zweiten Motors zu steuern, insbesondere wenn beide Motoren auf ein gemeinsames Getriebe wirken sollen. Dieses Fachwissen ist beispielsweise durch die Druckschrift D13 belegt, wo nicht nur (wie von der Beschwerdegegnerin mit Bezug auf Spalte 2, Zeilen 39 bis 46 behauptet) eine normale Steuerung von zwei Motoren durch eine Motorsteuerung beschrieben wird, sondern auch ein Ablauf für die Zuschaltung eines zweiten Motors auf ein gemeinsames Summiergetriebe (Spalte 3, Zeilen 18 bis 24), z. B. durch Anwerfen des Motors vom noch laufenden Motor bei gleichzeitiger entsprechender Einstellung der Füllung über die Füllungssteuerung. Es braucht nicht näher darauf eingegangen werden, ob D13 einen direkt vom Hauptmotor angetriebenen Hauptantriebsstrang gemäß Merkmal 13 zeigt, da dieses Merkmal bereits aus D1 bekannt ist.

Der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht näher spezifizierte Ablauf der Zuschaltung eines zusätzlichen Antriebsmotors gemäß Merkmal 11 kann damit ebenfalls nicht als erfinderisch angesehen werden.

3.6 Da weder die Merkmale 1 und 6 noch Merkmal 11 einen erfinderischen Beitrag gegenüber der aus D1 bekannten Erntemaschine liefern und beide Merkmalsgruppen auch nicht in synergetischer Weise verbunden sind, kann der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden (Artikel 56 EPÜ 1973).

4. Hilfsantrag 2 der Beschwerdegegnerin

4.1 Zulässigkeit:

Die zusätzlichen Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 betreffen die wahlweise Zuschaltung des weiteren Antriebsmotors sowie den Ablauf der Zuschaltung, wobei durch den Bediener gestartet die Motoren auf eine möglichst synchrone Drehzahl geregelt und anschließend durch Zuschaltung einer Kupplung gekoppelt werden. Diese Merkmale sind in den Absätzen [0030] und [0037] der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart, so dass sie nach Auffassung der Kammer nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus gehen (Artikel 123 (2) EPÜ), und klar formuliert (Artikel 84 EPÜ 1973). Die Beschwerdeführerin hatte im Übrigen keine formellen Einwände gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrags 2.

4.2 Zulassung von Dokument D14 in das Beschwerdeverfahren:

Es ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung nicht auf Dokument D14 hingewiesen hat, welches im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren erst nach Einreichen des Einspruchsschriftsatzes vorgelegt wurde, da Dokument D14 und insbesondere dessen Zulassung im Einspruchsverfahren nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung war. Darüber hinaus ist der Verweis der Beschwerdeführerin auf Dokument D14 in dem am 9. Februar 2012 beim EPA eingegangenen Fax in Reaktion auf die Einreichung des Hilfsantrags 2 durch die Beschwerdegegnerin mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 14. Juli 2011 erfolgt, in dem der Gegenstand von Anspruch 1 durch Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung auf eine synchrone Zuschaltung des zusätzlichen Antriebsmotors eingeschränkt wurde. Es ist dabei unerheblich, dass der vorliegende Hilfsantrag 2 gegenüber der Fassung, die im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren sowie mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht wurde, durch Aufnahme eines weiteren Merkmals geringfügig modifiziert wurde.

Die Kammer sieht Dokument D14 deshalb nicht als verspätet vorgebracht an und lässt Dokument D14 in das Verfahren zu.

4.3 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973):

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wurde im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags um die Merkmale 14 und 15 ergänzt.

Ein wahlweises Zuschalten des weiteren Antriebsmotors gemäß Merkmal 14 ist bereits in D1 gezeigt (Seite 5, Punkt 1.) und stellt deshalb keine Abgrenzung gegenüber D1 als nächstliegendem Stand der Technik dar.

Mit Merkmal 15 wird der in Merkmal 11 angesprochene Ablauf für die Zuschaltung des zusätzlichen Antriebsmotors näher spezifiziert, und zwar werden nach einem Startsignal für den Mehrmotorenbetrieb durch den Bediener die Motoren auf eine möglichst synchrone Drehzahl geregelt, bevor eine Kopplung der Motoren durch Zuschalten einer Kupplung erfolgt. Dieses weitere unterscheidende Merkmal löst auch die in Bezug auf Merkmal 11 definierte zweite Teilaufgabe, den Übergang vom Einmotorenbetrieb der Erntemaschine zu einem Zweimotorenbetrieb bei einer die Drehbewegung übertragenden gemeinsamen Getriebeeinheit zu koordinieren.

Setzt man als relevanten Fachmann wieder den Fachmann der Antriebstechnik an, so folgt die Kammer der Beschwerdeführerin darin, dass der Fachmann neben der Lehre von D13 auch Dokument D14 berücksichtigen würde, worin eine Kopplung zweier Verbrennungsmotoren bei entsprechendem Leistungsbedarf beschrieben wird (siehe Absatz [0025] und [0026]). Der Beschwerdeführerin ist auch zuzustimmen, dass Anspruch 1 nicht notwendigerweise ein aktives Einwirken einer Steuer- und Regeleinrichtung auf beide Motoren fordert. Beansprucht ist, dass "die Steuer- und Regeleinrichtung die Motoren derart regelt, dass sie bezüglich der Drehzahl möglichst synchron laufen", was ohne Details zur Art der Regelung nur das durch die Regelung der Motoren angestrebte Ergebnis eines Gleichlaufs der Motoren spezifiziert. Diese Lehre, welche nicht aus D13 hervorgeht, würde der Fachmann in D14 finden.

Allerdings führt eine Kombination von Dokument D1 mit D14, auch unter Berücksichtigung von D13, noch nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2. Wie auch von der Beschwerdeführerin eingeräumt, zeigt D13 kein Bediener-Startsignal für den Mehrmotorenbetrieb, und auch in D14 wird die Kopplung der beiden Motoren nicht durch eine Vorgabe des Bedieners eingeleitet, sondern (siehe Anspruch 18) wenn ein Motormoment oberhalb eines vorgegebenen Wertes angefordert wird. Da D1 keinerlei Hinweise gibt, wie die Zuschaltung des zweiten Motors erfolgt, und in D4 nicht einmal eine Steuer- und Regeleinrichtung gezeigt ist, bekommt der Fachmann auch unter Berücksichtigung der Lehre von D1 oder D4 keinen Hinweis auf die gemäß Merkmal 15 beanspruchte Lösung, die Regelung der Motoren durch ein Startsignal des Bedieners für den Mehrmotorenbetrieb auszulösen. Die Kammer vermag auch der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, dass ausgehend von D1 und unter Berücksichtigung von D13 und D14 der Fachmann mit seinem Fachwissen zu der erfindungsgemäßen Lösung gelangen würde. Da die Kombination von D1 mit D13 und D14 schon eine in sich geschlossenen Lösung bietet mit einem definierten Kriterium für das Zuschalten des zweiten Motors, ist nicht nachvollziehbar, wieso die bei Kombination dieser Dokumente automatische Zuschaltung des zweiten Motors im Falle einer erhöhten Momentenanforderung ersetzt oder ergänzt werden sollte durch eine bedienergesteuerte Zuschaltung. Dies würde der Fachmann nach Auffassung der Kammer nur bei rückschauender Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung vorsehen. Diese Schlussfolgerung ist unabhängig davon, ob D13 noch Merkmale von Anspruch 1 zeigt, die nicht aus D14 bekannt sind.

Umgekehrt war die Kammer - unter der Annahme, dass die in D1 oder auch D4 gezeigte landwirtschaftliche Zugmaschine zumindest implizit eine durch den Bediener gesteuerte Zuschaltung des zusätzlichen Antriebsmotors zeigen sollte - auch nicht davon überzeugt, dass der Fachmann eine solche manuelle Zuschaltmöglichkeit bei einer landwirtschaftlichen Maschine in naheliegender Weise kombinieren würde mit der in D14 für ein Kraftfahrzeug beschriebenen automatischen Zusammenschaltung zweier mehrzylindriger Verbrennungsmotoren. In D14 erfolgt diese Zusammenschaltung mit dem Ziel, für den gelegentlichen Fall einer erhöhter Momentenanforderung einen Verbrennungsmotor mit höherer Zylinderzahl bereitzustellen, wobei bei Kopplung der Kurbelwellen beider Motoren auch auf die richtige Phasenlage geachtet werden muss. Das Konzept einer solchen automatischen Zuschaltung würde dem Konzept einer manuellen Zuschaltung widersprechen, da der Bediener dann nicht mehr die Kontrolle über die Zuschaltung des weiteren Antriebsmotors behalten würde. In diesem Fall wäre sogar fraglich, ob der Fachmann ausgehend von D1 die Lehre von D14 überhaupt in Betracht ziehen würde.

4.4 Somit erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hilfsantrag 2 die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ 1973.

5. Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hilfsantrag 2 mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 23 und der daran angepassten Beschreibung und den vorliegenden Zeichnungen bilden daher eine geeignete Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 23 gemäß Hilfsantrag 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung,

- Beschreibung Spalten 1, 2, 3, 4 und 9 und 10, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalten 5 bis 8 wie erteilt,

- Figuren 1 bis 5 wie erteilt.

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